BVOI-Mitgliederversammlung

"Eurotefa-Absage ist vielleicht der Warnschuss, den die Branche braucht"

Die schlechte Branchenkonjunktur, die Zukunft der Hamburger Speicherstadt und die Entwicklung der Messen waren Schwerpunktthemen auf der diesjährigen BVOI-Versammlung in Hamburg. Ausführlich wurde die Absage der Eurotefa 2001 erläutert sowie auch ihr Fortbestehen diskutiert. Die Vorstandswahlen ergaben ein eindeutiges Votum für die bewährte Führungsriege.

Wir leben in harten Zeiten", leitete Dr. Ali Reza Ipektchi, Vorsitzender des Bundesverbandes der Orientteppich-Importeure (BVOI), auf der diesjährigen Hauptversammlung in Hamburg seinen Bericht über die Entwicklung der Orientteppichimporte nach Deutschland ein. Demnach ist nach einer Minusentwicklung in den Vorjahren die Menge der eingeführten handgearbeiteten Teppiche im Jahr 2000 nochmals um 5,5 % auf knapp 8,2 Mio. qm gesunken. Ein knapper Wertzuwachs von 0,6 % auf fast 950.000 DM beruhe lediglich auf einem hohen Dollarkurs, so Ipektchi.

Die Bedeutung dieses Negativtrends verdeutlichte er mit einem Vergleich: 1993 wurde eine Rekordmarke von 13 Mio. qm im Wert von 1,5 Mrd. DM erreicht. Sieben Jahre später ist die Gesamtmenge um 36 % und ihr Wert um 38 % gesunken. Die rückläufigen Importe würden mit einer dramatischen Entwicklung im Einzelhandel einhergehen. "Das klassische Fachgeschäft stirbt. Der Markt wird heute von Möblern, Fachmärkten und Discountern dominiert", berichtete der BVOI-Vorsitzende und warnte: "Die gesamte Branche wird sich auf strukturelle Veränderungen einstellen müssen."

Parallel dazu habe sich zunehmend eine Image-schädigende Vermarktungsform durchgesetzt. Heute werde fast nur noch über den Preis geworben, kritisierte er und stimmte dem Fazit eines Beitrags der ARD-Sendung Plusminus zu, dass dadurch ein Kunsthandwerk zu Grabe getragen werde. Es gebe allerdings erste Ansätze zum Umdenken und er hoffe, dass sie sich durchsetzen.

Ipektchi kritisierte scharf, dass kürzlich Orientteppichimporteure im Hamburger Freihafen im Auftrag des Finanzamtes und des Hauptzollamtes Verkaufsaktionen durchführten, um fingierte Schulden zu tilgen. "Ich halte es für äußerst bedenklich, wenn staatliche Instanzen in solche Machenschaften hineingezogen werden. Das ist eine Verrohung der Sitten und zudem eine Ohrfeige für alle Zoll- und Steuerzahler", sagte er. Der BVOI habe nach Bekanntwerden Gespräche mit den Ämtern geführt, um künftig derartige Aktionen auszuschließen.

Hamburger Speicherstadt bis 2003 in der Freihandelszone

Zu den Tagungspunkten gehörte auch die seit langem und viel diskutierte Zukunft der Hamburger Speicherstadt, die aus der Freihandelszone ausgegliedert werden soll, um freien Zugang zur geplanten Hafen-City zu erhalten. Ursprünglich sollte dies im Oktober 2001 geschehen. Der Termin wurde jetzt jedoch auf das erste Quartal 2003 verschoben, weil die Zusammenlegung von zwei Zollämtern, die gleichzeitig erfolgt, einen größeren Zeitrahmen erfordert. Ob das erste Quartal 2003 nun der endgültige Termin sein wird, scheint fraglich. Manfred Lojenburg von der Wirtschaftsbehöre, der die Orientteppichimporteure über die neue Entscheidung und deren Hintergrund informierte, formulierte vorsichtig: "So sieht die derzeitige Planung aus."

"Dass die Speicherstadt nicht bereits in diesem Herbst ihren Freihafen-Status verliert, sondern erst in eineinhalb Jahren, kommt offensichtlich vielen Importeuren gelegen. Denn es sind erst wenige Anträge auf Einführung eines offenen Zolllagers gestellt worden", meinte Ipektchi. Lojenburg riet jedoch dazu, dies alsbald zu tun, um Engpässe zu vermeiden.

Viele Anbieter mit Dependance in der Speicherstadt sind zudem besorgt, dass die HHLA (Hamburger Hafen- und Lagerhaus-Aktiengesellschaft) nach Errichtung der Hafen-City kein Interesse mehr an ihnen als Mieter hat. Der BVOI erhielt laut Ipektchi diesbezüglich kürzlich ein Schreiben, in dem die HHLA versichert, dass sie die Orientteppichimporteure halten, weitere Mieter aus der Branche gewinnen und die Rahmenbedingungen für die Orientteppichbranche in der Speicherstadt attraktiver gestalten will.

"Eurotefa 2001 stellte finanzielles Risiko dar"

Beim Blick auf die Messen stellte der BVOI-Vorsitzende fest, dass die Domotex in Hannover weltweit Leitmesse für Bodenbeläge sei und derzeit keinerlei Probleme habe. Im Gegenteil: Im Mai 2001 hätten bereits 559 Aussteller für die Domotex 2002 vom 12. bis 15. Januar gemeldet und damit
12 % mehr als im Vorjahr. Auch die Ausstellungsfläche hätte sich im Laufe der Jahre immer mehr vergrößert auf nunmehr rund 96.000 qm. Fast die Hälfte der Besucher würden heute aus dem Ausland kommen. "Gründe genug, dass die Domotex nach wie vor für die Orientteppichbranche äußerst interessant ist", meinte er.

