Teppiche auf der Domotex 2017

Flacher, farbiger, bezahlbarer


Für den Teppich sind rosige Zeiten angebrochen - auf jeden Fall farblich. Die Domotex zeigte, dass Lachstöne ihren Platz auf dem Boden gefunden haben; Heimtextil und IMM Cologne bestätigten das. Dazu gesellen sich zukünftig weitere Pastelltöne, Glitzergarn und Metallic. Und ansonsten? Ist günstiger Chic gefragt. Innovationen kommen hauptsächlich aus dem Maschinenweb-Bereich; die Dessins der hochwertigen Knüpfteppiche gleichen sich immer stärker an. Bei den günstigeren Handarbeiten sorgen Flachweb-Muster, Stickereien und Druck für eine interessante Optik. Gerade die indischen Anbieter sind hier stark.


Freie Bahn für Rollkoffer. Wer in den Teppichhallen der Domotex unterwegs war, hatte in den Gängen kaum mit Gegenverkehr zu rechnen: Die diesjährige Messe wurde deutlich spärlicher besucht als die Vorjahresveranstaltung. Immerhin waren laut zahlreichen Ausstellern "die wichtigen Entscheider da". Man kann den Besucherrückgang auf das Wetter schieben, auf die praktisch gleichzeitig stattfindende Messe Bau in München oder auf den Mond im siebten Haus. Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch die Tatsache, dass sich die Domotex verstärkt zur "Messe für größere Handelsstrukturen" entwickelt. Hier suchen tendenziell immer "mächtigere" Einkäufer oder Einkaufsverbände nach umso größeren Mengen günstigerer Teppiche. Im Umkehrschluss heißt das, dass man kleineren Fachhändlern kaum noch begegnete. "Ich habe die kleineren Einzelhändler aus Europa vermisst, die sonst immer zur Domotex gekommen sind und kleine bis mittelgroße Einkäufe getätigt haben", sagt Homayoun Farhadian.

Dafür trifft man umso mehr Besucher aus den USA, und das nicht nur wegen des derzeit starken Dollarkurses. "Für hochwertige Teppiche ist die Domotex sehr viel interessanter als etwa der Rug Market in Atlanta", berichtete Fachhändler Rob Leahy von Fine Rugs of Charleston (im US-Bundesstaat South Carolina), der außerdem die große Bandbreite der angebotenen Teppiche lobte. Viele Aussteller, etwa ABC Italia, Modam und Ali Mohammadi, berichteten über gute Geschäftsabschlüsse mit Besuchern von "jenseits des großen Teiches" und hatten vorausblickend Übermaßteppiche eingepackt.

Die Teppichtrends: Milchshake, Metallic und Musterprint

Nach Jahren der wohnlichen Zurückhaltung hebt sich der Beige-Grauschleier ein Stück, und die Anbieter zeigen etwas mehr Mut zur Farbe. Zunächst einmal sehr sanft: Pastellige Milchshake-Nuancen treffen aufeinander oder harmonieren mit neutralen Naturtönen. Schön zu sehen etwa in der neuen Verbatex-Kollektion, die Viskose mit ungefärbter Schurwolle kombiniert. Auch Felle, längst im Trend, sieht man verstärkt in Rosé - zum Beispiel bei Reinkemeier-Rietberg, bei Golze oder beim Fellspezialisten Heino.

Außerdem glänzt und glitzert es hier und da am Boden: Metallictöne und Lurexfäden beleben den Teppich, zum Beispiel bei Balta: Der belgische Maschinenweber setzt Gold verstärkt als Akzentfarbe ein. Reinkemeier-Rietberg bietet ein Teppich-Maßprogramm mit Metallplättchen, und Euro-Tapis setzt auf Metallictöne und Glitzereffekte. Auch der Handknüpfbereich macht mit: Roesner, zum ersten Mal seit langem wieder auf der Domotex, zeigte einen mit Lurex durchsetzten Nepalteppich.

Der dritte neue Teppichtrend im Maschinenweb- wie im Handmade-Bereich lautet: Druck machen! Reinkemeier-Rietberg hatte Flachgewebe mit Siebdruck im Gepäck, Brillant Carpet präsentierte eine neue, besonders dünne Teppichkollektion der Designerin Sandra Baan. Im Handmade-Bereich lautet Blockprint die Devise: Bei Kirkit waren von Hand bedruckte Hanf-Flachgewebe gefragt, und Zoha bedruckt seine Handloom-Teppiche sogar beidseitig.

Handweb: bezahlbar und individuell

Wer sich einen individuellen, handgefertigten und gleichzeitig bezahlbaren Teppich wünscht, hat noch eine weitere Wahlmöglichkeit: Handweb. Das Produkt füllt die Lücke zwischen Handknüpf- und Maschinenwebteppich und erlebt zumindest in Westeuropa einen kleinen Boom: "Gerade jüngere Leute interessieren sich immer mehr für den Handwebteppich", heißt es bei Paulig. Und aus den Teppichabteilungen hört man verstärkt, dass der Handwebteppich die Bilanz retten würde.

