Moderne handgefertigte Teppiche auf der Domotex 2006

Gelungene Optik schlägt Preis

Ein Trend zu besseren Qualitäten ist beim modernen handgearbeiteten Teppich derzeit unverkennbar, die untersten Preisklassen verlieren weiter an Bedeutung. Das sorgt für gute Stimmung, besonders bei denjenigen Unternehmen, die in den letzten Monaten intensiv gearbeitet, sich strategisch weiterentwickelt oder neu aufgestellt haben mit dem Ziel, den Stellenwert des Teppichs aufzuwerten. Der Markt ist stark in Bewegung, das hat die Domotex deutlich gemacht.

Wieder einmal weite Wege mussten Besucher der Domotex gehen, wenn sie sich ein komplettes Bild vom Angebot moderner, handgearbeiteter Teppiche machen wollten. Nach einem Start in Halle 3, wo sich die Avantgarde im Floor Forum präsentierte, war ein Abstecher in Halle 4 unungänglich. Denn dort wurde auf dem Stand von Wecon Distribution die ganze Esprit Home-Welt gezeigt - wer bei diesem Top-Messethema mitreden wollte, musste hierher. Der weitere Weg führt in Halle 17. Und nun die Gretchenfrage der Domotex: Laufen oder Shuttle? Wo fahren die Busse eigentlich ab? Und wann kommt der nächste? Dann doch lieber laufen, geht schneller. Zurück durch 3 und 2 und rein in die Verbindungshalle 18. Hier wartet die positive Überraschung: Angenehm ist der Gang durch das leere Gebäude: Die Stellwände waren mit einigen Teppichen dekoriert, klassische Musik sorgte für gute Stimmung. Doch dann der Kälteschock im Gang kurz vor Halle 17 - diesen Weg sollte nicht ohne Jacke und Schal in Angriff genommen werden. Wieder im Warmen der Halle lag dann dem Besucher die zweite Hälfte des Teppich-Programms praktisch zu Füßen. Hier bildeten die Aussteller der Loom Lounge das andere Zentrum für moderne Teppiche auf der Domotex, umgeben von weiteren Anbietern dieser Warengruppen. Geht es weiter in Richtung Halle 14, steigt der Anteil der reinen Orientteppich-Anbieter stark an.

Wer diesen Halbmarathon geschafft hatte, erhielt einen eindrucksvollen Überblick über das, was der Markt für moderne abgepasste Teppiche derzeit zu bieten hat. Von Europa über Nordafrika bis in den Fernen Osten reichten die Ursprungsländer, vom Handtuft-Teppich in Einstiegspreislage bis zur exklusiven Designer-Knüpfung erstreckte sich das Warenangebot. Und damit wurde wieder einmal die Bedeutung der Domotex für den internationalen Handel von handgearbeiteten Teppichen deutlich: Sie ist nach wie vor die weltweit größte Messe in diesem Bereich sowie eine umfassende Informationsbörse für die neuesten Trends und Marktentwicklungen.

Die aktuellen Statistiken des Veranstalters bestätigen ihren Stellenwert: Neben einem Zuwachs bei der Ausstellungsfläche und Ausstellern feierte die Domotex in diesem Jahr mit 48.500 Fachleuten (plus 10,6 Prozent) einen neuen Besucherrekord. Allerdings: Die Aussteller von modernen handgearbeiteten Teppichen konnten diesen Zuwachs nur bedingt bestätigen. Mehr Frequenz als in den vorangegangenen Jahren wurde lediglich zeitweise in Halle 3 registriert. Ansonsten überwog der Eindruck gleich bleibender, teilweise sogar sinkender Besucherzahlen. Überraschend stark sei vielmehr der Freitag, der Vormessetag gewesen, vermeldeten viele.

Neukunden aus Osteuropa

Der hohe Anteil ausländischer Besucher, den die Messe mit 56,5 Prozent angibt, war dagegen überall zu spüren. Sie sorgten dafür, dass die meisten Aussteller mit einem guten Ergebnis nach Hause fuhren. "Besonders stark war Osteuropa vertreten, vor allem Polen. Es war beeindruckend, wie viel und besonders wie hochwertig polnische Kunden bei uns eingekauft haben", berichtete Michael Galley von Asiatic Carpets.

Die alljährliche Kritik, der deutsche Fachhandel sei auf der Messe nicht ausreichend vertreten, wich in diesem Jahr der berechtigten Hoffnung, dass sich der deutsche Markt langsam wieder erholt. "Die Stimmung im Einzelhandel ist positiver, weil sich die Situation zum Jahresende 2005 verbessert hat. Es scheint so, als sei jetzt wirklich die Talsohle durchschritten", sagte Rita Schild von Nourison.

Positive Grundstimmung

Insgesamt herrschte auf der Domotex eine positive Grundstimmung. Dazu trägt ein gestiegenes Qualitätsbewusstsein des Einzelhandels bei, deutlich ablesbar am Orderverhalten auf der Messe. Hinzu kommen Veränderungen im Markt: Aussteller berichteten von Fachgeschäften, die im gehobenen Segment neu eröffnen oder sich bei Übernahme durch die nächste Generation zum repräsentativen Studio entwickeln. Auf der anderen Seite würden große Verbände derzeit immer mehr Abstand von Direktimporten nehmen. Rita Schild bilanzierte: "Der Einzelhandel bis hin zum Endverbraucher will keine 08/15-Ware mehr sehen. Deshalb stehen derzeit auch diejenigen Unternehmen wirtschaftlich besser da, die innovativer, kreativer sind als andere."

