Amtico International GmbH

Amtico wird textil


Designbelagspionier Amtico hat sein Sortiment um Teppichfliesen und Sauberlauf erweitert. Langfristig soll das neue Standbein so viel Umsatz erwirtschaften wie das LVT-Geschäft.

BTH Heimtex: LVT-Pionier Amtico vertreibt seit zwei Jahren Sauberlauf. Im September 2016 haben Sie zusätzlich Teppichfliesen in Ihr Sortiment aufgenommen. Eine solche, markante Produktdiversifikation ist mit Risiken verbunden und kann auch schief gehen. Wie fällt die erste Bilanz bei Ihnen aus?

Oliver Kluge: Unsere amerikanische Mutter Mannington ist der fünftgrößte Teppichbodenhersteller weltweit und hat auch in der Herstellung von Teppichfliesen seit vielen Jahren große Expertise. Die Produkte aus spinndüsengefärbten Polyamid 6.6-Garnen haben eine hohe Qualität. Seit Mai ist die erweiterte Kollektion auf dem Markt. Sie heißt Amtico Carpet und hat nun insgesamt 106 Positionen. Neben den bekannten Mannington-Qualitäten, die wir auf die EU-Farbbank umgestellt hatten, sind rund die Hälfte der 106 Artikel ausschließlich für den europäischen Markt von unserem hauseigenen Design-Team in Coventry entwickelt und designt worden. Produziert werden auch diese neuen Produkte in Amerika.

Stefan Prinz: Mit den Umsätzen der Teppichfliese sind wir sehr zufrieden. Zugegeben: Wir mussten als "Kunststoff-Leute" dazulernen; haben uns intensiv geschult und alles kennengelernt, was wichtig ist bei Teppichfliesen. Rund die Hälfte unseres 20-köpfigen Außendienstteams kennt textile Bodenbeläge aber auch aus früheren Tätigkeiten. Wir können mittlerweile schon einige schöne Referenzen vorweisen. Das sind meist Flächen zwischen 150 und 700 m2 im Bürosegment. Darunter befindet sich auch ein Projekt mit 5.000 m2. Das ist aber die Ausnahme.

BTH Heimtex: Der Objektmarkt für textile Bodenbeläge in D/A/CH, besonders das von Ihnen angesprochene Bürosegment, wird dominiert von etablierten Herstellern. Niemand wartet dort auf Teppichfliesen von Amtico.

Prinz: Das ist richtig. Der Büromarkt ist zusammen mit der Hotellerie aber unser drittwichtigster Key Account. Wir haben dort ein gutes Netzwerk und werden kurzfristig zwei Key Account-Manager einstellen. Planer, Architekten und Verarbeiter, die schon lange mit uns arbeiten und auch mit Teppichfliesen von etablierten Herstellern, finden Gefallen an unseren Teppichfliesen-Dessins. Sie sagen sogar, dass sie das eine oder andere Produkt bei anderen Herstellern nicht finden. Man kann also mit einem Augenzwinkern sagen: Niemandem war bisher bewusst, dass er auf Teppichfliesen von Amtico wartet.

Ich freue mich, dass wir jetzt textile Beläge vertreiben. Ich habe die Produkte seit meinen Anfängen in der Branche beim Großhandel nie aus dem Blick verloren. Der Markt ist reif. Das Produkt hat viele Vorteile und ergänzt unsere Designbeläge perfekt.

Kluge: Sicherlich stellen wir uns in der Reihe der Teppichfliesenhersteller erst einmal hinten an. Dort wollen wir aber nicht bleiben. Unser Ziel ist ganz klar, nach kurzer Zeit in das geordnete Mittelfeld zu kommen. Mittel- und langfristig wollen und können wir zu die Großen gehören. Wir gehen diesen Weg aber Schritt für Schritt; stellen uns darauf ein, dass es nicht leicht wird. Der Markt für Teppichfliesen in D/A/CH hat aus unserer Sicht aber so viel Potenzial, dass wir mit diesem Produkt langfristig ähnlich hohe Umsätze erreichen können, wie heute mit LVT.