Maschinenweb: günstig und geschmackvoll

Der Wettbewerb unter den Maschinenwebern ist hart, und einige türkische Anbieter haben bereits kräftig Federn gelassen. Trotzdem herrschte in den entsprechenden Hallen überdurchschnittlich gute Laune und lebhafte Business-Stimmung.

Was günstiger ist, kann durchaus sehr geschmackvoll aussehen. Das sollte es auch, denn die Maschinenweb-Konkurrenz ist groß und drückt daher nicht nur von oben auf den Preis, sondern pusht auch von unten Design und Qualität. Balta setzt verstärkt auf Flachgewebe und sehr feine "Loops", also Schlingenware. Und: Hochwertige Maschinenwebteppiche haben inzwischen den Platz von günstigem Handtuft eingenommen, der nach und nach von der Bildfläche verschwindet. Die bisherigen Handtuft-Größen Arte Espina, Wecon Home oder Hong Chia haben dieses Jahr keine Stände gebucht. Stattdessen steigen jetzt "von oben" Knüpfteppich-Designer wie Rug Star ins Handtuftgeschäft ein und wenden sich mit ihren Kollektionen ans gehobene Objekt.

Polyester und Materialmix auf dem Vormarsch

In Sachen Fasern ist Polyester eindeutig auf dem Vormarsch; auch der türkische Web-Riese Merinos steigt groß in die Produktion ein (siehe Carpet XL 01/17). Das Garn hat einen weniger "öligen" Griff als das gängige Polypropylen, ist weicher und bringt durch seinen sanften Glanz Farben stärker zum Leuchten. Ein Vorteil bei der Herstellung: Polyester lässt sich je nach Bedarf im Wunschton einfärben, während Polypropylen in der entsprechenden Farbe extrudiert werden muss. Dafür ist Polypropylen widerstandsfähiger und verfügt über ein höheres Wiederaufrichtungsvermögen. Besonders gern werden die verschiedenen Faserqualitäten übrigens miteinander kombiniert: Polyester-Schrumpfgarn mit Polypropylen etwa ergibt Ton-in-Ton einen dezenten Hoch-Tief- und Matt-Glanz-Effekt, der stark im Trend liegt.

Auch im Service-Bereich müssen die Maschinenweber am Ball bleiben, um sich von ihren Mitbewerbern abzuheben. Die nächste Herausforderung lautet Drop Shipping - diesem Thema will sich jetzt auch Merinos stellen.

Fortschritte in der Garnentwicklung

Voraussetzung für die immer weicheren, immer hochwertigeren und immer komplexer gestalteten Webteppiche sind Weiterentwicklungen in der Herstellungstechnik. Zum Beispiel bei Schönherr: Die neuen Maschinen sollen möglichst materialsparend dünnere Teppiche weben - bei gleichzeitig hohem Anspruch an die Optik.

Der belgische Maschinenbauer Van de Wiele bespielt die gesamte Produktion vom Vorprodukt bis zum fertigen Teppich. "Dabei ist die Garnentwicklung entscheidend für die weitere Teppichgestaltung, darum haben wir darauf verstärkt unseren Fokus gesetzt", erklärt Sales Coordinator Danny Bourgeois. Auch in die besagte zukunftsträchtige Produktion von Schlingenware habe man kräftig investiert: Die neuen Maschinen seien jetzt in der Lage, besonders dicht zu weben.

Der Handknüpfbereich: Nerven bewahren!

Traditionell-orientalisch einerseits, modern und Avant-Garde andererseits. Die westlichen Importeure hier, die Designer aus den USA und Europa dort, die Produzenten aus Indien dazwischen. Der Handknüpfbereich ist ein "bunter Haufen", und nicht überall herrscht gute Standnachbarschaft. Wenn die Domotex 2018 ihre neue Hallenstruktur vorstellt, verbessert sich damit hoffentlich auch die Stimmung, denn die war in den Hallen 14 bis 17 zum Teil recht trübe und schmeckte mitunter nach resignativer Depression.

