Interview mit Christophe Deroose, CEO der Beaulieu International Group (BIG)

"Als starker Konzern am Weltmarkt für Bodenbeläge ein großes Rad drehen"

Die belgische Industriellen-Familie De Clerck hatte 2005 vier ihrer bis dahin separat geführten Unternehmungen zu einer großen Formation vereint: die Beaulieu International Group (BIG). Das Führungsgremium bildet ein dreiköpfiger Vorstand mit Christophe Deroose (36) an der Spitze. In einem Gespräch mit BTH Heimtex erläuterte der CEO, welche Maßnahmen bisher getroffen wurden, um die Firmengruppe zukunftsfähig zu machen.

BTH Heimtex: Herr Deroose, als Gründe für den Zusammenschluss der vier in Familienbesitz befindlichen Unternehmensgruppen wurden eher Allgemeinplätze kommuniziert. "Die fortschreitende Globalisierung der Weltwirtschaft erfordert es, die eigene Position zu stärken", hieß es da unter anderem. Was darf man sich konkret darunter vorstellen?

Deroose: Ziel war, eine starke Gruppe zu formen, die durch ihre Finanzkraft in der Lage ist, die Vorgänge am Weltmarkt für Bodenbeläge entscheidend zu beeinflussen. Es geht nicht mehr allein um unseren Heimmarkt, Deutschland oder Europa, sondern um die globale Entwicklung der Bodenbelagswirtschaft. Die Konkurrenz befindet sich heute in China, in der Türkei oder sonst wo in der Welt. Als starke, schlagkräftige Gruppe hat man einfach größere Chancen, sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten.

BTH Heimtex: Wenn man bedenkt, dass früher viel Energie für den Wettbewerb innerhalb der Familie verbraucht wurde...

Deroose: Dass es innerhalb der Familie Konkurrenz gab, ist nicht von der Hand zu weisen. Weil jedes Unternehmen seinen eigenen Weg ging, fand beispielsweise die Produktentwicklung mehrfach statt. Ähnliche Parallelen gab es bei der Distribution. Die große Herausforderung besteht darin, die vier Firmen-Gruppen so zusammenzuführen, dass sich Synergien ergeben. Die ersten Schritte wurden gemacht, aber es gibt noch sehr viel Arbeit. Um in allen Bereichen die erforderlichen Maßnahmen durchzuziehen, wird es noch drei bis vier Jahre dauern. Wir sind auf einem guten Weg, der uns zum Ziel führen wird.

BTH Heimtex: Ganz oben in Ihrem Maßnahmenkatalog stand der Produktionsstandort Châteauroux (Anm. d. Red: Berry Tuft fertigte in Mittelfrankreich mit einer Produktionskapazität von 25 Mio. qm Schlingen, Veloure, Cutloops, Scrolls, Tip-Shared und Saxonys aus Polyamid).

Deroose: Die Werksschließung war ein erster Schritt, der mehr Zeit als erwartet in Anspruch genommen hat. Dadurch haben sich andere Maßnahmen verzögert. Aber wir mussten so handeln, weil die Kosten dort am höchsten waren, nicht für Personal, wie man annehmen könnte, sondern für die Logistik. Der Transportweg für die Garne betrug fast 800 km; anschließend mussten die fertigen Produkte wieder zurück...

BTH Heimtex: Wo sehen Sie weiteren Handlungsbedarf?

Deroose: Da gibt es viele Beispiele. Bereits auf der letzten Domotex haben wir uns als eine Gruppe dargestellt, was im Tuftingbereich durch eine gemeinsame Verkaufsmannschaft unterstrichen wurde, und das wird künftig bei allen Belagsegmenten der Fall sein. Darüber hinaus wurden die erwähnten Entwicklungsabteilungen vereinheitlicht. Ein großes Problem stellt der IT-Bereich dar. Nachdem es bisher drei Datenverarbeitungssysteme gab, steht für den Tufting-Bereich seit Oktober eine gemeinsame Plattform zur Verfügung; der Webbereich kommt im Januar dazu. Sie sehen: Nach und nach bringen wir sämtliche Unternehmensbereiche auf eine Linie.