Die Messegesellschaft versuche nun, auch die Besucher der Vormessetage zu erfassen. Inzwischen würden nicht nur die Orientteppichhallen vor dem offiziellen Messestart stark frequentiert, sondern auch die Industriehallen. Ausführlich begründete Ipektchi die Absage der diesjährigen Eurotefa in Nürnberg. Zunächst bekundete er, dass dem BVOI viel an der Messe liege, auch aus finanziellen Gründen (Veranstalter Nürnberg Messe ist Pächter der Eurotefa). Deshalb habe man auch viel darüber diskutiert, wie sie in Zukunft attraktiver gestaltet werden kann. In diesem Jahr sollte ein neuer Auftritt und die neue Bezeichnung "Europäische Fachmesse für Orient- und Designerteppiche" für mehr Aufmerksamkeit sorgen.

Wie immer sei der erste Meldetermin für Aussteller verschoben worden, dann habe die Messegesellschaft telefonisch nachaquiriert. Das Ergebnis: Ende Mai waren nur 2.200 qm Ausstellungsfläche vermietet. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es 4.200 qm, der Endstand betrug 4.600 qm. "Auf dieser Basis hat die Nürnberg Messe, die das finanzielle Risiko trägt, eine Durchführung in Frage gestellt", berichtete Ipektchi. Mit einer internationalen Werbekampagne für eine nur gut 2.000 qm große Messe würden sich zudem alle Beteiligten nur lächerlich machen. Ferner sei angesichts verschiedener Faktoren ein schlechtes Ergebnis zu erwarten gewesen: seit Jahren rückläufige Importzahlen, strukturelle Veränderungen im Einzelhandel und in diesem Jahr eine besonders schlechte Konjunktur. "Wir haben die Eurotefa schweren Herzens abgesagt, vor allem mit Blick auf diejenigen Importeure, die schon Vorbereitungen getroffen hatten. Aber vielleicht ist das der Warnschuss, den die Branche braucht", sagte der BVOI-Vorsitzende.

Jetzt stellt sich die Frage, wie es mit der Eurotefa weitergehen soll. Ipektchi schlug drei Möglichkeiten zur Diskussion vor: 1. grundsätzlich keine Eurotefa mehr, 2. neuer Austragungsort (der BVOI ist nicht mehr vertraglich an Nürnberg gebunden) oder 3. ein neues Konzept für den alten Standort. Die Reaktionen der anwesenden BVOI-Mitglieder waren äußerst unterschiedlich. Einig war man sich nur, dass zu diesem Thema eine Sondersitzung notwendig sei, zu der auch Eurotefa-Aussteller eingeladen werden sollen, die nicht BVOI-Mitglied sind.

Der Ausfall der diesjährigen Herbstmesse bedeutet für den Verband aber auch erhebliche finanzielle Einbußen im laufenden Geschäftsjahr. Die Zukunft des Verbandes ist laut Schatzmeister Jens-Peter Höge jedoch durch Rücklagen mittelfristig gesichert. Zudem werden durch die Zusammenfassung der BVOI- und Care & Fair-Geschäftsführung am Ende des Jahres Personalkosten eingespart. Für das abgelaufene Jahr 2000 konnte er von einem ausgeglichenen Haushalt mit leichtem Überschuss berichten.

Verbot von Azofarben weiter ungeklärt

Nun doch noch nicht endgültig geklärt ist die Zulässigkeit von Azofarben. Ipektchi berichtete, dass das Thema weiterhin durch den Dschungel der europäischen Instanzen geistere. Aktueller Stand zum Zeitpunkt der BVOI-Sitzung war, dass ab 2006 neu produzierte Teppiche keine Azofarben mehr enthalten dürfen. Allerdings könnte es auch durchaus möglich sein, dass Orientteppiche nun doch nicht unter die neue Verordnung fallen.

Die Einnahmen von Care & Fair sinken

"Auch unsere Hilfsorganisation bekommt jetzt deutlich die schlecht Marktsituation zu spüren", berichtete Care & Fair-Geschäftsführer Klaus R. Beekmann. Die Einnahmen seien gesunken, der Mitgliederstand gleich geblieben. Dementsprechend wurden in letzter Zeit keine neuen Projekte in Angriff genommen. Laufende Projekte können zwar aufrecht erhalten werden, müssen jedoch Kürzungen hinnehmen. Die Organisation gegen illegale Kinderarbeit hofft, dass alsbald amerikanische Importeure beitreten. Vereinzelt seien schon Spenden eingegangen und ein Anbieter habe die Finanzierung einer Schule übernommen.

Der BVOI leistet Beachtliches für die Orientteppicbbranche und nimmt europaweit als einzige Institution ihre Interessen wahr. Dennoch ist nur ein kleiner Teil der Importeure Mitglied, und ihre Zahl sinkt weiter. Innerhalb eines Jahres verzeichnete BVOI-Geschäftsführer Klaus R. Beekmann einen Rückgang von 62 auf 55 Mitglieder, der allerdings überwiegend auf Liquidationen beruhte. Neu hinzu kamen die Firmen Alma Import-Export und Nain Traiding.
aus Heimtex Orient 02/01 (Wirtschaft)