BTH Heimtex: Sie konkurrieren dann auch mit dem Marktführer Interface. Das Unternehmen hat angekündigt, noch in diesem Jahr seinerseits mit einer ersten Kollektion in das LVT-Geschäft einzusteigen. Wer wird wem mehr Konkurrenz machen? Interface Ihnen bei LVT; oder Sie den Krefeldern im Teppichfliesen-Markt?

Kluge: Die Berührungspunkte werden mehr. Das stimmt. Wir haben aber in den vergangenen Jahren gelernt, mit größerer Konkurrenz erfolgreich umzugehen. Ich zähle heute gut 100 Wettbewerber auf dem deutschsprachigen Markt für Designbeläge - vom Ein-Mann-Vertrieb bis zum großen Konzern. Wir verfolgen das natürlich und schauen rechts und links über den Tellerrand. Wir verbringen damit aber nicht zu viel Zeit. Unser größter Wettbewerber sind wir selbst. Wenn wir etwas nicht machen, dann macht es heute ein anderer. Deswegen konzentrieren wir uns auf unseren eigenen Job, damit wir ihn weiterhin gut und schnell machen.

BTH Heimtex: Wie sieht denn Ihre Geschäfts- und Vertriebspolitik derzeit aus?

Kluge: Wir haben seit 2010 unseren Vertrieb in der D/A/CH-Region als Reaktion auf die grundlegenden Veränderungen im deutschen Großhandel - etwa Fusionen oder auch direkter Einkauf in Asien - grundlegend geändert. Vor sieben Jahren waren wir sehr fokussiert auf den dreistufigen Vertrieb und haben nur etwa 30 % direkt gemacht. Heute machen wir 80 % Direktgeschäft. Das heißt, wir sind näher an das Handwerk gerückt und betreiben intensive Beratung bei Endkunden und Architekten. Durch die Veränderung geht es uns geschäftlich gut und wir können uns aus eigenen Mitteln den Aufgaben der Zukunft stellen.

Zudem konnten wir unser Geschäft konsolidieren und verdienen heute unter dem Strich einen ganz anderen Betrag als 2010. Wir haben uns dadurch aus eigener Kraft die Möglichkeiten geschaffen, viele Investitionen zu tätigen. Dazu gehören die angesprochene Sortimentserweiterung und der kontinuierliche Ausbau unseres Außendienstteams in Deutschland.

Prinz: Wir sind Objektleute. In den Anfängen der deutschen GmbH nach 1989 haben wir bis zu 90 % des Umsatzes im Ladenbau erwirtschaftet. Auch von dieser Abhängigkeit haben wir uns gelöst. Heute sind wir in vielen Segmenten unterwegs. Das macht uns unabhängiger, flexibler und stärker. Gleichzeitig benötigen wir für diese vielen Standbeine auch ein breiteres Sortiment. Dazu gehört eben auch der Sauberlauf und das Reinigungsmittel für elastische Beläge. Die Sauberlauffliesen machen sicherlich keine riesigen Mengen, dafür aber lukrative Margen. Wir zeigen mit ihnen auch Bodenkompetenz und einen hohen Servicegrad.

Unsere Mutter Mannington ist ein Vollsortimenter im Bodenbelag. Wir werden in Zukunft sicherlich noch interessanter werden als Ansprechpartner für komplette Bodenlösungen und weitere, zusätzliche Produkte aufnehmen.

BTH Heimtex: Wie sieht das Sortiment heute aus? Stark verbreitet im Markt ist ja noch die Meinung, dass Amtico ausschließlich Dryback-Designbeläge mit dicker Nutzschicht habe.

