MZE/2HK: Interview mit Bereichsleiter Peter J. Schroeder

"Wir geben Raumausstattern ihre angestammte Kompetenz zurück"


Peter J. Schroeder beklagt einen Kompetenzverlust im deutschen Raumausstatter-Handwerk. Mit dem ganzheitlichen Konzept "Der Textile Einrichter" und Weiterbildungsangeboten wirkt der Leiter der Handels- und Handwerkerkooperation MZE/2HK dem entgegen. Dennoch werde es in Zukunft weniger Raumausstatter geben als heute - und weniger Kooperationen.

BTH Heimtex: Herr Schroeder, wie geht es dem deutschen Raumausstatter?

Peter J. Schroeder: Wenn Sie die Situation unserer Mitglieder bei 2HK meinen: Deren Auftragslage ist zur Zeit gut. Und auch die Erträge stimmen. Wenn Sie die generelle Situation und die Zukunftsaussichten des Raumausstatters an sich meinen, da bin ich weniger optimistisch.

BTH Heimtex: Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Schroeder: In den 1990er und Anfang der 2000er Jahre war die Welt noch in Ordnung. Damals gab es in Deutschland ca. 14.000 Raumausstatter-Betriebe. Heute sind es knapp 3.500, die in der Handwerksrolle eingetragen sind; insgesamt vielleicht 6.000. Und dieser Erosionsprozess setzt sich fort.

BTH Heimtex: Wo sehen Sie die Ursache dafür?

Schroeder: Der Raumausstatter hat viele seiner Kompetenzen an andere Gewerke abgegeben. Noch vor 30 bis 40 Jahren hatte er das Profil eines ganzheitlichen Einrichters mit Kleinmöbeln, Tapete, Farbgestaltung etc. Über die Jahre ist das immer weniger geworden. Innenarchitekten, Maler, Bodenleger und Fachmärkte haben viele dieser Bereiche übernommen.

BTH Heimtex: Was kann man dagegen tun?

Schroeder: Als ich 2008 zum Möbel-Zentral-Einkauf kam, gab es dort neben den Anschlusshäusern aus Möbelhandel, Küche und Schlafstudios nur relativ wenige Raumausstatter. Mir war damals schon klar, dass wir, um mit dem neuen Unternehmensbereich 2HK erfolgreich zu sein, nicht nur als klassische Einkaufskooperation auftreten konnten.

Ich habe daher das Konzept "Der Textile Einrichter" entwickelt, bei dem der Raumausstatter zum ganzheitlichen Einrichtungsberater wird, inklusive Möbeln. Innerhalb des Möbel-Zentral-Einkauf ist das möglich, denn unsere Partner haben Zugriff auf 750 Lieferanten. Auf diese Weise geben wir dem Raumausstatter seine angestammte Kompetenz zurück, seine Kunden in allen Bereichen des Einrichtens zu beraten und zu bedienen. Hier sehe ich auch die erfolgreiche Zukunft des Raumausstatters.

BTH Heimtex: Wie viele Textile Einrichter gibt es?

Schroeder: Als wir 2009 das Konzept gestartet haben, war meine Prognose, dass wir in zehn Jahren bundesweit 60 Firmen haben werden. Aktuell sind es 45. Meine Einschätzung wird deutlich früher Realität.

BTH Heimtex: Sind das alle 2HK-Mitglieder?

Schroeder: Nein, insgesamt haben wir 135 Partner. Es würde auch keinen Sinn machen, dass alle dieses Konzept übernehmen. Es braucht dazu Unternehmer, die das mit ihren Fähigkeiten, großem Engagement und auch Selbstwertgefühl umsetzen können.

BTH Heimtex: Müsste dazu nicht jeder Raumausstatter in der Lage sein?

Schroeder: Vom Berufsbild her schon. Von der Ausbildung her leider teilweise nicht mehr. Dort haben Theorie und Praxis nichts mehr mit dem zu tun, was vor 20 Jahren noch Ausbildungs- und Qualitätsanspruch in unserer Brache war.

Die Kooperationen versuchen das auszugleichen. Wir haben uns im Bildungsnetzwerk zusammengeschlossen, mit der Icos-Akademie einen starken Partner gefunden und bieten gemeinsam Seminare an. Die stehen übrigens jedem Handwerker offen, nicht nur unseren Mitgliedern.

Die Defizite im Raumausstatter-Handwerk haben aber auch etwas mit dem Wegfall des Meisterzwangs zu tun.

BTH Heimtex: Aber es gibt doch noch Meister.

Schroeder: Ja, die gibt es. Aber deutlich weniger als früher. In der Regel sind das heute junge Menschen, die in der Unternehmensnachfolge stehen. Mit dem Meister bekommen sie das Fundament, um später auch unternehmerische Verantwortung tragen zu können. Dort geht es ja neben der fachlichen auch um soziale und betriebswirtschaftliche Kompetenz.

BTH Heimtex: Hat der Meisterbrief heute eine größere Bedeutung, einfach weil es weniger Meister gibt?

Schroeder: So ist es. Das wird auch vom Endkunden mit hohem Qualitätsanspruch so wahrgenommen.

Deshalb erhalten Textile Einrichter ja auch eine Beurkundung ihrer Kompetenz: Eine Urkunde, die aussagt, dass sie Mitglied in einer Fachgruppe sind. Damit dokumentieren sie gegenüber dem Endkunden: "Ich bilde mich für Sie weiter."

BTH Heimtex: Sind Textile Einrichter erfolgreicher als "normale" Raumausstatter?

