Heimtextil Tapeten

Weniger Extravaganzen, aber mehr technische Raffinessen

Trotz des allgemeinen Umsatzeinbruchs im vergangenen Jahr blickt die Tapeten-Branche mit Zuversicht in die Zukunft. Das zeigte sich bei der Heimtextil deutlich. Als Grundlage ihrer positiven Einschätzung dienen technisch raffinierte, vom Design her verkäufliche Kollektionen, die als solide bezeichnet werden können. Dennoch wurde nicht ganz auf luxuriösen Glanz und Glimmer verzichtet. Denn die Tapeten schmücken sich mit edlen Gold-, Silber- und Kupfertönen. Weiteren Glamour verbreiteten die Designer Harald Glööckler, Jette Joop und Barbara Becker sowie Pop-Titan Dieter Bohlen, die ihre neuesten Kreationen im Blitzlichtgewitter präsentierten.

Die enthusiastische Aufbruchstimmung, die in den vergangenen Jahren die Tapetenhalle erfüllte, ist unaufgeregtem Pragmatismus gewichen. Solide Produkte in technisch hochwertiger Qualität, die sich gut verkaufen lassen, bestimmen das Neuheiten-Angebot der Hersteller und Verlage. Statt sich mit Experimenten und Extravaganzen gegenseitig zu überbieten, sind sie wieder auf dem Boden angekommen und stellen Sicherheit in den Mittelpunkt ihrer unternehmerischen Aktivitäten. "Wir feiern wieder mehr Geschmack", beschreibt Designer Bernhard Holzapfel diese neue Strategie.

So sieht es auch Martin Slotty, Geschäftsführer der Tapetenfabrik Erismann. Nach seiner Auffassung ist die Tapete vor allem über hohe Qualität verkäuflich sowie über nicht zu abgehobenes Design. "Wir müssen Produkte herstellen, die die Kunden wollen, und nicht jede Verrücktheit und jeden Trend mitmachen", ist er überzeugt. Dennoch sei die eine oder andere Extravaganz erlaubt. "Die Anbieter haben erkannt, dass Tapete als modischer Artikel wieder dazu gehört", fasst Holzapfel zusammen, der freiberuflich für Erismann tätig ist. Die Tapete hat sich zu einem wichtigen Gestaltungselement entwickelt.

Dem Verbraucher klar zu machen, welche Einrichtungsmöglichkeiten ihm der Wandbelag bietet, stellt bei fallendem Absatz allerdings eine Herausforderung dar. Schließlich sank der Umsatz der deutschen Hersteller im vergangenen Jahr nach Angaben des Verbands der Deutschen Tapetenindustrie (VDT) im Vergleich zum Vorjahr um 3 % auf 390 Mio. EUR, wobei sich das Inland deutlich schlechter entwickelte als das Ausland. "Wir gehen aber davon aus, dass dieser erste Rückgang nach vier Wachstumsjahren eine Ausnahme ist und dass es 2014 weiter aufwärts geht", meint VDT-Geschäftsführer Karsten Brandt. In dieser Funktion und als Geschäftsführer des Deutschen Tapeten-Instituts rührt er mit spannenden Aktivitäten unaufhörlich die Werbetrommel für den Wandbelag.

Optimistisch für 2014

Seine optimistische Einstellung wird von den Tapeten-Anbietern einhellig geteilt. Die positiven Konjunkturprognosen und die zunehmende Bautätigkeit geben ihnen recht. Aber auch das rege Interesse der Heimtextil-Besucher an den Neuheiten verspricht gute Geschäfte, wobei der Export eine große Rolle spielen dürfte. Denn immer mehr Interessenten kommen aus dem Ausland. Die Tapetenhalle war gut gefüllt, wenn gleich trotz der nach Messeangaben gestiegenen Besucherzahl das Gefühl vorherrschte, es sei weniger los als in den Vorjahren. Wie auch immer, die Aussteller waren zufrieden. Schließlich waren alle großen Kunden anwesend und der eine oder andere orderte bereits, was in den Vorjahren eher unüblich war.

Gute Wirtschaftsprognosen und erste Direktbestellungen sind zwar ein positives Omen, um aber tatsächlich Erfolge einzufahren, bedarf es auch hochwertiger Produkte. Die hatten die Tapeten-Anbieter nun wahrlich im Gepäck. Für jede Ziel- und Geschmacksgruppe war der passende Wandbelag zu finden, wobei sich technische Finessen, florale Muster und dezente Farben als dominant herausstellten - eben handwerklich anspruchsvolle, solide Kollektionen. Einen Hauch von Extravaganz erhielten sie durch goldenen, silbernen sowie kupfernen Glanz und Schimmer.

Weiteren Glitzer brachten bekannte Designer und Prominente aus der Unterhaltungsbranche in die Tapetenhalle. Allerdings griffen die Hersteller auch hier auf Bewährtes zurück, statt mit neuem Personal Risiken einzugehen. Allen voran der Pop-Titan Dieter Bohlen, der mit seiner zweiten Kollektion für P+S International für Riesenandrang und Aufsehen sorgte. Die Tapeten aus seiner Karte "Studio Line", deren Handschrift deutlich professioneller ist als die der Vorgänger, wurden aber nicht etwa als Bahnenware präsentiert, sondern von Modells als Tapetenkleider über den Laufsteg geführt.

