Jahreshauptversammlung EUCA, Hamburg

Wo ist der Weg aus der Nische?


Auf seiner Mitgliederversammlung zeichnet der Verband der europäischen Teppichimporteure ein alarmierendes Bild von den Produktionskapazitäten in den Ursprungsländern. Und auf der Handelsseite schwindet die Produktvielfalt: Durch die Entwicklungen im Möbelhandel und dem immer schwächeren Fachhandel ist der klassische Orientteppich im Handel kaum noch präsent. Diese Produktgruppe ist für viele Einzelhändler ein Nischenprodukt geworden. An einem Punkt herrscht Einigkeit: Der Orientteppich braucht mehr Marketing.

Markttrends und Geschmacksmuster von Verbrauchern unterliegen Zyklen, die viele Jahre umfassen. Deshalb war es keine Überraschung, dass es auf der 51. Mitgliederversammlung des Verbandes der europäischen Teppichimporteure (EUCA) am 25. November in Hamburg nichts grundsätzlich Neues zu hören gab. Am Beginn der Veranstaltung steht traditionell der Bericht des Vorstands aus den Ursprungsländern. Hier zeichneten die Marktteilnehmer ein ähnliches Bild wie schon in den vergangenen Jahren, mit einer teilweise zunehmenden Verschlechterung der Lage.

Amir Tahbaz berichtete aus dem Iran von einer abnehmenden Anzahl an Knüpfern und einem insgesamt schwachen Markt. Dabei sei nicht mehr nur die Nachfrage aus dem Ausland rückläufig, sondern auch der zuletzt noch passable Inlandsmarkt breche immer mehr weg. Ein Hauptgrund dafür seien die internationalen Wirtschaftssanktionen. Immerhin seien die Preise recht stabil. Die Messe in Teheran war ein Spiegelbild der Gesamtsituation: Es gab nur wenige Besucher aus dem Ausland, und auch die Resonanz aus dem deutschen Markt, von wo vor wenigen Jahren noch etliche Großkunden gekommen waren, war sehr gering.

Laut Peter Meumann spiegelt die Situation in Indien den deutschen Markt wider. Das sei auf beiden Messen - sowohl im Frühjahr in Delhi als auch im Herbst in Varanasi - deutlich zu sehen gewesen. Es hätte zwar in der Anzahl mehr Aussteller, dafür aber weniger qualifizierte, gegeben. Es gab dabei mehr günstige Ware, die letztlich jedoch in direkter Konkurrenz zu den türkischen Maschinenwebteppichen stehe, aber durch die längeren Lieferzeiten und höheren Logistikkosten in diesem Wettbewerb nicht bestehen könne. "Die Inder haben die Lust an der Produktion verloren", konstatierte Meumann. Das liege vor allem daran, dass viele Knüpfer in andere Branchen abgewandert seien. Andererseits fehle es aber eben auch an der Nachfrage. Dabei sei die Entwicklung auf dem amerikanischen Markt noch besser als die in Europa.

Volker Heinrich berichtete, dass es in Pakistan nahezu keine Produktion mehr gebe. Selbst Ziegler und klassische Buchara würden kaum produziert und auch wenig nachgefragt werden. Lahore habe seine Bedeutung als Umschlagplatz für Ziegler verloren. Allgemein seien die Preise hoch. Gute Ware sei rar, aber immerhin habe sich der US-Markt etwas erholt. Mit Blick auf Afghanistan sagte Heinrich, dass in der Region Kabul eine stabile Produktion aufgebaut worden sei und man deshalb für den Einkauf mittlerweile nicht mehr in den Norden des Landes fahren müsse.

In Nepal sieht Jens-Peter Höge ebenfalls dramatisch sinkende Produktionskapazitäten. Fern sei die Zeit, als Restaurants ausgeräumt wurden, um darin Knüpfstühle aufzustellen. Habe 1992 der Höchstwert der Produktion bei 3,5 Millionen m2 gelegen (heute gibt die Exportstatistik ein Zehntel dieser Menge an), so sei es heute schon schwierig, einen Produzenten zu finden, der auch nur eine Menge von 3.000 m2 ohne die Hilfe von anderen Unternehmen bewältigen könne. Dennoch gebe es noch immer eine nahezu stabile Anzahl von 400 Manufakturen. Sie produzierten fast ausschließlich hochwertige Ware. Nepal sei in die Nische gegangen und knüpfe für die Oberklasse, so das Fazit.