Zum Glück ging es bei einigen Anbietern durchaus lebhaft zu: Das Tepp Team hatte laut Djavid Mohammadi "großen Erfolg mit farbigen Zieglern". Auch Oritop konnte mit seinem breiten Angebot von dekorativ und bezahlbar bis edel und exklusiv wieder punkten. "Vor allem die halb geknüpften, halb gewebten Nimbaft sind gut gegangen, und unsere afghanischen Teppiche im Marokko-Look wurden super verkauft", berichtet Christoph Ziereis. Im günstigeren Handknüpfbereich setzte man erfolgreich auf unaufwendig Dekoratives, auf maximalen Effekt bei minimalem Materialeinsatz: mit Flachgeweben, Stickereien und Blockprints. Bei den farbigeren, niedrigflorigen Teppichen - etwa aus Afghanistan - sieht auch die Fachhändlerin Claudia Schick-Stephan aus Karlsruhe die Zukunft: "Zurzeit habe ich ein bisschen Sorge, dass die Kunden die Nepalknüpfung langsam langweilig finden. Auch die feine 100-knot-Knüpfung finden manche überholt, weil die schon bei den Eltern liegt." Tatsächlich glichen sich die höherwertigen Knüpfteppiche auf der Messe stark mit ihren hellen Tönen und den unaufdringlichen Fantasiemustern. Und nicht zuletzt gehen Nepalknüpfungen inzwischen preislich durch die Decke.

Im klassisch-persischen Bereich sind die Einkäufer laut Importeur Ali Mohammadi "verstärkt auf der Suche nach dem Außergewöhnlichen". Das können entweder außergewöhnlich alte, außergewöhnlich große oder außergewöhnlich feine Teppiche (etwa aus Seide) sein. Entsprechend erfolgreich lief das Geschäft bei den alten und antiken Teppichen, die in einem eigenen kleinen Messebereich ausgestellt wurden.

"Gut nachgefragt" wurde laut Cashmir Concept sehr fein geknüpfte Kaschmirseide (zum Beispiel 26/26). Allerdings ist die politische Situation in der zwischen Pakistan und Indien umstrittenen Region wieder sehr brenzlig: Tagsüber lieferten sich die gegnerischen Parteien heftige Schusswechsel, nur in der Dunkelheit könne man sich einigermaßen sicher bewegen.

Buntes aus der Türkei und Marokko

Kreativ und zum Teil sehr farbenfroh zeigten sich viele türkische Anbieter. Ins Auge fiel unter anderem Damla mit seinen großflächig gemusterten, langflorigen Teppichen in abgetönten und gleichzeitig ausdrucksstarken Farben.

So sehr der marokkanische Berber- und Beni-Ouarain-Look sich durch alle Sparten von Maschinenweb bis Handknüpf aus Indien, Iran und Afghanistan zieht: Das Herkunftsland Marokko selbst enttäuschte mit einem recht dürftigen und zum Teil unwohnlich-quietschbunten Angebot. Positive Ausnahmen: Bazar du Sud und Soufiane Zarib.

Indien: kreativ in Produktion und Marketing

Dass man in Indien nicht nur bestehende Designs nachempfindet, sondern gerade in Sachen Produktionstechnik viel eigene Kreativität entwickelt, wurde auf der Domotex offenkundig. Textico präsentierte neben neuartigen Lederteppichen mit eingekratztem Muster geknüpfte und gewebte Jute, Outdoor-Teppiche aus PET und Flachgewebe mit aufgesticktem Marokko-Muster. Am Stand von Global Overseas kam die neue Kollektion Splash "super an". Die Knüpfteppiche zeigen eine plastische "Farbklecks"-Optik mit lebhaftem Innenleben. Kurz: Zahlreiche indische Hersteller produzieren sehr Dekoratives zu ebenso ansprechenden Preisen.

Außer den großen indischen Anbietern in Halle 17 war auch eine beachtliche Zahl kleinerer Produzenten in Halle 15 vertreten: Der sehr aktive indische Exporteursverband CEPC hatte 210 von ihnen Reise und Messeauftritt ermöglicht; insgesamt waren 374 indische Aussteller auf der Domotex präsent.

Dekorative Ware zu ansprechenden Preisen, geschmackvoll präsentiert und mit gutem Service: Nicht von ungefähr werden indische Anbieter immer stärker. Leider sind nicht alle "neuen" indischen Designs wirklich neu, sondern lehnen sich hier und da grenzwertig stark an bereits bekannte Kollektionen an. Da ist es nachvollziehbar, dass einige Aussteller sich eine größere Differenzierung bei der Standvergabe wünschen. Diesem Wunsch will die Messe mit der für Januar 2018 geplanten großen Umstrukturierung nachkommen.

Doch selbst wenn die deutschen Großhändler naturgemäß nichts davon halten, dass ihre Produzenten selbst auf der Messe ausstellen, könnten sie sich in puncto Kundenbetreuung, Freundlichkeit und Konzeption des Angebots einiges abschauen - so äußerten sich auch einige Fachhändler. Selbst Aussteller erkennen neidlos an, dass viele indische Anbieter etwa bei der Produktpräsentation die Nase vorn haben. In Sachen Marketing etwa ist Jaipur vorbildlich; die Inder spielen die Themen Handarbeit und soziale Verantwortung perfekt aus. Im Mittelpunkt des diesjährigen Domotex-Auftrittes stand die Spinnerin, der man auf vorbereiteten Briefen persönliche Nachrichten zukommen lassen konnte.•
aus Carpet Magazin 02/17 (Wirtschaft)