Desso hat den Umsatz mit Teppichfliesen verdreifacht

Lang und steinig ist der Weg für die Teppichfliese in Deutschland – gewesen. Von einem Sinneswandel bei Bauherren und Architekten berichtet Michael Stein vom Hersteller Desso. Das Unternehmen ist derart erfolgreich, dass Tarkett es Ende 2014 gekauft hat.

BTH Heimtex: Desso wurde Ende 2014 von Tarkett übernommen. Wie hat sich Ihre Arbeit verändert, seitdem sich das Unternehmen unter dem Dach des französischen Konzerns befindet, der aktuell 2,7 Mrd. EUR umsetzt? Das ist das 13-fache von dem, was Desso zuletzt an Umsatz veröffentlicht hat (2014: 208 Mio. EUR).

Michael Stein: Wir als Desso Objekt Deutschland agieren innerhalb von Tarkett immer noch selbständig mit einer eigenen Vertriebs- und Marketingorganisation, die wie in der Vergangenheit ausschließlich für Desso Objekt Deutschland arbeitet. Das gesamte Produktmanagement wird weiterhin von der Desso-Zentrale im niederländischen Waalwijk gesteuert. Hier sind Design- und Entwicklungscenter sowie die Produktion angesiedelt. Wir entwickeln zum Beispiel gerade Produkte für 2017 und 2018. Auch der Produktionsstandort von Desso im belgischen Dendermonde (Desso Sports, Anmerk. d. Red.), an dem getuftet wird, bleibt bestehen. Desso ist also innerhalb von Tarkett in den Ländern, in denen das Unternehmen eigenständig ist, autark und verfügt über eine eigene Handschrift.

BTH Heimtex: Welche Märkte sind das?

Stein: Das sind Deutschland, Österreich, Schweiz, Belgien, Niederlande, Frankreich sowie England/Irland. In allen anderen Regionen ist Desso gänzlich in den Tarkett-Strukturen aufgegangen.

BTH Heimtex: Es ist aber davon auszugehen, dass Tarkett die Synergie-Effekte - für die eigene Organisation, aber auch für die Kundenansprache - früher oder später nutzen wird...

Stein: Die Zusammenarbeit wird sicherlich im Hinblick auf Produkte, Marktsegmente und Vertriebswege enger werden. Wie das im Detail aussehen wird, kann ich heute nicht sagen.

BTH Heimtex: Können Sie sich das auch für Deutschland vorstellen?

Stein: Wir werden beobachten, ob und in welcher Form das Erfolg haben kann. Sinnvoll könnte es in Teilen sein, denn Desso Objekt Deutschland ist im Objekt zuhause. Wir sprechen mit Entscheidern, Bauherren, Designern, Architekten und Innenarchitekten. In der Handelsschiene sind wir noch nicht sehr aktiv, wollen hier aber langfristig stärker wachsen. Dort ist Tarkett stark, weswegen ein Austausch viele Möglichkeiten eröffnet. Hier wird sich in Zukunft viel bewegen.

Eines ist klar: Tarkett hat Desso gekauft, um Synergien zu erzielen. Man möchte von Desso lernen, gewisse Herangehensweisen übernehmen, aber auch bei Desso Praktiken einführen, die bereits heute bei Tarkett erfolgreich umgesetzt werden.

BTH Heimtex: Ist Desso Objekt Deutschland jetzt eine Geschäftseinheit von Tarkett? An wen beispielsweise berichten Sie?

Stein: Der Bereich Desso Objekt Deutschland besteht weiterhin, so wie früher. Der einzige Unterschied ist, dass wir unsere Büros nicht mehr in Wiesbaden haben, sondern in Frankenthal. Ich berichte nach wie vor an die Desso-Organisation. Und Desso insgesamt ist wiederum 100 %-ige Tochter von Tarkett in Frankreich. Dies gilt für alle genannten Länder, in denen Desso selbstständig agiert. In den übrigen Märkten ist unser Unternehmen voll integriert. Dort berichten die Desso-Mitarbeiter direkt an die Tarkett-Verantwortlichen.

BTH Heimtex: Wenn Sie es zusammenfassen müssten: Warum hat Tarkett Desso gekauft?

