Thomas GmbH & Co. Sitz- und Liegemöbel KG

Interview des Monats: Lattoflex, Bremervörde – "Wir erleben wilde Zeiten,in denen sich vermeintliche Wahrheiten ändern


Während der Partnertage überraschte Lattoflex seine Besucher mit einer ganzen Fülle an Neuheiten: Dazu gehören unter anderem eine neue Matratzen-Kollektion, die Einführung der Lebenslinien-Zielgruppen, eine deutlich veränderte Kommunikationsstrategie und nicht zuletzt für ausgewählte Produkte das Agentur-System. Firmeninhaber Boris Thomas und Vertriebsleiter Dieter Tost erklären im Haustex-Interview, warum das Unternehmen dermaßen umfassende Veränderungen vornimmt.

Haustex: Nach allem, was man so hört, zieht die Nachfrage im Bettenfachhandel seit Oktober wieder an. Wie schätzen Sie die Marktlage für das gesamte Jahr 2018 ein?

Boris Thomas: Ich glaube, es ist derzeit unendlich schwer, die Lage zutreffend einzuschätzen. Natürlich werden wir auch in schwachen Märkten immer Saisonkurven haben und im Herbst wird die Nachfrage etwas stärker sein als im Sommer. Wir haben Markteinbrüche und Verschiebungen in Richtung Online. Da das Marktsegment der Matratzen insgesamt nicht wächst, und gleichzeitig neue Player auf den Markt kommen, die sich mit hoher Aggressivität Marktanteile erkaufen, geht das zwangsläufig zulasten der etablierten Anbieter. Jede Matratze, die online verkauft wird, wird nicht stationär verkauft. Damit ist ein Kunde erst einmal ein paar Jahre weg vom Markt.

Haustex: Nun sagen aber viele, dass die Online-Matratzen in einem preislichen Bereich angesiedelt sind, der für den inhabergeführten Bettenfachhandel eher uninteressant ist. Gerne werden dann die Probleme von Matratzen Concord angeführt.

Thomas: Es stimmt, bei zahlreichen Anbietern habe ich eher das Thema Preis und Online als Einflussfaktoren. Aber ich habe kürzlich auf einer Tagung unabhängig voneinander zwei Gesprächspartner gehabt, die mir erzählten, dass sie online Matratzen gekauft hätten. Und Sie können davon ausgehen, dass die beiden finanziell durchaus in der Lage sind, hochwertig zu konsumieren. Die gehören eigentlich zu der klassischen Fachhandels-Klientel.

Das Grundproblem ist doch, dass das Wissen in der Bevölkerung über das Bett gegen null tendiert. Und wenn dann jemand kommt und von der besten jemals getesteten Matratze spricht, muss man sich als Laie fragen, was eigentlich dagegen spricht. Deswegen sollten wir uns die Welt nicht schön reden.

Haustex: Allerdings berichten Händler von Kunden, die mit ihrer Online-Matratze nicht klargekommen sind und bei ihnen jetzt etwas Vernünftiges kaufen wollen.

Thomas: Das kann sein. Aber wenn wir annehmen, dass 20 Prozent von ihrer Online-Matratze enttäuscht sind, bleiben immer noch 80 Prozent, die dem stationären Handel auf Jahre entzogen worden sind. Im Übrigen glaube ich, dass die 20 Prozent noch viel zu hoch gegriffen sind, ich gehe eher von einem Anteil von unter zehn Prozent aus. Wir müssen uns vor einer Einzelfallgeneralisierung hüten. Wir dürfen uns die Welt nicht schönreden und von einem unzufriedenen Matratzenkäufer auf die große Mehrheit schließen.

Haustex: Sondern?

Thomas: Wir sollten uns viel eher fragen, warum die Leute online kaufen, was bewegt sie, was wünscht der Kunde in Zukunft? Und wir müssen aufhören uns die Welt schönzureden, indem wir behaupten, dass die Menschen unbedingt Beratung beim Matratzenkauf wünschen. Niemand aus unserer Branche, ich eingeschlossen, hätte es vor zehn Jahren für möglich gehalten, dass Menschen freiwillig eine One-fits-all-Matratze kaufen und damit dreistellige Millionenbeträge erzielt werden können. Für mich ist das der beste Beweis, wie erschreckend wenig wir oft als Insider von dem wissen, was Menschen, was Verbraucher wirklich umtreibt. Wir müssen uns viel öfter die Frage stellen, was will der Kunde eigentlich wirklich?

