Angelika Schindler-Obenhaus, KATAG-Vorstand:

"Der Handel kann sich keinen Frequenzverlust mehr leisten"


Haustex: Frau Schindler-Obenhaus, viele Textil- und Modehäuser haben Haus- und Heimtextilien in der Vergangenheit aus dem Sortiment genommen. Warum?

Angelika Schindler-Obenhaus: Weil sie sich von der Oberbekleidung eine höhere Flächenproduktivität versprachen. Wenn ich heute eine Abteilung entferne, geht damit aber immer ein Frequenzverlust einher. Die Frage angesichts der aktuellen Situation im Handel ist: Wieviel Frequenzverlust kann ich mir noch leisten? Und darauf lautet unsere Antwort: gar keinen!

Haustex: Lässt sich der Verlust beziffern?

Angelika Schindler-Obenhaus: Eine geschlossene Kinderabteilung führt zu einem Frequenzverlust von fünf bis zehn Prozent der Menschen, die dort durchlaufen - Mütter, Omas, Tanten. Bei Haus- und Heimtextilien lässt sich das so eindeutig nicht sagen. Aber wenn ich eine solche Abteilung schließe, dann schiebe ich den Kunden förmlich zu Ikea oder ins Internet, um seine Bettwäsche oder seine Handtücher dort zu kaufen. In der Betriebsberatung, die wir ja auch machen, sagen wir immer: Überlegt gut, ob ihr Randsortimente herausnehmt. Und überlegt: Was kommt danach und wie wollt ihr das auffangen?

Haustex: Rechnet es sich wirklich, Bettwäsche oder Deko-Kissen in einem klassischen Textilmodehaus zu platzieren?

Angelika Schindler-Obenhaus: In der Produktivität pro Quadratmeter liegt eine Haustex-Abteilung sicher nicht ganz oben. Aber man kann auch nicht einfach sagen, dass sich das mit der Erweiterung einer anderen Abteilung einfach auffangen ließe. Mehr Platz heißt nicht mehr Umsatz. Man hat mit Haus- und Heimtextilien schließlich auch eine andere Klientel im Haus. Wir erleben teilweise, dass bestimmte Häuser Sortimente wie Wolle, Knöpfe, Nähgarne und so weiter wieder aufnehmen. Gehen sie heute mal in die Stadt, wenn beispielsweise ein Knopf an der Bettwäsche fehlt, und suchen sie nach einer Kurzwarenabteilung...

Haustex: Aber Bettwäsche sucht man nicht zwingend zwischen Jeans und Blusen.

Angelika Schindler-Obenhaus: Bettwäsche ist heute kaum noch ein Zielkauf, sondern eher eine Frage des Sehens, der Emotion und der Inspiration. Also kann ich den Händlern nur raten: Macht doch schöne Abteilungen und schafft dort Inspiration! Die Zeiten waren noch nie so gut, um auch Neues auszuprobieren. Was soll mir schon passieren?

Haustex: Wie dick sind die Bretter, die sie bei ihren Anschlusshäusern da bohren müssen?

Angelika Schindler-Obenhaus: Es steht und fällt mit den Menschen, wir sind people business - da können wir so viel über Digitalisierung reden, wie wir wollen. Am Ende liegt es am Agieren der Menschen. Eigentlich sind fast alle unsere KATAG-Händler Platzhirsche am Ort. Wir sprechen hier nicht über Hamburg, Frankfurt oder München, wo es den stationären Fachhändler schon fast nicht mehr gibt. Wir sind eher in kleinen und mittleren Städten vertreten. Unter den 154 Häusern, die Haus- und Heimtextilien führen, haben wir zehn Leuchttürme bei der Ausrichtung dieser Abteilungen. Teilweise gibt es noch verfestigte Strukturen, die aufgebrochen werden müssen. Aber wenn uns das gelingt, dann ist da noch unheimlich viel Musik drin.
aus Haustex 03/19 (Wirtschaft)