Domotex Asia/Chinafloor: Strahlkraft über China hinaus

Tor nach Asien


Einst als Spin-Off der weltweit größten Bodenbelagsmesse Domotex gestartet, gilt die Domotex Asia/Chinafloor in Shanghai mittlerweile als Nr. 2 hinter ihrer Mutterveranstaltung. Sie fungiert als Drehscheibe für den gesamten asiatisch-pazifischen Raum. China selbst verspricht (west-)europäischen Anbietern wieder bessere Perspektiven durch die massiv zunehmende Mittelschicht, die hungrig vor allem auf deutsche Marken ist. von Claudia Weidt

Die Domotex Asia/Chinafloor 2017 konnte gegenüber dem Vorjahr bei allen Kennzahlen zulegen: 1.364 Aussteller (+5 %) aus 40 Ländern, 145.000 m2 Ausstellungsfläche (+ 3,6 %) , über 54.000 Besucher (+8,2%), davon knapp 25 % aus dem Ausland. Bei den Besuchern übertrifft sie ihre Mutterveranstaltung, die Domotex in Hannover sogar - und hat ihre Führungsposition für den asiatisch-pazifischen Raum. Immer stärker zieht sie darüber hinaus auch Publikum aus USA, Kanada, Südamerika, Russland und Indien an und baut damit ihre internationale Bedeutung aus. Nicht selten würden in Hannover Geschäfte angebahnt und in Shanghai zum Abschluss gebracht, hörten wir von mehreren Ausstellern.

Natürlich läuft einem als deutscher Besucher in den Messehallen auch das eine oder andere bekannte Gesicht aus der Heimat über den Weg, wie Holzland-Geschäftsführer Andreas Ridder und Jens Mundthal, der bei Holzland für den Vertrieb Boden/Wand/Decke/Terrassen verantwortlich ist, Lothar Zipse mit seinen Mitarbeitern Edgar Huber und Sabine Wahby, Christina Engelhard, Großhändler Martin Geiger mit Timo Baum und Moritz Wenzel, Bernhard ter Hürne, Claus Anstoetz und Mirco Schäpe, Jab Anstoetz-Produktmanager Designbeläge sowie Designer Andreas Dotzauer.

China ist als Markt für europäische Bodenbelagsanbieter wieder im Kommen, nachdem er einige Zeit fast brach gelegen hatte. Dabei hatte in den 90er und Anfang der 2000er Jahre schon einmal ein regelrechter Hype um das Reich der Mitte geherrscht, damals der größte Hersteller und Abnehmer von Holzböden (dazu zählen dort auch Laminat- und Bambusböden). Millionen von Quadratmeter an Laminat aus europäischer Produktion wurden nach China verschifft. Aber es dauerte nicht lange, bis die Chinesen eigene Kapazitäten aufgebaut hatten und die europäischen Wettbewerber hinausdrängten. Deren Export nach China kam fast völlig zum Erliegen.

Was VW für deutsche Exporteure getan hat

Seit einigen Jahren hat sich das Blatt wieder gewendet. China wird wieder interessant, denn die Wirtschaft in dem Land boomt. Mittlerweile ist China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, nach Kaufkraft die größte. Lubert Winnecken, Vorsitzender der Parador-Geschäftsführung: "Wir sehen gute Chancen im Objekt und wollen früh dabei sein." Die Coesfelder waren in den 90er Jahren schon einmal in China aktiv, zogen sich dann zurück und haben vor einigen Jahren einen neuen Anlauf genommen und ihre Distribustionsstruktur komplett neu aufgestellt. Das hat sich gelohnt: Prompt schoss der Umsatz nach oben.

Großer Vorteil: Die Chinesen lieben alles Deutsche. "Made in Germany" ist heiß begehrt und einzigartiger Qualitätsausweis. Auf den Messeständen auf der Domotex Asia/Chinafloor wurde dies vor allem von den Distributeuren, die Bodenbeläge deutscher Herkunft vertreiben, explizit herausgestellt, und die asiatischen Produzenten verwiesen auch darauf, wenn sie deutsche Maschinentechnologie nutzen. Nicht umsonst ist China ein wichtiger Markt, beispielsweise für Homag. Marken sind ganz wichtig. Wobei das Nobel-Image deutscher Marken zum großen Teil VW zu verdanken ist, die in China schon lange und massiv präsent sind und dort 40 % ihres Absatzes generieren. Wenn man in Shanghai in ein Taxi steigt, ist das häufig ein Santana, ein Uralt-Modell der Wolfsburger aus den 80er Jahren. In den Hotels duscht man häufig mit einer Brause von Hans Grohe; der 1 Mrd. EUR Umsatz schwere Armaturenhersteller aus dem Schwarzwald erzielt 40 % seiner Umsätze in China.

Das wirtschaftliche Gravitätszentrum
verlagert sich nach Asien

Wenn man den Blick noch weiter öffnet und ganz Asien betrachtet, bietet sich eine Welt der Superlative. Das wirtschaftliche Gravitätszentrum verlagert sich nach Asien. Dort sind die weltgrößten Wirtschaften beheimatet, die am schnellsten wachsenden Märkte. Asien ist mit 4,5 Milliarden Menschen die bevölkerungsreichste Region der Welt.

Die infrastrukturellen Entwicklungen und die zunehmende Urbanisierung befeuern die Bauwirtschaft. Davon wird auch die Bodenbelagsbranche profitieren. Eine in der Washington Post veröffentlichte Studie hat herausgefunden, dass in China allein in den letzten drei Jahren mehr Zement verbaut worden ist als in den USA im gesamten 20. Jahrhundert. Aktuell leben 55 % der Chinesen in Städten, bis 2020 sollen es 60 % sein. In Südostasien liegt die Urbanisierungsrate bei 45 %. Damit ist Asien auch eine Schlüsselregion auch für die Zukunft der europäischen Industrie, will man das Geschäft nicht komplett der dortigen Konkurrenz überlassen.