BTH Heimtex: Wie steht es mit Investitionen?

Deroose: Große Investitionen gab es bei CV, wo wir 2006 um 50% wachsen. 2005 wurden 9 Mio. qm realisiert und 2006 werden es 13,5 Mio. qm sein.

BTH Heimtex: Was ist mit den alten Firmen- und Markennamen, beispielsweise im Tuft-Bereich?

Derrose: Nachdem Tuft jetzt eine Division innerhalb der Gruppe ist, sprechen wir nicht mehr von Firmen, sondern orientieren uns an Labels. "Ideal" steht für alles, was aus Polypropylen ist, "Berry" deckt den Polyamid-Bereich ab und Noventis wird im Preiseinstieg platziert.

BTH Heimtex: Wie entwickelt sich der Gruppenumsatz?

Deroose: 2005 waren es konsolidiert 1.450 Mio. EUR und dieses Jahr peilen wir 1.470 Mio. EUR an. Unkonsolidiert entfallen auf die Bereiche Rohstoffe 912 Mio. EUR, Softflooring 372 Mio. EUR, Hardflooring 285 Mio. EUR sowie Möbelstoffe 24 Mio. EUR.

BTH Heimtex: Die Chemie bildet also eindeutig den Schwerpunkt. Wie verstehen Sie sich denn insgesamt als Konzern?

Deroose: Natürlich ist der Chemie-Bereich für den Konzern enorm wichtig. Aber es wird nie das Ziel sein, die Flooring-Sparte abzustoßen. Das geht auch gar nicht, weil die Strukturen eng verknüpft sind.

BTH Heimtex: Die vollstufige Produktion bei textilen und elastischen Belägen gehört zu den Grundprinzipien in Ihrem Hause, allerdings nicht bei Laminatböden. Um zu den großen Spielern dieser Branche aufzuschließen, wäre eine eigene Plattenproduktion sinnvoll. Könnte es sein, dass sich BIG schon bald auf seine Kernkompetenzen konzentriert und der Hardflooring-Bereich mit Parkett und Laminat verkauft wird?

Deroose: Es ist immer gut, rückwärts integriert zu sein, aber bei Laminat sehe ich keine Notwendigkeit. Wenn man sich die Platten-Kapazitäten auf dem westeuropäischen Markt anschaut und bedenkt, was da noch an Investitionen geplant ist, dann sehe ich für uns beim besten Willen keinen Handlungsbedarf. Im Moment können wir zu günstigen Bedingungen einkaufen, so dass eine kapitalintensive Produktion keinen Sinn macht.

BTH Heimtex: Es wird die Marke Berry Floor also auch weiterhin geben?

Deroose: Sicher, Berry Floor hat sich erfolgreich auf den internationalen Märkten etabliert. Wir werden die Marke nutzen und ausbauen.

BTH Heimtex: Welche internationalen Märkte sind für Sie wichtig und was ist strategisch angedacht?

Deroose: Für uns am wichtigsten sind die westeuropäischen Märkte mit UK an der Spitze. Rund 60% unserer Polypropylen-Produkte gehen nach England. Dieses Jahr war die Entwicklung ziemlich gut: Wir legten nicht nur in der Menge zu, sondern erzielen auch die beste Rendite. Der zweitwichtigste Markt ist Deutschland, aber ich muss zugeben, dass die Unternehmen der Beaulieu International Group das Marktpotenzial in den vergangenen Jahren nicht voll ausgeschöpft haben. Deutschland ist nicht nur der größte, sondern auch der schwierigste europäische Markt, und wir sehen es als Verpflichtung dabei zu sein. Mit entsprechenden Produkten und einem gut eingespielten Verkaufsteam werden wir uns in zwei bis drei Jahren eine adäquate Position erarbeiten.