Haustex: Und zu welchem Schluss sind Sie bei der Frage gekommen?

Thomas: Es gibt einen hohen Prozentsatz von Verbrauchern, denen es schlicht reicht, eine Matratze zu haben. Der Erfolg von Casper in den USA basiert alleine darauf, den Leuten zu suggerieren, dass diese eine Matratze genau richtig für die Verbraucher ist. Wir haben ein große Studie in Auftrag gegeben um festzustellen, welche Themen beim Kauf einer Matratze wichtig sind. Das wichtigste Thema ist die Frage nach der richtigen Härte der Matratze. In diese Kerbe schlägt Casper und bietet sogar noch an, die Matratze nach Hause zu liefern und bei Nichtgefallen wieder zurückzunehmen. Aus der Sicht des Laien ein verlockendes Angebot.

Haustex: Wenn das so ist, können wir dann alle nicht einpacken?

Thomas: So weit würde ich nicht gehen. So funktioniert es ja nicht komplett. Was wir aber lernen dürfen ist, nicht von vornherein den Internet-Bereich zu unterschätzen und davon auszugehen, dass der Kunde des stationären Handels für dieses Angebot nicht empfänglich ist. Als Ikea auf den deutschen Markt kam, dachte der Handel, dass der Deutsche nicht bereit ist, seine Möbel selbst zusammenzuschrauben. Als McDonalds nach Deutschland kam, gab es Artikel in Gastro-Zeitschriften, die dem Unternehmen hierzulande keine Zukunft gaben, denn der Deutsche an und für sich wolle bedient werden und esse nicht mit den Fingern. Dramatische Irrtümer.

Mein Wunsch wäre deshalb, dass die Branche insgesamt zu mehr Demut und Bescheidenheit findet. Wir alle, ich auch, müssen uns eingestehen, dass wir Dinge völlig falsch eingeschätzt haben. Ich hätte nie gedacht, dass Matratzen Concord eines Tages mal mehr als 1.000 Filialen in Deutschland haben würde oder dass Caspar mit einer einzigen Matratze, einem einzigen Bezugsstoff und einer einzigen Härte in diesem Jahr an die 250 Millionen Euro weltweit erzielen würde. Wir erleben wilde Zeiten, in denen sich vermeintliche Wahrheiten ändern, Endkunden sich ändern.

Haustex: Es kursieren verschiedene Zahlen über den Anteil der Internet-Matratzen am Matratzen-Absatz. Wissen Sie mehr darüber?

Dieter Tost: Nichts Genaues weiß man. Aber wir schätzen den Anteil auf 15 bis 20 Prozent. Es gibt einige Marktteilnehmer, die wir gar nicht auf der Rechnung haben. Zum Beispiel was Otto angeht oder die Garagen-Shops, die einen eng begrenzten Markt bedienen. Ikea rüstet im Internet auf, Otto rüstet auf. Nehmen wir die Probleme von Concord dazu, die ja fast jeden fünften Shop in Deutschland schließen werden, würde ich eher zu 20 als zu 15 Prozent tendieren. Das Thema wird weiter wachsen, wir werden es nicht verhindern. Für den Endverbraucher gilt immer mehr das sowohl als auch, kaufen stationär als auch online. Wir können nicht weitermachen wie bisher in der Hoffnung, dass die Internetkunden aus Unzufriedenheit schon zurückkommen werden.

Haustex: Haben wir es also mit einer Revolution im Bettenhandel zu tun?

Thomas: Wer hätte vor zwei Jahren gedacht, dass wir heute so über dieses Thema sprechen? Gemessen an der Zeit und dem Tempo der Veränderung, ist es eher eine Revolution als eine Evolution. Man soll ja mit dem Begriff vorsichtig sein, aber man kann absolut von einer Disruption sprechen.

Haustex: Bei den Entscheidungen, die Sie in Bremervörde auf den Partnertagen vorgestellt haben, könnte man auch von einer Revolution für das Unternehmen sprechen: Eine neue Matratzenkollektion, eine neue Werbestrategie, neue Zielgruppen und und und.

