Tapeten auf der Heimtextil

Die Tapete soll zum Markenprodukt werden

Überraschend selbstbewusst präsentierten sich die Tapetenanbieter auf der Heimtextil. Nirgendwo war mehr Resignation zu spüren, obgleich sich die schwierigen Marktverhältnisse im Inland nicht gebessert haben. Dafür boomt der Export. Mag sein, dass er der Branche den Rücken stärkt. Es wird in Markenkonzepte, Lizenzprogramme und trendige Hochwert-Kollektionen investiert, ohne den konsumigen Unterbau zu vernachlässigen. Über den Publikumstag im nächsten Jahr will man zusätzlich Aufmerksamkeit für die Tapete gewinnen.

Zum letzten Mal stellte die Tapetenbranche auf der diesjährigen Heimtextil in den vertrauten Hallen 5.1 und 6.1 aus. Im nächsten Jahr wird alles anders: Mit der Einbeziehung der dann fertigen neuen Halle 3 und der Öffnung der Messe für das Publikum werden die Karten neu gemischt. 40.000 qm Ausstellungsfläche kommen hinzu, die alte Struktur wird aufgelöst. Es soll breitere Gänge, zusätzliche Ruhezonen und weitere Sonderpräsentationsflächen geben, auch können die Wünsche nach größeren Ständen erfüllt werden.

Heimtextilien - also Dekostoffe, Gardinen, Möbelstoffe, Teppiche, Sonnenschutz und auch Tapeten - benötigen die meiste Fläche. Daher wandern sie ab 2002 in das deutlich größere Ostgelände mit Hallen 1, 3, 4, 5.0, 6.2 und 6.3. Haustextilien ziehen dagegen in den Westteil des Areals mit den Hallen 8, 9 und 10 um. Das neue Domizil von Tapeten und Wandbelägen werden die Hallen 4.1 und 4.2 sein, in denen auch Sonnenschutz und ein Teil der Möbelstoffe untergebracht sind. Auch an einen neuen Oberbegriff muss sich die Branche gewöhnen; mit der Umstrukturierung einher geht eine Umbenennung der verschiedenen Bereiche: Tapeten laufen künftig unter "Walls & Decoration".

Lange wurde nach einer praktikablen Lösung für die Publikumsöffnung gesucht. Jetzt glaubt die Messegesellschaft eine gefunden zu haben: Im Anschluss an die üblichen Fachbesucher-Tage wird die Heimtextil am Sonntag für den Endverbraucher offenstehen - aber nicht komplett, sondern nur die Ebene 1 der Hallen 3, 4, 5 und 6. Hier werden die Aussteller versammelt, die den direkten Kontakt zum Konsumenten suchen. Alle anderen können wie gewohnt am Samstag abbauen.

Die Tapetenbranche stand dem Thema Publikumsöffnung von Anfang an aufgeschlossener gegenüber als andere. Auch jetzt haben die Marktführer in Frankfurt bereits erklärt, dass sie daran teilnehmen wollen. Und kleinere Anbieter wie Importeur Christian Schmitz sagen pragmatisch: "Wir müssen dahin, wo die Marktführer sind". Weniger daran interessiert sind die ausländischen Hersteller. So kommt beispielsweise von Ideco ein kategorisches "Nein" zum Verbraucher-Tag. Andere sind noch unentschlossen.

Die letzte Heimtextil in gewohnter Form wurde von vielen gut beurteilt. Der Marburg-Stand beispielsweise war immer voll. Das Familienunternehmen, das ein glänzendes Jahr mit zweistelligen Zuwächsen hinter sich hat, profitierte eindeutig von dem Sog der erfolgreichen Kollektionspremieren im vergangenen Jahr und legte in diesem mit drei ganz unterschiedlich gelagerten, aber ebenso gelungenen Neuheiten nach.

Von guten Geschäften berichtet auch Coswig. "Die Heimtexil 2001 war mit Abstand die erfolgreichste Messe, die wir je hatten", freute sich Wolfgang Schulze, Geschäftsführer des ostdeutschen Traditionsunternehmens, das in den Gesamtauftritt der Hindrichs-Auffermann-Gruppe eingebettet war. "In diesem Jahr hatten wir den Eindruck, dass die Messe noch größer geworden ist." Nicht nur die großen, sondern auch kleine Firmen seien vertreten, was die Heimtextil zum Höhepunkt für Aussteller und Besucher mache.

"Sehr viel Besuch" wurde bei Ideco registriert. Vor allem seien mehr internationale Interessenten gekommen, sagte Geschäftsführer Wim Warnier gegenüber BTH. Konkret konnte er mehr Asiaten, mehr Südamerikaner und auch mehr Einkäufer aus Osteuropa auf dem Stand begrüßen.

Fast euphorisch äußerte sich Heinetex-Chef Carsten Heinemann. "Die Besucherfrequenz war vergleichbar mit den letzten drei Jahren. Aber die Stimmung war sehr gut - speziell für Heinetex. Unsere Umstrukturierungen im Innen- und Außendienst, die Straffung der Lieferanten und der selektive Umbau des Programms wurden durchweg positiv bewertet." Dass der Handel die Bestrebungen der Arte-Tochter um en ausgewähltes, hochwertiges Programm erkannt habe, spiegele sich in den Messeaufträgen wider: "Wir konnten unser Messe-Ergebnis vom Vorjahr verdoppeln."

