Dekos und Gardinen auf der Heimtextil

Die internationalen Kontakte gibt's in Frankfurt

Opulente Vorhänge mit aufwendigen Applikationen und in wohnlicher Kolorierung - die warmen Töne auf der Frankfurter Heimtextil spiegelten die gute Stimmung der Aussteller und Besucher wider. Getreu dem Motto: Wenn die Konjunktur an Fahrt gewinnt, werden die Heimtextilien farbiger. Kleiner Wermutstropfen: Einige Aussteller gaben Paris den Vorzug. Trotzdem konnte Frankfurt erstmals seit vier Jahren wieder ein Ausstellerplus verbuchen - und das Ausland gewinnt immer stärker an Bedeutung. von Birgit Genz

Die Zahlen sprechen für sich: Mit insgesamt 2.907 Ausstellern (+3,4% gegenüber 2006) und mehr als 89.000 Besuchern (wie Vorjahr) konnte die Heimtextil 2007 ihre Position als internationaler Handelsplatz für Wohn- und Objekttextilien ausbauen. Dabei hat die Messe vor allem außerhalb Deutschlands an Beliebtheit gewonnen: Aus dem Ausland reisten knapp 4% mehr Besucher an als im Vorjahr; vor allem Spanien, die Türkei und Russland zeigten deutlich mehr Präsenz. Im Schnitt waren die europäischen Länder in der Besucherstatistik um 15,2% besser vertreten als im Vorjahr, Amerika um 7,7% und Asien sogar um stolze 21,7%. Die Zahl der Besucher aus dem Inland ging erwartungsgemäß zurück - um rund 5%. Trotzdem führt Deutschland gemeinsam mit Italien weiterhin die Liste an, gefolgt von Großbritannien und den USA. Insgesamt reisten Interessenten aus 122 Ländern nach Frankfurt.

Das internationale Publikum ist nach wie vor Hauptmotor der Frankfurter Messe. Im Exportgeschäft zeichnet sich eine deutlich verbesserte Auftragslage ab; besonders in Frankreich und Russland ist die Nachfrage groß. Für deutsche Anbieter, die sich wie Indes, Gerster oder Horn internationaler positionieren wollen, ist die Heimtextil ein wichtiger Ort für die Neukundengewinnung. Auch Höpke, dieses Jahr erstmals dabei, sprach von "sehr interessanten Kontakten nach Korea, Japan, Neuseeland und Australien". Peter Lochner hat neue Verbindungen nach Osteuropa aufnehmen können, und Martin Buchta (Hohmann) zeigte sich erfreut über ein Wiedersehen mit Kunden aus dem Ausland, die er in den letzten Jahren nicht angetroffen hatte - 2007 waren sie wieder da.

Qualität und Design aus Fernost

Die steigende Internationalität spiegelte sich auch im Ausstellergefüge wider. Zwar fehlte eine Vielzahl bekannter Textilverlage, insbesondere aus dem Hochwertbereich (Hallenebene 3.1), dafür nahmen deutlich mehr Hersteller teil, gerade aus dem asiatischen und osteuropäischen Raum. Rund 83% aller Aussteller stammten aus dem Ausland; das sind 4,5% mehr als im vergangenen Jahr. Dieser Zuwachs resultiert vor allem aus der regen Beteiligung asiatischer Länder wie Indien, Pakistan, China, Singapur und Südkorea. Indien war mit 404 Ständen vertreten, China mit 278, die Türkei mit 213. Insgesamt präsentierten Unternehmen aus 68 Nationen von allen fünf bewohnten Kontinenten ihre neuesten Kollektionen.

Um der steigenden Qualität aus Asien Rechnung zu tragen, hat die Heimtextil die Hochwertkategorie "Asian Vision" ins Leben gerufen. Der Ausstellungsbereich für Premium-Produkte ergänzt die bisherigen Kategorien Asian Feeling (Gemeinschaftsstände) und Asian Selection (einzelne Anbieter mit guter Produktqualität). Hier zeigten die asiatischen Aussteller, dass sie nicht nur in Sachen Preis einiges zu bieten haben, sondern auch bei Design und Vermarktungs-Know-how zu ernst zu nehmenden Wettbewerbern avanciert sind.