Kirsten Krämer: Diese Zeiten sind definitiv vorbei. Heute bieten wir zwölf Bodenbelagskollektionen an (siehe Seite 30). LVT/Designbeläge, mit denen wir 1964 vor mehr als 50 Jahren in Großbritannien begonnen haben, bilden mit elf Serien natürlich nach wie vor den Schwerpunkt. Herzstück ist hier die Kollektion Signature, die seit den Anfängen produziert wird, und die wir mit der dicksten auf dem Markt erhältlichen Nutzschicht von 1 mm ausstatten. Mit ihren 163 Artikeln ist sie die umfangreichste LVT-Kollektion in dieser Kategorie. Alle Signature-Produkte bieten wir heute auch in einer Akustik-Ausführung an mit einer Trittschalldämmung von 18 dB an. Das gilt auch für alle Artikel der 0,55er-Serie Spacia.

Im Laufe der Jahre haben wir unser Designbelagssortiment Stück für Stück erweitert. Heute bietet wir zusätzlich Designbeläge mit 0,7 und 0,55 sowie 0,3 mm-Nutzschichtstärke. Auch Looselay- und Klick-Ware gehören zu unserem Angebot. Die schwimmend zu verlegenden Produkte teilen sich auf in eine Vollvinyl-Variante sowie eine Rigid Composit Board-Ausführung (RCB) mit einem starren, extrudierten Kunststoffträger.

Kluge: Und ab sofort haben wir mit Cirro auch wieder einen PVC-freien Designbelag im Portfolio. Wieder, weil wir vor 17 Jahren schon mal ein chlorfreies Produkt hergestellt hatten; es aber vor acht Jahren eingestellt haben, da der Kostenaufwand der Herstellung gegenüber der damaligen Nachfrage zu hoch war. Die Situation hat sich aus unserer Sicht grundlegend geändert. Heute gibt es ein wachsendes Marktsegment für PVC-freie Beläge.

BTH Heimtex: Aus was besteht Cirro?

Krämer: Die derzeit kleine Kollektion mit 18 Artikeln stellen wir in Coventry aus Polyacryl her. Sie ist unter anderem mit dem Blauen Engel ausgezeichnet. Wir haben das Produkt auf den Frühjahrsmessen vorgestellt. Die Reaktionen sind sehr gut. Obwohl wir Cirro noch gar nicht richtig in der Vermarktung haben, haben wir bereits erste, konkrete Aufträge beispielsweise im Retail- und Healthcare-Segment.

BTH Heimtex: Ein weiterer Trend sind kleinteilige, designorientierte Verlegungen. Er erinnert an die Ursprünge des Produktes. Das müsste Amtico in die Karten spielen. Vor allem auf diesem Felde haben Sie sich Ihr Renommee erarbeitet.

Krämer: Das stimmt. Es ist unser Ursprung. Wir bieten sicherlich die größten Möglichkeiten für individuelle, kundenspezifische Designs, Formate und Verlegungen. Wir machen das Geschäft am längsten und verfügen in England über eine sehr flexible Produktion und schneiden auch alles selber zu.

Wir haben allerdings die Erfahrung gemacht, dass die vielen Möglichkeiten unsere Kunden oft überfordern. Deswegen haben wir auf Basis von Signature mit der Kollektion Designer’s Choice 2016 eine Hilfestellung erarbeitet. Vertrieb und Designabteilungen haben Signature-Produkte und 14 Verlegemuster zu 84 fertigen Designs in einer Vorauswahl zusammengestellt. Der Kunde braucht sie nur über einen einzigen Code auswählen. Das wird vor allem von Raumausstattern, Verarbeitern, aber auch von Architekten sehr gut angenommen, auch weil es Planungssicherheit gibt.

Prinz: Im Bereich "Endless Possibilities" können die Verlegemuster der Designers Choice individuell mit allen Signature-Produkten kombiniert werden, um bei den Gestaltungsmöglichkeiten auch weiterhin alle Freiheiten bieten zu können. Unter "Bespoke" fassen wir dann alles zusammen, was wir komplett individuell auf Kundenwunsch entwerfen und herstellen können. Hier gibt es keine Beschränkungen. Auch bei diesen individuellen Lösungen verzeichnen wir eine höhere Nachfrage..