Stein: Aus verschiedenen Gründen. Sicherlich weil Desso ein sehr profitables Unternehmen ist. Mit Desso bekommt Tarkett zudem außerhalb der USA ein weiteres Standbein mit dem Bereich textile Bodenbeläge. Dort hatte man bereits 2013 mit Tandus einen entsprechenden Hersteller übernommen. Das Unternehmen arbeitet aber weiterhin weitestgehend eigenständig. Für Tarkett sind wir attraktiv, weil Desso nicht auf Masse ausgerichtet ist, sondern auf hochwertige und vor allem kreative, textile Bodenbeläge. Zudem versuchen wir das textile Produkt innovativ weiterzuentwickeln, wie beispielsweise bei den Luminous Carpets in Zusammenarbeit mit Philips (Bei diesem Teppichboden sind LEDs in den Produktaufbau eingelassen, die individuell Schrift und Symbole durch den Boden hindurch abbilden, Anmerk. d. Red.). Auch beim Thema Teppichboden-Rücknahme und Recycling sind wir in der Branche führend.

BTH Heimtex: Bleiben wir beim Neuprodukt. Die Teppichfliese wächst seit einigen Jahren in Deutschland im Objekt. Die Vorteile des Produktes sind aber gleich geblieben. Wie erklären Sie sich diese Trendwende?

Stein: In der Tat hat sich etwas geändert. Flächen in Büro-Neubauten in Deutschland bestehen in der Regel zu 70 bis 80 % aus Hohlraumböden. Auf dem Rest sind häufig Doppelböden vorzufinden, auf denen wiederum Teppichfliesen im Einsatz sind, um problemlos an die sich darunter befindliche Technik zu kommen. Um Kosten zu sparen, ließen die Entscheider in der Vergangenheit auf dem gesamten Hohlraumboden, also dem Hauptteil des Objektes, in der Regel Bahnenware installieren.

Bei großen Neubauten hat ein Umdenken stattgefunden: Immer häufiger fällt hier von Anfang an die Entscheidung für Teppichfliesen und eben nicht nur dann, wenn diese auf Doppelböden technisch benötigt werden.

Wir können den Generalunternehmer, den Architekten oder späteren Nutzer häufiger überzeugen, dass die deutlich bessere, da mittelfristig kostengünstigere, aber auch schönere Lösung die Teppichfliese ist. Mit ihr muss beispielsweise nicht angespachtelt werden. Ebenso stören die zwischen Bahnenware und Fliese sonst nötigen Übergangsschienen nicht mehr das Verlegebild.

BTH Heimtex: Desso vertreibt auch Bahnenware; früher war sie sogar das Hauptprodukt. Würde es nicht Sinn machen, in Deutschland neben der Fliese auch wieder textile Beläge von der Rolle im Objektvertrieb zu haben. Ihre Arbeit wäre leichter.

Stein: Meine Mitarbeiter im Außendienst würde das sicherlich freuen, weil manch ein Kunde einfach auf Bahnenware festgelegt ist - komme was wolle. Es wäre aber unglaubwürdig, weil wir an die Teppichfliese glauben und von ihren Vorteilen für unsere Kunden und die Umwelt absolut überzeugt sind: Die Teppichfliese verschafft Flexibilität, sie spart auf den gesamten Lebenszyklus gesehen Kosten, sie lässt sich besser zurückbauen und recyceln und sie bietet mehr Designmöglichkeiten.

Zudem kann eine Teppichfliese bei Schäden oder Verschmutzungen auch von kleinsten Arealen leicht ausgetauscht werden, sie minimiert Ausfallzeiten bei Renovierungen, und sie verursacht lediglich 3 bis 4 % Verschnitt. Bei Bahnenware sind bis zu 15 % normal.

Alle diese Vorteile bietet eine Bahnenware nicht. Sie sind Argumente für die Teppichfliese - und sie wirken immer öfter: Wir haben zwischen 2009 und heute, also innerhalb von sieben Jahren, unseren Umsatz in Deutschland verdreifacht. Und das obwohl oder vielleicht gerade weil wir keine Bahnenware anbieten.

