Fachverband Matratzenindustrie

Neuer Schwung am neuen Standort


Wuppertal. Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Ökologie sind auch in der Matratzenbranche zentrale Zukunftsthemen. Sie standen bei der Jahrestagung des Matratzenverbandes am neuen Verbandsstandort in Wuppertal im Mittelpunkt der Diskussion, der sich auch Vertreter des Chemieriesen BASF stellten - eine vertrauensbildende Maßnahme nach dem TDI-Störfall im Herbst 2017.

Es war die erste Verbandsversammlung unter der Ägide des neuen Geschäftsführers Martin Auerbach. Dass sie in Wuppertal stattfand, war kein Zufall: Am 22. November des letzten Jahres ist der Verband von Essen in die bergische Metropole gezogen. "Der Matratzenverband hat jetzt eine echte Heimat", freute sich Auerbach mit Blick auf die deutliche räumliche Verbesserung, die gleichzeitig auch eine inhaltliche ist. Denn der Verband ist jetzt Teil dessen, was Auerbach als Kompetenzzentrum Textil und Sonnenschutz bezeichnete. Nach der Tagung hatten die Mitglieder Gelegenheit, die neuen Räume zu besichtigen.

Im gleichen Hause untergebracht sind der Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie sowie der Verband innenliegender Sicht- und Sonnenschutz (ViS), deren Geschäfte ebenfalls von Auerbach geleitet werden. Die Bündelung der jeweils rechtlich selbständigen Fachverbände unter einem Dach bringt auch ein gesteigertes Selbstbewusstsein mit sich: "Wir müssen deutlich machen, dass wir jetzt breitere Schultern haben", unterstrich Auerbach in Wuppertal. Es gelte, durch Sacharbeit zu überzeugen. Und: "Wir haben auch noch Platz für weitere Verbände."

Auch Thomas Bußkamp verbreitete als Vorstandsvorsitzender des Matratzenverbandes so etwas wie Aufbruchstimmung: "Der Verband ist gut aufgestellt", beschied der CEO der EuroComfort Group. "Für mich ist wichtig, dass wir unsere Kräfte angesichts der anstehenden Aufgaben bündeln." Dabei hatte Bußkamp nicht nur inhaltliche Themen wie die Frage des Matratzen-Recyclings im Blick, sondern auch die Kostenstrukturen des Verbandes. "Wir haben mit unserem Zusammengehen eine gute Entscheidung getroffen." Das unterstrichen auch Otmar Ihling als Vorsitzender des Heimtex-Verbandes sowie sein Kollege Ingo Fahl vom ViS in ihren Grußworten.

Hohe Entscheiderkompetenz auf der Möbelmesse

Der Verlauf der diesjährigen Möbelmesse in Köln war eines der Themen, für die sich der Verband Gäste zu seiner Tagung eingeladen hatte. Mit Matthias Pollmann war seitens der Koelnmesse der für die imm Cologne zuständige Geschäftsbereichsleiter Messemanagement nach Wuppertal gekommen; in seine Zuständigkeit fällt auch die Zulieferermesse Interzum. Pollmann hatte positive Zahlen im Gepäck, insbesondere mit Blick auf das Sleep-Segment: "86 Prozent der Besucher der Halle 9 sind mit der Erreichung ihrer Besuchsziele auf der Messe zufrieden. Das ist ein hoher Wert, auch im Vergleich mit den anderen Segmenten der Messe", bilanzierte Pollmann. "Wir haben eine hohe Entscheiderkompetenz auf der Besucherseite. In Köln wird auch Geschäft gemacht. Bei uns liegt ganz klar der Fokus auf Abschlüssen."

Gegenüber dem Vergleichsjahr 2017, das wegen der nur alle zwei Jahre parallel stattfindenen Living Kitchen herangezogen wird, stieg die Zahl der Messebesucher in diesem Jahr leicht auf 149.501 (2017: 148.101). Bei den internationalen Fachbesuchern verbuchte die Messe ein Plus von 2 Prozent. Insgesamt kamen die Besucher aus 148 Ländern (2017: 140). Die stärksten Zuwächse bei den internationalen Gästen kamen aus China (plus 25 %), Nordamerika und Kanada (plus 11 %) sowie Südamerika (plus 29 %). Bei den Gästen aus Europa kamen 2019 deutlich mehr Branchenprofis aus Griechenland nach Köln (plus 31 %), aus Irland (plus 30 %) und aus Portugal (plus 31 %).

