Bettenring-Jahrestagung in Bad Neuenahr

"Es ist anstrengender geworden"


Bad Neuenahr. Die Herausforderungen für den stationären Bettenfachhandel sind mit dem digitalen Wandel größer geworden. Auch wenn die Rückvergütung beim Bettenring stimmt: Die Mitbewerber aus dem Netz machen sich beim Umsatz deutlich bemerkbar. Es ist also Zeit zu handeln. Bei der Jahrestagung in Bad Neuenahrstanden daher Fragen der Markenbildung und der Digitalisierung im Fokus. Doch auch neueste Erkenntnisse der Schlaf- und der Hirnforschung waren Thema an der Ahr, wo bei allem Ernst der Lage auch die Geselligkeit ihren Platz fand.

Mit einem Nettoumsatz von 82,2 Mio. Euro (ohne MwSt.) liegt die Bettenring eG 2,9 Prozent unter ihrem Vorjahresergebnis. Damit setzt sich der Trend fort, der bereits bei der Tagung 2017 in Straubing deutlich wurde: Damals stand ein Minus von 2,8 Prozent in den Büchern.

"Die Umsatzentwicklung der Jahre 2016 und 2017 macht deutlich, dass ein Gegensteuern in jedem einzelnen Betrieb notwendig ist", formulierte es Dr. Martin Süß in der eindrucksvollen Umgebung des Kurhauses von Bad Neuenahr. Eine leichte Erholung könnten die Bettenring-Umsätze durchaus gebrauchen: Nach einer positiven Entwicklung in den sechs Jahren zuvor sind sie seit 2016 rückläufig, vorwiegend im Bereich Bettsysteme.

Trotzdem, und das war die gute Nachricht für die Mitglieder in Bad Neuenahr, schüttete der Bettenring eine genossenschaftliche Rückvergütung von 1,5 Prozent aus - und lag damit leicht über dem Vorjahreswert. Süß sprach daher von einer soliden Ertragslage und der Ausschüttung einer guten Rückvergütung. Der Gesamtausschüttungsbetrag lag bei 2,898 Mio. Euro für das Geschäftsjahr 2017.

"Schon nicht schlecht" sei das, wie Süß in aller Bescheidenheit als "Mainzer Schwabe" attestierte: "Geringerer Umsatz, höherer Rohertrag, besseres Betriebsergebnis". Die rund 160 Anwesenden hörten es gerne und applaudierten entsprechend. Aktuell zählt der Bettenring 197 Mitglieder mit 228 Geschäften. Mit einer Eigenkapitalquote von 50 Prozent, keinerlei Bankverbindlichkeiten und einem sehr guten A-Rating des Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes im Rücken steht der Bettenring weiterhin gut da. Und mit 17 Mitarbeitern (auf Vollzeit gerechnet) inklusive des Vorstandes verfügt das Team in Filderstadt über eine schlanke und effiziente Struktur.

"Wir sind gut,
wir haben die Kompetenz"

Hohe Produktivität und vergleichsweise niedrige Personal- und Sachkosten lobte auch der Aufsichtsrat. "Die Zeiten und die Rahmenbedinungen waren nie leicht", betonte Stephan Schulze-Aissen als dessen Vorsitzender, "nur in unserer Erinnerung waren sie leicht, weil wir sie erfolgreich bewältigt haben." Optimismus sei gefragt, sagte der Fachhändler aus Bremerhaven, der ein "durchaus herausforderndes Wettbewerbsumfeld von der Großfläche bis zu neuen Vertriebsformen" skizzierte, aber den Themen One-Fits-All und Boxspring eine klare Absage erteilte.

Diese seien nicht deckungsgleich mit der Auffassung des Fachhandels, "nach der vorranging individuelle Lösungen für den erholsamen Schlaf und für ein optimales Schlafumfeld den Mehrwert für den einzelnen Kunden ausmachen." Mit anderen Worten: "Wir sind gut, wir haben die Kompetenz", so Schulze-Aissen. Die entscheidende Frage sei, wie man die Kunden in die Geschäfte bekomme, um sie von dieser Kompetenz zu überzeugen.

