Podiumsdiskussion Altuntergründe

"Alles muss raus" contra "Klebstoffreste bleiben drin dank Bauchemie"


Bereits zum zweiten Mal gab es bei der TKB-Fachtagung eine Podiumsdiskussion - viele Teilnehmer empfanden dies als eine Bereicherung. Nach der Premiere im vergangenen Jahr zur KRL-Methode, standen in diesem Jahr Altuntergründe im Fokus. Alle Tagungsteilnehmer konnten sich mittels einer App Fragen auf das Podium schicken. Diskussionsteilnehmer auf der Bühne waren: Dr. Martin Schäfer (Wakol), Bernhard Lübbers (-Objekteur), Manfred Friedrich (Sika Deutschland), Heinz-Dieter Altmann (Sachverständiger), -Michael Illing (Forbo Eurocol) und der TKB-Vor-sitzende Dr. Norbert Arnold (Uzin Utz).

Dr. Martin Schäfer eröffnete die Diskussion unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit: Wie sinnvoll ist es, eine Spachtelmasse, die wirklich noch fest liegt, herauszureißen? Fragen per App gab es zur Rechtslage: Liegt ein Mangel vor, auch wenn die Altuntergründe halten? Welche Bedeutung haben die Aufbauempfehlungen der Verlegewerkstoffhersteller?

Heinz-Dieter Altmann: Ich empfehle grundsätzlich, dass man sich eine Aufbauempfehlung einholt. Es gibt in der Altbausanierung drei Problemkreise: Erstens die Oberfläche mit Klebstoff- und Spachtelmassenrückständen. Zweitens die Eignung des vorhandenen Estrichs in Bezug auf Tragfähigkeit, Risse und Dicken. Das dritte nicht zu unterschätzende Thema sind Wechselwirkungen mit dem Unterbau, z. B. alte Bitumenpappen, die zu PAK-Belastungen und zu Geruchsproblemen führen können. Ich empfehle deshalbdie Entnahme von mehreren Bohrkernen.

Dr. Norbert Arnold: Wie sieht das bei einem Objekteur in der Praxis aus, Herr Lübbers?

Bernhard Lübbers: In neun von zehn Fällen müssen wir die Stabilität feststellen. Wir beziehen tatsächlich unsere Bauchemielieferanten mit ein und lassen uns Aufbauempfehlungen erstellen. Wir führen auch Haftzugprüfungen durch. Wir gucken uns immer die Schichten bis zur oberen Estrichrandzone an, um zu sehen, was uns erwartet. Wir beauftragen zwei Prüflabore, die innerhalb von 72 Stunden Ergebnisse liefern. Das sorgt für ein hohes Maß an Sicherheit.

Michael Illing: Für mich ist wichtig, wie die Nutzung des Bodens war. Habe ich eine Fläche, wo eine Spachtelmassen wenig begangen wurde, oder sind es Bereiche, wo Hartrollen drübergefahren sind, die möglicherweise die Spachtelmasse oder sogar die obere Estrichrandzone beschädigt haben. Ein kurzer Fall: Wir haben einen textilen Belag und es soll ein Parkett rein. Die Spachtelmasse unter dem Teppichboden sieht gut aus. Aber ist diese Spachtelmasse dafür geeignet, dass ich darauf Parkett legen kann? Das muss man sich ganz genau anschauen.

Dr. Arnold: Wie passt es zusammen, wenn in vielen Fällen der Altuntergrund überarbeitet wird, aber der Kommentar zur DIN 18365 Bodenbelagarbeiten sagt: Alles muss raus?

Altmann: Das ist eine Frage der Sicherheit. Das Risiko, das der Handwerker eingeht, bleibt an ihm hängen. Es sei denn, er hat eine objektbezogene Aufbauempfehlung. Spätestens beim Grundieren sieht man, ob im Untergrund Risse sind, die man zunächst mit bloßen Auge nicht erkennt.

Friedrich: Bei der Vorbereitung zu meinem Vortrag sind mir Abweichungen in der Norm DIN18365 "Bodenbelagarbeiten" zur DIN 18356 "Parkettarbeiten" aufgefallen. Ich hatte den Eindruck, dass das schon ein qualitativer Unterschied ist. DIN 18365 sagt: Alles muss raus. DIN 18356 führt aus: Der Auftraggeber soll angeben, was raus muss. Wenn ich als Verlegebetrieb einen Bauvertrag mit der DIN 18365 als Grundlage unterschreibe, dann habe ich gar keine andere Wahl. Ich muss komplett ausbauen, es sei denn, ich kann etwas anderes vereinbaren.

