Domotex

"Wir werden das neue Konzept der Domotex weiter verbessern"


Die Verantwortlichen der Domotex sehen Ansätze, das neue Konzept zu verbessern. Im Interview zeigen sie sich auch flexibel, die Messe zu einem anderen Zeitpunkt stattfinden zu lassen. Vom USA-Ableger verspricht man sich Rückenwind für Hannover.

BTH Heimtex: In wenigen Wochen öffnet die Domotex ihre Tore. Welche Erwartungen haben Sie?

Sonia Wedell-Castellano: Wir werden, was Ausstellerzahlen und verkaufte Nettofläche angeht, auf eine Rekord-Domotex zulaufen. Die verkaufte Fläche liegt mit mehr als 92.000 m2 über unserem geplanten Zielwert und auch über der Vergleichsveranstaltung 2017. Wir dürfen uns also auf eine sehr stabile und erfolgreiche Domotex freuen.

BTH Heimtex: 2018 präsentierte sich die Domotex mit einem ganz neuen Gesicht: neues Konzept, veränderte Tagesfolge, neue Hallenverteilung und erstmals ein Leitthema samt Trendflächen. Was erwartet Aussteller und Besucher 2019?

Wedell-Castellano: Wir halten an dem neuen Konzept fest und haben ein sehr gutes Feedback auf die Änderungen von unseren Kunden vernommen. Die hohen Ausstellerzahlen bestätigen uns in dieser Entscheidung, die Richtung beizubehalten. Dennoch haben wir auch Ansätze gefunden, noch einiges zu verbessern. Ich denke, das diesjährige Leitthema "CreateNConnect" spricht viele an und bildet einen guten Rahmen für die Aktions- und Trendflächen in Halle 9.

BTH Heimtex: Das neue Konzept hat viele Veränderungen mit sich gebracht. Nach der Premiere gab es Zuspruch, aber auch viel Kritik von Ausstellern und Besuchern. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Dr. Andreas Gruchow: Wir haben sehr viele positive Reaktionen von unseren Ausstellern und Besuchern erhalten. Wir haben sehr frühzeitig die Geländeveränderungen mit dem Domotex-Beirat erörtert, viel Zuspruch erhalten und dann die konkreten Umzüge mit den Ausstellern im Detail besprochen.

Dennoch bleibt festzuhalten, dass jeder umgezogen ist und viele Standorte und Laufwege noch ungewohnt waren. Ich halte es deshalb nach nur einer Veranstaltung für zu früh, um ein abschließendes Urteil zu fällen. Der neue Ansatz muss erst ausreichend gelebt und gelernt werden. Jetzt zur zweiten Ausgabe kann man mehr ablesen, vergleichen, analysieren und gegebenenfalls nachjustieren. Das wollen wir gerne wieder mit allen Beteiligten abstimmen.

BTH Heimtex: 2018 haben Aussteller aus fast allen Produktsegmenten der Messe bemängelt, dass viele ihrer Kunden und Einkäufer - vor allem aus dem nationalen und internationalen Handel - kürzer, mit weniger Personen oder gar nicht mehr auf die Domotex gekommen sind. Große Hersteller von textilen und elastischen Belägen wie AW, Balta, Beaulieu, IVC und Unilin stellen auch deswegen 2019 erstmals nicht bzw. nicht ihr komplettes Sortiment in Hannover aus, weil sich der Aufwand unter diesen Bedingungen nicht mehr lohnen würde. Diese Unternehmen veranstalten stattdessen Hausmessen oder Kundenveranstaltungen. Auch wir hatten das Gefühl, dass in den meisten Hallen weniger los war als in den letzten Jahren. Ihre offiziellen Besucherzahlen zeichnen ein anderes Bild. Darüber wundern sich auch viele, mit denen wir sprechen. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?

Gruchow: Das können wir so in der Form nicht nachvollziehen. Uns haben differenzierte Kommentare erreicht. Aber generell gibt es auf vielen Messen in zahlreichen Branchen die Tendenz, dass auf Besucherseite die Firmen tendenziell weniger Mitarbeiter und diese kürzer zu den Messen schicken. Diese Tendenz ist besonders aufgrund der Konzentration im Handel stark ausgeprägt. Wir hören das selbstverständlich auch von den Ausstellern.

Wir kennen aber auch unsere Zahlen. Bei der Domotex haben wir die Besucherzahlen in den letzten Jahren insgesamt immer weiter steigern können. Wir denken uns unsere Zahlen ja nicht aus. Das sind echte Drehkreuzbewegungen, die von einem unabhängigen Institut, der FKM (Gesellschaft zur freiwilligen Kontrolle von Messe- und Ausstellungszahlen, Anm. d. Red.) jedes Jahr ermittelt und geprüft werden. Unsere Zahlen haben quasi einen TÜV-Stempel. Da sind wir in Deutschland im weltweiten Wettbewerb führend hinsichtlich Transparenz und Belegbarkeit der Zahlen. Das gilt übrigens auch für Ausstellerzahl und -fläche.