Thomas: Ja, da haben wir uns weit aus dem Fenster gelehnt. Am besten fangen wir mit den Lebenslinien an, wie wir die Zielgruppen von Lattoflex bezeichnen, denn alle Ideen, die wir in Bremervörde vorgestellt haben, greifen sehr stark ineinander und erst als Gesamtheit bilden sie ein Konzept.

Menschen schlafen vom Baby bis zum alten Menschen auf Matratzen, aber sie haben je nach Altersgruppe unterschiedliche Bedürfnisse. Wir haben darum fünf Segmente gebildet, in denen wir auf die Bedürfnisse in den verschiedenen Altersgruppen eingehen. Der Bandscheibenvorfall ist im Jugendbereich eher nicht zu erwarten. Daher brauchen wir in den Segmenten unterschiedliche Antworten auf die Bedürfnisse der Zielgruppen. Aber auch andere Antworten, was Kommunikation und Vertriebswege angeht. Wir können die Jugendlichen nicht so ansprechen wie die älteren Verbraucher.

Haustex: Sie haben ja sogar eine eigene Unterfederung für die Senioren eingeführt.

Thomas: Unter anderem. Wir haben eine Zielgruppe analysiert, welcher der Markt bislang in keiner Weise gerecht wird. Das sind die Verbraucher im Alter oberhalb der jetzigen Lattoflex-Zielgruppe. Uns kommt zugute, dass wir mit unserem Unternehmen Thomashilfen auf Erfahrungen im Profibereich der Pflege zurückgreifen können. Denn es gibt sehr viele Menschen im Alter ab Mitte 60, die zwar gesundheitlich gehandicapt sind, aber keine professionelle Pflege in Anspruch nehmen müssen und dennoch bestimmte Ansprüche an ein Bett stellen. Bislang haben wir den einen oder anderen von ihnen mit Produkten von Thomashilfen bedient. Ab sofort bieten wir diesen Kunden unter der Marke Lattoflex Thevo ein breites Sortiment zur Erleichterung des Lebens im Schlafzimmer, aber in einer wohnlichen Optik und möglichst in einem Doppelbett integrierbar, damit man weiterhin zuhause bleiben kann. Dieser Bereich ist sehr spannend und wir wollen ihn in den nächsten Jahren gemeinsam mit dem Fachhandel angehen. Denn wenn man die Frage stellt, wo der stationäre Handel angesichts von One-fits-all bleibt, dann ist es eher der Bereich im Senioren-Marketing.

Tost: Wir starten damit im Februar. Wir haben hier ein Segment, das wir von seinen Bedürfnissen her so noch nie angesprochen haben. Wir werden unter anderem Schulungen abhalten, wir werden verschiedene Dinge tun, um unsere Handelspartner zu unterstützen. Wir glauben, dass wir hier von der größten Zielgruppe in Deutschland sprechen, mit der größten Kaufkraft. In den kommenden zehn, 15 Jahren haben wir dort eine Riesenzielgruppe. Wenn wir diese Zielgruppe erreichen, liegt darin ein enormes Potenzial. Außerdem ist diese Gruppe am stärksten fachhandelsaffin. Die Werte, für die der Fachhandel steht, werden in dieser Gruppe noch am stärksten wertgeschätzt. Es geht weniger um das Produkt als um die Nähe, die Glaubwürdigkeit und die Beziehung.

Haustex: Wo erreichen Sie diese für Sie neue Zielgruppe?

Thomas: Ganz simpel. Denken Sie nur einmal daran, wie viele Selbsthilfegruppen wir haben für Parkinson, MS, Demenz und so weiter. Diese Leute leben nicht im Pflegeheim sondern sind zuhause. Davon gibt es Millionen. Es ist doch zutiefst menschlich, die Betroffenen so lange wie möglich in der wohnlichen Umgebung zuhause zu behalten. Nehmen sie nur mal den Komplex Herzinfarkte und Schlaganfälle. Dadurch landet man nicht zwangsweise im Pflegeheim, hat aber unter Umständen körperliche Beeinträchtigungen, die es einem schwer machen, ins Bett oder aus dem Bett herauszukommen. Darum geht es uns.