Hersteller und Importeure müssen heute hohen Anforderungen genügen: In erster Linie sind sie als Logistiker und Lagerhalter gefragt. "Alle wollen ihre Ware just-in-time haben. Wir sind darauf eingestellt", versicherte beispielsweise Peter Meumann. Weitere Aspekte sind Produktinnovationen und Kreativität. Der Markt verlangt derzeit stark nach Neuem, sucht das Besondere. "Sehr guten Zuspruch verzeichneten wir bei unseren Neuheiten, weniger bei Altbewährtem", berichtete unter anderem Wieland Neuberth von Creation Roesner.

Intelligente Teppiche

Das wohl innovativste Produkt hatte Paulig mit auf die Messe gebracht: die erste Teppichqualität, die über eine geruchsneutralisierende Ausrüstung verfügt. Damit hält im Teppichbereich eine Technologie Einzug, die bei Wohnstoffen und Teppichböden schon seit Jahren angewendet wird. Sie liefert dem Einzelhandel zusätzliche Verkaufsargumente. Auch die Esprit-Teppiche von Wecon Distribution stellen Artikel dar, die dem Handel einen Mehrwert bieten: Zum ersten Mal ist die Möglichkeit gegeben, über eine weltweit bekannte, starke Marke abgepasste Teppiche zu verkaufen.

Einige Anbieter wagen Ausflüge in den Bereich Maschinenteppich, wohl um die Einstiegspreislage besser bedienen zu können. Demgegenüber hat der renommierte Maschinenteppich-Hersteller Osta vor einem halben Jahr ein Premium-Programm für handgearbeitete Teppiche auf den Markt gebracht.

Ebenfalls bemerkenswert, aber ganz andersartig sind die Veränderungen bei Benelux Orient: Das belgische Familienunternehmen setzt seit Anfang des Jahres auf ganzheitliche Lösungen und hat sein Sortiment massiv um Heimtextilien, Kleinmöbel und Wohnaccessoires erweitert.

Immer wichtiger wird die Präsentation am Point of Sale. Viele Anbieter haben dies erkannt und bieten ihren Kunden effektive Präsentationssysteme. Ein gut umsetzbares Konzept hat Arte Espina entwickelt. Der kreative Handtuft-Spezialist hat die Erfahrung gemacht, dass die konsequente Umsetzung Umsatzsteigerungen im deutlich zweistelligen Bereich liefern kann. Beispiele, die zeigen, wie intensiv viele Hersteller und Importeure in den letzten Monaten gearbeitet, sich strategisch weiterentwickelt oder neu aufgestellt haben. Der Markt ist stark in Bewegung, das hat die Domotex deutlich gemacht.

Die Trends

Ein Trend zu besseren Qualitäten ist beim modernen handgearbeiteten Teppich derzeit unverkennbar, die untersten Preisklassen verlieren weiter an Bedeutung. Wichtigster Faktor beim Kauf scheint heute die Optik zu sein, die Preisfrage ist weiter in den Hintergrund getreten.

Besonders gut abzulesen ist diese Entwicklung momentan beim Nepalteppich: Auf der Domotex waren bei den meisten Anbietern nur die hochwertigen Artikel gut nachgefragt. Der preiswerte Nepalteppich fand dagegen kaum Abnehmer.

Auch die Bedeutung des persischen Gabbeh ist stark gesunken. Einerseits drängen hervorragende, preisgünstigere Kopien aus Indien auf den Markt, andererseits verlagert sich das Angebot zu den feineren Loribaft-Knüpfungen.

Allgemein im Aufwind dagegen sind moderne Teppiche aus Indien, bedingt auch aus Pakistan, ansatzweise aus Afghanistan. Die Gründe: Vorgaben aus den Absatzmärkten werden sehr flexibel und gekonnt umgesetzt, die Teppiche lassen sich kollektionieren und die Material- und Verarbeitungsqualität stimmt.

Großer Beliebtheit erfreuen sich nach wie vor Handtuft-Teppiche, allerdings eher die hochwertigen Qualitäten. Sie bieten die Möglichkeit, hochaktuelle Designs in erschwinglichen Preislagen umzusetzen.

Ebenso angesagt sind weiterhin Hochflor-Teppiche. Shaggys werden in allen erdenklichen Variationen angeboten, auch mit unterschiedlich langen Fasern.

Bei vielen Teppichen belebt ein Struktur- oder Materialmix das Erscheinungsbild, darunter auch ungewöhnliche Kombinationen wie Acryl und Alcantara. Seidenanteile sind im Hochwert-Bereich weiter sehr beliebt.

Bei den Farben gibt es zwei Favoriten: warmes Rot und Beige. Beide tauchen in vielerlei Variationen auf: als Terrakotta, Kupfer und Orangetönen auf der einen Seite sowie Creme und Weiß auf der anderen Seite. Hinzu kommen Farben wie Gold, Senf, Mais, Oliv, Apfelgrün und Silbergrau. Blau taucht immer wieder als Akzentfarbe auf, von Blau dominierte Teppiche sind aber nach wie vor wenig gefragt. Das Trends in der Teppichbranche sich nicht so schnell wie in anderen Branchen durchsetzen zeigt sich auch dieses Jahr: Aquafarben und Schoko kündigen sich erst für die nächste Saison an.

Bei der Dessinierung gilt die Devise: Je hochwertiger der Teppich, desto ruhiger das Design. Zum Einsatz kommen Streifen, Quadrate, Linien und Wellen. Bordüren gehen zurück, die Dessins werden offener. Retro ist immer wieder ein Thema. Farbverläufe sind stark vertreten. Und bei nahezu allen Designs gilt: tonige Farbkompositionen sind ein Muss.
aus BTH Heimtex 02/06 (Wirtschaft)