Interview des Monats mit Ulrich Böing

Die Nische emotional besetzen


Mit seinen hochwertigen Handtuft-Kinderteppichen wendet sich Böing Carpet gezielt an den Möbel- und Fachhandel. Der Dülmener Großhändler vertreibt in der Produktgruppe zahlreiche Lizenzen, darunter viele beliebte Figuren des Coppenrath-Verlags. Außerdem im Programm: samtige Druckteppiche wie etwa die Bobby Car Lizenz von Big oder die Chenille-Webteppichserie Grimmliis mit Märchenfiguren. Den Schwerpunkt legt Böing gezielt auf emotional besetzte Nischenprodukte als Alleinstellungsmerkmal und auf einen vertrauensvollen, langjährigen Umgang mit den Lizenzgebern. Sein Motto: Gut gepflegte Marken statt billiger Massenware. Carpet XL sprach mit Geschäftsführer Ulrich Böing.


Carpet XL: Böing Carpet ist ein vergleichsweise kleiner Anbieter mit beliebten Marken, seit neustem auch mit einer Bobby Car Lizenz von Big.

Ulrich Böing: Genau das ist mein Vorteil: klein und beweglich zu sein und mich auf höherwertige Nischenprodukte konzentrieren zu können. Ich muss nicht alles haben und will das auch gar nicht. Mein Anliegen ist es, emotional besetzte Lizenzen für den Kinderteppich zu gewinnen und ein vertrauensvolles Verhältnis zu meinen Lizenzgebern zu pflegen.

Carpet XL: Sie arbeiten zum Beispiel schon lange mit dem Coppenrath Verlag zusammen.

Ulrich Böing: Ja, das ist ein sehr fairer, treuer Geschäftspartner und einer der ersten Verlage, der eine sehr liebevoll gemachte Welt mit Non-Book-Artikeln erschaffen hat. Die Marken werden gut gepflegt, und davon profitiere ich wiederum - denn auf diese Weise rutschen die Produkte nicht in den Billigbereich. Zu den Lizenzen gehören Prinzessin Lillifee, Hase Felix, der Mondbär und Die Lieben Sieben - das ist übrigens unsere bisher erfolgreichste Lizenz. Mit dieser Gruppe bediene ich ausschließlich den Fach- und Möbelhandel, keine Discounter.

Carpet XL: Seit einigen Wochen haben Sie einen neuen Lizenzgeber - die Firma Big mit ihrer Marke Bobby Car.

Ulrich Böing: Ja, da ist das Unternehmen sogar auf mich zugekommen, und ich bin der einzige Lizenznehmer in Sachen Kinderteppiche. Das Thema lassen wir mit einem sehr hochwertigen, samtigen Stoffdruck in China umsetzen.

Allerdings eignet sich nicht jede Lizenz für eine Teppichkollektion. Die betreffende Figur oder das Thema muss große Begehrlichkeiten wecken, denn einen Teppich nimmt man nicht mal eben so mit wie ein Stofftier oder Stifte. Ein wunderbares Beispiel: In einer Teppichabteilung lag mal einer unserer Teppiche mit Prinzessin Lillifee oben auf dem Stapel. Ein kleines Mädchen war mit ihren Eltern da, die ist sofort auf den Teppich zugestürzt und hat der Prinzessin einen Kuss auf den Mund gegeben. Genau so eine starke Emotionalität braucht es auch. Ist die vorhanden, gerät man nicht so schnell in einen Preiskampf wie bei den Me-Too-Produkten.

Trotzdem ist es immer noch eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Manche Lizenzgeber fordern für eine Teppichserie so hohe Beteiligungen, dass es sich für uns nicht lohnt, damit einzusteigen.

Carpet XL: Welche Kollektionen bietet Böing Carpet denn neben Lizenzprodukten wie den Coppenrath-Figuren und Bobby Car an?

Ulrich Böing: Ganz neu ist beispielsweise eine Serie mit Märchenmotiven von der Designerin Esther Strohecker: Grimmliis. Darüber hinaus haben wir auch eine Eigenmarke, Lovely Kids, mit verschiedenen Motiven. Besonders stolz sind wir da auf unsere Teppiche mit Welt- oder Deutschlandkarten. Darauf kommen die Schriften und Konturen besonders schön und klar zur Geltung; das Goethe-Institut hat deswegen gleich mehrere Teppiche mit Deutschlandkarten bestellt. Außerdem sind wir immer noch im Hochwert-Handtuftbereich aktiv, der weiterhin gut gefragt wird.

