Hagebau-Gesellschafterversammlung 2016 in Berlin

"Bangemachen gilt nicht"


Es war die Veranstaltung des Hartmut Richter: Die Gesellschafterversammlung 2016 der Hagebau in Berlin war eine Hommage an den aus Altersgründen scheidenden Aufsichtsratsvorsitzenden. Nachfolger Johannes Schuller tritt kein leichtes Amt an - und hat keine leichten Aufgaben zu lösen. Denn die Hagebau hat sich in den letzten Jahren zwar wirtschaftlich äußerst positiv entwickelt, doch verlangen in nicht allzu ferner Zukunft drei Grundsatzfragen nach Klärung: Die Rechtsform der Kooperation, Gebietsüberschneidungen im Einzelhandel bei Hagebaumärkten und Werkers Welt und eine mögliche Ausgliederung des Fachhandels.

Auch wenn die Hagebau bei ihrer diesjährigen Gesellschafterversammlung in Berlin mit Rekorden bei Umsatz, Ergebnis, Ausschüttung und Teilnehmern aufwarten konnte, avancierten diese fast zum Randthema: Stattdessen beherrschten der Wechsel an der Aufsichtsratsspitze und die Verabschiedung des langjährigen Vorsitzenden Hartmut Richter die Veranstaltung. Nach zwanzig Jahren Zugehörigkeit zu dem Gremium, davon sieben Jahre lang als Präsident, übergab der Lübecker aufgrund der satzungsgemäß festgeschriebenen Altersgrenze den Vorsitz an seinen bisherigen Stellvertreter Johannes Schuller.

Schuller, der einstimmig gewählt wurde, würdigte Richter als "Glücksfall" für die Kooperation, der eine "Ära geprägt habe" und den Erfolg der Hagebau "in neue Höhen getrieben habe." Das sahen die Gesellschafter und die Geschäftsführung genauso und würdigten den scheidenden Aufsichtsratsvorsitzenden sowohl bei der Hauptversammlung als auch beim Gala-Abend frenetisch mit stehenden Ovationen und langem Applaus. Das waren emotionale Momente, die auch den pragmatischen, ungekünstelten Richter bewegten - vor allem, als er abends auf der Bühne auf seinen Zwillingsbruder traf und eine Slideshow Stationen seines Lebens Revue passieren ließ.

Bei seinem letzten Auftritt in offizieller Funktion bezeichnete Richter das Geschäftsjahr 2015 als "Best ever". Trotz eines relativ geringen Umsatzzuwachses habe unter anderem der Turnaround bei der Logistik dafür gesorgt, dass das Ergebnis und die Ausschüttung Spitzenwerte erreichten. "Das Logistikprojekt hat endlich Fahrt aufgenommen." Weil die Logistik aufgrund der Umstrukturierungen seit dem 1. August kein eigenes Geschäftsführungsressort mehr ist, trat der bisherige Logistik-Geschäftsführer Ulrich von den Hoff im August in den Ruhestand.

Sehr zufrieden äußerte sich Richter auch über die Entwicklung von baumarktdirekt.de. Mit dem Multichannel-Anbieter, einem Joint Venture mit Otto, fühlt man sich dem Wettbewerb "meilenweit voraus".

Noch keine Erfolgsmeldung konnte er zum Verbleib der Münchner HEV-Baumärkte geben, die die Hagebau übernommen hatte, obgleich sie eigentlich nicht operativ aktiv werden darf. Der Aufsichtsrat hatte die ungewöhnliche Maßnahme dennoch genehmigt, damit die HEV-Gruppe, die als Platzhirsch in München gilt, der Hagebau nicht verloren geht. Maßgabe war jedoch eine schnellstmögliche Veräußerung an Hagebau-Gesellschafter. Das ist erst bei zwei Standorten gelungen. Für die restlichen fünfzehn wird eine Paketlösung angestrebt.