Kluge: Für uns ist wichtig, dass der kaufende und planende Kunde versteht, welche Möglichkeiten Amtico heute bietet - und zwar nicht nur mit LVT, sondern auch mit Teppichfliesen und Sauberlauf. Nicht ohne Grund heißt unser Motto: Amtico makes it possible (Amtico macht es möglich). Das bekannter zu machen, wird unsere Hauptaufgabe sein in den kommenden Monaten.

BTH Heimtex: Wie sind denn die vergangenen Monate und das Geschäftsjahr 2016 gelaufen?

Kluge: Wechselkursbereinigt haben wir unsere Umsätze 2016 in Deutschland, Österreich und der Schweiz um 5,9 % steigern können. Gleichzeitig sind wir auch unter dem Strich mit dem Ergebnis zufrieden. Wir können alle geplanten Investitionen in die Mannschaft und das Sortiment umsetzen. Auf unseren anderen Märkten in Kontinentaleuropa ist die Lage ähnlich. Weltweit hat Amtico im ersten Quartal 2017 ebenfalls ein Rekordergebnis erreicht - bei Umsatz und Gewinn.

Prinz: Wir haben diesen Schwung mit in 2017 genommen. Die ersten Monate laufen sehr gut. Wir sind sehr zufrieden, können die Umsätze steigern und liegen über Vorjahr - und das bei einem ambitionierten Budget. Die Situation in der Schweiz ist nach wie vor sehr gut. Seit vielen Jahren haben wir dort exklusiv mit Großhändler Cabana eine vertrauensvolle und starke Zusammenarbeit. In Österreich sind wir auf einem guten Weg, agieren vor Ort aber weniger mit dem Großhandel. Seit rund anderthalb Jahren verantworte ich auch Benelux. Vor allem der wichtigste Markt Niederlande ist sehr umkämpft und unter Preisdruck. Wir setzen dort ausschließlich auf Direktvertrieb und haben vor allem mit Signature und der Looselay-Serie Access einen guten Stand.

BTH Heimtex: Das hört sich alles sehr positiv an. Wie erreichen Sie diese Zahlen? Der Preisdruck im LVT-Geschäft ist enorm.

Prinz: Wir haben zwar heute ein breites Sortiment an Designbelägen; konzentrieren uns aber auf unser Kerngeschäft: LVT für den Objekt-Profi zur vollflächigen Verklebung. Das Volumengeschäft über den Handel mit 0,55er- und 0,3er-Klickprodukten spielt bei uns keine tragende Rolle. Auch deswegen ist es uns gelungen, die Durchschnittspreise je Produkt in den vergangenen Jahren zu halten oder sogar zu steigern. Am Ende wollen und müssen wir natürlich auch Geld verdienen. Wir überlegen uns aber, wie wir das mit schönen, individuellen Bodenlösungen für unsere Kunden, die sich abheben wollen, erreichen können.

Wir betreiben auch für 50 m2 einen hohen Aufwand. Das liegt an den handelnden Personen. Das Individuelle, Kleinteilige, das Besondere liegt uns einfach. Da haben wir vielleicht mehr Lust zu als andere. Ein wunderbares Beispiel dafür kommt aus unserer Entwicklungsabteilung und der Signature-Kollektion: Bei Design Umbra haben wir es geschafft, dass jede Diele tatsächlich anders aussieht, also ein Unikat ist. Wir haben zusammen mit dem Printer eine weltweit exklusive Technik entwickelt. Sie ermöglicht es, die Linien des wellenförmigen Textildesigns bei der Herstellung der Druckfolie wieder anders zu ziehen.

Das Gespräch führte Jochen Lange
jochen.lange@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 05/17 (Wirtschaft)