Laminatfußbodenfabrik am neuen Standort Baruth

Classen-Gruppe: Wachstum über getrennte Vertriebswege steuern

Die Classen Gruppe aus Kaisersesch ist einer der führenden europäischen Vollsortimenter von Holz und Holzwerkstoffen für den Innenausbau. Im Bereich Laminatböden gehört man zu den Weltmarktführern. Unter dem Dach der Classen Holding und der W. Classen rangieren Firmen für Warenbeschaffung, Lager & Logistik, Produktion und Vertrieb. Mit einem integrierten Herstellungskonzept am neuen Standort Baruth und sorgsam getrennten Vertriebskanälen tritt das Unternehmen in einem Laminatbodenmarkt auf, in dem nicht wenige mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Classen Industries hat keine Angst vor dem Aufbau neuer Kapazitäten. Im Holzindustriepark Baruth, südlich von Berlin, wurden rund 48 Mio. EUR in ein neues Werk investiert, das jährlich 20 bis 25 Mio. qm Laminatboden produzieren kann. Das ist aber nur der Anfang. Eine "Spiegelwand" an der Nordseite ermöglicht die zukünftige Erweiterung der Produktionsfläche auf das Doppelte. 39.000 qm Hallenfläche waren der erste Schritt. Insgesamt umfasst das Gelände 440.000 qm. Bei dem Erwerb wurde an eine eigene Energiezentrale und ein zusätzliches Imprägnierwerk gedacht.

In allen lukrativen Märkten zielgerecht aufgestellt zu sein - das ist der Anspruch des Laminatbodenherstellers Classen. Bei Akzenta und der Vertriebsmarke Wiparquet sollen sich Produkte in Bezug zu den Zielgruppen nicht ins Gehege kommen. Classen will keine hauseigene Konkurrenz erzeugen, indem gleiche Ware in Baumarkt und Fachhandel vertrieben wird. Classen-Geschäftsführer Ralf Eisermann: "Wir wollen uns nicht selbst kannibalisieren, wie andere Hersteller es getan haben." Deshalb konzentriert Classen seine Vertriebskanäle getrennt auf das jeweilige Kundenpotential.

Der Außendienst ist klar differenziert. Während eine Mannschaft Baumärkte betreut, operiert das Fachhandelsteam von Wiparquet von eigenen Standorten aus: Bremen, Dortmund, Eltville, Nagold-Vollmaringen und Unterhaching. Neueste Errungenschaft ist die Akzenta Industrie Vertriebs GmbH. Am 1. Juli gegründet, werden über diesen Kanal industrielle Kunden angesprochen, die selber Hersteller sind. "Dieser Kunde", beschreibt Eisermann das Profil, "weiß genau, was er will, kann es aber nicht selbst herstellen. Hier geht es um Produktsortimente, die vervollständigt werden sollen, um Kapazitätsengpässe oder um Produkte, auf die wir Lizenzen besitzen."

Inspirieren lassen sich solche Kunden oft von Wiparquet-Dekoren. Wiparquet - 1997 ins Leben gerufen und mit jährlich 2 Mio. verkauften qm das hochwertige Flaggschiff der Classen-Herstellung - ist als Name imageprägend und wird international mit Classen assoziiert. Eisermann: "Kunden nutzen diese Produkte als Ideenpool und fragen nach, ob wir für sie Ähnliches für bestimmte internationale Märkte produzieren können."

Kurze Wege sparen Logistik-Aufwand

Das strenge Gliedern der Vertriebskanäle bringt nach Unternehmensaussage ein positives "Feedback" im globalen Markt. Zweiter Faktor in der Unternehmensstrategie ist eine Politik kurzer Wege. Statt immer größer zu werden, konzentriert Classen sich auf das Wesentliche am Standort. Das spart Kosten und schafft Ressourcen, um Preisschwankungen, gesunkene Produktmargen und andere Veränderungen am Markt auffangen zu können.