Dass dies nicht leicht ist, verdeutlichen die aktuellen Zahlen. Laut Schulze-Aissen bewegte sich die Umsatzenwicklung der Anschlusshäuser auch im ersten Quartel 2018 "leicht unterhalb des Vorjahresniveaus". Trotzdem sieht der Vorsitzende gemeinsam mit seinen Aufsichtsratskollegen nicht schwarz: "Mit der gebotenen kaufmännischen Vorsicht halten wir für 2018 ein Jahresergebnis für erreichbar, das in etwa auf dem Niveau des Vorjahres liegen kann." Schultze-Aissen dankte Joachim Leitermann, der altersbedingt aus dem Aufsichtsrat ausschied. Ihm folgt Frank Gaffrey nach, der einstimmig gewählt wurde.

Um das Vorjahresniveau zu erreichen, müssen - um mit Stephan Schulze Aissen zu sprechen - gleichwohl Kunden in die Geschäfte kommen und von der Kompezenz des Fachandels überzeugt werden. Vorstand Günter Budde hatte seinen Vortrag denn auch unter die Überschrift "Auf dem Weg zum Kunden" gestellt. "Es ist anstrengender geworden", sagte Budde gleich zu Beginn seiner Ausführungen. "Alles muss auf den Kunden ausgerichtet sein." Und der sei vor allem eins: markentreu. Aber: "Bei qualitativen Abstrichen und Preissprüngen verabschiedet sich der Kunde von der Marke."

Die Marke Dormabell macht
28 Prozent des Umsatzes

Die Bedeutung der Verbandsmarke Dormabell erklärte Budde anhand einiger Zahlen: 28 Prozent des Bettenring-Umsatzes werden mit den Produkten dieses Labels generiert, im vergangenen Jahr wurden 294.508 Dormabell-Artikel (ohne Frottier) verkauft. Zum Beispiel Kissen: Von Dormabell Cervical gingen im vergangenen Jahr fast 44.000 Stück über die Ladentheke; dem kleinen Minus in 2017 steht von Januar bis Mai 2018 aber schon wieder ein gutes Plus gegenüber. "Ich habe den Ehrgeiz, 50.000 Kissen im Jahr zu verkaufen", erklärte der Bettenring-Vorstand.

Beispiel Decken: Das Dormabell-Programm WBA verkaufte sich 2017 mit mehr als 22.000 Stück ebenfalls gut. "Aber", so Budde, "wir stagnieren. Das war schon mal besser." Nur 16 Prozent der Zudecken werden nach seinen Angaben im Bettenfachhandel verkauft - gegenüber 50 Prozent in Einrichtungshäusern sowie 15 Prozent in Warenhäusern (Amazon, Karstadt etc.), 11 Prozent bei Discountern (Aldi, Lidl etc.) und 8 Prozent im Versandhandel. "Das kann uns nicht zufriedenstellen. Die Zudecke muss offensiver in den Blickpunkt rücken", mahnte Budde. Das lässt sich im Wortsinne mit wenigen Handgriffen bewerkstelligen: mit einer hängenden Präsentation der Bettwaren statt der liegenden Präsentation im Regal beispielsweise, um den haptischen Aspekt zu stärken. "Das Berühren der Waren steigert die Spontankauf-Quote um 40 Prozent", so Budde. "Geben Sie dem Kunden die Produkte stärker an die Hand", appellierte er an die Händler.

Beispiel Matratzen und Rahmen: Dormabell Innova verzeichnete bei den verkauften Matratzen 2017 ein leichtes Plus gegenüber dem Vorjahr, insgesamt wurden 19.720 Stück verkauft, 414 mehr als 2016. Bei den Rahmen sank der Absatz um 469 Stück auf 12.876. Das sind zwar vor dem Hintergrund des Wettbewerbes solide Zahlen, gleichwohl ist die Gesamtsituation aus Sicht Buddes alles andere als entspannt: "74 Prozent der Verbraucher wollen nicht mehr als 300 Euro für eine Matratze ausgeben", mahnte er.

