Euroshop 2014

Der Boden wird Teil des Shopping-Erlebnisses

Der Trend zur Individualisierung, Inszenierung und emotionalen Aufladung des Einkaufens im Einzelhandel hat große Teile der Retail-Branche erfasst. Um sich mit Erlebniseinkauf vom Wettbewerb abzuheben, investieren Händler hohe Summen. Welche Möglichkeiten es gib, zeigte die Ladenbaumesse Euroshop eindrucksvoll. In Düsseldorf präsentierten sich auch rund 40 Hersteller von Bodenbelägen, Profilen und Leisten sowie Verlegewerkstoffen und bewiesen, dass ihre Produkte in der Shopping-Dramaturgie eine entscheidende Rolle spielen.

Mitte Februar war Düsseldorf wieder der internationale Treffpunkt der Ladenbau-Szene. Die Euroshop als Weltleitmesse rief - und rund 109.000 Fachbesucher kamen, um sich über die neuesten Trends, Produkte und Konzepte im Ladenbau und Shopdesign zu informieren. Die Veranstaltung brach wieder einmal alle Rekorde: mehr Besucher, mehr Aussteller, größere Ausstellungsfläche, höhere Internationalität und ein größerer Anteil von Entscheidern an den Besuchern als je zuvor.

Diese Beliebtheit ist einerseits dem Drei-Jahres-Rhythmus geschuldet. Andererseits herrscht im deutschen Einzelhandel ein enormer Wettbewerbsdruck. Wer hier bestehen will, muss sich anstrengen und immer wieder in die Neugestaltung seines Geschäftes investieren.

Zunächst die Rahmendaten: Nach Angaben des Netzwerk Ladenbau ist das jahrelange Flächenwachstum 2012 vorerst zum Stehen gekommen. Die Gesamtverkaufsfläche lag bei 122,1 Mio. m2. Mit dafür verantwortlich sein könnte die Konkurrenz aus dem Internet. Immer mehr Menschen kaufen immer mehr Waren über das Netz. Die Entwicklung wird durch den Smartphone-Boom noch zusätzlich befeuert. Die Folge: Selbst im sonst so ergiebigen Weihnachtsgeschäft musste der stationäre Einzelhandel 2013 laut Branchenverband HDE Umsatzeinbußen von 1,4 % hinnehmen.

Derzeit gilt es daher primär, nicht noch weiter an Boden zu verlieren. Mulitchannel ist eines der Zauberworte - die geschickte Verknüpfung von stationärem Handel und Angeboten im WWW. Zum Glück prognostiziert das Ifo-Institut für 2014 ein Wirtschaftswachstum von 1,9 % und laut GfK befindet sich die Anschaffungsneigung der Deutschen auf einem Sieben-Jahres-Hoch.

Der Einzelhandel investiert

In Düsseldorf zeigte sich, dass die Branche den Kopf nicht in den Sand steckt. Im Gegenteil: Wie zu hören war, investiert sie mehr denn je in ihre Ladengeschäfte, um diese stärker zu inszenieren, zu emotionalisieren und damit zu individualisieren. Nicht von ungefähr ist der neue Guru der Ladenbau-Szene Dr. Christian Mikunda. Der kommt nicht aus dem klassischen Marketing oder Ladenbau, sondern hat als Dramaturg für Film und Fernsehen gearbeitet. Er versteht etwas davon, wie man bei den Menschen/Kunden Emotionen weckt und (Einkaufs-)Erlebnisse kreiert.

Dieser Trend ist eine große Chance auch für die Hersteller von Bodenbelägen, Zubehör und Verlegewerkstoffen, die dieses Mal in einer Gruppe von rund 40 Anbietern in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt vertreten waren. Nicht so zahlreich wie vor drei Jahren, aber immerhin.

Dazu gehörte auch wieder Gerflor. Das Unternehmen ist mit vier Key Accountern Retail breit aufgestellt und investiert weiter, berichtete Nicole Grewer, Marketingleiterin Objekt. Die angespannte Lage der Shopbetreiber sei beste Voraussetzung, mit innovativen Bodenbelägen - vor allem LVT - neue Lösungen für das Mehr an Inszenierung bieten zu können. Auf dem Stand wurden das erste Mal die Looselay-Kollektion Insight X-Press und die LVT-Fliese Insight Clic zum Klicken vorgestellt.

