Der Domotex laufen die Aussteller weg

5 vor 12 für textile und elastische Beläge

Noch nie war die Stimmung auf der Domotex bei textilen und elastischen Belägen so schlecht. Noch nie wurde so viel geklagt, kritisiert und über die Abwanderung nach Frankfurt oder völlige Messe-Abstinenz nachgedacht. Wenn die Messegesellschaft jetzt nicht endlich mehr mit und für diese wichtige Ausstellergruppe macht, verliert sie weitere Kunden und die Domotex damit weiter an Qualität - und Hannover droht, zum Tummelplatz für exotische Läufer-Anbieter abzurutschen.

Wenn man den offiziellen Schlussbericht der Domotex liest, fragt man sich, ob die Messegesellschaft Hannover überhaupt auf ihrer eigenen Veranstaltung gewesen ist. Da ist die Rede davon, dass die Domotex der Branche einen "positiven Schub beschert habe", einen "Stimmungswandel signalisiere" und die "enge Kundenbindung die meisten Aussteller schon jetzt veranlasst hat, ihr neuerliches Engagement auf der Domotex 2003 bekanntzugeben".

Die Realität sah aber ganz anders aus - zumindest bei den textilen und elastischen Belägen. "Wir sind enttäuscht", sagte Ege-Chef Anders Klausen knapp, "von der Messe kommen überhaupt keine Impulse."

Der Frust saß tief in den Hallen 4,5 und 6, die zwar teilweise ganz gut besucht, teilweise aber auch erschreckend leer waren, während es in den Laminat- und Parketthallen 7 und 8 nur so brummte. Vor allem am Dienstag war überhaupt nichts mehr los. Sonst traf man am letzten Messetag immer noch etliche bekannte Gesichter aus dem Großhandel, in diesem waren nur die ganz Unermüdlichen wie Uwe Heinemann, Siegfried Ruf und Manfred Birkenstock noch unterwegs. Generell hatten viele Großhändler ihren Aufenthalt auf der Domotex verkürzt oder waren gar ganz zu Hause geblieben.

Klar gab es auch Ausnahmen unter den Ausstellern, die mit dem Geschäft in Hannover zufrieden waren. Das waren dann aber zumeist die berühmten Firmenkonjunkturen - wie bei Objectflor, wo Geschäftsführer Eberhard Lotz von "fantastischer Resonanz und unglaublichem Betrieb" berichtete, dies aber rein auf seine neue "Expona Domestic Collection" zurückführte. "Die Messe an sich ist eine Zumutung."

Tatsache ist: Noch nie war die "Anti-Domotex"-Fraktion so groß wie in diesem Jahr - gerade unter den deutschen Ausstellern. Während bislang nur die objektorientierten Anbieter in Hannover unzufrieden waren, klagten diesmal auch die, die sich mehr auf den Handelsbereich konzentrieren über die unzureichende Besucherfrequenz. Natürlich spielt hier massiv die Enttäuschung über das katastrophale Inlandsgeschäft mit hinein. Gerade weil die von jeher exportschwachen deutschen Bodenbelagshersteller die Einbußen im Binnenmarkt nicht im Ausland auffangen können. Deswegen ist auch die von der Messegesellschaft so gern betonte Internationalität kein Argument für ihre deutschen Kunden.

Exportroutinierte Nationen wie die Belgier oder die Dänen sehen das völlig anders. "Wir brauchen die Domotex, weil wir nicht nur von ein, zwei Ländern leben, sondern von mehreren", betont der neue Dan Floor-Geschäftsführer Jens Lange, "und hier kommen Holländer, Griechen, Türken, Amerikaner und viele andere auf unseren Stand".