Schroeder: Das sind sie, denn Sie sprechen den hochwertigeren Endverbraucher an.

Ein Beispiel: Sie möchten innenliegenden Sonnenschutz für Ihr Wohnzimmerfenster haben, vielleicht noch links und rechts etwas Stoff. Beim Termin vor Ort beginnt die Qualität des Textilen Einrichters. Denn ihm gelingt es, den Fokus des Kunden weg vom Fenster hin zum gesamten Raum zu lenken. Passen denn das Sofa, der Teppich, die Wände, die Beleuchtung und die 15 Jahre alte Schrankwand noch zu dem, was Sie sich für das Fenster wünschen?

BTH Heimtex: Jeder Raumausstatter sollte das tun.

Schroeder: Er sollte - aber viele tun es heute nicht mehr. Das ist leider die Realität.

Beim Textilen Einrichter ist das anders. Der kann auch auf die Frage nach einem Rat für eine neue Matratze antworten: "Die bekommen Sie bei mir, inklusive fachlicher Beratung."

BTH Heimtex: Aber nicht jeder Textile Einrichter hat eine Betten-abteilung?

Schroeder: Nein, nicht unbedingt. Aber er hat über MZE den Zugriff auf diese Sortimente und über 2HK das nötige Fachwissen. Was er haben muss, ist ein Laden, in dem ich erkenne, dass er ein ganzheitlicher Wohnberater ist. Auf 30 oder 40 m2 müssen nicht nur Produkte, sondern Wohn-atmosphäre präsentiert werden - vom Boden über die Wand, die Beleuchtung, die Möbel bis zum Fenster. Damit zeigt er seine Kompetenz.

Für die Beratung haben wir ein Wohnbuch unserer Eigenmarke Keno Kent Home kreiert. Mit ihm können unsere Mitglieder ihre Kunden auf über 100 Seiten durch die Bereiche Wohnen, Speisen und Schlafen führen. Dabei geht es um Emotionen. Wir lassen die Bilder für sich sprechen. Es gibt keine Preise, keine Artikel-nummern, keine Lieferanten.

Das Wohnbuch kann man mit vier, acht, zwölf oder mehr eigenen Seiten ergänzen und dadurch individualisieren. Dann ist es "mein" Beratungsinstrument - das Einrichtungsbuch des jeweiligen Raumausstatters.

BTH Heimtex: Wenn dem ganzheitlichen Einrichten die Zukunft gehört, wird es dann in 20 Jahren keine "normalen" Raumausstatter mehr geben?

Schroeder: Die werden dann nur noch "Exoten" am Rande sein. Wer Erfolg haben und den Ansprüchen des gehobenen Endverbrauchers gerecht werden will, muss einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen. Den Rest decken die großflächigen Möbelhäuser und Fachmärkte wie Hammer ab.

BTH Heimtex: Weniger Raumausstatter, bedeutet das auch weniger Kooperationen?

Schroeder: Nach meiner Überzeugung wird es in 20 Jahren nur noch zwei oder drei Kooperationen geben.

Und die werden auch anders aufgestellt sein als heute. Sie werden vom Einkaufs- zum Verkaufsverband. Statt günstiger Konditionen und Boni stehen dann Verkaufskonzepte, betriebswirtschaftliches Know how, Unternehmensführung und Marketing im Vordergrund.

BTH Heimtex: Wenn Sie vom hochwertigen Markt sprechen: Wie groß ist der?

Schroeder: Früher war immer von einem Verhältnis 80/20 zwischen normalen und hochwertigen Kunden die Rede. Heute ist es eher 90/10. Aber diese +/- 10 % wollen deutlich mehr Geld ausgeben, für Produkte und vor allem für einen Rundum-Service. Die Basis dafür sind Persönlichkeit und Vertrauen. Das ist das Kapital des ganzheitlichen Einrichters, der nicht nur das Wohnzimmer, sondern auch die intimen Bereiche wie Badezimmer und Schlafraum seiner Kunden kennt, der weiß, dass die Familie eine Katze hat und die Kinder in zwei Jahren aus dem Haus sein werden.

BTH Heimtex: Hat denn der Raumausstatter diese 10 %?

Schroeder: Leider nein. Wenn er diese hätte, ginge es ihm deutlich besser. Er hat vielleicht 5 oder 6 %.

BTH Heimtex: Was muss man tun, damit es zukünftig die ganzen 10 % sind - und vielleicht noch etwas mehr?

Schroeder: Neben den bereits genannten Möglichkeiten ist ein weiteres gutes Beispiel die Initiative Textile Räume, in der auch wir uns engagieren. Hier wird ein guter Ansatz verfolgt. Aber sie muss parallel zum Einrichten mit Textilien eben auch den Raumausstatter im Bewusstsein der Verbraucher verankern. Denn dort bekommt der die entsprechenden Produkte - und die kompetente Beratung und Verarbeitung gleich dazu. Wenn die Verbraucher wieder mehr Gardinen wollen, die dann aber bei Ikea kaufen, hat die Branche nichts davon.

Das Gespräch führten Jochen Lange und Thomas Pfnorr.

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Leiter: Peter J. Schroeder
Systemberater: Harmen Teesselink

Mitglieder: 135, davon 45 in der Fachgruppe Der Textile Einrichter
Gründung: 2008

Profil: Händler- und Handwerkerkooperation

Besonderheit: Zugriff auf 750 Lieferanten aus der Möbelindustrie über MZE; seit zwei Jahren Kooperation mit der Decor-Union und dadurch Zugriff auf weitere 700 Lieferanten
aus BTH Heimtex 12/15 (Wirtschaft)