Roundtable mit dem Deco Team

Offensive für mehr Stofflichkeit am Fenster

Das Deco Team sagt dem Purismus an deutschen Fenstern den Kampf an und stellt seinen Auftritt bei der Heimtextil 2015 unter das Motto "Stoffe erleben". Mit ihren Trendinszenierungen, den Trend-Workshops von Bernhard Zimmermann und den Tipps für das erfolgreiche Verkaufen von Powerthinker Holger Schön machen die acht Mitglieder die Halle 3 zum place to be für die Messebesucher aus Handwerk und Handel. BTH Heimtex-Redakteurin sprach mit dem Deco Team auch über die grassierende Messemüdigkeit, die Situation im Raumausstatterhandwerk und die Initiative "Textile Räume". Mit am Tisch saßen Andreas Stanke (Gardisette), Hendrik Unland (Unland), Sascha Dempwolff (Porschen), Reinhold Hampl (Sonnhaus) Burkhard Koop (Heco) und Birgit Schlenker, verantwortlich für das Marketing beim Deco Team.

BTH Heimtex: Auf der Heimtextil 2015 fällt der Startschuss für die Werbekampagne "Textile Räume". Die Lieferanten wollen gemeinsam mit dem Fachhandel den Endverbraucher wieder für Textilien begeistern. Das ist doch ganz in Ihrem Sinne. Werden Sie sich beteiligen?

Hendrik Unland: Grundsätzlich finde ich alles in Ordnung, was dem Produkt zugute kommt. Zwar kommt mir das Budget relativ klein vor. Aber es ist gut, dass man es vorrangig in der Publikumspresse ausgeben will.

Das Deco Team ist sehr früh über die Idee informiert worden und wir waren davon sehr angetan. Wir haben in den zurückliegenden 25 Jahren auch schon einige Erfahrungen mit Endverbraucherwerbung gesammelt. Nur hat der Einzelhandel nicht so mitgezogen, wie wir es uns erhofft hatten und wie es für einen Erfolg nötig gewesen wäre - etwa zuletzt beim Deco Team-Magazin. Und weil wir eben auch an unser Budget denken müssen, haben wir uns wieder auf die Heimtextil fokussiert.

Die Firma Unland ist bei den Textilen Räumen nicht dabei. Wir planen für 2015 eine eigene Kampagne, um unsere Marke zu stärken, und werden gezielt Fernsehwerbung im Bereich Einrichtung/Haus/Wohnen machen.

Andreas Stanke: Wir finden die Kampagne sehr gut und werden sie mit allen Marken, die wir bei Jab im Stoffbereich haben, unterstützen - auch mit Gardisette.

Reinhold Hampl: Wir bei Sonnhaus sind mit den Initiatoren in Kontakt.

Burkhard Koop: Um jedes Jahr auf der Heimtextil zu sein, gibt die Heco ein Vielfaches von dem aus, was die Teilnehmer an dieser Kampagne zahlen sollen. Und alle Firmen, die sich da groß präsentieren, machen es nicht für den Raumausstatter, sondern für ihre eigene Marke. Wer etwas für den Raumausstatter machen will, soll auf der Heimtextil ausstellen.

Unland: Ich sehe das anders. Das alles ist eine strategische Entscheidung. Wenn mir der Endverbraucher für meine Werbung wichtiger ist als der Raumausstatter, weil ich dem kaufenden Kunden das Produkt wieder nahe bringen will, dann brauche ich nicht auf eine Messe zu gehen. Und wenn wir ehrlich sind, kommt ja auch immer nur ein Bruchteil unserer Kunden auf die Heimtextil.

Stanke: Ich sehe auch keinen Zusammenhang zwischen der Initiative Textile Räume und einer Messepräsenz. Sinn und Zweck dieser Kampagne ist, mit möglichst wenig Mitteln und möglichst vielen Teilnehmern eine möglichst große Welle zu erzeugen. Es wird um jeden geworben, aber auf niemanden mit dem Finger gezeigt, der nicht mitmacht.

BTH Heimtex: Der Raumausstatter soll sich auch beteiligen.

Unland: Den Einzelhandel mit rein zu nehmen, halte ich für vernünftig. Im Endeffekt hilft Endverbraucherwerbung immer auch dem Händler. In der Wertschöpfungskette ist er ein wichtiges Element; und wenn er mitmacht, steht er auch dahinter. Schwierig könnte es mit einer finanziellen Beteiligung werden. Da wird man Aufklärungsarbeit leisten müssen.

BTH Heimtex: Das Deco Team wird im Januar jedenfalls wieder auf der Heimtextil ausstellen. Aber viele Messen verlieren derzeit Aussteller und Besucher. Was meinen Sie: Woran liegt das?

Sascha Dempwolff: Eine Vielzahl von Ausstellern existiert nicht mehr; das darf man den Veranstaltern nicht vorwerfen. Gleichzeitig verändern sich einzelne Messen, speziell regionale, zu einem Messeevent mit Rahmenprogramm. Das ist auch ein Grund, warum die Salzburger Belétage so erfolgreich ist: einfaches Handling, einheitliche Stände mit überschaubaren Kosten und eine attraktive Abendveranstaltung.