Für weiteren Unmut unter den Ausstellern sorgte die Messe Hannover selbst durch ihre ungeschickte Standanordnung. Sie beharrt auf ihrem angestammten Konzept, die "Zugpferde" auf die verschiedenen Hallen zu verteilen und die anderen Anbieter dort herum zu platzieren, um jede Halle gleichermaßen attraktiv zu machen. Damit stößt sie aber gerade die besagten Zugpferde wie Vorwerk vor den Kopf, die sich lieber im Kreis Gleichgesinnter präsentieren würden, anstatt neben der "sprechenden Fußmatte". Auch aus Besuchersicht wäre eine Gruppierung der Aussteller nach ähnlichem Angebotsniveau, Zielgruppen oder Marktsegment sinnvoll. Die Messe Frankfurt macht das besser: Sie hat bei Stoffen nicht nur schon vor Jahren einen Hochwert-Bereich geschaffen, sondern beispielsweise auch die amerikanischen Anbieter oder die preiswerten Asiaten räumlich zusammengefasst

Gerade die schon einmal andiskutierte Idee einer "Hochwert-Halle" in Hannover sollte schleunigst überdacht werden - sonst gibt es die bald auf der Heimtextil. Dr. Geert Böttger, der für die Textilmessen verantwortliche Mann in Frankfurt, hat schon einmal die Lage bei potentiellen Kandidaten sondiert.

Frankfurt wird den Hannoveranern ohnehin gefährlicher, als sie es vielleicht wahrhaben wollen. Die Sirenenklänge der Handvoll Bodenbelagsanbieter, die auf der Heimtexil ausstellten und verklärt von der dortigen Atmosphäre, dem stimulierenden Umfeld und den neuen, interessanten Kundengruppen schwärmten, brachten manchen Domotex-Teilnehmer ins Grübeln....

Es ist natürlich Unsinn, das in Frankfurt alles schöner, besser und leichter wäre als in Hannover. Erstens ist und wird die Heimtextil keine Bodenbelagsmesse. Zweitens ist dort gar kein Platz, die Messe ist voll. Obwohl: die Frankfurter wollen zwei neue Hallen bauen. Drittens müssten Bodenbeläge dort mit vielen anderen Produkten konkurrieren. Und viertens wäre eine Zersplitterung zwischen zwei Standorten das Dümmste, was der Branche passieren kann.

Noch mehr als sonst wurde auf dieser Domotex der generelle Sinn einer Messeteilnahme in Frage gestellt. Einige Firmen wollen nur noch in Hannover ausstellen, wenn sie Neuheiten zu zeigen haben, andere gar nicht mehr - "vielleicht auf Special Interest-Veranstaltungen." Für die Hannoveraner wird es immer schwerer, die Lücken zu füllen. Sie können sich auch nicht darauf bauen, die Verluste bei textilen und elastischen Belägen mit Parkett und Laminat ausgleichen. Diese vermeintlich sichere Bank wankt: Denn auch große Laminatanbieter wie Egger E.F.P. erwägen ernsthaft, nur noch alle zwei Jahre nach Hannover zu kommen.

Kein anderes Unternehmen hat so einen Verschleiß in der Führungsetage wie die Domo-Gruppe. Dirk Degrauwe, die frühere rechte Hand von Jan de Clerck, genas zwar von schwerer Krankheit, konnte danach aber wohl nicht mehr das Tempo seines Chefs mithalten. Neuer Hoffnungsträger wurde der junge Luc Jongbloet, Verkaufsleiter in der Residential Divison. Der setzte sich aber in den erste Januartagen zur Balta-Gruppe ab, wo er die Tochter ITC in Deutschland weiter voranbringen soll.

Dr. Jim Carr ist auch einer, der einiges aus der Domo-Gruppe berichten könnte, wo er vor Jahren als Marketing-Direktor wirkte. Danach wechselte er zu Desso, heute Desso-DLW, wo ihm allmählich immer mehr Kompetenzen beschnitten wurden. Auf der Domotex saß er lässig im Pullover am Aquafil-Stand und demonstrierte damit, dass er nicht mehr in offizieller Funktion auf der Messe war. Künftig kann er sich dafür mehr an seinem Domizil am Genfer See erfreuen. Zuvor war mit John Spruijtenberg schon einer der alten Garde aus der "Vor"-Armstrong-Ära aus dem Desso-DLW-Vorstand ausgeschieden

Bei Ege geht zum Sommer eine Ära zu Ende: Der langjährige Deutschland-Geschäftsführer Peter Wilhelm zieht sich zum 30. Juni in den Ruhestand zurück. Damit verlieren die Dänen - und die Branche - eine sehr direkte, manchmal unbequeme, aber loyale, faire und menschliche Persönlichkeit. Ein Nachfolger ist bereits auserkoren; da noch anderweitig unter Vertrag, wird sein Name jedoch noch unter Verschluss gehalten.