Carpet XL: Bei Produkten für Kinder ist es sicher wichtig, dass sie schadstoffgeprüft sind.

Ulrich Böing: Auf jeden Fall. Alle unsere Kinderteppiche sind mindestens Oeko-Tex-100-zertifiziert. Auch darüber hinaus ist uns die Qualität wichtig. Wir lassen Muster anfertigen und überprüfen, ob die Designs schön und klar zur Geltung kommen ... und lassen das Produkt durch den Hersteller so lange weiterentwickeln, bis es unseren Ansprüchen gerecht wird.

Carpet XL: Sie bieten also Handtuft und bedruckte Teppiche. Wie sieht es mit Maschinenwebware aus?

Ulrich Böing: Die haben wir noch nicht im Programm, werden uns mit dieser Produktgruppe aber auseinandersetzen. Hier gilt für uns natürlich erst recht, etwas Besonderes, Einzigartiges anzubieten, wenn wir es anbieten. Vor allem aus der Türkei ist der Wettbewerbsdruck ja sehr groß. Wir halten nichts davon, viel billige Massenware zu verkaufen.

Carpet XL: Das Gleiche gilt auch für den Handel: Umsatz ist nicht alles, vor allem die Rendite muss stimmen.

Ulrich Boeing: Eben, daher kann ich jeden Händler nur ermutigen, auch die Lücken im Blick zu behalten. Die Massenprodukte hat nämlich jeder, aber mit konkurrenzlosen Nischenprodukten kann ich mich aus dem Einheitseinerlei abheben und oft auch bessere Margen erzielen - und die braucht der Handel schließlich.

Carpet XL: Virtuelle Präsentationsfläche bietet das Internet, aber da macht der Möbelhandel noch viel zu wenig. Wie stehen Sie zum Online-Handel?

Ulrich Böing: Der hat im Bereich Kinderzimmerteppiche eine große Bedeutung. Allerdings darf man als Großhändler nicht die Investitionen unterschätzen, die für den Aufbau eines funktionierenden Onlinegeschäfts zu tätigen sind. Wir selbst arbeiten bereits mit einigen Online-Anbietern zusammen; auch Dropshipping ist für uns kein Problem.

Carpet XL: Zurück zum stationären Handel: Welche Tipps würden Sie jemandem geben, der Kinderzimmerteppiche verkaufen will?

Ulrich Böing: Emotionen wecken und Kompetenz zeigen - das ist das Grundprinzip. Der Kinderteppich darf nicht im Gesamt-Teppichangebot verschwinden, man sollte ihm einen eigenen kleinen Bereich einräumen und diesen dann entsprechend dekorieren. Der Coppenrath-Verlag stellt zum Beispiel schöne stimmungsvolle Bilder zur Verfügung, dazu ein paar Accessoires ... damit lassen sich solche Ecken sehr individuell gestalten. Von immer gleichen Shop-in-Shop-Lösungen halte ich nicht viel.

Natürlich ist der Umsatzanteil des Kinderteppichs an der Teppichabteilung eher gering, trotzdem spielt er dort eine entscheidende Rolle. Denn Kinderzimmer gibt es in jeder Familie, und in jedem Kinderzimmer gehört auch etwas Weiches auf den Boden - ein Teppich eben.

Carpet XL: Wie schätzen Sie den Markt derzeit ein?

Ulrich Böing: Der Wettbewerb wird stärker, und auch hier kommen immer neue Materialien und Qualitäten hinzu - da muss man als Anbieter am Ball bleiben. Trotzdem wird weiterhin Platz für eine gute Marke sein, die es eben nicht überall und auch nicht im Discounter gibt.

Dazu kommt, dass Eltern heute im Schnitt älter sind als noch vor einigen Jahrzehnten und entsprechend fester im Berufsleben stehen. Das heißt, dass ihnen tendenziell mehr Geld für ihre Kinder zur Verfügung steht.•
aus Carpet Magazin 03/17 (Wirtschaft)