Lübbers: Wenn man im Streit mit privaten Bauherrn nicht ausreichend über Risiken beispiels-weise von Restfeuchte aufgeklärt hat, bekommt der Verlegebetrieb eigentlich immer mindestens eine Mitschuld. Wenn wir in der Altbausanierung sind, haben wir immer die Möglichkeit, eine Probe-fläche anzulegen. Damit machen wir gute Erfahrungen.

Zuschauer Hans-Joachim Rolof: Die Risiko-Sensibilisierung funktioniert rechtssicher nur auf eine einzige Art und Weise. Mit einer technischen Freistellungserklärung im Rahmen der Gewährleistung. Der Bauherr muss aus seinem Empfängerhorizont die Folgen seines Tuns in einer verständlichen Sprache dargestellt bekommen. Er muss die möglichen Risiken freigeben. Für den Handwerker reicht es nicht aus, Bedenken anzumelden.

Zuschauer Richard Kille: Ich finde es fahrlässig zu sagen, die Spachtelmasse erscheint tragfähig, dann kann ich sie als Verlegeuntergrund akzeptieren. Niemand weiß, woraus eine Altspachtelmasse besteht, und ob ein Dispersionsvorstrich darunter ist. Wir wissen doch sehr genau, mit welchen Schleifmaschinen von MKS Funke, Janser und Roll wir die Untergrundvorbereitung vorschriftsmäßig ausführen können. Mit den Produkten der Bauchemie mag es vielfach gut gehen, aber es kann genauso gut die Existenz kosten.

Friedrich: Alle Verlegewerkstoffhersteller haben eine Anwendungstechnik, die man mit ins Boot holen kann. Eine Spachtelmasse ist manchmal nicht so einfach zu entfernen, da ist schon ein entsprechender Aufwand dahinter. Am Ende ist die Handwerksleistung für den Auftragnehmer auch Wertschöpfung: Er kann Geld damit verdienen.

Kille: Wenn ein Maler ein Fenster streichen muss, erhält er 70 bis 80 % der Leistung für die Untergrundvorbereitung und 20 % fürs Lackieren. Nur wir in der Bodenbranche können das nicht. Warum müssen wir dabei sparen?

Dr. Arnold: Wir reißen uns nicht darum, solche Produkte zu empfehlen, aber es gibt eine Nachfrage. Die Forderung wird an uns herangetragen. Ich kann nur jedem empfehlen, im Zweifelsfall einen Techniker anzufordern.

Dr. Schäfer: Es kommen spannende Fragen von den Zuhörern: Wenn der Anwendungstechniker eine Aufbauempfehlung gibt, inwieweit ist das eine Absicherung für den Verarbeiter, wenn diese trotzdem einen Mangel darstellt?

Friedrich: Ich kann den Bauherrn nicht komplett aus der Verantwortung entlassen. Natürlich werden wir eine technisch korrekte Aufbauempfehlung geben. Das ändert aber nichts daran, dass ich eine vertragliche Verbindung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer habe. Die Entscheidung muss der Auftraggeber treffen.

Zuschauer Karsten Krause: Die Praxis ist, dass häufig die alten Schichten erhalten bleiben und wir mit entsprechenden Produkten drübergehen. Wenn wir das nicht machen, dann macht es ein anderer. Wird bis auf den Untergrund rausgefräst, ist der Estrich selbst in vielen Fällen hinüber.

Lübbers: Ich sehe uns auch in der Pflicht, dass wir Aufklärungsarbeit bei den Projektentwicklern und Architekten leisten. Wir müssen deutlich offensiver werden, um präventiv zu arbeiten. Auf diese Weise müssen die Ausschreibungen besser werden, sonst arbeiten wir immer hinterher.

Dr. Schäfer: Wir haben in Deutschland eine komfortable Situation. Wir haben eine klare Rechtslage mit Normen. Und wir haben die Möglichkeit, über Aufbauempfehlungen davon Abweichungen vorzunehmen. Wenn das mit einer hohen technischen Sorgfalt geschieht, dann haben wir eine sehr gute Ausgangslage.
aus FussbodenTechnik 03/19 (Wirtschaft)