In Baruth besteht der integrierte Standort aus dem Nadelholzpotential regionaler Wälder, dem Sägewerk Klenk, dem MDF-Werk Kunz und der neuen Classen-Laminatfabrik. Alles liegt in unmittelbarer Nachbarschaft. Ähnliche Einsparpotentiale im logistischen Bereich besitzt sonst nur das Egger-Werk in Wismar.

Classen kauft seine Trägerplatten direkt gegenüber. Im Frühling wurden nur 10 % des Bedarfes auf diese Weise gedeckt, mittlerweile sind es schon 90 %. Der Frachtkostenvorteil ist entsprechend gestiegen. Er beginnt bereits dort, wo das Holz aus der Umgebung stammt und das MDF-Werk in der Folge mit Nadelholzspänen aus dem Sägewerk Klenk "gefüttert" wird.

Dass Classen Kapitalteilhaber am MDF-Werk Kunz ist, spielt laut Unternehmensauskunft nur eine sekundäre Rolle. Ralf Eisermann: "Alle Partner agieren eigenständig, nutzen lediglich die gegenseitigen Synergieeffekte. Das MDF-Werk hat einen wesentlich höheren Ausstoß als unser Bedarf von 40 Mio. qm und hält deshalb über andere Abnehmer einen durchgehenden Kontakt zum Markt."

Dass Classen seine MDF-Platten auch woanders kaufen würde, wenn es eine günstigere Alternative gäbe, bleibt in der Regel Theorie, da in Baruth alle Holzverarbeiter ihre Kompetenzen zum gegenseitigen Vorteil nutzen können.

Innovationsführer bleiben

Kompetenz ist auch das Stichwort zum dritten Punkt der Unternehmensphilosophie von Classen. "Dort wo wir Kompetenz haben, wollen wir auch Marktführer sein", lautet der Anspruch. Das bezieht sich in Sachen Laminatboden auf die Vervollkommnung der Oberflächen - immer naturgetreuere Dekore und Strukturen - sowie im technischen Bereich auf den Einsatz von Laminatpressen, die bereits mit einer Geschwindigkeit weit unter 12 Sekunden operieren.

Schnell und sicher - das ist die Devise. Fehlerquellen werden ausgeschaltet. Im Werk Baruth sorgt eine hohe Automatisation für ständige Qualitätskontrolle. Der Mensch ist noch präsent, aber nur an entscheidenden Schaltstellen. Von der Anlieferung der Rohware bis zur verpackten Laminatdiele verfolgt die EDV über Bar-Code den Herstellungsprozess. Permanente Inventur und Zugriff auf jede Palette garantieren dem Abnehmer eine "Just-in-time" Lieferung. Die Zentrale in Kaisersesch erhält über eine Online-Verbindung die Übersicht über den Materialfluss.

So ist es möglich, ein Werk von 39.000 qm Hallenfläche und drei Profilierungslinien mit knapp 90 Mitarbeitern zu betreiben - inklusive Verwaltung. Und das auf einem hochwertigen Niveau. Probleme, wie gebogene Laminatdielen, sind angeblich seit Jahren nicht mehr aufgetreten. Ralf Eisermann: "Das Thema "Banane" gibt es höchstens noch bei falscher Lagerung im Handel."

Feuchtigkeit ist ein Kanten-Thema

Feuchtigkeit spielt im Herstellungsprozess eine wichtige Rolle. Eisermann widerspricht der Aussage eines Sachverständigen (ParkettMagazin 4/03, S. 131), Laminatbodenhersteller könnten die Lieferfeuchte ihres Produktes nicht garantieren."Wir brauchen für den Vorgang in der Kurztaktpresse sogar eine gewisse Feuchtigkeit. Dazu dringt aus dem erhitzten Melaminfilm Feuchtigkeit in die Platte ein. Ein weiterer Teil kommt aus der Luft. Entscheidend ist letztlich, dass die Platte eine konstante Feuchtigkeit behält."