BTH Heimtex: Was ist mit Osteuropa?

Deroose: Es mag ungewöhnlich sein, aber Russland und die Ukraine befinden sich nicht mehr in unserem Fokus: In den vergangenen zwei Jahren haben sich die beiden Märkte sehr gewandelt. Durch unsere Garne und Fasern pflegen wir gute Beziehungen dorthin und wissen auch, was abläuft. Die vielen im Bau befindlichen Produktionsstätten sind fast schon in der Lage, alles, was benötigt wird, selbst herzustellen. Preislich werden die Türken bereits überflügelt. Auch wir können da kostenmäßig kaum wettbewerbsfähig sein. In den westlich angrenzenden Ländern sind wir natürlich präsent. Dort werden wir unseren Marktanteil verteidigen und ausbauen.

BTH Heimtex: Für CV stellt sich die Situation in Russland anders dar.

Deroose: Die Wachstumsraten sind enorm. Aber Tarkett ist schon mit vier Anlagen präsent, und andere Hersteller folgen. Wir dagegen haben das Ziel, zunächst unser vorhandenes Werk zu 100% auszulasten, bevor wir ein weiteres bauen. Immerhin handelt es sich bei der Produktionslinie um eine der weltweit modernsten und größten mit einer Jahreskapazität von 36 Mio. qm. Was Russland betrifft, wäre es besser gewesen, zwei Jahre früher auf dem CV-Sektor aktiv zu werden.

BTH Heimtex: Sicher haben Sie sich auch schon in China umgeschaut?

Derrose: In China haben wir ein Werk gebaut, das Nadelvlies produziert, und weitere Textilbeläge werden folgen. Die Produkte sind jedoch ausschließlich für den Binnenmarkt bestimmt.

BTH Heimtex: Um noch einmal auf den Umsatz zu kommen: Was ist denn eine gesunde oder erstrebenswerte Größenordnung für BIG?

Deroose: Da haben wir uns eigentlich kein Ziel gesetzt. Klare Vorstellungen gibt es jedoch, wie sich die Produkte entwickeln sollen. In jedem Segment will BIG zu den fünf größten Spielern am Markt gehören. Bei Tuft, Nadelvlies und Badematten ist das bereits der Fall.

BTH Heimtex: Welche Rolle spielen die Familiengesellschafter im Konzern?

Deroose: Sie stellen einen vierköpfigen Aufsichtsrat mit dem sich das Seniormanagement, zu dem außer mir noch Dirk Dees und José Nobels gehören, monatlich zu Besprechungen trifft, um gemeinsam die Unternehmensstrategie festzulegen. Bei wichtigen Entscheidungen sind die großen Erfahrungen von Luc, Francis und Dominiek De Clerck sowie von Stephan Colle sehr hilfreich.


Beaulieu International Group Telegramm

Beaulieu International Group N.V.
Holstraat 59
B-8790 Waregem
eMail: info@bintg.com
Internet: www.bintg.com

Gründungsjahr: 2005

Struktur
Hauptversammlung/Anteilseigner der Familie: Francis De Clerck, Luc De Clerck, Dominiek de Clerck, Stephane Colle
Vorstand
- Anteilseigner der Familie: Francis De Clerck, Luc De Clerck, Dominiek De Clerck, Stephane Colle
- Senior Management: Christophe Deroose (CEO), Dirk Dees (COO), José Nobles (LAO)
Direktionsausschuss
- Senior Management: Christophe Deroose (CEO), Dirk Dees (COO), José Nobles (LAO)
- Divisionsmanatement

Umsatz 2005 (konsolidiert): 1.450 Mio.EUR
Geschäftsbereiche
Rohstoffe: Granulat, Fasern, Garne, Technische Textilien
Textilbeläge: Tuft, Nadelfilz, Webware Badtextilien
Hartbeläge: Parkett und Laminat, CV, Stoffe, Sonstiges (Immobilien, Services etc.)
aus BTH Heimtex 01/07 (Wirtschaft)