Aussteller wandern nach Paris ab

Nur noch ein knappes Sechstel der Heimtextil-Aussteller kam aus Deutschland. Und so mancher Einrichter und Raumausstatter vermisste für ihn wichtige Lieferanten - allen voran Ado und Jab Anstoetz, die ihre Neuheiten stattdessen lieber auf der Maison & Objet in Paris zeigen. Das sehen auch viele Aussteller kritisch: "Wer im Heimtextiliengeschäft international etwas bewirken will, geht nach Frankfurt, und nicht nach Paris", findet Brigitte Wölfel. Burkhard Koop vom Heco-Textilverlag kritisiert ganz offen, dass die "Branchengrößen der Messe nicht zur Verfügung stehen, während wir uns als mittlere Firma fleißig präsentieren." Bei Sahco Hesslein vermisste man Verleger wie Création Baumann, Pierre Frey, Jab Anstoetz, Zimmer & Rohde und Fischbacher. "Frankfurt muss sehr stark aufpassen, dass die Heimtextil ihren Status als wichtigste Messe für hochwertige Heimtextilien nicht an Paris abtritt", findet Klaus Scharf (Sahco Hesslein), der sogar die Gefahr sieht, Frankfurt als Standort zu verlieren.

Und jetzt? Soll die Heimtextil nur noch alle zwei Jahre stattfinden? Vielleicht im Wechsel mit Paris? Klar ist, dass ein Messeauftritt in Frankfurt mit erheblichen Kosten verbunden ist. "Da fragt man sich schon, inwieweit Aufwand und Ertrag noch in einem vernünftigen Verhältnis stehen", meint Scharf. Auch bei den Schmitz-Werken werden zum Herbst hin Nutzen und Aufwand abgewogen, bevor man sich wieder in Frankfurt anmeldet; schließlich habe man auf der Heimtextil immer weniger Kontakte im Export knüpfen können. Und bei Leder Schreyeck heißt es: "Die Messe wird immer teurer - irgendwann ist sie für uns uninteressant."

Ein Appell an die Organisatoren

Neben den hohen Ausstellungskosten wird auch die Hallenstruktur immer stärker beanstandet: Viele Aussteller finden es äußerst ungünstig, dass sich Produzenten und Verleger quasi gegenüberstehen. Alexander Albani etwa hält eine Umstrukturierung der Hallen für dringend notwendig. Und für den Verleger Jab Anstoetz, der die Messe ganz ausgelassen hat, ist zum jetzigen Zeitpunkt das Niveau in der Halle 3.1 nicht hoch genug. "Wir überlegen Mitte dieses Jahres, ob wir wieder ausstellen. Das hängt aber davon ab, wer sonst noch kommt", so Ralph Anstoetz zu BTH Heimtex. "Die Halle 3.1. muss vom Niveau her sauberer werden; ich würde mir da so ein rundes, hochwertiges Angebot wie in Paris wünschen." Und, ganz wichtig: "Produzenten und Editeure sollten nicht in einer Halle stehen."

Es waren aber noch weitere organisatorische Mängel zu beanstanden: So gab es an den ersten Messetagen Probleme mit der Registrierung. "Wenn Kunden aus dem Ausland über eine Stunde mit der Anmeldung verbringen müssen, dann ist das einfach nicht mehr förderlich", beklagt sich Dr. Achim Bünger von Bob. Auch der Ton der Parkplatzwärter war oft alles andere als freundlich.
Voller Zuversicht ins neue Jahr

Doch trotz aller Kritik war die Stimmung in Frankfurt so gut wie schon lange nicht mehr: Unisono erklärten alle von BTH Heimtex befragten Aussteller, sie seien unterm Strich zufrieden. An einigen Ständen mussten die Besucher sogar Schlange stehen, um einen Platz an den Beratungstischen zu ergattern.

Burghard Koop (Heco): "Die Heimtextil 2007 war für uns die bisher erfolgreichste Messe. Die Leute sind wieder bereit, Gelder in Kollektionen zu investieren."

Die positive Stimmung auf der Heimtextil spiegelt die gesamtwirtschaftliche Lage und den aufkeimenden Optimismus in der Branche wider. Im Inland fasst die Wirtschaft endlich neuen Mut, den sie aus einem zufriedenstellenden Jahresabschluss 2006 schöpft. Für Peter van der Steh (Kobe) ist das letzte Jahr super gelaufen: "Besonders der November und Dezember waren über Erwarten gut, sodass wir für 2007 sehr zuversichtlich sind." Der Ab-wärtstrend sei gebremst, die Aussicht für 2007 positiv - und alle von BTH Heimtex befragten Aussteller gaben sich optimistisch. Wie weit die Heimtextilienbranche von diesem Trend profitieren kann, bleibt allerdings abzuwarten. "Wenn der Aufschwung noch bis zum Herbst vorhält, kommt er auch bei uns an", davon ist Hanns Bergmann (Stoeckel & Grimmler) überzeugt.