Stärkeres Augenmerk legt Classen auf Feuchtigkeit, die bei der Bodenpflege auf das Laminatprodukt einwirken kann. Hier besitzt das Unternehmen ein schlagendes Verkaufsargument - seinen Iso-Waxx Kantenschutz. Im hausinternen Vergleichstest mit der Kantenhydrophobierung anderer Hersteller hielt dieses System stehender Nässe auf der Oberfläche in der ersten Stunde am Besten stand. Dehnt man den Test auf mehrere Stunden aus, ändern sich die Werte - dann quillt auch die Classen-Trägerplatte. Dem Hersteller aber reicht das Ziel, dem Verbraucher eine Stunde Zeit zu geben, einen umgefallenen Eimer Wasser aufwischen zu können, ohne dass Schaden am Boden entsteht.

Iso-Waxx besitzt den Vorteil, der Oberfläche nichts anhaben zu können. Deshalb kann die gesamte Kante mit dem Wachs getränkt werden. Andere Mittel würden nur bis knapp unter die Kante aufgesprüht und lassen einen winzigen Streifen unterhalb der Oberfläche frei - hier kann Feuchtigkeit angreifen. Iso-Waxx - das obendrein als Gleitmittel der Lock-Verbindung fungiert - wird beim Zusammenfügen der Laminatdielen dagegen aus der sich schließenden Fuge nach oben gedrückt und dichtet damit noch besser ab. Überschuss kann einfach abgekehrt werden.

Wohin entwickelt sich der Laminatboden?

Nicht immer erzeugt der Marketingdruck Eigenschaften, die so notwendig gebraucht werden, wie ein funktionierender Kantenschutz. Mit der antibakteriellen Oberfläche "Microban" hat Classen frühzeitig einen Zusatznutzen geschaffen, der dem Verbraucher die Kaufentscheidung erleichtern soll. Unabhängig von der Frage, ob eine Laminatoberfläche mit Microban-Wirkstoff tatsächlich von entscheidender hygienischer Bedeutung ist, bietet diese Lösung ein Stück mehr Sicherheit.

Classen hat weitere "Schmankerl" für höherwertige Oberflächen in der Schublade. Sie zielen auf Bereiche, Materialien und Begriffe, die bereits im Verbraucherbewusstsein verankert sind. Zur kommenden Domotex 2004 könnte davon etwas das Licht der Öffentlichkeit erblicken.

Im Design Workshop des Werkes Baruth bereits "live" zu sehen sind Neuerungen wie "Synchrotex Wood". Dabei handelt es sich um die übereinstimmende Bearbeitung von Druckbild und Oberflächenstruktur. Das heißt: Wo ein Ast ist, fühlt es sich auch nach Ast an. "Wood Grain in Register" lautet der fachliche Terminus für diese Nachahmung des natürlichen Oberflächenbildes gelebter Hölzer. Die Technologie stammt aus dem Tapetendruck. Classen hat zunächst seinen Nevada Eiche-Schiffsboden (1.286 x 194 x 8 mm) und eine Colorado Landhausdiele bis zur XXL-Version (2.200 x 194 x 8 mm) mit der Synchron-Pore ausgestattet.

Unter dem Arbeitstitel "Colorado" ist auch eine Laminatplanke zu bestaunen, die einen optisch verblüffend echten Fasen-Eindruck vermittelt. "Der beste 3D-Fugeneffekt, den es gibt", behauptet das Unternehmen zu dieser Entwicklung der "Registered Bevelled Edges", wie der englische Begriff lautet. Einfache Reinigung der Oberfläche stand im Mittelpunkt. In vertieften Fugen nämlich sammelt sich leicht Schmutz und Wischwasser. Einem
Laminatboden, der nur visuell den 3D-Effekt hervorruft, kann das nicht passieren.

Die Qualität dieser 3D-Optik findet sich auch in der Serie "Palazzo" - ein Boden wie Stein. Von Marmor über Travertin bis zu Schiefer hat Classen eine Auswahl wertvoller Natursteine in Laminatbodendekore umgesetzt. Eine gebrochene Steinfugenanmutung trägt zur Natürlichkeit bei. Mit diesem Produkt will das Unternehmen auch in Ländern Furore machen, wo Laminatprodukte als Bodenbelag bisher kaum eine Rolle spielten.
aus Parkett Magazin 06/03 (Wirtschaft)