Unland: Wenn man eine Messe nur mit schönen Städten oder einem Rahmenprogramm erfolgreich veranstalten kann, läuft doch in der Branche etwas falsch. Dann sind das Urlaubstouren, aber doch keine Messen.

Der Veranstalter macht eine Messe, um damit Geld zu verdienen. Was er dafür bietet, ist ihm überlassen. Die Aussteller haben ihre eigenen Gründe, auf eine Messe zu gehen - oder eben nicht.
Dass gewisse Messen bröckeln, hat meiner Meinung nach weniger mit dem Programm darum herum zu tun, als mit dem Zustand der Branche. Es sind ja auch immer weniger Besucher da. Unsere Kunden können und wollen teilweise nicht mehr, vor allem aus Kostengründen. Wir gehen nach Frankfurt, weil dort noch viele Ausländer hinkommen.

BTH Heimtex: Was kann man gegen diese Messemüdigkeit Ihrer deutschen Kunden tun?

Unland: Die Branche müsste gemeinschaftlich auf ein, zwei oder drei Termine setzen. Oder man setzt alle zwei Jahre einen Termin und geht dann auch gemeinschaftlich dorthin. Es gibt ja Beispiele, wo es funktioniert: Die Sonnenschutzleute haben in Stuttgart mit der R + T ein gutes Forum gefunden. Aber unsere Branche ist sich nicht einig.

Hampl: Ganz sicher werden Messen ihre Bedeutung nicht verlieren. Und es gibt nur eine internationale Leitmesse - die Heimtextil. Hier werden wir mit unserem Sortiment und unserer Strategie wahrgenommen. Und die Kunden kommen, obwohl sie wissen, dass zahlreiche große Verleger nicht da sind.

Koop: Ich glaube, dass der Kunde dorthin geht, wo er ein umfangreiches Angebot hat. Und da tut die Zersplitterung der Messelandschaft mit all den regionalen Veranstaltungen der Branche nicht gut.

Unland: Die Heimtextil sollte einmal differenziert darstellen, was die Besucher aus den unterschiedlichen Ländern eigentlich von der Messe erwarten. Die Deutschen hätten sicher am liebsten das komplette Angebot vom Sonnenschutz bis zum Stoff in einer Halle. Dann könnten sie die Sortimente vernünftig abarbeiten.

BTH Heimtex: Stimmt denn die Qualität der Besucher?

Hampl: Die wird in Frankfurt sogar besser. Wer geht denn auf eine Messe? Derjenige, der sich für die Zukunft rüsten möchte, der die Trends, neue Ideen und neue Produkte sehen will. Die sind dann auch Multiplikatoren. Eine Messe ist nicht nur dann ein Erfolg, wenn wir 5 % mehr Besucher auf dem Stand haben.

BTH Heimtex: Neben der Messemüdigkeit sind der Fachkräftemangel und die Qualität des Nachwuchses wichtige Probleme. Sehen Sie Möglichkeiten, das Know how und die handwerkliche Qualität der Arbeit zu erhalten?

Stanke: Die Gardinenumsätze gehen seit zehn Jahren stetig zurück. Das Produkt und damit die Branche ist nicht sexy. Eine Initiative wie die Textilen Räume sorgt dafür, dass nicht nur das Produkt in die Wahrnehmung der Verbraucher, sondern auch das Handwerk wieder in den Fokus von Schulabgängern gerückt wird, die nach einer Ausbildungsstelle suchen. Die ganzen kreativen Köpfe und geschickten Handwerker gehen heute in die Branchen, wo man gut verdienen kann und ein gewisses Prestige genießt.

Hampl: Diese Entwicklung gibt es aber nicht nur in unserem Bereich. Nur noch 20 % der Betriebe unter zehn Mitarbeitern in Deutschland bilden überhaupt noch aus. Auch der Wegfall des Meisterzwangs ist ein Problem: Um ein Geschäft zu eröffnen, brauchen Sie keinen Meisterbrief, aber zum Ausbilden. Wir graben uns selbst das Wasser ab. Um die Qualität der Handwerksbetriebe immer weiter zu entwickeln ist es wichtig, den Kunden laufend Produkt- oder Verarbeitungs-Schulungen anzubieten. Bei Sonnhaus machen wir massiv Produktschulungen.

Unland: Raumausstatter ist ein aussterbender Beruf, weil vielfach eben auch die Nachfolge fehlt. Momentan kann man niemanden damit locken, dass sich mit diesem Handwerk besonders viel Geld verdienen ließe. Aber das kann sich ändern, sobald die Zahl der Betriebe so weit geschrumpft ist, dass die verbliebenen sich entsprechend profilieren können.

Hampl: Hinsichtlich der Attraktivität des Berufes ist auch die Ausbildungsvergütung ein Problem. Bei uns fängt ein Azubi mit 700 EUR an; im Raumausstatterhandwerk sind es 400 EUR brutto.

