EUCA-Jahreshauptversammlung 2013

Mehr Aufmerksamkeit für den handgeknüpften Teppich

Der klassische Knüpfteppich hat seinen hohen Stellenwert beim Verbraucher eingebüßt, die Verkaufsqualität im Möbelhandel ist mangelhaft und die Produktion in den Ursprungsländern geht dramatisch zurück - die Probleme der europäischen Importeure sind nicht neu, bedürfen aber mehr denn je Gegenmaßnahmen. Der Verband will daher das Marketing verstärken und setzt auf eine gelungene Domotex als Startsignal für eine bessere Zukunft.

Die Jahreshauptversammlung des europäischen Teppichimporteursverbandes EUCA begann traditionsgemäß mit dem Bericht des Vorstandes. Wie bereits im vergangenen Jahr, wurden den rund 20 Teilnehmern keine Importzahlen mehr genannt, weil diese aufgrund der Zusammenfassung von Knüpfteppichen mit anderen Teppichgattungen wenig Aussagekraft für die Verbandsmitglieder haben. Der 2. Vorsitzende Jens-Peter Höge beklagte die zunehmende Abwertung des Teppichs beim Verbraucher "vom Kulturgut und von der Kapitalanlage hin zum Bodendecker." Im Einzelhandel habe mit der Schließung vieler Fachgeschäfte eine neue Zeitrechnung begonnen. Deren Ersatz durch die Möbelhäuser war zunächst positiv, weil die Teppichabteilungen hohe Absatzzahlen erwirtschafteten. Heute hingegen kränkelten diese Abteilungen. Umsätze würden vor allem mit günstigen Maschinenwebteppichen im Discountbereich erzielt. Deren aggressive Vermarktung leiste der geringen Wertigkeit des Teppichs im Bewusstsein des Verbrauchers Vorschub. In Folge dieses Trends haben die Importeure von Knüpfteppichen ein massives Absatzproblem. Heute sei die Türkei als Lieferland für hochwertige Teppiche von der Landkarte verschwunden - und mit Maschinenteppichen größter Lieferant nach Deutschland.

Auch die klassischen Lieferländer befinden sich in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Amir Tahbaz berichtete, wie stark die Branche im Iran unter den Folgen der Wirtschaftskrise und des Handelsembargos leidet. Es gebe dort immer weniger Knüpfer, weil diese Tätigkeit auch als Nebenerwerb nicht mehr lohnend ist. Die Teppichpreise steigen, und aufgrund des schwachen europäischen Exportmarktes seien die Privathaushalte mittlerweile die wichtigste Käufergruppe. Diese würden aber immerhin auch hochwertige Ware nachfragen. Der Währungsverfall führe zu einer Flucht in Sachwerte, was den Teppichproduzenten zu Gute kommt. Der schwache europäische Markt könne aber nicht durch die Nachfrage aus Russland oder den Emiraten kompensiert werden. Die Messe in Teheran biete nach wie vor ein sehr großes Angebot, vor allem an feiner Ware. Aber aus dem Wandel vom Export- zum Inlandsmarkt resultiere ein Bedeutungsverlust der Exporteure. Auch für die Regierung sinke mit der Schrumpfung des Exportsektors der Anreiz, diesen zu fördern. Immerhin böten die jüngsten Atomgespräche Hoffnungen auf eine Lockerung des Handelsembargos und eine damit verbundene Öffnung des US-Marktes.

Aus Pakistan berichtete Mohammad Ijaz Khan ebenfalls von einer sehr hohen Inflation, die dazu führe, dass sich viele Knüpfer die Ausübung ihres Handwerks buchstäblich nicht mehr leisten könnten. Nach wie vor stamme der größte Teil des Exportvolumens aus Afghanistan. Die heimische Produktion sei auch aufgrund der schwachen Nachfrage aus Europa stark sinkend. Djavad Nobari erklärte, dass pakistanische Händler zunehmend günstige gebrauchte Ware aus dem Iran einkauften, im Vintage-Stil färbten und dann in die USA exportierten - weil eine eigene Produktion zu teuer sei. Immerhin laufe Orderware aus Afghanistan gut, allerdings seien auch dort die Knüpfkapazitäten zurückgegangen.

Vorstandmitglied Peter Meumann erinnerte daran, dass die Blütezeit des Knüpflandes Indien an die Hochzeit der Möbelhäuser gebunden war. Doch seitdem diese überwiegend Preisschlachten führten, habe das Land seine Relevanz verloren. Auch in Indien wanderten die Knüpfer in die Städte ab - ein Trend, der sich auch nicht durch die steigenden Knüpflöhne aufhalten lasse. Die Nachfrage aus Europa sei sehr gering, die aus den USA aber besser. Sobald indische Produzenten auf preiswerte Ware umsteigen, würden sie jedoch in direkte Konkurrenz zur Türkei treten, die schon aufgrund der geographischen Nähe zu Europa bei den Lieferzeiten im Vorteil sei.