Profitiert hat die Heimtextil in diesem Jahr von den Termin-Querelen der Kölner Eisenwarenmesse/Diy Tec. Die hatte vom gewohnten Termin Anfang März auf Mitte Februar vorgezogen und damit viele Aussteller verprellt. Unter anderem Henkel, die sich vom Auftritt in Frankfurt neue Impulse erhofften. Allerdings war Verkaufsleiter Jürgen Meinberg mit der Platzierung am Rande der Tapeten-Trendshow "Wallpaper Trends" eher unglücklich: "Wir hatten mehr Publikum erwartet." Dabei will man in Düsseldorf den Fachhandel verstärkt ansprechen - das geht im übrigen optimal über die Fachpresse ! - denn man hat erkannt: "Wir brauchen den Fachhandel, um unsere Produkte an den Konsumenten kommunizieren."

Für Malerwerkzeug- und Zubehörlieferant Mako war bislang ebenfalls die DIY Tec in Köln die wichtigste Messe. Das könnte sich nach Auskunft von Verkaufsleiter Ralph Müller jetzt geändert haben: "Die Heimtextil 2001 war für uns die beste seit fünfzehn Jahren. Alle namhaften Einkäufer der Verbände und Filialisten waren da."

Noch hat der Konzentrationsprozess in der Tapetenbranche nicht das Tempo und Ausmaß wie bei Bodenbelägen angenommen, aber Veränderungen gibt es natürlich auch hier. So ist 2000 mehr oder weniger klammheimlich Harlequin als eigenständiges Unternehmen vom Markt verschwunden. Erst hieß es, Whitaker & Woods wolle seine deutsche Tochter umstrukturieren, dann wurde sie ganz dichtgemacht. Den Exklusiv-Vertrieb der Harlequin-Kollektionen hat bereits zum Mai 2000 Heinetex übernommen, die seit Oktober vergangenen Jahres auch Fardis vertreten.

Dann hat sich der Forbo-Konzern von seinen restlichen Tapeten-Aktivitäten getrennt und sie Ende November an die Hindrichs-Auffermann-Gruppe verkauft. Die Düsseldorfer Holding, die zu den Langbein-Pfanhauser-Werken des Industriellen Michael Schroer gehört, hat damit nicht nur Umsatz hinzugewonnen, sondern auch wichtige Marktanteile im Tapetenmarkt Großbritannien und die Führungsrolle bei selbstklebenden Bordüren.

Aus der Tapetenhalle ausgezogen war in diesem Jahr Club Creation. Stattdessen residierte die Jab Anstoetz-Tochter in Halle 9.0 - zwar in unmittelbarer Nachbarschaft zu den noblen Stoff-Verlegern, aber doch sehr beengt im Platz. Bei den Bielefeldern gab es nicht nur einen Stand-, sondern auch einen Führungswechsel: Vertriebsleiter Werner Fichtl, ein erfahrener Tapeten-"Fuchs", der von Beginn an dabei war, hat sich Ende 2000 überraschend in den Ruhestand zurückgezogen. Seine Nachfolge hat - zunächst interimsweise - Andree Dietrich angetreten, der eigentlich für die Neumusterung bei CC verantwortlich ist. Dem Vernehmen nach wird CC künftig die gesamten Tapeten-Aktivitäten der Anstoetz-Gruppe übernehmen; das Mutterhaus wolle sich aus diesem Bereich zurückziehen, heißt es.

Überraschend präsent waren auf der Heimtextil die Engländer. Offensichtlich suchen sie verstärkt Nähe zum Kontinent. So stellte sich Marktführer Englewood mit den Marken Coloroll, Wilman und Vymura sehr selbstbewusst in Halle 6.1 dar, mit Brewster war in Frankfurt zudem einer der wichtigsten Distributeure vertreten. Graham & Brown, ebenfalls zu den Großen der britischen Tapetenindustrie zu zählen, hatte zwar keinen Stand auf der Heimtextil, Hans van Let deutete gegenüber BTH aber klar Ambitionen in Richtung Deutschland an.

Die deutschen Marktführer setzen 2001 auf die Verstärkung ihrer Markenpolitik. Rasch lässt sich das in der Startphase 3 Mio. DM kosten. Kommuniziert werden soll der überarbeitete Markenauftritt der Bramscher über POS-Material für den Handel und Printwerbung für den Endverbraucher.

AS Création hat gar eine ganz neue Marke ins Leben gerufen. "Unser eigentlicher Name ist nicht griffig genug", hat man in Gummersbach erkannt und will mit Living Walls eine "international verständliche Marke mit echtem Lifestyle-Image" aufbauen. Unter Living Walls ist nicht nur ein Name zu verstehen, sondern ein komplettes Konzept inclusive eigener Corporate Identitiy, eigenen Kollektionen und eigenen Werbeaktivitäten.