BTH Heimtex: Okay. Aber noch einmal. Die Argumente sind die selben - heute wie vor sieben Jahren. Was hat sich dann verändert?

Stein: Nachdem Desso 2007 von Armstrong DLW verkauft und eigenständig wurde, haben wir eine Strategie entwickelt, an der wir bis heute festhalten. Wir reden direkt mit den Objekt-Entscheidern, die davon profitieren, wenn Teppichfliese verbaut wird. Dabei haben wir von Anfang an nicht allein auf die vielen Vorteile gesetzt. Wir haben immer auch die Themen Cradle-to-Cradle und Recyclingfähigkeit propagiert.

Heute bekomme ich Anrufe von Großunternehmen und Industriepartnern, die mich einladen, das Thema vorzustellen. Dorthin zu kommen, war ein langer, langer Weg, den wir gehen mussten und gegangen sind. Aber, und vielleicht beantwortet das Ihre Frage, wir waren und sind in unserer Kommunikation und unserer Vertriebsarbeit immer konstant, stringent, eindeutig und nach unserem Empfinden auch deswegen sehr glaubwürdig. Dazu beigetragen hat sicherlich, dass wir eben einen klaren Fokus auf das Fliesenangebot legen und uns auf das Objektgeschäft konzentrieren.

BTH Heimtex: Fungiert das Thema Nachhaltigkeit denn als "Türöffner" beim Entscheider, der mit Bodenbelag im Detail nicht viel am Hut hat? Und würden Sie ohne dieses Thema gar nicht so weit kommen, um die vielen anderen Vorteile anbringen zu können?

Stein: Cradle-to-Cradle ist fester Bestandteil der Kundenansprache. Ich unterhalte mich mit den Entscheidern aber nie über das Produkt an sich. Ich rede über Lösungen wie Akustik, Luftreinigung oder eben Recycling und Nachhaltigkeit. Die Vorteile der Fliese, die eine Kostenersparnis bringen, erwähnen wir natürlich auch; aber nicht an erster Stelle. Mittlerweile gibt es mehr Hersteller, die Teppichfliesen auf diese Weise vermarkten. Das hat sicherlich auch zum Sinneswandel in der Bauherren- und Architektenschaft beigetragen.

BTH Heimtex: Sie haben in den vergangenen anderthalb bis zwei Jahren die Themen Rücknahme und Recycling von ausgedienten Teppichfliesen nur noch gezielt und nicht breit kommuniziert. Hat das einen Grund? Das sind ja wesentliche Bestandteil des Cradle-to-Cradle-Prinzips?

Stein: Das hat einen einfachen, technischen Grund. Unser Rücknahme- und Recyclingprogramm "Take back" - jüngst umbenannt in "ReStart" - wird so stark nachgefragt, dass die hierfür von uns gebaute Refinity-Anlage an ihre Kapazitätsgrenze stößt. Zudem wurde die Anlage weiterentwickelt, um ein Maximum an Materialreinheit nach der Trennung gebrauchter Teppichfliesen zu erlangen. Um die hohen Anforderungen für den Up-Cycling-Prozess nach den Cradle-to-Cradle-Richtlinien zu erreichen, wurde mit Hilfe des LIFE-Programms der EU (EU-Förderprogramm für Umweltmaßnahmen, Anmerk. d. Red.) eine Vergrößerung und Optimierung der Anlage vorgenommen. Im Februar 2017 wird voraussichtlich der Erweiterungsbau unter Volllast fahren, so dass wir mehr Teppichfliesen zurücknehmen können. Dann werden wir die Themen Rücknahme und Recycling auch wieder verstärkt in den Mittelpunkt unserer Kommunikation rücken.

BTH Heimtex: Kommen wir zum Vertrieb. Der Bodenbelagsgroßhandel hat in Deutschland eine herausragende Stellung als Marktmittler von textilen Belägen. Durch seine Hände wandert rund die Hälfte aller Bodenbeläge. Inwieweit helfen Ihnen die Grossisten bei Ihrer Marktbearbeitung?