Jeder vierte Messegast war ein Fachbesucher aus Deutschland (25,4 %), jeder Dritte ein Fachbesucher aus dem Ausland. Der Anteil der Endverbaucher an der Besucherzahl lag bei 41,1 Prozent - recht viel für eine Messe, die keine Verbrauchermesse ist. 71 Prozent der Fachbesucher nahmen eine leitende Position ein und haben Entscheidungsbefugnis (2017: 67 %). 88 Prozent der Befragten würden die Messe weiterempfehlen, 82 Prozent planen auch im kommenden Jahr den Besuch der imm Cologne.

In diesem Jahr, berichtete Pollmann, hatte die Koelnmesse eine starke Besucherkampagne gefahren, in deren Fokus die digitalen Kanäle lagen, insbesondere Facebook, Instagram und WhatsApp. "Nutzen Sie das", appellierte Pollmann. "Diese Kanäle können alle von ihnen mitbespielt werden. Das ist in den Anmeldekosten enthalten." Auf den Social-Media-Kanälen wurde Schlaf als emotionales Thema erfolgreich gespielt. Mehr als 46.000 Menschen haben den Instagram-Kanal der Möbelmesse abonniert, auf Facebook folgen fast dreimal so viele User der imm Cologne. So viel Reichweite muss man erst mal generieren.

Im kommenden Jahr wird die Messe in die Segmente Pure und Home segmentiert, Halle 9 wird dann unter der Überschrift Home Sleep laufen, wie Pollmann erklärte. Die neue Aufteilung werde den Messebesuch vereinfachen, ist der Manager sicher. Auf dem Boulevard vor der Halle 9 soll dann das Thema Digitalisierung und Onlinehandel noch stärker in den Fokus rücken, unter anderem zur Frage, wie der Möbelhandel der Zukunft aussehen kann. Das Thema wurde bereits in diesem Jahr angerissen, aber Pollmann weiß: "Da geht noch mehr."

BASF: Auf Konfrontation
folgt Kooperation

Im Herbst 2017 erschütterte ein Störfall beim Chemieriesen BASF in Ludwigshafen die Matratzenbranche. Tage-, ja wochenlang musste der Fachverband Krisenkommunikation leisten, viele Hersteller stoppten kurzzeitig die Produktion, nachdem zuvor vier Wochen das für die Schaumproduktion wichtige Vorprodukt Toluoldiisocyanat (TDI) mit einem viel zu hohen Anteil von dem als möglicherweise krebserregend geltenden Dichlorbenzol produziert wurde. Alarmierte Medien, verunsicherte Verbraucher - der Skandal traf die Branche in ohnehin schwieriger Zeit. Die schleppende Informationspolitik seitens der BASF tat ein übriges, um die Verärgerung der Matratzenhersteller zu vergrößern.

Mehr als ein Jahr ist seither ins Land gezogen. Die Verärgerung ist einer Kooperation gewichen - ein wichtiges Zeichen und ebenfalls ein bemerkenswertes Signal, das von der Tagung in Wuppertal ausging. Mit Frank Jungmann und Christopher Metz waren zwei BASF-Vertreter zur Tagung gekommen, die sowohl im öffentlichen als auch im nicht-öffentlichen Teil der Veranstaltung so etwas wie Vertrauensbildung betrieben. "So etwas wie die TDI-Krise darf nicht wieder passieren", erklärte Jungmann und lobte den Umgang des Matratzenverbandes mit dem Problem. "Die Reaktion des Verbandes war super. Wir haben aber auch extrem harte Dialoge geführt."

Nach der Aufarbeitung wird der Blick nun nach vorne gerichtet. "Es gibt eine gewisse Aufbruchstimmung, die Dinge anzugehen", blieb Geschäftsführer Martin Auerbach zurückhaltend, wenngleich mit einem Workshop zum Thema Matratzenrecycling bereits ein konkretes Projekt im Raume steht. "Das Thema nimmt einen großen Drive auf, da ist unheimlich Druck auf der Kiste", sagt BASF-Vertreter Jungmann. "Wir sitzen da ganz hinten, aber sie sitzen direkt am Kunden und damit am Verbaucher."

Strategisch stehe die Frage im Raum: Soll die Industrie warten, bis Gesetze das Thema regeln, oder selbst aktiv werden? In Europa werden nach Jungmanns Angaben jährlich 300.000 Tonnen Matratzen aus PU-Schäumen entsorgt. Rund 80 Prozent werden "energetisch verwertet", sprich; verbrannt. Der Rest wird überweigend deponiert. "Der Anteil an Recycling ist heute zu vernachlässigen", so Jungmann. Das wird nicht ewig so bleiben.