Zurück nach China. Der Markteintritt ist unverändert mühsam und langwierig, erfordert viel Geduld und langen Atem und einen oder mehrere Partner vor Ort. Nur von der Ferne aus mit gelegentlichen Besuchen lässt sich das Geschäft mit ihnen allerdings nicht wirklich erfolgsversprechend steuern. Man braucht jemanden, der in China die Stellung hält, das Geschäft kennt und Chinesisch spricht.

Kommt hinzu, dass die Distribution in der Volksrepublik anders strukturiert ist als der klassische zwei- oder dreistufige Vertrieb, den wir in Deutschland kennen, übrigens auch in der Einzelhandelsebene. So sucht man in China vergebens nach Baumärkten, selbst der weltweite Branchenprimus Home Depot konnte in der Volksrepublik nicht reüssieren. DIY ist absolut verpönt. Früher waren Flagship-Stores einzelner Marken üblich oder Interior-Shops in den Malls, den großen Einkaufscentern. Zwischen Kosmetika und Kleidung konnte man auch seinen Bodenbelag kaufen. Heute sind immer mehr Malls themenorientiert angelegt; so gibt es quasi ganze Interior-Malls, die Etagen strikt getrennt nach Segmenten wie Bodenbelägen, Sanitär o.ä. Es findet also praktisch Category Management durch den Mall-Betreiber statt.

Neben der Marke und Design im europäischen Stil ist den chinesischen Kunden Marketing und Service wichtig. In punkto Marketing heißt das vor allem: Storytelling - "Die Chinesen lieben Geschichten um die Marke", sagte einer unserer Gesprächspartner - und Service schließt hier auch den After Sales-Service ein. Dafür spiele die Lieferschnelligkeit eine geringere Rolle, als man zum Beispiel von deutschen Kunden gewohnt sei und auch die Preissensibilität sei deutlich geringer, über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. "Dafür feilschen Inder und Vietnamesen mehr", haben manche deutschen Anbieter erlebt.

Weniger Anbieter von Holz- und Laminatböden, mehr von Designbelägen

Wer das erste Mal die Domotex Asia/Chinafloor besucht, ist überrascht angesichts der Dimensionen - übrigens auch der stände einiger asiatischer Stände. Immer noch herrscht viel Action; wenn auch keine chinesischen Drachen mehr durch die Gänge promenieren, spielt der Show-Effekt unverändert eine große Rolle. Bewegte Bilder, Multimedia, riesige Projektionen und Screens sowie Gewinnspiele sollen die Aufmerksamkeit der Besucher anziehen. Besonders beliebt sind praktische Vorführungen jeglicher Art, damit kann man als Aussteller seinen Stand immer füllen - sofern der Präsentator ein Deutscher, bzw. Europäer ist. Chinesen trauen nämlich ihren Landsleuten nur wenig, genauso wie Produkten aus ihrem Land. Als Marcus Bergelin, Director Business Development von Välinge, uns ein neues, unsichtbares Verbindungssystem für Terrassendeckings zeigte, scharrte sich sofort Publikum um uns herum, schaute interessiert zu, fotografierte und filmte. Auch bei Osmo bildeten sich regelmäßig Menschentrauben. Wichtig sind den chinesischen Besuchern nach Beobachtung von Osmo-Geschäftsführer Christian Cordes zudem Produktmuster - "zum Anfassen und Riechen."

Das Angebot der Messe umfasst sämtliche Arten von Bodenbelägen: Holz-, Kork-, Laminat- und Bambusböden, Design- und PVC-Beläge, WPC und BPC, Teppichböden, abgepasste Teppiche, Stein und keramische Fliesen, dazu Verlegewerkstoffe und -zubehör wie auch Maschinenbau. Die Zahl der Holz-, Kork- und Laminatanbieter ist in den letzten Jahren geschrumpft, weil etliche lokale Anbieter vom Markt verschwunden sind. Dafür haben elastische Beläge, das sind vor allem Designbeläge, und WPC deutlich an Fläche zugelegt. Das ist insofern interessant, als die Chinesen kein "Plastik" mögen - am Rande bemerkt: erstaunlich, dass dann so viele chinesische Produkte künstlich aussehen - und der Marktanteil von Designbelägen in China sich nach Aussagen von Branchenkennern derzeit nur um 5 % bewegen dürfte. Das Interesse ist also geringer und als ausländischem Anbieter nützt einem auch nicht eine starke Marke, wenn man mit seinen Designbelägen auf den Markt will, wie beispielsweise Parador erfahren hat: "Designbeläge laufen gar nicht, Laminat ist der Türöffner, verkauft wird letztlich Parkett."

In den Designbelagshallen E5, E6 und E7 der Domotex Asia/Chinafloor findet also trotz des hohen Anteils heimischer Besucher nahezu ausschließlich Export bzw. Drittlandgeschäft statt. Dementsprechend wird man als Europäer sofort von den Verkäufern angesprochen, manchmal sehr hartnäckig, und kann sich kaum der ganzen Visitenkarten und Prospekte erwehren, die einem in die Hand gedrückt werden.

Die nächste Domotex Asia/Chinafloor findet vom 20. bis 22. März 2018 statt - zum 20. Mal übrigens. Unmittelbar nach der diesjährigen Messe hatten sich bereits 64 % der Aussteller dafür angemeldet.
aus Parkett Magazin 04/17 (Wirtschaft)