Auch Edel musste sich von einem Manager verabschieden - allerdings für immer: Exportleiter Marten Ebens verunglückte tödlich bei einem Autounfall. Eine weitere Meldung im Zusammenhang mit dem niederländischen Tufter ist die Übernahme von Mitbewerber Telenzo.

Und noch eine Personalie: Am Stand von Findeisen hielt sich Peter Mebus auf - nicht ohne Grund. Der Ex-Dura-Geschäftsführer, der nach seinem Abgang in Fulda in der Versenkung verschwand, soll als Berater bei dem Nadelvlies-Anbieter unter Vertrag sein.

Zum ersten Mal in (fast) voller Stärke - Tochter Wüst hatte einen gelungenen Solo-Auftritt auf der Heimtextil - präsentierte sich die Maltzahn Group of Companies. Der Stand, den sich MCD, Thüringer Teppichboden und die Laufa teilten, war stets rege besucht. "Wir hatten keine Langeweile", bestätigte denn auch Thüringer-Geschäftsführer Rudi Goosens. "Unser Ziel war, hier eine ganze Reihe neuer Kunden zu gewinnen, das haben wir geschafft." Ähnlich äußerte sich Peter Krawczyk, der mit dem Objektspezialisten MCD im vergangenen Jahr einen vielversprechenden Start hingelegt hat.

Wachwechsel im CV-Markt: Der ungarische Hersteller Grabofloor zieht sich aus Deutschland zurück, der polnische Produzent Lentex rückt ein. Im heimischen Polen ist die börsennotierte Aktiengesellschaft mit 35 % Marktanteil die unangefochtene Nr. 1 vor Mitbewerber Gamrat und Importeuren wie Tarkett Sommer und Domo. Über die Hälfte seines Umsatzs von 55 Mio. EUR (2001) erwirtschaftet das Unternehmen mit CV-Belägen, der zweite große Geschäftsbereich sind Nonwovens, nuruntergeordnete Bedeutung hat die dritte Sparte Konfektion. Lentex produziert 10 Mio. qm CV in Breiten von 1,5 bis 4 m, Stärken zwischen 0,85 und 4 mm und mit Nutzschichtdicken von 0,15 bis 0,6 mm - darunter auch Chip- und spezielle Sportprodukte.

Jetzt wollen Vorstandschef Franciszek Koszarek und sein für den Vertrieb zuständiger Vorstandskollege Alfred Jarzombek auch Deutschland erobern und haben sich dazu professsionelle Unterstützung gesichert: Seit 1. Januar vertritt Kenth Möller von Weston CV-Beläge von Lentex exklusiv auf dem deutschen Markt und hat dazu den vorherigen Graboplast-Außendienst übernommen.

Und was war auf Produktseite bemerkenswert in Hannover? Eine der Kollektionen, die man gesehen haben musste, war der Webkoffer "Legend" von Louis de Poortere. Damit landeten die Belgier zu Recht einen Überraschungserfolg - und das nicht nur in Deutschland. "Die wichtigsten, bedeutendsten Großhändler in Deutschland, Frankreich und Österreich sind eingestiegen", freute sich Verkaufsleiter Willi Weishaar. Mit der Servicekollektion demonstriert LdP mit hohem kreativen, qualitativem und technischem Niveau, was mit Web alles möglich ist: Veloure, Schlingen - glatt oder vielfältig strukturiert -, Breiten bis 5,50 m usw. Und das ist noch nicht alles: Jeder Artikel ist nicht nur als Bahnenware erhältlich, sondern auch als Läufer, abgepasster Teppich oder Bordürenteppich. Die Preisgestaltung: "Wir fangen dort an, wo Tuft aufhört" - sprich bei VK-Preisen zwischen 30 und 100 EUR.

