Interview mit Bernfried Hansel, Obmann BEB-Arbeitskreis Calciumsulfat-Estrich

"Wir brauchen eine größere Ausbildungsbereitschaft"


Den Bundesverband Estrich und Belag (BEB) zeichnet sich durch seine 18 Arbeitskreise aus, in denen ehrenamtlich technische Leistungen für die Branche erbracht werden. Einer davon ist der AK Calcium-sulfatestrich, der seit zehn Jahren von Bernfried Hansel als Obmann geleitet wird: "Mein Ziel war es, die Arbeit des Arbeitskreises zum Wohl für die gesamte Branche des Calciumsulfat-Estrichs weiter zu optimieren. Dies ist uns sicherlich gelungen."

FussbodenTechnik: Welche Themen deckt der Arbeitskreis Calciumsulfat-Estrich ab?

Bernfried Hansel: Grundsätzlich gibt es kein Thema, das den Calciumsulfat-Estrich betrifft, welches nicht von uns angegangen wird. Wir haben solche Themen in der Vergangenheit sowohl durch BEB-Arbeits- und Hinweisblätter, technische Informationen, sowie aber auch Workshops und Symposien aufgegriffen und für die Praxis aufbereitet.

FT: Wo können Sie von vielen Seiten gelobten Leistungen der Arbeitskreise noch verbessern?

Hansel: Eine Optimierung unserer Leistungen ist sicherlich an der einen oder anderen Stelle noch möglich. Gleichwohl bleibt aber auch zu berücksichtigen, dass wir alle unsere Tätigkeiten ehrenamtlich erbringen. Mit jährlich vier Arbeitskreissitzungen, einem Fließestrich-Symposium, gelegentlichen Workshops und Aktualisierung bestehender und Herausgabe neuer BEB-Arbeits- und Hinweisblätter, sind wir mehr als an den Grenzen der zumutbaren Leistungen des Ehrenamts angekommen.

FT: Ist die Zusammensetzung der Arbeitskreise mit Vertretern aus Handwerk und Industrie ausgewogen besetzt?

Hansel: Der Arbeitskreis versteht sich als eine Plattform der Branche für den Calciumsulfat-Estrich. In ihm sind sowohl Verarbeiter, Hersteller und Sachverständige vertreten. Es liegt in der Natur der Sache, dass gerade der Verarbeiter durch seinen zumeist mittelständischen Betrieb in baukonjunkturellen Boomphasen unternehmerisch besonders beansprucht ist. Dies hat gelegentlich den Eindruck erweckt, dass die gewünschte Ausgewogenheit der Vertreter aus Handwerk und Industrie im Arbeitskreis nicht bestehe. Dem ist aber nicht so.

FT: Wie kann man praktische Estrichleger oder Estrichunternehmer vermehrt in die Verbandsarbeit einbinden?

Hansel: Gerade aus meiner Sicht als Unternehmer wäre es wünschenswert, wenn sich noch der eine oder andere bauausführende Unternehmer für eine Mitarbeit in unserem Arbeitskreis entscheiden würde. Andererseits muss man aber berücksichtigen, dass die Zahl der Fachbetriebe in der Branche eher rückläufig ist. Damit können wir uns immer mehr als begrenzte Fachgremien unter Einbindung aller Beteiligten unserer Branche aufstellen.

FT: Das Fließestrichforum hat sich toll entwickelt. Ist es aus Ihrer Sicht eher eine Veranstaltung für die Verarbeiter oder ein Branchentreff?

Hansel: Mit jährlich rund 100 Teilnehmern sind wir seitens des Bundesverbands mit unserem Marktpartner Industrieverband Werkmörtel in der Tat sehr zufrieden mit dem bisher Erreichten dieser Veranstaltung. In diesem Jahr findet sie zum vierten Mal im Herbst (24.10.17, Rechenberg) statt und ermöglicht durch ihre regional wechselnden Veranstaltungsorte auch unseren Verarbeitern eher eine Teilnahme. Sicherlich wünsche ich mir als Obmann eine noch stärkere Beteiligung der Verarbeiter an dem Branchentreff, weiß aber auch als Unternehmer um die starke zeitliche betriebliche Belastung und die Vielzahl der jährlich angebotenen Veranstaltungen. Aus dieser Sicht bin ich mit der Entwicklung des Forums sehr zufrieden und möchte es bezüglich der Teilnehmer nicht zu differenziert betrachten.

FT: Welche Arbeits- und Hinweisblätter aus Ihrem AK werden besonders gut in der Praxis aufgenommen?

Hansel: Derzeit hat der Arbeitskreis folgende fünf Arbeits- und Hinweisblätter herausgegeben, die über die Zeitachse gesehen jeweils eine sehr positive Resonanz in der Branche erhalten und heute noch nach wie vor große Aktualität haben:
-Höher belastbare Calciumsulfatestriche im Gewerbebau,
-Hinweise zur beschleunigten Trocknung von Calciumsulfatestrichen,
-Hinweise für den Auftraggeber für die Zeit nach der Verlegung von Calciumsulfatestrichen,
-Ausführung von Bodenabläufen ohne Gefälle,
-und Hinweise zur Planung, Verlegung und Beurteilung sowie Oberflächenvorbereitung von Calciumsulfatestrichen.

Sowohl in der Vergangenheit als gedruckte Version sowie aber auch heute auf digitalem Weg ist jede dieser Veröffentlichungen tausendfach der Branche zur Verfügung gestellt worden. Die Arbeits- und Hinweisblätter werden nicht nur von unseren bauausführenden Betrieben, Sachverständigen und Industriepartnern, sondern gerade auch von Planern und Architekten genutzt. Dadurch helfen wir der Baupraxis von vornherein Fehler bei der Projektierung und Bauausführung zu vermeiden.