In China wird nach Angaben von Höge kaum noch geknüpft. Dabei sei der handgeknüpfte Teppich einmal auf Rang vier der Exportstatistik gewesen. Allerdings gebe es noch lagernde Ware aus früherer Überproduktion. Peter Meumann berichtete aus Marokko, dass dort kaum noch große Teppiche produziert werden würden, zwei mal drei Meter sei schon das Maximalmaß. Auch in Marokko wanderten die Knüpferinnen in andere Branchen ab. Allerdings gebe es eine steigende Nachfrage nach hochwertiger Berberware, vor allem aus den USA.

In Deutschland hat der Handel mit zahlreichen Problemen zu kämpfen. Denn wie der Teppich im Markt steht, hängt auch davon ab, wie er in die Öffentlichkeit getragen wird. Zwar gibt es durchaus Berichte in überregionalen Tageszeitungen, die den Teppich als Trendprodukt klassifizieren. Doch allzu oft geht es dabei um moderne Ware - und dabei vor allem um Jan Kath. Die EUCA-Mitglieder sind uneins bei der Frage, ob die positive Berichterstattung über den modernen Teppich auch dem klassischen Orientteppich nützt oder den Verbraucher eher von diesem weg führt.

Einigkeit herrscht hingegen darüber, dass sich der Markt in drei Bereiche unterteilt hat, von denen es zweien ausgezeichnet geht: den günstigen Maschinenwebteppichen und den hochwertigen modernen Knüpfteppichen. Schließlich werden heute mehr Teppiche als je zuvor verkauft. Der klassische Orientteppich hingegen verliert Marktanteile. Ähnlich der Bekleidungsbranche ist ein großer Billigmarkt und ein kleiner Luxusmarkt entstanden.

Einer der wichtigsten Gründe für die angesprochene Entwicklung liege im Niedergang des Fachhandels: Von einstmals 3.000 Teppichfachgeschäften sind nur noch wenige Dutzend übrig geblieben. Verblieben ist der Möbelhandel, der allerdings das Interesse am Teppich verloren habe. Früher hatten Teppiche dort fast einen zweistelligen Umsatzanteil - der heute vielerorts auf unter zwei Prozent gesunken ist. Das liege daran, dass Einkäufer heute Angst davor hätten, Produkte ins Angebot aufzunehmen, die nicht dem vorherrschenden Trend entsprechen. Dementsprechend schrumpft die Angebotsvielfalt, und vor allem der klassische Orientteppich bekommt noch weniger Raum zur Entfaltung. Ein Teufelskreis. Das bittere Fazit der EUCA-Mitglieder: Im Möbelhandel haben die an kurzfristigen Renditen interessierten Controller das Sagen. Sie handeln mit billigen Schnelldrehern, bei denen niemand in der Lieferkette noch verdient.

Auch in diesem schwierigen Marktumfeld hat EUCA nach wie vor eine Existenzberechtigung: Der Verband ist Ansprechpartner für den Zoll, die Domotex und ausländische Organisationen. Um auch weiterhin eine wichtige Rolle zu spielen, ist vor allem eine gute interne Kommunikation Voraussetzung. Das zeigte auch der gut besuchte Mitgliederabend im April, auf dem es leidenschaftliche Diskussionen über die Entwicklung des Verbandes und die Zukunft des Teppichs gab. Regelmäßig erhalten die Mitglieder Newsletter. Eine Aufgabe, der sich der Verband verstärkt widmen will, ist das Marketing rund um den Orientteppich. Bereits 2009 war der Arbeitskreis Imagepflege Teppich ins Leben gerufen worden. Er könnte Ausgangspunkt dafür sein, den klassischen Teppich wieder in das Bewusstsein des Durchschnittskonsumenten zu bringen. Aber dazu bedarf es des Engagements der Mitgliedsunternehmen.
aus Carpet Magazin 01/15 (Wirtschaft)