Drei Baustellen für den neuen Aufsichtsratsvorsitzenden

Doch Richter blickte in Berlin nicht nur zurück, sondern auch voraus. Er hinterlässt seinem Nachfolger Schuller wohl ein prosperierendes Haus, gibt ihm aber als Hypothek drei Aufgaben mit, deren Lösung nicht ganz einfach ist, weil unterschiedliche Interessen gewahrt sein müssen. Erstens steht die Rechtsform der Hagebau als Personengesellschaft auf dem Prüfstand. "Die Frage ist, wie den Bedürfnissen der Gesellschafter bei der Größenordnung der Hagebau Rechnung getragen werden kann." Zweitens ist im Einzelhandel Konkurrenz zwischen Hagebau-Märkten und Werkers Welt-Standorten durch sich teilweise überschneidende Gebiete entstanden. Das könnte durch eine Reform der Franchisevereinbarungen entzerrt werden. Und drittens stieß Richter Überlegungen an, den Fachhandel in eine eigene Gesellschaft auszugliedern, um "dichter am Markt zu sein" und mehr "operative Nähe" zu gewinnen. Das ist alles nicht brandeilig.
Neue Gesellschafter sind willkommen, sofern sie "passen"

Heribert Gondert, Sprecher der Geschäftsführung, berichtete von einer positiven Entwicklung aller Kennzahlen, nicht nur bei der Hagebau, sondern auch bei den Tochterunternehmen. Und er verwies darauf, dass sich das Ergebnis und die Ausschüttungen seit zehn Jahren besser entwickelt hätten als der Umsatz. "Wir realisieren also ein qualitatives Wachstum". Damit das auch so anhält, seien gezielt Maßnahmen angestoßen und Investitionen vom Aufsichtsrat genehmigt worden, etwa in die baulichen Erweiterungen der Zentrale und die Logistik. Neue Gesellschafter sind in Soltau willkommen und es gibt durchaus auch Wunschkandidaten. Wobei Gondert klar sagt: "Wir nehmen nicht jeden auf. Wir schauen, wer zu uns passt und ordentliches Potenzial mitbringt."
"Der Rohstoff der Zukunft sind Daten"

Ein "erfolgreiches Jahr in schwierigem Umfeld" hat mit einem Umsatz von 3,85 Mrd. EUR der Hagebau Fachhandel hinter sich, der mit 70 % Anteil das Kerngeschäft der Kooperation bildet. Hartmut Goldboom, Geschäftsführer dieser Sparte, ist auch mittelfristig optimistisch: "Wir erwarten drei bis fünf gute Jahre, müssen aber dennoch unsere Hausaufgaben machen." Dazu will er zum einen "ungenutzte Wachstumspotenziale erschließen, unter anderem durch die neue Abteilung Standortentwicklung. Zum anderen sondieren die Soltauer aufmerksam den Markt, speziell im Hinblick auf Entwicklungen bei Digitalisierung, E-Commerce und Logistik und analysieren auch die Erfolgsmodelle branchenfremder Unternehmen wie Amazon oder Air BNB. Denn: "Bangemachen gilt nicht", sagt Goldboom selbstbewusst. Vielmehr will man die Erkenntnisse daraus zum Nutzen der Gesellschafter umsetzen.

Im Blick hat die Hagebau dabei unter anderem die sogenannte Customer Journey, die dem Handel von der ersten Kaufüberlegung des Kunden über die Kaufentscheidung bis zum After Sales-Services verschiedene Kontaktpunkte bietet. An denen muss der Handel den Kunden abholen und zwar im B2B genauso wie im B2C. Grundsätzlich ist für Goldboom unerlässlich, um erfolgreich zu sein: "Wir müssen schnell sein, innovativ sein und die Gedanken der Kunden antizipieren." Ein weiteres wichtiges Feld ist die Datenkompetenz. Die Vernetzung aller relevanten Daten im Unternehmen sei unerlässlich, um künftig erfolgreich agieren zu können. Die Hagebau ihrerseits hat dafür unlängst die neue Abteilung E-Commerce innerhalb des Fachhandels geschaffen.

46 % kennen Marke Hagebau

Das Thema E-Commerce steht auch für den Hagebau-Einzelhandel ganz oben auf der Agenda. "In den kommenden Jahren wird sich die Umsatzverteilung im DIY-Kernmarkt zwischen verschiedenen Kanälen verschieben", prognostizierte Kai Kächelein, Geschäftsführer Vertrieb und Marketing. Daher müsse die Cross Channel-Strategie forciert werden, die die Stationen stationärer Handel, Mobil, Print, Social Media und Desk Top vernetzt. Mit großer Aufmerksamkeit beobachtet man in Soltau zudem die Tendenz zu kleineren City-Standorten in der Baumarkt-Szene. Erst vor kurzem hatte die schwedische Clas Ohlson-Kette eine Dependance in 1a-Lage in Hamburg eröffnet und als "Lifestyle-Kaufhaus" positioniert, auch der britische Branchenprimus Kingfisher geht mit seinem Screwfix-Konzept ähnliche Wege.