Preisdruck bei LVT

In erster Linie die Anbieter von Designbelägen buhlten um die Gunst der Händler, Architekten, Inneneinrichter und Ladenbauer. Ist das Retail-Segment doch Paradedisziplin des Belags. Dort ist er groß geworden und hat seine Erfolgsgeschichte begonnen. Vor allem mit ihren vielen Möglichkeiten zur individuellen Bodengestaltung sind die Kunststoffbodenbeläge prädestiniert für die Ladenbetreiber. Zudem punkten die Designbeläge gegenüber anderen Produkten mit hoher Strapazierfähigkeit auch bei starkem Kundenverkehr sowie leichter Reinigung und Pflege.

Allerdings seien Optik und Preis die wichtigsten Entscheidungskriterien, berichten unter anderem Claudia Kunath, Leiterin Marketing und Produktentwicklung bei Objectflor, und Ivo Schintz, Vice President Zentraleuropa Tarkett, unisono. Und die Preise für Designbeläge im Retail-Bereich fallen. Das hat nach Angaben von Markus Dünkelmann, Geschäftsführer von Project Floors, zu tun mit der stetig wachsenden Anzahl der Anbieter, die mittlerweile in Deutschland bei mehr als 70 angelangt ist. Andererseits stehen die Ladenbetreiber und damit auch die Ladenbauer aufgrund der rückläufigen Umsätze unter einem immensen Kostendruck, der weitergegeben werde, so Oliver Kluge, Geschäftsführer Amtico Deutschland.

Sowohl Kluge als auch Marco Knop, Marketingleiter von Project Floors, sind aber davon überzeugt: Wenn man als Hersteller nicht nur eine breite, aktuelle Palette an Designs, Farben, Oberflächen und Formaten zu bieten hat, sondern auch Sonderwünsche erfüllen kann, dann ist in erster Linie die Optik des Bodenbelags für den Entscheider ausschlaggebend. Der Preis spiele in diesem Fall eine untergeordnete Rolle.

Unterschiedlichste Anforderungen

Insgesamt haben auch im Retail-Bereich die klassischen Holznachbildungen wie Eiche und Kirschbaum bei LVT die Nase vorn. Speziell für den Einzelhandel werden diese aber gerne verfremdet und mit rustikalen Prägungen versehen, wie es beispielsweise Moduleo mit seiner neuen Kollektion Impress vormacht. Beliebt sind aber auch kontrastreiche Designs mit Farbverläufen, wie etwa in der Kollektion Signature von Amtico zu sehen oder bei den Produkten der Kollektion Allura von Forbo Flooring. Die Paderborner kreieren manche Designs ausschließlich über eine dominante Oberflächenprägung und Lichtreflexionen, die im verlegten Zustand entstehen.

Es gibt wohl kaum ein Segment, das derart unterschiedliche Anforderungen an den Bodenbelag stellt, wie der Ladenbau. Die Bandbreite der Kunden auf der Euroshop reichte vom deutschen Ehepaar, das ein Reisebüro in ländlicher Region auf einer Fläche von 60 m2 führt, über den Betreiber einer Apotheken-Kette mit mehr als 100 Filialen in Südamerika bis zu global agierenden Modeketten wie H&M und C&A. Individuelle Lösungen sind also gefordert, die dabei helfen, das Branding des Unternehmens und seine Individualität zu visualisieren. Gerflor beispielsweise wickelt 15 bis 20 % seiner Aufträge im Ladenbau mit Sonderdesigns ab. Amtico produziert für Kunden weltweit 3.000 Sonderanfertigungen pro Monat. Die Nachfrage steige deutlich an.

Neben ausgefallenen Designs sind auch immer größere und breitere Formate gefragt, die aber nicht wesentlich länger als 2 m werden, weil sie sonst vom Handwerker auf der Baustelle kaum mehr zu handhaben sind. Mittlerweile werden auch Planken und Fliesenformate kombiniert. Armstrong hat sich darauf eingestellt und stimmt die Farben von Planken- und Fliesendesigns der neuen Kollektionen Scala 55 und 100 aufeinander ab.