Für eine solche Präsentation hatte sich auch die Tapetenfabrik Marburg entschieden. Doch die Kirchhainer blieben damit nicht in der Tapetenhalle, sondern zeigten Harald Glööcklers dritte Kollektion zum Stil der Kreationen passend im barocken Festsaal des Frankfurter Palmengartens. Die rund 350 Gäste waren begeistert. Ihr Lob galt nicht nur der gelungenen Kollektion "Glööckler Deux", die an den Erfolg der Vorgänger anknüpfen dürfte, sondern auch dem gesamten Event mit Diner, Musik und Tanz. Es war eine erfrischende Abwechslung vom Messealltag.

Für Rasch war wieder Barbara Becker tätig. Sie zeigte sich am Stand des Bramscher Unternehmens mit ihrer neuen Kollektion "b.b home passion" und ließ geduldig das Blitzlichtgewitter über sich ergehen. Eine weitere Prominente, die der Messe Glamour verlieh, war die Designerin Jette Joop. Sie hat für das Label Signeo neue Farben zusammengestellt. "Es gibt nichts, was die Zeitstimmung mehr ausdrückt als Musik, Parfüms und Farbe", sagte Joop und verwies auf die Erfolgsgeschichte von Signeo.

Das Internet als Herausforderung für Handel und Industrie

Nun war die Messe aber nicht nur von glitzernden Eindrücken geprägt. Wie in der Wirtschaftswelt üblich, gab es auch dunkle Schatten, von denen niemand weiß, wie sie sich noch entwickeln werden. Dazu gehört das Thema Internet. Zum Ärger der Großhändler erfreut sich der Einkauf im Netz zunehmender Beliebtheit, das gilt auch für die Tapete. Zwar betonen die Hersteller immer wieder, sie blieben dem Fach-Groß- und Einzelhandel treu, aber Online-Händler gehören inzwischen ebenfalls zu ihrem Kundenstamm. Die Frage ist seit Jahren: Wie soll die Branche diesen Herausforderungen begegnen?

Während einige Tapeten-Anbieter auf stur schalten und den Handel über das Internet rigoros ablehnen, raten andere dazu, es als gegeben hinzunehmen und als Chance zu betrachten. "Starke Händler machen etwas", sagte Jörn Kämper, Vorstandschef von A.S. Création. Seiner Meinung nach hat der reine Versorgungshandel keine Zukunft mehr. Deshalb müssten sich die stationären Händler etwas einfallen lassen, um Kunden zu halten und neu dazu zu gewinnen. Wie er weiter betonte, verderben im Übrigen nicht Internet-Händler die Preise für Tapeten, sondern die stationären Händler selbst, die ihre Waren beispielsweise über Amazon anbieten würden.

Christian Schmitz, Inhaber der Verlage Schmitz, Essener und Tescoha, rief die gesamte Branche auf, gemeinsam nach Lösungswegen zu suchen. Dabei komme den Kooperationen eine große Rolle zu. Er verwies darauf, dass die Stärke des stationären Handels gegenüber dem Internet die Fachberatung sei. Dafür sei aber gut ausgebildetes Personal nötig. Das koste Geld, sei seinen Preis aber wert.

Mit dem Thema beschäftigte sich auch das Vortragsforum für erfolgreiches Werben und Verkaufen im Internet Webchance Academy. "Die Kombination aus Off- und Online-Handel ist das Erfolgsmodell für die Zukunft", sagte Referent Holger Seidenschwarz von der Uni Regensburg über die Chancen des stationären Handels. Volker Geyer Inhaber eines Handwerksbetriebs für Innenraumgestaltung entführte in die Praxis. Er machte deutlich, wie kleinere Unternehmen mit Online-Marketing und Social Media-Aktivitäten Kunden gewinnen, Aufträge erhalten und Wachstum generieren können.

Dauerthema Kartellverfahren

Gesprächsstoff bietet nach wie vor das Kartellverfahren wegen möglicher illegaler Preisabsprachen, dessen Ende nach zermürbenden Jahren immer noch nicht abzusehen ist. Es hat zu kaum zu kittenden Zerwürfnissen untereinander geführt, in deren Folge A.S. Création aus dem Verband der Deutschen Tapetenindustrie austrat. Allerdings machte Jörn Kämper ein wenig Hoffnung auf einen Wiedereintritt. Darüber werde man eines Tages nachdenken. "Der Verband hat eine sehr wichtige Funktion", meinte der Vorstandschef.

Die Tapetenfabrik Rasch zog den Ärger auf sich, weil sie als Kronzeuge auftritt. Geschäftsführer Dario Rasch begründete diesen Schritt noch einmal mit der Gefährdung seiner Firma, die eine Strafzahlung nach sich gezogen hätte. "Unser oberstes Ziel war es, Schaden von unserem Unternehmen abzuwenden", betonte er. "Gerne haben wir das nicht gemacht, aber uns blieb keine andere Wahl."

Trotz allem ist die Branche insgesamt von verhaltenem Optimismus geprägt, wie sich bei der Heimtextil zeigte. Wieder erwies sich die Leitmesse als die wichtigste Plattform für die deutschen Tapeten-Anbieter. Hier betreuen sie nicht nur ihre Kunden, sondern erhalten auch Einblicke in das Leistungsspektrum des Wettbewerbs. Nach Ansicht von Jörn Kämper ist die Heimtextil ein Schmelztiegel der Ideen und eine gute Gelegenheit, sich mit der Konkurrenz zu vergleichen.
aus BTH Heimtex 02/14 (Wirtschaft)