Domotex Turkey in Gaziantep

Wachstumsschübe und Verdauungsstörungen

Die Umsätze der türkischen Maschinenweber sinken im Nahen Osten. Auf der Domotex Turkey in Gaziantep zeigten die Anbieter deshalb verstärkt, was sie außerdem können: flexibel drucken und Teppiche mit Zusatznutzen entwickeln zum Beispiel. Nicht zuletzt blicken immer mehr Hersteller gen Westen, denn dort konnte man 2015 noch Zuwächse verzeichnen. | von Ekrem Arslan

Von frühzeitigen starken Wachstumsschüben und Verdauungsstörungen ist die Rede, als Selahattin Kaplan sich ans Mikrofon stellt. Von einem gewissen Gewichtsverlust und gleichzeitig von großer Kreativität. Dem Patienten könnte es besser gehen, aber die Prognose sei recht gut.
In der Begrüßungsrede auf der Domotex Gaziantep geht es um die türkische Teppichindustrie. Der Präsident des Verbandes der südostanatolischen Teppichexporteure (GAHIB) blickt zunächst auf ein rückläufiges Teppichjahr 2015 zurück: auf 10 % Mengenverluste und auf Umsatzrückgänge von etwa 15 %.

Die Überproduktion drückt auf den Preis

Wirklich überraschend ist das nicht, zumal türkische Maschinenweber seit Jahren kräftig überproduzieren, was natürlich auf den Preis drückt. Und jetzt muss die Branche sich möglichst lukrativ weiterentwickeln. Für das Jahr 2023 hatte man sich zum Ziel gesetzt, am Standort Türkei jährlich 350 Mio m2 zu produzieren - zu einem Quadratmeterpreis von durchschnittlich 15 USD. Diese Produktionsmenge ist längst erreicht, der Preis dümpelt allerdings bei 9 USD herum.

Teppiche, die kühlen oder die Raumluft verbessern

Das soll sich in Zukunft ändern, durch höhere Produktwertigkeit, verstärkte Aktivitäten in Sachen Forschung und Entwicklung sowie gutes Design. Und durch eine größere Produktvielfalt. Ein Gang über die Domotex Turkey im Mai dieses Jahres bestätigt, dass sich die Maschinenweber tatsächlich etwas einfallen lassen. Darunter: Teppiche aus Spezialfasern mit Zusatznutzen. Da ist zum Beispiel Boyteks mit seinem kühlenden "Cooler Carpet" und dem Teppich, der im Dunkeln leuchtet. Und Atlas Carpet stellte in einer anschaulichen Vorführung den Nano Carpet vor, einen Teppich, der gleich drei nützliche Eigenschaften in sich vereint. Erstens ist er flüssigkeitsabweisend. Zweitens soll er unter Lichteinwirkung die Raumluft von Schadstoffen und schlechten Gerüchen reinigen und kleine Flecken auf dem Flor verschwinden lassen. Der dritte Vorteil: "Dank der natürlichen Leitfähigkeit des Fasermaterials führt der Nano Carpet statische Ladung ab und hilft somit Stress abzubauen", heißt es beim Anbieter.

In Sachen Sortiment punkteten die Anbieter mit Flexibilität, gerade auch beim Thema bedruckte Teppiche: Die Print-Sparte nimmt unter den Maschinenwebern eindeutig zu und ermöglicht es, mit geringem Aufwand und bei überschaubaren Kosten kleine, individuelle Kollektionen umzusetzen. Die Domotex Gaziantep ist übrigens nach wie vor primär eine (fast) reine Maschinenwebmesse; findet sie doch auch mitten im Zentrum der türkischen Maschinenwebindustrie statt. Trotzdem gab es auch zwei Aussteller, die handgefertigte Teppiche zeigten.

Ausgebucht waren die Hallen so oder so. Manch einer hätte sich einen größeren Stand oder überhaupt einen Stand gewünscht und soll ihn auch bekommen, wenn der Veranstaltungsort in absehbarer Zeit eine zusätzliche Halle erhält.

Der Blick geht gen Westen

Das große Angebot interessierte auch das Publikum. In den Gängen herrschte reger Betrieb, auf den Ständen war immer gut zu tun - wenngleich insbesondere die Anzahl europäischer und amerikanischer Besucher wegen der Terroranschläge und -warnungen leicht zurückgegangen war.

Leider, denn gerade im europäischen und amerikanischen Ausland liegt die große Hoffnung der türkischen Teppichindustrie: Während der Hauptmarkt im Nahen Osten schwächelt, gab es im ersten Drittel des Jahres 2016 im Westen Zuwächse, und das nicht zu knapp: Der Export-Umsatz türkischer Teppiche in die USA stieg um 23 %, in Kanada legte man sogar 77 % zu, in Deutschland 12 % und in Großbritannien und Nordirland 8 %.

Also haben die Maschinenweber verstärkt den Westen im Visier, insbesondere das nahe Europa. Nach Merinos, Kartal, Royal und anderen will jetzt auch Festival Hali ein deutsches Lager mit Büro eröffnen und von dort aus ganz Europa bedienen.
aus Carpet Magazin 03/16 (Wirtschaft)