Tost: Da setzt unsere Kommunikationsstrategie an. Es gibt je nach Altersgruppe unterschiedliche Bedürfnisse, die wir mit unseren Lebenslinien kommunizieren. Bei unserer Kerngruppe Lattoflex im Alter 55 bis 65 haben wir weiterhin das Thema Rückenschmerzen, weil es in dieser Altersgruppe einfach hoch signifikant ist. In der Altersgruppe darüber kommen vielleicht noch andere Themen dazu. Und unter der klassischen Zielgruppe, im jüngeren Segment, kann es sein, dass wir ganz andere Fragestellungen haben. Darauf müssen wir eine Antwort bieten.

Die Bettenbranche denkt seit 30, 40 Jahren im Schwerpunkt in Matratzen. Wir müssen jedoch realisieren, dass auch das Dänische Bettenlager, Ikea oder die Onliner in Matratzen denken. Auf der anderen Seiten haben wir es nicht geschafft, in Menschen und Zielgruppen zu denken. Deswegen war unser Ansatz, die Menschen, für die diese Matratzen sind, etwas differenzierter zu betrachten. Sie nicht alle mit den gleichen Angeboten zu befeuern, sondern mit Angeboten, die ihrer jeweiligen Lebenslage und Lebensphase entsprechen.

Thomas: Der fulminante Erfolg von Jeff Bezos und Amazon ist die geradezu radikale Orientierung am Bedürfnis des Kunden. Davon können wir einiges lernen. Denn im Grunde waren wir immer Produktmenschen, ganz verliebt in Materialien und Schnitte. Stattdessen sollten wir uns ehrlich fragen, was der Kunde eigentlich möchte? Wir haben es getan und für uns Zielgruppen herausgearbeitet. Dabei sind wir darauf gekommen, dass es ein Segment der Älteren gibt, die momentan keiner von uns mit Produkten abholt.

Tost: Das ist ein Markt von rund 18 Millionen Kunden, die tendenziell noch die größte Nähe zum Bettenfachhandel haben, dort aber bislang kein angemessenes Angebot finden konnten. Übrigens ein Angebot, dem Ikea, Caspar und Kollegen nichts entgegenzusetzen haben. Wir haben noch viel zu tun, um gerade im Fachhandel das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass wir einen breiten Kreis an Konsumenten bislang nicht adäquat mit Produkten angesprochen haben.

Haustex: Also ist Thevo schon ein wichtiger Faktor in der neuen Strategie von Lattoflex. Aber was genau ist Thevo? Was unterscheidet diese Unterfederung von den Lattoflex 200 und 300?

Thomas: Unter Thevo bieten wir zum einen diverse Funktionalitäten an, die wir dem Endverbraucher aus einem reichhaltigen Baukasten ganz nach seinen Ansprüchen zusammenstellen können. Hebe- und Pflegerahmen, motorische Verstellung, verstärkter Randbalken etc. Der kann über die nächsten Jahre noch sehr gut wachsen. Wir haben sehr viele Ideen, was wir an zusätzlichen Funktionalitäten noch hinzufügen können.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil von Thevo ist der spezielle Rahmen, den wir von Thomashilfen übernommen haben. Thomashilfen hatte nämlich von Pflegeeinrichtungen erfahren, dass einige Patienten sehr gut auf die Thevo-Unterfederung mit Flügelfedern reagieren würden. Alzheimer-Patienten würden nachts nicht mehr unruhig durch die Gegend laufen. Oder die Morgensteifigkeit bei Parkinson-Patienten sei deutlich verringert. Das hat uns stutzig gemacht, sodass wir schließlich unter wissenschaftlicher Aufsicht eine Doppelblind-Studie mit unseren Thevo-Betten gemacht haben. Und tatsächlich gab es einen signifikanten Unterschied zwischen unserer Thevo-Unterfederung und einer herkömmlichen Unterfederung.

Haustex: Was ist der Grund für diese verblüffenden Auswirkungen?

Thomas: Man stellte fest, dass die Flügelfedern alleine durch die Bewegung beim Atmen oder durch Körperbewegungen einen permanenten Impuls auf den Körper ausüben. Dieser kleine Impuls, MIS oder Mikrostimulation genannt, führt dazu, dass das Hirn immer wieder daran erinnert wird, wo sich der Körper befindet. Man spricht vom sogenannten Körperbild. Das hört sich merkwürdig an, ist aber essenziell wichtig.