BTH Heimtex: Wie wollen Sie versuchen, beispielsweise die großen Hersteller aus Belgien wieder zurückzuholen?

Gruchow: Wir sind mit allen Unternehmen intensiv im persönlichen Gespräch. Für eine Reihe von Absagen gibt es sehr individuelle Gründe, die in den Unternehmen selbst liegen oder nur für 2019 gelten. Dort, wo es um Grundsätzliches geht, nehmen wir die Kritik ernst. Wir machen beispielsweise alternative, angepasste Angebote für eine Messeteilnahme und schauen, was wir für 2020 zusammen machen können.

Aussteller versuchen immer wieder, alternative Wege zu gehen, um ihre Kunden zum Beispiel über Handelstage oder Hausmessen zu erreichen. Die Frage ist aber, ob die Teilnahme an diesen vielen kleineren Veranstaltungen vor allem für die kleinen und mittleren Handelskunden darstellbar ist. Weil der Aufwand wesentlich höher ist, zu vielen kleinen einzelnen Herstelleraktionen zu gehen, als auf eine große Domotex zu kommen.

Eine große Branchen-Leitmesse wie die Domotex dient ja auch immer der Imagebildung im Wettbewerb, dem direkten Vergleich von Produkten und Konzepten und dem Marktüberblick. Das geht in anderen Formaten nicht.

BTH Heimtex: Unter dem Strich haben tonangebende Hersteller von Teppichboden auf dem deutschen Markt bis auf wenige Ausnahmen für die Domotex im nächsten Jahr abgesagt. Viele Parkett- und Laminathersteller kommen auch nicht mehr. Auch Designbeläge sind nicht so richtig in Hannover. Die Objektanbieter sind bereits zur BAU oder zu anderen spezielleren Messen abgewandert. Bei Teppichen weichen gefühlte Besuchermengen von den offiziellen Zahlen ab. Verschiebt sich hier etwas?

Wendel-Castellano: Das können wir so in der Form nicht nachvollziehen; unsere Anmeldestände zeigen anderes. Die Domotex ist weiterhin eine stabile und erfolgreiche Messe. Der Ausstellerzuspruch ist gut, die belegte Fläche stimmt und die Besucherzahlen steigen. Wir haben aber auch Herausforderungen. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Dazu gehört z.B. die Frage, ob sich in den Zielgruppen, die wir erreichen, etwas verschiebt oder ob wir weitere neue Formate und Inhalte auf der Domotex brauchen. Ich habe im September 2018 die Verantwortung für die Domotex übernommen. Ich werde das kritisch analysieren und gemeinsam mit dem Messe-Beirat beraten, mit welchen Maßnahmen wir die Domotex auf Erfolgskurs halten. Dazu gehört auch das Thema Zielgruppen.

Gruchow: Messen generell müssen sich wandeln. Das war schon immer so und wird auch so bleiben. Besonders durch die Digitalisierung verändern sich Innovations- und Neuheitenzyklen einerseits sowie das Informations- und Einkaufsverhalten andererseits. Die Zeiten der knallharten Ordermessen wie früher gibt es nicht mehr. Wie viele Rollen Teppichboden beispielsweise auf der Messe verkauft wurden, kann nicht mehr alleiniges Maß für den Erfolg eines Messeaufritts sein. Eine Messe muss heute andere Aufgaben und Funktionen erfüllen, Bedürfnisse decken und Inhalte transportieren. Wir müssen als Treffpunkt-, Netzwerk- und Kommunikationsplattform der Branche stärker werden, emotionaler werden, Trends thematisieren und Handel, Handwerk und Architekten Lösungen und Inspiration bieten. Das wird uns mehr und die richtigen Besucher auf die Messe bringen und in der Folge auch sicherlich wieder Aussteller vor allem aus dem Hochwertsegment. Dafür kämpfen wir.

BTH Heimtex: Könnte es nicht kontraproduktiv sein, neue regionale Ableger der Domotex zu gründen - wie jetzt geschehen mit der Domotex USA, die Ende Februar 2019 erstmals in Atlanta statt findet? Gibt es da keinen Kannibalisierungseffekt?

Gruchow: Das Gegenteil ist der Fall. Die Besucherzahlen der weltweiten Leitmesse einer Branche wachsen gerade aus den Ländern bzw. Regionen, in denen neue regionale bzw. kontinentale Messeableger dazugekommen sind. Wir haben diesen Effekt bei einigen unserer Inlandsmessen über Jahre intensiv analysiert. In dem Moment, in dem wir in einem Land bzw. einer Region eine eigene Messe veranstalten, wird auch die Domotex in Hannover intensiver und positiver wahrgenommen. So ist es bei der Domotex Asia/Chinafloor und unserem Ableger in der Türkei gewesen. Und so wird es sicherlich auch mit der Domotex in den USA sein.