Mehr Reiz, weniger Geiz

Was sich in Frankfurt ebenfalls deutlich abzeichnete: die Abkehr von der leidige Geiz-ist-Geil-Mentalität. Wertigkeit ist jetzt gefragt. Das meinte auch Dr. Achim Bünger von Bob Raumkunst: "Die Menschen achten wieder auf Qualität; ihnen ist das Design wichtiger als der Preis." Jan Peter Büning von Horn hat das ebenfalls festgestellt: "Der Verbraucher kauft in erster Linie nach seiner eigenen Wertschätzung. Wenn ihm etwas gefällt, überlegt er, ob es ihm das wert ist." Irgendwie war ja auch zu erwarten, dass die freudlose Drängelei der Anbieter in den unteren Preissegmenten auf die Dauer unbefriedigend sein würde. Den derzeitigen Trend sieht Hanns Bergmann von Stoeckel & Grimmler so: "Gefragt ist barocke Opulenz, oftmals mit Seideneffekt. Die Leute erkennen endlich, dass über den Preis nichts mehr zu holen ist."

Das unterstreicht auch die auf der Messe vorgestellte Studie des Marktforschungsunternehmens GfK. Kernaussage: "Qualität ist Trumpf und Reiz ist geil", so Oliver Schmitz von der GfK. Neue Farben und Stoffe zum Anfassen sollen die Sinne der Verbraucher ansprechen und damit Kaufanreize entstehen lassen. Denn laut GfK-Studie gefällt den Deutschen ihre Wohnungseinrichtung im Schnitt weniger als noch vor einem Jahr. Das wird nicht zuletzt an den zahlreichen Fernsehsendungen zum Thema Wohnen und Einrichten liegen, die das Interesse an einem gemütlichen, schön eingerichteten Zuhause geweckt haben. Etwa 76% aller von der GfK befragten 50- bis 59-jährigen betrachten ihre Wohnungseinrichtung als veraltet. Bei den über 60-jährigen sind es sogar 83%. Hier sieht Schmitz ein großes Potenzial für die Heimtextilbranche. Zusätzliche Möglichkeiten bieten neue Produkte für die Zielgruppen von heute und morgen: Familien mit Kleinkindern, die mobilen und trendorientierten Singles oder auch die neuen Patchwork-Familien. Fazit der GfK-Studie: Die Verbraucher werden konsumfreudiger, die Konjunkturaussichten damit rosiger - und das trotz Mehrwertsteuererhöhung.

Keine Angst vor der 19

Die vielfach diskutierte Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19% war in Frankfurt kein Thema mehr - obwohl sich der Kostenanstieg bei Rohstoffen und Energie 2007 natürlich auch auf die Preisgestaltung bei Heimtextilien auswirkt. In Frankfurt sprachen sich jedenfalls fast alle Anbieter dafür aus. "Preiserhöhungen sind notwendig, aber schlecht durchsetzbar", so Kerstin Baron-Breunig von Munzert. Selbst mit Rationalisierungsmaßnahmen wie etwa der Erhöhung der Arbeitszeit von 37 auf 40 Stunden könne man die steigenden Energiekosten nicht ausgleichen. Aber muss man das überhaupt? Dr. Wolfgang Wechsler von Saum & Viebahn verwies darauf, dass die Branche die Preise bereits über Jahre konstant gehalten habe. Auch bei den Schmitz-Werken in Emsdetten ist von Preiserhöhungen zwischen 2 und 4% die Rede, und bei Sahco Hesslein will man die Mehrkosten für die Rohstoffe "moderat weitergeben".

Fokus Objekt

Neben dem nach wie vor attraktiven Exporthandel bietet das Objektgeschäft ein unverändert hohes Potenzial. Ein besonderes Augenmerk galt auf der diesjährigen Heimtextil deshalb der Einrichtung von Hotels, Restaurants und Kliniken. Unter dem Motto "Contract Creations" bekam dieser Bereich erstmals ein eigenes Profil. Über 280 Hersteller von Objekttextilien wurden in einem Pocket Guide gelistet; zusätzlich kennzeichneten spezielle Abzeichen die Stände der beteiligten Anbieter. Ein Online-Kontaktforum führte bereits im Vorfeld der Messe Aussteller und Besucher zueinander.

Zwei Objekt-Sonderschauen schlugen Brücken zwischen Theorie und Praxis und setzten Objekttextil-Anwendungen in Szene: "Showcase Hotels", eine visionäre Hotelzimmer-Studie, zeigte, wie Textilien mit der Architektur verschmelzen können. Umgesetzt hat sie das Berliner Architekturbüro Graft mit dem Anspruch, "gewohnte Sichtweisen zu verlassen und mit neuen Perspektiven zu experimentieren". Schade nur, dass man das "Hotel" nicht betreten durfte, um sich die Einzelheiten aus der Nähe anzusehen.

Sie sehen das Hotel der Zukunft links unten im Bild. Die Meinungen über diese Inszenierung gehen in unserer Redaktion weit auseinander.
aus BTH Heimtex 02/07 (Wirtschaft)