Auch Erfurt will 2001 Markenpflege und -kommunikation intensivieren, unter anderem durch eine umfassende Endverbraucherkampagne in "meinungsbildenden Special Interest-Titeln, mit denen die Qualität und Designvielfalt unserer Produkte herausgestellt werden soll", wie es Martin Erfurt formuliert.

Aber nicht nur die Tapetenindustrie, auch ihre Zulieferer investieren in Produkt und Markt. Dazu nur ein Beispiel: Die finnische Metsä Serla-Gruppe, weltweit Branchenprimus bei Tapetenpapieren will bis 2002 rund 100 Mio. Euro in die Optimierung hrer beiden Produktionstöchter Kyro und Äänekoski fließen. Dabei gehe es nicht um Kapazitätsausbau, betont Marketing-Manager Markku Teittinen, sondern rein um qualitative Verbesserungen: "Wir wollen modernste Fertigungstechnologien einsetzen, um beste Tapetenpapier-Qualität sicherstellen zu können."

An Neuheiten gab es in Frankfurt nicht übermäßig viel, aber durchaus Interessantes zu sehen. Kein Anbieter fuhr angesichts des anstehenden Kollektionswechsels "auf Sparflamme" wie es früher manchmal den Anschein hatte.

Kein Weg vorbei führte auch dieses Jahr am Marburg-Stand. Hier gab es gleich drei Top-Kollektionen zu sehen: die zweite Edition von Ulf Moritz, die bewusst für große Wandflächen konzipiert wurde - etwa in Hotels -, die ebenso technisch anspruchsvolle wie ästhetisch ansprechende Karte Crush mit vier unterschiedlichen Knitterstrukturen, darunter einer Weltneuheit, der horizontal orientierte Plissee-Crash und die bezaubernde Lizenz-Kollektion mit den Abenteuern des bei Kindern sehr beliebten Kulthasen Felix.

Stichwort Kinderkollektionen: Überhaupt entfaltet die Branche hier noch mehr Aktivität und Kreativität. Rasch bringt"Little Friends" an die Wand, AS Création setzt auf den Bestseller Harry Potter, dessen Buchauflagen Rekorde schlagen und der demnächst auch ins Kino kommt, Tescoha hat mit Maikäfer & Co eine reduzierte, sehr poetische Kinderzimmer-Karte aufgelegt, die auch Erwachsenen gefällt.

An Bedeutung gewinnt auch bei Tapeten das Thema Lizenzen, dem die Heimtextil sogar eine eigene Sonderschau gewidmet hatte. Neben den bereits erwähnten Lizenzprogrammen mit Felix und Harry Potter hat sich auch Rasch mit der Alessi-Bortenkante die Unterstützung eines bekannten Namens gesichert, Tescoha bannt den "Kleinen Prinzen" auf Tapete.

Abgestimmte Stoffe sind nichts Neues für Tapetenkollektionen, einige Anbieter gehen jetzt noch weiter: Coswig hat ein Kooperationskonzept mit Sonnenschutz-Produzent Hunter Douglas vorgestellt, bei dem es zur Tapete die passenden Rollos oder Jalousien gibt. Ideco-Mutter Balta propagiert innerhalb der produktübergreifenden Marketingstrategie "Home of Decoration" koordinierte Programme mit Tapeten, Stoffen und Teppichböden.

Vliesprodukte erobern sich langsam, aber sicher mehr Marktanteile. 2000 hat der Absatz auf 5 Mio. Rollen zugenommen und sich damit innerhalb der letzten vier Jahre verdoppelt. Erfurt präsentierte auf der Heimtextil stolz die erste durchgefärbte Vliestapete "ohne Farbabrieb und weiße Schnittkanten".

Bei der Dessinierung der Wandbeläge gibt es nur wenig Veränderungen. Im Konsumbereich ist der Landhaus-Stil nicht totzukriegen, das Hochwert-Genre traut sich allmählich an Grafik heran. Die Floral-Welle aus DOB und Dekos hat Tapeten nicht erreicht; bis auf die naturgetreuen, feingezeichneten Iris-, Rosen-, Wicken-und Anemonen-Blüten von Inaltera gab es nur wenig "Blumiges" zu sehen.

Bei den Farben macht sich ebenfalls eine Polarisierung bemerkbar: In konsumigen Karten dominieren unverändert helle, freundliche Töne wie Vanille, Apricot und immer noch Blau-Gelb. Wenn es anspruchsvoller wird, bleiben die Klassiker Offwhite und Grau, es kommen neue kühle Pastells wie Aquamarin, Ciel und Grau, distinguiert, fast meditativ wirken Schilf und Nougat. Keine anspruchsvolle Kollektion kommt um die Blauskala herum: Lavendel, Pflaumenblau, Nachtblau. Modische Akzente setzen Flieder und Limone. Mehr eine Winterfarbe und dennoch sowohl bei Stoffen als auch bei der Tapete präsent ist Brombeerrot.
aus BTH Heimtex 02/01 (Wirtschaft)