Erst zum April kommt der neue Parade-Koffer von Forbo Carpet auf den Markt. Auf der Domotex waren aber schon erste Kostproben des Serviceprogramms zu sehen - und die waren gut: eigenständig, aber nicht abgehoben in der Optik, anspruchsvoll in der Qualität. "Wir wollen noch konsequenter ins Hochwertsegment", sagt Vorstandschef Dr. Benjamin Fuchs dazu. "Zum Beispiel tuften wir einen Wollfrisé jetzt mit 1.400 g statt mit 1.300 g - und das auch noch mit besserem Garn." Wobei Forbo Carpets Stärke klar auf strukturierten Schlingen liegt.

Besonders gut scheint hier die Zusammenarbeit mit Faserhersteller Aquafil zu funktionieren. Die Italiener, die treu zur Domotex stehen, weil sie dort ihre Kunden treffen, haben klar vom Fehlverhalten von Marktführer Du Pont profitiert. Der US-Konzern düpiert seine Kunden, weil er kurzerhand Garntypen aus dem Programm genommen und die Entwicklungsarbeit eingedampft hat, es auch nicht mehr für nötig hält, auf der wichtigsten Branchenveranstaltung aufzutreten - abgesehen von dem überflüssigen Alibi-Stand auf der Contractworld - und ohne nicht als besonders kundenorientiert gilt. Allerdings wird der harte Sparkurs der Amerikaner verständlicher vor dem Hintergrund, dass sie ihr gesamtes Textilfasergeschäft zusammengefasst haben und sich bis Ende 2003 davon trennen wollen. "Man prüfe verschiedene Möglichkeiten, darunter auch einen Börsengang", heißt es in einer Pressemitteilung.

Aquafil-Geschäftsführer Bruno Torresani seinerseits betont, dass BCF-Garne das Kerngeschäft seines Unternehmens seien und dieser Bereich entsprechend Aufmerksamkeit genieße. So kümmern sich die Italiener sehr um ihre Kunden, haben in die Technik investiert und ihr Entwicklungs-Know-How so weit aufgebaut, dass man sie als Trendsetter sehen muss.

Auf der Domotex zeigten sie hochinteressante innovative Garn- und Teppichboden-Ideen mit Umwindegarnen, Chenille- und Melange- und Metallic-Effekten. Schon bis zur Marktreife entwickelt wurden zweifarbige, strukturierte Schlingen aus einem Produktmix Polypropylen-Polyamid, bei dem das PP den Fond bildet, aus dem sich markant die PA-Schlingen in Chenille-Optik erheben - zu sehen bei Forbo Carpet.

Die Zeichen stehen auf Kork - das Naturprodukt wird von immer mehr Bodenbelagsanbietern entdeckt, zumeist Parkett- und/oder Laminathersteller, die ihr Sortiment damit komplettieren wollen, zum Beispiel Witex, Meister Leisten, Hamberger. Auch die Berry-Gruppe startete in Hannover einen Probelauf mit 3 Varianten und wollte nach der Resonanz auf der Domotex entscheiden, ob Kork fest aufgenommen wird oder nicht.

Marktführer Amorim ficht die zunehmende Konkurrenz nicht an. Zum einen beliefert er einige der neuen Mitbewerber mit seinen Belägen, zum anderen glaubt Deutschland-Geschäftsführer Wolfgang Mohr, dass es nur positiv für das Produkt Kork sein kann, wenn sich mehr Marktteilnehmer damit beschäftigen.

Amorim selbst geht davon aus, dass ein weiteres Wachstum des Marktsegments Kork nur über innovative Weiterentwicklungen kommen kann und arbeitet zur Zeit intensiv daran. Mit Hilfe eines bekannten Designers wurden bereits etliche Ideen erarbeitet, die zeigen, wohin der Weg gehen kann, zum Beispiel in Richtung granitähnlicher, jaspierter, marmorierter, flächig strukturierter oder Chip-Optiken. Dabei kopiert Kork nicht andere Belagstypen, sondern behält seinen Charakter.
aus FussbodenTechnik 01/02 (Wirtschaft)