Hinzu komme die zunehmende Preisaggressivität bei den Anbietern von Einheitsmatratzen und die negative Wirkung, die von der Berichterstattung über die Stiftung Warentest ausgehe. Deren Chef Hubertus Primus hatte gegenüber dem Berliner Tagesspiegel gesagt, die Matratzentests seien auf der Website der Stiftung "absolute Clickmonster". Sie allein brächten der StiWa 250.000 Euro im Jahr. "Die werden am Thema dranbleiben", erklärte Budde und verwies auf die Test-Expertise des Ergonomie Instituts München (EIM): "Wir haben Zertifikate von neutralen Instituten. Setzen Sie diese aktiv ein!" Doch auch beim Bettering weiß man natürlich um die Macht der Stiftung: 79 Prozent der Bundesbürger vertrauen einer Studie zufolge den Warentest-Siegeln, zwei Drittel der Befragten lassen sich von negativen Testurteilen der StiWa bei ihrer Kaufentscheidung beeinflussen. Es ist anstrengender geworden.

Budde riet den Händlern, die Marke Dormabell aktiv zu nutzen, räumte aber auch Verbesserungsbedarf bei der Vermarktung ein. 250 tägliche Besucher zählt man aktuell auf der Dormabell-Seite. Der gesamte Markenauftritt soll künftig emotionaler werden. "Wir neigen dazu, zu technisch zu argumentieren und das Nutzungserlebnis zu vernachlässigen." Konsequenz: Sämtliche Texte wurden überarbeitet, um die Produkte emotionaler aufzuladen. Den Händlern legte Budde zudem einen Marketing-Mix ans Herz, der sowohl Printwerbung als auch Online-Aktivitäten, die Nutzung aktueller Medien und nicht zuletzt die POS-Gestaltung umfasst. Sein Wunsch: "Schaffen Sie eine ausgewogene Balance in den Kommunikationskanälen."

Neuer Internetauftritt
für mehr Kundennhähe

Vorstand Alfred Krauss erläuterte den neuen Online-Auftritt der Marke Dormabell, der unter der Überschrift: "Ganz auf Komfort. First Class schlafen." überarbeitet wurde. "Wir haben die Gestaltung näher an den Kundenwünschen orientiert. Der Besucher soll schneller zu den Dingen finden, die ihn interessieren." Die Seite wurde für Tablet und Smartphone optimiert, die Suchfunktionen verbessert und die Übersichtlichkeit der einzelnen Warengruppen erhöht, so Krauss.

Neben der Markenseite bietet der Bettenring seinen Mitgliedern auch eine Website an, die von 60 bis 70 Händlern genutzt wird. 29 von ihnen nutzen zusätzlich das Modul für den Onlineshop. Mit dem Bettenring-Artikel-Bestell-System (BABS) bietet der Verband ein weiteres digitales Werkzeug, das seit neun Monaten in Betrieb ist. "Es kann entscheidend zur Wettbewerbsfähigkeit beitragen", erklärte Anton Sailer, unter dessen Federfürung das Projekt läuft. Bisher beteiligen sich 26 Lieferanten an der Datenbank, die aktuell mehr als 35.000 Artikel umfasst und ständig aktuelle Informationen zum Bestand liefert.

99 Häuser nutzen BABS, 130 sollen es bis zum Jahresende werden. Aber, so Sailer: "28 Häuser suchen und bestellen noch aus dem Katalog." Wie bedeutsam der Schritt zur Digitalisierung aber ist, verdeutlichte er an einer anderen Zahl: "92 Prozent der Kunden halten es für wichtig, über den aktuellen Lieferstatus einer Bestellung informiert zu werden." Und auch Alfred Krauss machte sich bei seinen Kollegen stark für die Angebote: "Die Verknüpfung von Online-Shop, Warenwirtschaft und BABS funktioniert aus Sicht der Händlers total einfach."