Wie es ist, wenn das Körperbild nicht mehr stimmt, hat schon mancher festgestellt, der lange Zeit einen Gips trug. Durch die Immobilisierung der Extremität muss der Körper nach dem Entfernen des Gipses erst wieder lernen, etwa durch Berühren, dass es dieses Körperteil überhaupt noch gibt. MIS, also Mikrostimulation, wirkt sich positiv auf die Wahrnehmung des Körperbildes aus.

Dieser Effekt ist umso wichtiger, je älter man wird. Inzwischen zählt MIS zu einer von drei durch die Krankenkassen eingetragenen und zugelassenen Lagerungsformen bei Pflegepatienten, neben Wechseldruck-Lagerung und Weichlagerung, die kaum noch praktiziert wird. Unsere Überlegung: Wenn die spezielle Unterfederung im Profibereich so hervorragend funktioniert, warum sollten wir sie nicht auch im Bereich der Senioren anbieten? Seitdem ist Thevo bei Lattoflex die dritte Unterfederung neben der 200er und der 300er, voll kompatibel mit den Lattoflex-Rahmen.

Tost: Der Erhalt des Körperbildes führt auch dazu, dass die Orientierung im Raum erhalten bleibt. Ein ganz wichtiger Punkt etwa bei beginnender Demenz. Man stelle sich vor, was für eine Erleichterung es für den Partner darstellt, wenn der Erkrankte nachts nicht mehr aufstehen muss, um sich räumlich wieder zu orientieren und stattdessen einfach durchschläft oder zumindest länger durchschläft. Wir bekommen tatsächlich jeden Monat dankbare Zuschriften von Kunden, die selbst oder deren Partner auf einer Thevo-Unterfederung schlafen. Wir selbst hatten diese positive Wirkung lange unterschätzt. Durch die alleinige Fixierung auf den Matratzenmarkt hätten wir dieses neue Fenster der Marktchancen nie geöffnet.

Eine Matratze ist für den Verbraucher wie Zucker, ein austauschbares Produkt. Es scheint nichts besonderes darin zu sein. Darum müssen wir wieder neu lernen, in unterschiedlichen USPs zu denken. Und Thevo ist ohne Zweifel ein USP, den wir uns haben patentieren lassen.

Haustex: Wenn Thevo so faszinierende Eigenschaften hat, warum bieten Sie es nicht auch anderen Zielgruppen an?

Thomas: Eine berechtigte Frage. Wir haben bei Thevo allerdings ein sehr spezielles Nutzungsspektrum. Es schadet sicherlich nicht, darauf zu schlafen. Andererseits haben wir bei der 300er Federung ganz andere Möglichkeiten der Einstellung.

Thevo ist ein Teil unserer Antwort auf die veränderten Marktgegebenheiten. Es bringt ja nichts, darauf zu schimpfen. Aber statt ein Produkt gegen One-fits-all zu entwickeln, begeben wir uns auf eine andere Ebene der Argumentation und bieten etwas für die Verbraucher. Denn mit unseren Lebenslinien lösen wir vorhandene Bedürfnisse von Menschen.

Haustex: Kommen wir aber doch auf die neuen Lattoflex-Matratzen zu sprechen. Sind sie eine Antwort auf die Simplifizierung des Marktes?

Thomas: Absolut nein. Mit den Matratzen haben wir ein Produkt, bei dem wir sicher sind, dass die Leute darauf gut schlafen können. Wünscht der Kunde wirklich hochkomplexe Schnitte, oder möchte er eine Matratze, auf der er sicher gut schlafen kann? Wir haben eine weiche Matratze konstruiert, die aber in der Mitte eine Stabilisierungsschicht hat. Von der Konstruktion ist die Matratze sogar recht komplex, sodass unsere Fertigung lieber wieder die alten Matratzen hätte. Aber dadurch erreichen wir größtmögliche Sicherheit für den Konsumenten, denn er hat eine gute Matratze, die ihn für die nächsten acht bis zehn Jahre vernünftig lagert. Die Frage nach der Simplifizierung ist völlig falsch gestellt. Denn die Verbraucher haben im Grunde nur eine Frage: Was ist meine richtige Matratze? Und die machen sie zu mehr als 50 Prozent an dem richtigen Härtegrad fest. Das haben uns Analysen von Internet-Chats der letzten 17 Jahre gezeigt.