Zeitdruck bei Renovierungen

Das Thema Funktionalität spielt auch im Ladenbau eine Rolle. Weil die Handwerker selbst für spektakuläre Bodenkonzepte immer weniger Zeit haben, werden Designbeläge beliebter, die nicht verklebt werden müssen. Hier punkten die Hersteller, die schwimmende und lose liegende Produkte im Angebot haben. Der Messestand von Objectflor war selbst das beste Beispiel für die Vorteile: Ein und derselbe Boden aus der neuen lose liegenden Kollektion Simplay war dort auf der mittlerweile dritten Messe in Folge im Einsatz.

Da die durchschnittlichen Renovierzyklen im Einzelhandel immer kürzer werden, um den Kunden ständig etwas Neues zu bieten, geht der Trend auch zu geringeren Nutzschichtstärken. Aber nicht nur Richard Riepe, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb bei Windmöller, gibt zu bedenken, dass häufig schon allein aufgrund von Gewährleistungspflichten eine Nutzschichtstärke von 0,7 erforderlich ist.

Die Themen Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility sind auch 2014 von Bedeutung für Händler, Planer und Ladenbauer. "Es gibt einen gewissen Kundenkreis, der viel Wert darauf legt, sein grünes Image bis zum Bodenbelag im Ladengeschäft durch zu deklinieren", sagte Oliver Kluge von Amtico. Damit reagiert der Handel auf den Konsumententrend, die Kaufentscheidung auch von ethischen, sozialen und ökologischen Aspekten abhängig zu machen. Dazu gehört beispielsweise H&M. Das schwedische Unternehmen verwendet in seinen Verkaufsräumen in Skandinavien nur noch Linoleum.

Nicht nur Designbeläge

So stark die Präsenz der Anbieter von Designbelägen auf der Euroshop auch war - Lieferanten für Linoleum, Parkett, Laminat und Teppichböden oder abgepassten Teppichen wie Kährs, Villeroy & Boch, Jab Anstoetz und Vorwerk präsentierten sich ebenfalls in Düsseldorf. Vor allem Parkett und textile Bodenbeläge sind eher in hochpreisigen Stores zu finden als in größeren Ketten.

Jab Anstoetz zeigte sich zum ersten Mal auf der Ladenbaumesse. Im Mittelpunkt stand die ganzheitliche Einrichtungs- und Produktkompetenz der Bielefelder bestehend aus Kabinenvorhängen, Teppichen, Wandbespannungen, Tapeten und Objektmöbeln, die seit Kurzem mit Designbelägen vervollständigt worden ist. Auch Vorwerk stellte in Düsseldorf seinem klassischem Sortiment aus textilen Belägen die elastische Kollektion Re/Cover Green zur Seite - ganz neu auch in der Serie Parts im Planken- und Fliesenformat.

Richard Riepe von Wineo und viele andere lobten die hohe Internationalität der Euroshop und die generell positive und nach vorne gerichtete Stimmung in den Messehallen, die manchmal auf anderen Veranstaltungen fehle. Nicole Grewer von Gerflor verglich die Euroshop mit der Möbelmesse in Köln: Auf beiden Veranstaltungen könne man über den Tellerrand schauen und sich von vielen neuen Ansätzen, Ideen und Konzepten inspirieren lassen.


Euroshop 2014 Daten und Fakten


Profil: Fachmesse für den Investitionsbedarf des Handels und seiner Partner
Ort: Düsseldorf
Veranstalter: Messe Düsseldorf
Aussteller: 2.226 aus 57 Ländern (2011: 2.038, 2008: 1.911)
Besucher: 109.000 aus 110 Ländern (2011:106.000, 2008: 104.000)
Anteil ausländischer Besucher: 66 % (2011: 60 %, 2008: 54 %)
Turnus: alle 3 Jahre
Nächster Termin: 5. bis 9. März 2017
aus BTH Heimtex 04/14 (Wirtschaft)