Die Domotex in Hannover bleibt klar unsere Nummer eins. Nur diese Messe wird weltweit beworben. Generell wird heute wesentlich internationaler und intensiver gehandelt als früher. Im Vergleich zu Anfang der 1960er-Jahre werden heute auf der Welt siebenmal mehr Waren produziert und der Welthandel hat sogar um den Faktor 17 zugenommen. Die Domotex spiegelt mit ihren Auslandsablegern diese Globalisierung wider.

BTH Heimtex: Wie sprechen Sie die Zielgruppen für die Domotex Hannover an?

Dagmar Wolf: Wir bewerben für die Domotex 2019 erstmals nicht nur das Leitthema der Messe, sondern sprechen auch direkt die einzelnen Zielgruppen wie Händler, Handwerker sowie Architekten und Designer zum Beispiel über Landingpages im Internet gezielt an. Wir werden speziell den Handel als Besucher in Zukunft intensiver ansprechen. Denn wir können nicht mehr davon ausgehen, dass der Handel automatisch auf die Domotex kommt. Wir stehen auch im Kontakt zu Verbänden, Organisationen und Initiativen, um den Parkett- und Bodenlegernachwuchs stärker auf die Domotex zu ziehen.

Wedell-Castellano: Für 2019 werden wir noch eine Aktionsfläche in Halle 13 bei den Verlegewerkstoffherstellern auf die Beine stellen, auf der live Boden verlegt wird. Sie soll am Biergarten positioniert werden. Ziel der Aktionsfläche ist, dass Aussteller ihre Werkzeuge zur Unterstützung und Vereinfachung der Verlegearbeiten, Materialien zum Bodenaufbau und Werkzeuge und Materialien zur Bodeninstandsetzung dem eingeladenen Publikum vorstellen. Das Publikum erhält dadurch einen hautnahen und echten Einblick in die vorgestellten Produkte, die in Werbevideos nur in werblicher und meist geschönter Form zu sehen sind. Gezeigt werden sollen möglichst viele unterschiedliche Arbeitsschritte, Hilfsmittel, Techniken und Werkzeuge sowie Estrich und alternative Unterbauten, das Verlegen von Belägen, deren Pflege und Sanierung und der Rückbau.

BTH Heimtex: Die Münchner BAU ist seit einiger Zeit in den ungeraden Jahren eine starke Wettbewerbsmesse für die Domotex - nicht nur weil sich beide zeitlich überschneiden. Viele Unternehmen - vor allem mit Schwerpunkt Objekt - sind dorthin abgewandert. Worauf führen Sie das zurück?

Gruchow: BAU und Domotex sind sehr unterschiedliche Messen und schwer zu vergleichen. Die BAU versammelt alle Produkte der Bauwirtschaft. Deswegen sind beispielsweise Architekten grundsätzlich in einer höheren Anzahl in München als man das aus Hannover kennt. Aber in Hannover sind sie mit klarem Fokus auf das Thema Boden. Die Domotex hat den Vorteil, die gesamte Bodenbelagsbranche abzubilden und nicht nur einen Teilausschnitt, der auch noch im Messegeschehen in München etwas untergeht. In Hannover treffen sich zudem Besucher und Aussteller aus der ganzen Welt. Die BAU ist bei Bodenbelägen viel regionaler aufgestellt und eher auf den deutschsprachigen Raum fokussiert.

Wedell-Castellano: Ein Problem ist einfach, dass sich die beiden Messen zeitlich überschneiden. Ein Doppelauftritt ist für viele Hersteller schwer zu bewältigen.

BTH Heimtex: Können Sie sich denn vorstellen, in den Zwei-Jahres-Rhythmus zu wechseln oder die Domotex zu einem anderen Termin stattfinden zu lassen?
Wedell-Castellano: Die Frage nach dem Zyklus stellt sich nicht. Die Domotex findet definitiv auch weiterhin jedes Jahr statt. Viele Kollektionen wechseln im Jahrestakt, Kunden wollen jährlich ordern und Trends ändern sich von Jahr zu Jahr. Das ist ein erfolgreicher Rhythmus. Es gibt keinen Grund, das zu ändern.

Gruchow: Die Diskussion um den besten Zeitpunkt im Jahr ist so alt wie die Messe selbst. Wir sind bei dieser Frage flexibel. Wenn die Branche einen anderen Zeitpunkt für geeigneter hält, ziehen wir mit. Wir wollen das Beste für die Branche und das Problem mit der zeitlichen Überschneidung mit den Kollegen aus München wäre dann gelöst. Nur: Wir fragen jedes Jahr bei unseren Ausstellern ab, welcher Termin der beste ist. Bisher sprechen sich immer nahezu alle nach wie vor für den Januar aus.

Das Gespräch führten Michael Steinert, Tim Steinert und Jochen Lange.
aus BTH Heimtex 12/18 (Wirtschaft)