Stanke: Da besteht sicher Handlungsbedarf, aber die Ausbildungsvergütung ist für mich sekundär. Ein Auszubildender muss in der Lehre nicht unbedingt viel verdienen, weil er ja etwas lernt. Aber er muss nach der Ausbildung eine Perspektive haben, um mit dem zu erwartenden Einkommen seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.

Dempwolff: Unsere Produkte werden aber auch bei Großflächenanbietern vertrieben. Und dort wird Personal zum Großteil als geringfügig Beschäftigte eingestellt. Da brauchen wir uns dann über die Qualifikation nicht mehr zu unterhalten. Wir bekommen heute schon Reklamationen, die auf Verarbeitungsfehler und fehlende Kompetenz zurückzuführen sind. Die Entwicklung erfordert aus meiner Sicht eine engere Zusammenarbeit der Verbände, Innungen und Kreishandwerkerschaften. Denn durch den Entfall des Meisterbriefes, wird sich die Anzahl der Ausbildungsbetriebe weiter reduzieren.

BTH Heimtex: Aber eigentlich spricht doch momentan viel dafür, als Raumausstatter gute Geschäfte zu machen. So sieht der Ikea-Interieur-Designer Michael Haas eine Tendenz zur Individualisierung. Gleichzeitig gelte das Zuhause weiterhin als Statussymbol, in dem sich allerdings zunehmend ökologisches Bewusstsein widerspiegelt. Können Sie dem zustimmen?

Unland: Heute spielt sich das Leben häufiger außerhalb der eigenen vier Wände ab. Die Leute gehen eher raus oder treffen sich in der Kneipe. Dennoch gibt es eine nicht zu unterschätzende Kundengruppe, für die das Haus ein Statussymbol ist. Und das ist ein riesiges Marktpotential, bei dem auch ökologische Aspekte zum Tragen kommen.

Dempwolff: Gerade beim Thema Ökologie sehen wir, dass die Gesellschaft auseinander driftet. In der Regel ist Ökologie auch mit höheren Kosten verbunden und durch die Menge an Labels nicht mehr transparent.

Stanke: Ich glaube schon, dass in schnelllebigen Zeiten mit weltweiten Krisen das Zuhause immer wichtiger wird. Wo können die Menschen ihre Individualität besser ausleben als daheim? Die Frage ist nur: Auf welchem Niveau? Und wenn man das mit der Frage nach dem ökologischen Bewusstsein verknüpft, wird es schwierig. Alles, was ich zu diesem Thema im Bereich Wohnen und Einrichten kenne, ist in einem so hochpreisigen Segment angesiedelt, dass die Kundengruppe noch einmal deutlich kleiner wird.

Hampl: Wir sehen trotzdem eine Tendenz in diese Richtung. Wer sich achhaltig einrichten möchte und bereit ist, die entsprechenden Mehrkosten zu tragen, findet bei uns die passenden Produkte.

Koop: Was ist denn ökologisch? Wenn man Baumwolle, Leinen oder Seide im Heimtexbereich einsetzen will, steckt da so viel Chemie drin, dass man die Stoffe gar nicht aufhängen will. Die Leute, die auf Ökologie Wert legen, sollten vielleicht auf Baumwollgardinen verzichten.

BTH Heimtex: Lassen Sie uns zum Abschluss noch den Blick voraus werfen auf den Auftritt des Deco Teams bei der Heimtextil 2015. Welche Trends erwarten den Besucher?

Birgit Schlenker: Das Deco Team präsentiert mit Urban Living und Country Living zwei wahre Megatrends. (Siehe S. 24) Einflüsse aus Paris, New York und anderen Metropolen sind dabei spürbar. Wir inszenieren beide Trends jeweils auf vier Rondellen mit vielen dekorativen Details. Das funktioniert auch auf kleiner Fläche im Ladengeschäft oder Schaufenster. In jeder Inszenierung wird die Handschrift des jeweiligen Deco Team-Mitgliedes erkennbar sein. Im Grunde genommen wollen wir dem Messebesucher zeigen, wie schön Stoffe sind und welchen funktionalen Mehrwert sie haben können.

BTH Heimtex: Und wie sieht das Eventprogramm aus?

Schlenker: Erstmals bieten wir zusammen mit unseren Partnern Decor-Union und MZE/2HK von Mittwoch bis Freitag ein ganztägiges Programm an. Es steht unter dem Motto "Stoffe erleben" und wir sehen es als eine Offensive gegen den Purismus am Fenster.

Die Programmstruktur ist an allen Tagen gleich. Es gibt drei Trendworkshops mit Bernhard Zimmermann und seinem Kreativ-Team, bei dem sich alles um die beiden Trends und deren kreative Umsetzung dreht. Das Publikum ist eingeladen, sich aktiv damit auseinander zu setzen, etwa durch die Anfertigung von Collagen.

Jeweils um 12 und 14 Uhr wird der Powerthinker Holger Schön Verkaufstechniken vorstellen, mit deren Hilfe sich mehr Stoff verkaufen lässt. Dabei setzt er zwei Schwerpunkte: Einmal den Kunden zu begeistern und dann den Umgang mit Einwänden, wie sie jeder aus seinen Verkaufsgesprächen kennt.
aus BTH Heimtex 12/14 (Wirtschaft)