Der Kern bleibt nach Überzeugung der Hagebau denn auch das stationäre Geschäft, "dass es zu stärken gilt". Und hier will sich das Unternehmen mit den Hagebau-Märkten in der Spitzengruppe der Anbieter positionieren. Aber: "Wir wollen nicht führender Baumarkt werden, sondern führender Systemgeber in Deutschland und Europa", präzisierten Kächelein und Kollege Torsten Kreft, der als Geschäftsführer Category Management zeichnet. Nach einer Umfrage kommt die Marke hierzulande aktuell auf einen ungestützten Bekanntheitsgrad von 46 % und hat damit innerhalb von zwei Jahren enorm gewonnen (2014: 26 %).

Den Gesellschaftern will die Hagebau vor Ort mit neuen Sortimenten und Flächenkonzepten Perspektiven bieten. Allein 2016 gebe es über 3.500 aktualisierte oder neue Sortimentsbausteine, die auch die Anforderungen der Profi-Kunden berücksichtigen, betonte Kreft. Eine zunehmend wichtige Rolle dabei spielen Eigenmarken - ohne dass man auf starke Industriemarken verzichten will, denn "profilierte Eigenmarken schaffen Differenzierung und leisten einen überdurchschnittlichen Beitrag zum Rohertrag." Ebenso elementar ist die Verbindung von Online- und Offline-Aktivitäten: "Wir müssen unsere Stärken aus dem stationären Geschäft auch im Internet abbilden." Ein Schritt dorthin ist die Erweiterung des Sortiments von www.baumarktdirekt.de. Bis Ende 2016 sollen 40.000 Artikel online eingestellt werden.
| Claudia Weidt


Hagebau Kooperation
Hagebau Handelsgesellschaft für Baustoffe mbH & Co. KG
Celler Str. 47
29614 Soltau
Tel.: 05191 / 8020
E-Mail: internet@hagebau.com
www.hagebau.com

Geschäftsführung: Heribert Gondert (Sprecher), Hartmut Goldboom (Fachhandel), Kai Kächelein (Einzelhandel Vertrieb und Marketing), Torsten Kreft (Einzelhandel Category Management). Ausgeschieden: Ulrich von den Hoff
Gesellschafter: 366 mit 1.676 Betriebsstätten mit sieben Ländern, davon 268 im Ausland
Mitarbeiter: 1.350 an sieben Standorten
Umsatz: 6,09 Mrd. EUR (2015), davon 619,4 Mio. EUR im Ausland
Außenumsatz: 14,4 Mrd. EUR (2014)

Hagebau-Fachhandel
Standorte: 1.093, davon 881 in Deutschland, 108 in der Schweiz, 97 in Österreich, 4 in Luxemburg, 2 in Belgien, 2 in Frankreich
Umsatz: 3,85 Mrd. EUR, davon Baustoffhandel 2,92 Mrd. EUR, Holzhandel 752 Mio. EUR, Fliesenhandel 174 Mio. EUR

Hagebau-Einzelhandel
Umsatz: 2,08 Mrd. EUR (2015 Hagebaumärkte und Floraland)

Beteiligungen und Tochterunternehmen:
A.R.E.N.A., SAS Paris (Gemeinschaftsunternehmen von 12 Handelspartnern in 15 Ländern, u.a. Zeus)
Baumarkt Direkt GmbH & Co. KG, Hamburg (Joint Venture mit Otto)
Hagebau Beratungs- und Beteiligungs GmbH, Soltau
Hagebau IT GmbH, Soltau (100 %)
Hagebau Logistik GmbH & Co. KG, Soltau (100 %)
Hagebau Versicherungsdienst GmbH (100 %)
ZEUS, Zentrale für Einkauf und Service GmbH & Co. KG, Soltau (100 %)

Gesellschafter-Jubiläen 2015:
150 Jahre Holz-Herbst, Lüneburg
111 Jahre Delmes-Heitmann, Seevetal
90 Jahre Walter Nilsson, Osnabrück
aus Parkett Magazin 05/16 (Wirtschaft)