Ich glaube erstens, dass eine komplizierte, mit vielen Schnitten versehene Matratzen dem Endkunden keine großen Vorteile bringt. Und zweitens lenkt eine aufwändig konstruierte Matratze den Verkäufer ab darüber zu sprechen, was wirklich wichtig ist. Und das ist der Mensch mit seinen Bedürfnissen. Ich plädiere deshalb dafür, dass wir alle zusammen einen Schritt zurücktreten von unserem Fachblick, der uns hindert, dass wir uns wirklich auf den Endkunden konzentrieren.

Tost: Übrigens ist das Thema Allergie zu vernachlässigen, zumindest bei den Matratzen. Wir haben rund 98.000 Internetbeiträge ausgewertet, davon befassten sich 700 Meldungen mit dem Thema Allergien in der Matratze. Das ist weniger als ein Prozent. So manche Story, die wir uns als Insider erzählen, fällt beim Endverbraucher scheinbar nicht auf fruchtbaren Boden.

Wir müssen uns davor hüten, den Kunden missionieren zu wollen. Und das sagen wir, die wir mal als die größten Missionierer in der Branche galten. Aber irgendwann ist auch gut damit. Der Kunde möchte nicht als hilflos und unkundig betrachtet werden. Auf Belehrungen beim Matratzenkauf kann er verzichten. Er möchte vielmehr wahrgenommen und mit seinen Wünschen respektiert werden.

Haustex: In diesem Jahr startet Lattoflex außerdem mit einem Agentur-System. Warum das?

Tost: Im Prinzip geht es auch hier wieder um die Lebenslinien. Ich glaube kaum, dass die Verbraucher im Alter unterhalb der klassischen Lattoflex-Generation beim Kauf einer Matratze oder eines Schlafsystems sofort an ein Bettenfachgeschäft denken. Ich rede hier von Schülern, Jugendlichen, Studenten, jungen Arbeitnehmern. Als erstes werden sie sich online informieren. Wir sind dann auf das Agentur-System für diese Kundensegmente gekommen, weil wir ein faires Miteinander von stationärem Handel und Online-Handel haben möchten. Es führt ja zu nichts, den Online-Handel zu ignorieren. Auch wir müssen eine Internet-Präsenz haben, denn sonst werden wir weder gefunden, noch kauft jemand bei uns etwas. Bisher haben wir nur die Vertriebsbindung gehabt. Sie sichert uns zu, dass wir die Kontrolle über den Vertriebskanal Lattoflex in Deutschland behalten. Die bleibt für Lattoflex und die Thevo-Linie, wie sie ist.

Das Problem stellt sich aber, sobald wir das Ganze für den Online-Markt öffnen. Bei den jüngeren Zielgruppen können wir eine Online-Präsenz jedoch nicht vermeiden, wir müssen dort zu finden sein. Da wir keine Preise vorgeben dürfen, könnten wir ein faires Miteinander zwischen On- und Offline-Geschäft nicht garantieren. Wir haben fast ein Jahr mit Anwälten beraten, wie wir ein faires Miteinander zwischen Online und Stationär erreichen können. Und wenn eine Marke zusammen mit den Handelspartnern vermeiden möchte, dass im Preiswettbewerb Wild West passiert, dann ist für uns das Agentur-System die passende Antwort darauf.

Haustex: Wie ist das System ausgestaltet?

Tost: Der Händler stellt uns Fläche zur Verfügung. Dort platzieren wir in Absprache mit dem Kunden auf unsere Kosten die Produkte. Der Händler verkauft die Ware in unserem Namen. Da wir Eigentümer der Ware bis zum Verkauf sind, bestimmen wir den Preis. Und wir legen Wert darauf, dass dieser Preis nicht empfohlen und nicht verhandelbar sondern fix ist. Auf diese Weise garantieren wir, dass die Preise im Laden mit denen im Internet identisch sind.

Es ist uns bewusst, dass es eine Herausforderung für den Handel ist, die Parallelität anzunehmen. Aber wir können die Gegebenheiten des Marktes nicht verleugnen und müssen uns ihnen stellen. Schauen wir uns doch an, was die großen Markenanbieter machen. Die haben alle die Kontrolle aufgegeben und die Preise frei gegeben. Diese Situation wollten wir für Lattoflex auf alle Fälle vermeiden.

Thomas: Das Agentur-System ist nichts Ungewöhnliches. Im Gegenteil, es bietet Einzelhändlern in den unterschiedlichsten Branchen eine sichere Existenz. Als komplett selbständige Einheit oder als zweites Standbein in Form einer shop-in-shop Lösung.