FT: Wie sehen sie die Entwicklungen von Fleißestrich am Markt?

Hansel: Der Calciumsulfatfließestrich hat über die Jahre einen konstanten Marktanteil mit leicht steigender Tendenz nach oben. Neben dem im Markt dominierenden Zementestrich wird er entsprechend den baulichen Anforderungen seine Bedeutung behalten.

FT: Welche Forschungsaufgaben würden Sie sich für Fließestriche wünschen?

Hansel: Wir haben in den letzten Jahren unter der etwas unglücklichen Diskussion der Feuchtemessung in der Branche gelitten. Hier stehen heute aktuelle Regeln der Technik gegen normative Aussagen. Aus meiner Sicht sollte hier endlich eine abschließende Klärung in der Branche durch ein von allen Seiten akzeptiertes Forschungsergebnis herbeigeführt werden. Die zurückliegenden Diskussionen in diesem Punkt halte ich für die gesamte Branche sowie aber auch darüber hinaus für Bauherren und Juristen für äußerst kontraproduktiv.

FT: Wo sehen Sie die Zukunft Ihres AK und wo die des Verbands?

Hansel: Die Zukunft des Arbeitskreises sehe ich insbesondere in der Fortführung seiner bisherigen, aus meiner Sicht sehr erfolgreichen, oben beschriebenen Aktivitäten für die Gesamtheit der Branche des Calciumsulfatfließestrichs. Ähnlich aufgestellt und sehr effizient arbeitend gibt es zahlreiche weitere BEB-Arbeitskreise, die sich um die technischen Belange eines optimalen Fußbodenbaus bemühen. Meiner Auffassung nach werden sich die Belange der Verbandsmitglieder in den kommenden Jahrzehnten eher an verbandlichen Kompetenzzentren orientieren, als an heterogen bestehenden Organisationsstrukturen.

FT: Wer soll die Fließestriche in zehn Jahren noch einbauen? Wie sehen Sie die Ausbildungssituation bei den Estrichlegern?

Hansel: In der Tat sprechen Sie hier ein sehr sensibles Thema an. Im vergangenen Jahr sind in der Bundesrepublik Deutschland gerade noch 14 Gesellen im Estrichlegerhandwerk ausgebildet worden. Dies wird sich kurz- bis mittelfristig auch nicht verbessern. Als technischer Verband war und ist es eigentlich nicht die Aufgabe des Bundesverbands Estrich und Belag, diese Thematik anzugehen. Da aber andernorts nichts geschieht, hat der Bundesverband die Initiative ergriffen, sich gemeinsam mit seinen Marktpartnern in der bestehenden Ausbildungsinitiative "Das ist Bodenhandwerk" zu engagieren. Das alleine reicht aber nicht. Auch die ausführenden Unternehmen müssen eine größere Ausbildungsbereitschaft zeigen und sich entsprechend engagieren.

FT: Wird die handwerkliche Estrichlegerausbildung für die Einbringung des Fließestrichs noch gebraucht, wird es überhaupt noch genug Fachhandwerker geben? Oder kommen Crash-Kurse von der Industrie?

Hansel: Sowohl das Handwerk als auch die Industrie stehen hier derzeit vor einem Problem. Die Industrie ist sicherlich daran interessiert, ihre hochwertigen Produkte durch den Fachhandwerker einbauen zu lassen. Die Schadensquote ist dadurch erfahrungsgemäß wesentlich geringer, als wenn sich daran Rucksackbetriebe und vermeintliche Handwerker versuchen. Sollte das Handwerk zukünftig nicht mehr in der Lage sein, ausreichende Fachkompetenz zur Verfügung zu stellen, müssen wir sicherlich damit rechnen, dass die Industrie versucht, andere Wege zu gehen, um ihre Produkte absetzen zu können. Derzeit ist das aber noch kein Ziel im Handwerk und in der Industrie. Gerade die wachsende Komplexität der Bodenkonstruktionen wird zukünftig den Fachhandwerker mehr fordern denn je. In diesem Zusammenhang erwähne ich beispielhaft die Herstellung von Sichtestrichen auf Calciumsulfatbasis, die Anforderungen der großformatigen Fliesenverlegung an die Bodenkonstruktion, die intelligente Beheizung und Kühlung über den Bodenaufbau sowie die zukunftsorientierte interaktive Fußbodenkonstruktion.

FT: Was tut die Estrichbranche gegen die eklatante Entwicklung der Ausbildungszahlen?

Hansel: Aus meiner Sicht zu wenig. Ich habe die Hoffnung, dass die jetzt angestoßene Beteiligung sowohl des Handwerks als auch der Industrie an der erwähnten Ausbildungsinitiative auf positive Resonanzen bei den potentiellen Auszubildenden stößt. Nur gut ausgebildete Fachkräfte werden dazu beitragen, die qualifizierte handwerkliche Leistung sowohl im Zusammenhang mit dem Calciumsulfat-Estrich als auch dem gesamten Estrichlegerhandwerk zukünftig zu gewährleisten.


Arbeitskreis Calciumsulfatestrich
Obmann: Bernfried Hansel
Mitglieder: Heinz-Dieter Altmann, Achim Fethke, Claudius Hägele, Adalbert Krusius, Daniel Rendler, Christian Ruhland, Jörg Stengel
Beratende Mitglieder: Herbert Bekker, Jean-Pierre Bildstein, Antje Hannig, Marcus Hill, Hans-Ulrich Kothe, Arndt Pferdehirt, Andreas Poitz, Andres Seifert, Michael Witte
aus FussbodenTechnik 03/17 (Wirtschaft)