Um das Thema anzugehen, wird es in absehbarer Zeit einen gemeinsamen Workshop des Matratzenverbandes und der BASF zum Thema Matratzenrecycling geben. Ziel sei es zu verstehen, was dabei Bedrohung oder Chance sei, erklärte Jungmann. Im Workshop sollten die Möglichkeiten zur Steigerung der Nachhaltigkeit durch Konzepte der Kreislaufwirtschaft erarbeitet werden. "Die ganze Kette ist super komplex", weiß der BASF-Mann, "deshalb gibt es auch nicht den Einen, der eine Lösung anbietet."

Heute sei die Entsorgung vor allem ein lineares Geschäftsmodell, bei dem Wiederverwendung und mechanisches Recycling kaum eine Rolle spielten, und der Großteil der Matratzen über lokale Unternehmen der Verbrennung oder Deponierung zugeführt werde. "Die werden zunehmend unter Druck geraten", ist Jungmann sicher und fragte weiter: "Was passiert, wenn der Endverbraucher an den Hersteller oder Schäumer herantritt und sagt: Du musst meine Matratze zurücknehmen?"

Die Zukunft müsse hingegen eine kreisförmige Wertschöpfungskette bieten. Das chemische Recycling ermöglicht neue Kreislaufoptionen für schwer zu recycelnde Konsumgüter", so Jungmann. "man braucht für die Wiederverwertung aber ein qualitativ sehr gutes Produkt." Darüber soll nun in dem geplanten gemeinsamen Workshop mit dem Matratzenverband diskutiert werden. Für dessen Geschäftsführer Martin Auerbach ist dabei klar: "Wir können keine Insellösungen schaffen."

Verbrennung ist ökologisch
noch häufig am besten

Doch mit welchen Materialien hat man es beim Matratzen-Recycling eigentlich zu tun? Und wie sinnvoll kann die Wiederverwertung sein? Manuel Bickel vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie berichtete den Verbandsmitgliedern von den Untersuchungen seines Hauses zu diesen Fragen. Vor dem Hintergrund einer gewünschten Kreislaufwirtschaft untersuchte Bickel die Matratzenmaterialien mit Blick auf die Ökobilanz verschiedener Verwertungsarten. Dabei spielten sowohl die Rohstoffe und Vorprodukte eine Rolle als auch der Lebenszyklus und die Herstellungsprozesse.

Ein Ergebnis: "Die Thermische Verwertung ist in vielen Fällen noch besser im Hinblick auf den ökologischen Fußabdruck." Noch, das betonte Bickel ausdrücklich. Momentan sei die Datenlage der Untersuchungen allerdings noch eher dünn, das werde sich ändern. Ein weiteres Problem für die Wiederverwertung seien beispielsweise Materialverbünde, die sich im Produkt nicht ohne weiteres trennen lassen. Der Zustand einer Matratze nach einer langen Nutzungsdauer lasse eine Verbrennung häufig ebenfalls als bessere Alternative erscheinen.

Bickel riet unter anderem dazu, die Trennbarkeit von Materialien und Materialverbünden zu erhöhen und die eingesetzten Stoffer besser zu kennzeichnen sowie sie in einer Datenbank zugänglich zu machen. Auch ein verstärkter Einsatz bereits rezyklierter Stoffe sei sinnvoll. "Und sie müssen die Zusammenarbeit mit den anderen Akteuren der Wertschöpfungskette verbessern", so Bickelt - sowohl mit den Rohstoffherstellern als auch mit den Recyclingunternehmen.

"Wir haben noch einen großen Weg vor uns", konstatiert Verbandsgeschäftführer Auerbach. "Aber wir haben auch schon viel erreicht, zum Beispiel beim Thema Ökodesign. Hier gibt es schon Lösungen."

Im Rahmenprogramm der Jahrestagung stand eine Besichtigung der historischen Wuppertaler Stadthalle auf dem Plan, die gleich neben dem Tagungshotel lag und bis hinauf auf den Schnürboden besichtigt wurde, bevor der Abend bei einem hervorragenden Büffet, guten Getränken und angeregten Getränken im Restaurant der Stadthalle ausklang. Die nächste Jahrestagung des Matratzenverbandes findet vom 21. bis 22. April 2020 in Ludwigshafen statt.
aus Haustex 06/19 (Wirtschaft)