Die Herausforderungen der Digitalisierung standen auch im Mittelpunkt zweier Vorträge, die Eve Cecon und Ralf Mager hielten. Cecon, Expertin für digitalen Handel, blieb dabei eher im Allgemeinen: "Nur wenn ich weiß, was der Nutzer braucht, kann ich ihm auch das passende Produkt und den Service bieten", lautete einer ihrer Aussagen. Das Amazon-Prinzip laute: Zu wissen, was der Kunde brauche, bevor es der Kunde wisse - und zu liefern, bevor der Kunde bestellt habe. Oder, um es mit Amazon-Gründer Jeff Bezos zu sagen, den Cecon zitierte: "Das Geschäft wird von denen gemacht, die die Kundendaten am besten und am schnellsten nutzen."

"Voice-Commerce wird
der nächste große Brüller"

Ralf Mager von der Münchner Modefirma Lodenfrey war da schon näher am Alltag der anwesenden Bettenfachhändler. Er ist in seinem Unternehmen für das Thema E-Commerce verantwortlich. Wie wichtig das ist, macht eine Zahl deutlich: 41 Prozent der Kunden kaufen mittlerweile mehr Bekleidung online als offline. Aber, so Mager: Für die stationären Kunden sind die Händler wichtiger, also das Einkaufserlebnis am POS. "Für Online-Shopper sind Marken wichtig."

58 Prozent der Kunden kaufen ein stationär entdecktes Produkt online, so Mager. "Wir fangen diese Kunden nicht ab, aber wir müssen sie davon abhalten, den Kanal zu wechseln." Denn die Prognosen für den Onlinehandel gehen weiter nach oben. "Die Aktivitäten, die ich online starte, müssen auf meine Marke einzahlen." 62 Prozent der Kunden suchen online entdeckte Produkte im lokalen Handel. Mager riet: "Freunden Sie sich mit den neuen Technologien an." Der Händler müsse es schaffen, dort medial präsent zu sein, wo sich der Kunde aufhalte. Das gelte auch bei Alexa und Co.: "Das ganze Thema Voice-Commerce wird der nächste große Brüller."

Mager ist sicher: "Mit einer einfachen Produktübersichtsseite wird der stationäre Händler in Zukunft nicht mehr erfolgreich sein." Man dürfe sich nicht auf einen Vertriebs-, aber auch nicht auf einen Kommunikationskanal beschränken. "Sie müssen nicht über große Budgets verfügen, aber eine Idee von vorne bis hinten durchspielen", so Mager. "Content is king - geben Sie das den Kunden."

Mit dem Schlafforscher Prof. Dr. Ingo Fietze und dem Hirnforscher Dr. Henning Beck war es dem Bettenring gelungen, zwei hochkarätige Wissenschaftler als Referenten nach Bad Neuenahr zu holen (siehe gesonderte Artikel). Nach so viel anspruchsvollem Input stand die Abendveranstaltung ganz im Zeichen der ortsüblichen Geselligkeit: Das Ahrtal als Weingegend bot dazu einen passenden Rahmen. So führte der Abend in den Weinkeller der Winzergenossenschaft Mayschoss, der weltweit ältesten ihrer Art und in diesem Jahr 150 Jahre alt, in der 432 Winzer zusammengeschlossen sind.

Martin Süß hatte die Genossenschaft nicht ohne Grund ausgesucht, schließlich ist der Bettenring eine ebensolche - und der Vater der Idee, der vor 200 Jahren geborene Friedrich Wilhelm Raiffeisen, hat in der Nähe des Tagunsgortes gewirkt. Sein Leitspruch ist auch für den Bettenring weiterhin aktuell, zumal in Zeiten, in denen die Herausforderungen für den stationären Fachhandel nicht kleiner werden: "Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele."

Die nächste Jahrestagung des Bettenrings findet vom 28. bis 29. Juni 2019 im brandenburgischen Nauen statt.
aus Haustex 07/18 (Wirtschaft)