Haustex: Wenn ein Jugendlicher oder ein junger Konsument im Internet eine Matratze kaufen möchte, gibt er in der Regel den Begriff Matratze ein, nur selten den Namen Lattoflex. Wie wollen Sie die Auffindbarkeit der Marke gewährleisten?

Tost: Das ist eine handwerkliche Aufgabe, die es noch zu lösen gilt. Da haben wir noch zu lernen. Wenn wir heute einen Weg finden, kann er sich in zwei Jahren schon wieder als nicht mehr hilfreich erweisen. So, wie wir es gerade in vielen anderen Sachen erleben. Aber wir können es uns als Marke mit Blick auf die jungen Zielgruppen heute nicht mehr leisten, online nicht präsent zu sein. Vielmehr müssen wir für junge Leute auch in Zukunft attraktiv erscheinen. Das ist sicherlich nicht der Frequenz-Turbo, aber vielleicht denkt sich der eine oder andere, dass er sich unsere Produkte lieber noch einmal im stationären Handel ansieht.

Haustex: Sie beschneiden allerdings auch die Kompetenzen des Händlers, indem sie ihn der Möglichkeit der Preisdiskussion berauben. Es gibt einfach Kunden, die gerade bei hochpreisigen Produkten wie Lattoflex nicht ohne ein Preiszugeständnis zuschlagen.

Thomas: Das stimmt. Ist das ein Nachteil oder vielleicht doch ein Vorteil? Die Chance des Handels besteht doch darin, mit höchstmöglicher Sicherheit garantieren zu können, dass die Produkte woanders nicht zu einem anderen Preis gehandelt werden. Und dann sehen wir uns das Thema der Abschriften und Spannen an. Was am Ende gerade wegen dieser Situation im Handel wirklich davon übrig bleibt, ist nicht ganz so viel.

Letztlich handelt es sich beim Agentur-System um eine Freiwilligkeit. Niemand muss bei dem Agentur-System mitmachen. Wie beim allem von uns. Es ist eine Einladung an den Handel auf Augenhöhe und bietet uns allen die Chance zu lernen, wie in Zukunft der Verkauf von Matratzen funktionieren könnte. Wie bieten einen geschützten Rahmen, in dem der Händler kein großes Risiko eingeht. Er muss ja nicht einmal für die Platzierung zahlen. Wir bringen mit dem Agentur-System eine unglaubliche Fairness in das System des Matratzenhandels. Die Welt verändert sich und wir müssen uns mit verändern - Handel wie Industrie. Wir müssen ja nur mal anschauen, was zum Teil auf dem Matratzenmarkt passiert, wenn die Preise frei gegeben werden.

Ich glaube, dass der Preis kein Problem darstellt. Die Frage ist vielmehr, ob es dem Händler gelingt, seinen Kunden auf dessen Bedürfnisebene abzuholen. Dann sollte der Preis in den Hintergrund treten.

Tost: Stimmt, einen Teil seiner Autonomie gibt der Händler auf, da er bei den Preisen nichts machen kann. Aber genau diese Autonomie kann auch zum Bumerang werden, wenn der Mitbewerber um die Ecke immer fünf Euro billiger ist als man selbst. Dann sieht die Welt ganz anders aus und die Freiheit, die wir suchen, wird zum Gefängnis.
Ein weiterer Punkt: Deutschland ist nicht die Welt und die Welt ist nicht Deutschland. Es gibt so viele Exportmärkte, die wir mit unserem Lattoflex-Vertrieb gar nicht erreichen, wohl aber mit unserem Internet-Auftritt.

Haustex: Wie haben Ihre Kunden nach den Partnertagen auf die Neuheiten reagiert?