Auch aus Nepal berichtete Vorstand Tobias Graebener von sinkenden Produktionskapazitäten. Viele Knüpfer würden zum Arbeiten in die Golfstaaten gehen, nicht nur eines höheren Lohnes wegen, sondern weil dies in den Familien mehr Ansehen verspräche. Allerdings werde noch hochwertige Ware geknüpft, weil es gute Kontakte zu amerikanischen Innenarchitekten gebe. Die Kreation stamme dann aus den USA. Es gebe zwar noch Stock aus geplatzten Orders, aber es fehle der Absatzmarkt. Die ohnehin schwierige Situation der Teppichproduzenten im Land würde sich noch einmal verschärfen, wenn das Iran-Embargo gelockert werden würde.

Den dramatischsten Umbruch unter den Herkunftsländern durchlebt allerdings China, beschrieb Höge. Belegte die Teppichbranche zu Zeiten Maos mit einem Milliardenvolumen noch Platz vier in der Exportstatistik, so sei sie heute dort gar nicht mehr aufzufinden. So werde im Land kaum noch geknüpft, und auch das Handtufting sei stark rückläufig.

Selbst in Afghanistan ist die Knüpfproduktion um bis zu 80 Prozent gesunken. Auch hier sind für Knüpfer andere Tätigkeiten lukrativer. Immerhin besteht noch Nachfrage aus den USA, unter anderem nach Ziegler, aber durchaus auch nach klassischen Teppichen. Auch Skandinavien und Israel sind lukrative Absatzmärkte, Deutschland hingegen kaum noch. Da die Produktionsstätten weit voneinander entfernt liegen, ist die Endverarbeitung nach wie vor schwierig. Viele Produzenten haben darüber hinaus Sicherheitsbedenken.

Wie aber lässt sich unter solchen Voraussetzungen in den Knüpfländern der europäische Markt beleben? Viele der Anwesenden verwiesen auf die Professionalität der Amerikaner, die sich vor allem auf Auftragsarbeit verlegt hätten und nicht einfach nur einkauften, was der Markt hergibt. Die meisten Trends entstünden auch darum in den USA, weil dort professionelle Designer und Innenarchitekten das Sagen haben. Nicht zuletzt deshalb würden dort auch bessere Preise bezahlt werden. Und daher müsse auch hier eine stärkere Zusammenarbeit mit Innenarchitekten und Raumausstattern angestrebt werden, denn sie seien die Schnittstelle zum Kunden. Dem stünde allerdings die deutsche Mentalität des Selbermachens entgegen.

Ein notorisches Branchenproblem ist die mangelnde Professionalität der Verkäufer. Kaum ein Verkäufer in einem Einrichtungshaus sei heute dazu in der Lage, auf Qualitätsunterschiede hinzuweisen. Eine profunde Ausbildung sei den Möbelhäusern zu teuer. Allerdings entziehe auch hohe personelle Fluktuation im Einzelhandel wirksamen Schulungen die Basis.

Immerhin könne aber das Internet zu einem wachsenden Absatzkanal werden, waren sich viele Teilnehmer einig. Aus den USA gebe es positive Signale. Dort würden längst nicht mehr nur günstige Teppiche online verkauft. Carpet Vista habe sich zu einer erfolgreichen Plattform entwickelt. Das Internet könne durch ein gutes Informationsangebot auch zum Kauf animieren. Auch die von EUCA 2012 initiierte Website www.handgefertigte-teppiche.de hat diese Aufgabe. 2013 ist die Besucherzahl auf fast 10.000 angestiegen. Durch neue Beiträge, Bilder, Verlinkungen und Anzeigen soll sie 2014 weiter bekannt gemacht werden.

Hoffnungen auf eine bessere Vermarktung des klassischen Teppichs beruhen auch auf der bevorstehenden Domotex in Hannover. Sie habe nicht, wie anfangs befürchtet, Aussteller an die Domotex-Ableger in Istanbul und Shanghai verloren. Die Anzahl der Aussteller wird mit knapp 1.400 in etwa auf demselben Niveau des Referenzjahres 2012 liegen, prognostizierte Thilo Horstmann, der auf der Domotex für den Bereich der handgefertigten Teppiche verantwortlich ist. Neben traditionellen Veranstaltungen wie dem EUCA Award gilt das Debüt der 1st Rug Avenue mit ihren 18 Teilnehmern als ein Hoffnungsträger, um den klassischen Teppich nicht nur in die Fachmedien, sondern auch in andere Branchen der Einrichtungsindustrie zu tragen.

Obwohl sich das Branchenumfeld für die europäischen Teppichimporteure ausgesprochen schwierig darstellt, ist die Mitgliederzahl von EUCA im abgelaufenen Geschäftsjahr mit 39 - bei einem Austritt und einem Neuzugang - stabil geblieben. Aus dem Vorstand ist Jalil Safavi von der Feizy Import & Export GmbH nach acht Jahren ausgeschieden und wird von Amir Tahbaz ersetzt. Angesichts der rückläufigen Märkte sieht der Verband seine Relevanz aber als unsicher an. Daher soll eine der Aufgaben im kommenden Jahr - neben den klassischen Feldern Messeauftritt, Kommunikation und Imagepflege - auch die offene Diskussion über Positionierung von EUCA sein.
aus Carpet Magazin 01/14 (Wirtschaft)