Stein: Wir machen mit den Großhandelshäusern gute Geschäfte. Sie sind für uns aber in der Regel keine Mittler von zusätzlichem Absatz, da sie in der Regel reaktiv über Ausschreibungen arbeiten, die veröffentlicht werden. Es gibt nur wenige Bodenbelagsgrossisten, die aktiv mit unserem Produkt arbeiten. Betrachtet man das Großhandelssortiment, das mehrere tausend Artikel umfasst, so verwundert es auch nicht, dass es schwer ist, das Produkt Teppichfliese in diesem Vertriebskanal im Tagesgeschäft zu etablieren. Das muss vor allem Aufgabe der Industrie sein. Wir führen gerade Gespräche mit Großhändlern. Ich bin zuversichtlich, dass wir hier in Zukunft zusammen mehr bewegen können.

BTH Heimtex: Was würden Sie sich vom deutschen Großhandel wünschen?

Stein: Der Großhandel macht seine Sache gut. Es werden bereits Teppichfliesen-Kollektionen zusammen mit uns auf den Markt gebracht, und diese Produkte vom Großhandel eingelagert. Mein Wunsch wäre zusätzlich, dass der Großhandel das Thema Teppichfliese langfristig in der täglichen Vertriebsarbeit über seinen Außendienst umsetzt und seinen Kunden die entsprechenden Produkte stärker vorstellt.

jochen.lange@snfachpresse.de

Desso und das Cradle to Cradle-Prinzip
Das Ziel von Cradleto-Cradle (Von der Wiege zur Wiege) ist die Herstellung von Produkten, die entweder biologisch abbaubar oder vollständig recyclingfähig sind und auf diese Weise als Ausgangsstoff für neue Produkte dienen. Desso ist der erste Teppichbodenhersteller im Wirtschaftsraum Europa, der das Cradle to Cradle-Konzept umsetzt. Man hat dafür einen Partnerschaftsvertrag mit der in Hamburg ansässigen EPEA - Internationalen Umweltforschung GmbH abgeschlossen. Diese kontrolliert regelmäßig, ob die Richtlinien eingehalten werden. Desso garantiert darüber hinaus seinen Kunden, dass seine Produkte aus umweltfreundlichen und gesundheitlich unbedenklichen Materialien hergestellt werden.


Desso - von der Masse zur Klasse
Desso, niederländischer Hersteller von textilen Bodenbelägen, dessen Ursprünge in die 1930er-Jahre zurückgehen, hat sich in den vergangenen zehn Jahren regelrecht gehäutet. Von 1993 bis 2007 als Teil von DLW, später Armstrong DLW, setzte man in der Teppichboden-Sparte auf einfache Massenprodukte - 80 % Bahnenware, der Rest Teppichfliese. Nachdem die Amerikaner Desso verkauft hatten, machte das neue Management zusammen mit dem niederländischen Finanzinvestor NPM Capital einen radikalen Schnitt und konzentriert sich seitdem neben Kunstrasen (Tochter Desso Sports) auf die Teppichfliese. Mit Erfolg: Heute vertreibt das Unternehmen in der Teppichboden-Sparte zu 93 % Teppichfliesen, setzte zuletzt insgesamt mehr als 200 Mio. EUR um und wurde Ende 2014 vom französischen Bodenbelags-Konzern Tarkett übernommen.

Desso Daten und Fakten
Desso Objekt Deutschland c/o
Tarkett Holding GmbH
Nachtweideweg 1-7
67227 Frankenthal
Tel.: 06233/81 19 00
Fax: 06233/81 19 05
service-de@desso.com
www.desso.de

Vertriebs- und Marketingleiter: Michael Stein
Außendienst: 11
Produkte: Teppichfliese
Geschäftseinheit von: Desso BV
Taxandriaweg 15
5142 PA Waalwijk, Niederlande
Geschäftsführung: Roland Jonkhoff
Umsatz 2014: 208 Mio. EUR
Produkte: Teppichboden und Teppichfliesen für den Wohn- und Objektbereich sowie Kunstrasen für Sportplätze
Muttergesellschaft: Tarkett
Schwestergesellschaften (u.a.):
-Desso Refinity
-Desso Sports
aus BTH Heimtex 06/16 (Wirtschaft)