Thomas: Sie entspricht der Diskussion, die wir gerade führen. Es gibt natürlich Fragen, sie wollen wissen, wie das alles funktionieren soll. Meine Erfahrung ist allerdings, dass man bei einem Vieraugen-Gespräch relativ schnell auf einen gemeinsamen Nenner kommt und das Verständnis für unsere Strategie vorhanden ist. Es ist unsere momentane Aufgabe, ein wenig Seelentröster zu sein. Wir sind aber auch Geburtshelfer für neue Ideen. Als wir damals das neue Vertriebssystem eingeführt hatten, haben wir dafür nicht unbedingt einen Beliebtheitspreis dafür gewonnen. Dagegen ist das, was wir heute erleben, nur ein laues Lüftchen. Angesichts der Verunsicherung, die derzeit im Markt herrscht, erlebe ich eine enorme Offenheit der Kunden. Inzwischen hat wohl jeder gemerkt, dass sich die Zeiten nicht mehr zurückdrehen lassen. Man bedenke nur, das Matratzen Concord rund 18 Prozent seiner deutschen Filialen schließen wird. Das sind ganz klare Signale.

Tost: Mit Trippelschritten kommt man heutzutage nicht weiter. Wir benötigen Entwicklungsperspektiven. Mit unseren Neuentwicklungen sind wir so weit gegangen, dass wir selbst fast nicht hinterher kommen, um sie alle abzuarbeiten. Aber nur von heute auf morgen zu denken, damit werden wir nicht vorankommen.

Thomas: Ich weiß, dass wir mit Thevo einen Riesenmarkt angehen. Noch habe ich keine schlüssige Idee, wie wir ihn gemeinsam mit unseren Händlern angehen können. Aber zumindest haben wir mit den Partnertagen für Thevo und viele andere Dinge einen Korridor geschaffen, den wir als Leitfaden für die Zukunft nutzen können. Man stelle sich vor, wir wären bei unseren Partnertagen nur mit den Matratzen aufgetreten, vielleicht etwas umfangreicher gestaltet als jetzt. Wie hätten die Händler das wohl aufgefasst? Sie wären unter Garantie enttäuscht gewesen, weil die Matratzen alleine nicht die Fragen der Zukunft lösen können. Wir müssen uns nicht fragen, wie eine Matratze geschnibbelt ist, sondern wie der Endverbraucher geschnibbelt ist.

Tost: Wenn etwas neu am Markt ist, sind es anfangs immer wenige, die sofort dabei sind. Die meisten warten lieber erst einmal ab und kommen später dazu, wenn alles gut läuft. So ist es auch jetzt. Mit diesen Leuten müssen wir die Schritte gehen, und wenn sich unsere Pläne bewahrheiten, werden ganz viele hinterher kommen. Wobei: Es ist ja nicht so, dass wir uns nicht anpassen könnten, wenn sich zeigen sollte, dass ein Plan sich nicht so umsetzten lässt wie erhofft.

Thomas: Das menschliche Hirn ist so gestrickt, dass es Veränderungen nicht mag. Man weiß zwar, dass Joggen gut für die Gesundheit ist. Trotzdem muss man sich immer wieder dazu überwinden. So ähnlich ist es in unserem Fall auch. Ich glaube, dass es langfristig richtig ist, was wir tun. Ich habe mich in den letzten Wochen und Monaten immer wieder gefragt, ob unser strategischer Ansatz wirklich richtig ist. Und die banale Antwort darauf ist: Mir fällt im Moment kein besserer ein, denn jetzt sind wir in der Lage, einige grundlegende Fragen im Handel zu beantworten. Das was wir auf den Partnertagen präsentiert haben, sind viele Puzzleteile, die zusammengelegt die Frage beantworten, wie Matratzenverkauf in der Zukunft funktioniert.

Tost: Ich liebe diese Sätze: "Wir sind 8 Milliarden Menschen auf der Erde. Jeder ist einzigartig. Mit seiner eigenen Geschichte, die den Unterschied macht. Warum sollte ein Bett nicht genau so sein?" Das trifft schlicht den Kern all unseres Tuns.

Lattoflex - in Kürze
Thomas GmbH + Co. Sitz- und Liegemöbel KG
Walkmühlenstraße 93
27432 Bremervörde
Tel.: 04761/979-0
Fax: 04761/979-161
E-Mail:info@lattoflex.com
Internet: www.lattoflex.com

Geschäftsführer: Boris Thomas, Wilfried Thomas

Produkte: Unterfederungen, Matratzen

Mitarbeiterzahl: 220

Absatzmärkte:
- eigener Vertrieb: Deutschland, Österreich, Schweiz, Tschechien, Dänemark, Japan, Taiwan, USA, Russland
- über Lizenzpartner: Benelux, Frankreich, Spanien, Niederlande, China
aus Haustex 01/19 (Wirtschaft)