Tendence Lifestyle - Internationale Frankfurter Messe

Kuscheln gegen Lustlosigkeit

Frankfurt - Vorbei die große Lustlosigkeit oder der ängstliche Spartrieb? Nicht ganz, aber aufgeweicht scheint diese generelle Kaufzurückhaltung zu sein. Zumindest nach den Aussagen der Aussteller und Fachbesucher der großen Frankfurter Konsumgütermesse im Herbst, also vor dem Weihnachtsgeschäft. Die Messe musste zwar einen Besucherrückgang von sechs Prozent verzeichnen, berichtet dafür aber über die gestiegene Zahl internationaler Messebesucher (29 Prozent gegenüber 26 Prozent 2004). Drei Viertel der Besucher - bei einer Gesamtzahl von fast 90.000 aus 105 Ländern - schätzen die aktuelle Branchenkonjunktur als gut bis befriedigend. Die 3.409 ausstellenden Unternehmen aus 81 Ländern bewerteten die Lage ebenfalls optimistisch, aber etwas verhaltener. Viele von ihnen, darunter Anbieter textiler und dekorativer Wohnaccessoires und Geschenkartikel, stellten fest, dass der Handel sich aufgeschlossener zeigte und bereit war, ins Sortiment zu investieren.

Zuwachs gab es erfreulicherweise bei den kleinen und mittleren Fach-Einzelhandelsgeschäften. Sie gingen kreativ - so die Aussteller - auf interessante Angebote ein. Unter dem Thema Lifestyle - nicht neu, aber gut zu verstehen - ließen sich Neuheiten in Wohnwelten interpretieren, die Einzelprodukte nicht unterbewerteten, aber doch die stimmige Gesamtwirkung der Präsentationen in den Vordergrund stellten. Dabei machten Form, Farbe und Funktion des einzelnen Stückes neugierig, weckten die eigene Fantasie und regten an zum Kombinieren. Eigentlich all das, was der Handel dem Konsumenten gegenüber erreichen will. Emotionen wecken, sagen Marketingstrategen. Und ganz so leicht, wie es klingt, ist es dennoch nicht. Schließlich muss alles stimmen. Witz und Funktion allein bringen es nicht, dazu sind die Verbraucher zu verwöhnt und kritisch.

Wohnen hat so viele Facetten. Alle gehören zum Lebensstil und wollen berücksichtigt werden. Ist man als Verbraucher schon dabei, Spaß am Einkaufen zu haben, ist es gut, viele Anregungen gebündelt zu finden, um in Schwung zu bleiben. Die Messegestalter unterstützen diese Idee mit Lifestyle-Trendwelten wie Modern Living (trendy und avantgardistisch), Emotion (modern und elegant), Joy (bunt und verspielt), Function (funktional und praktisch) und Passione (sich schmücken ist Lifestyle!). Die Aussteller nutzten meist geschickt diese Orientierungsvorgaben. Die Stände waren im Allgemeinen offener und einladender gestaltet, gaben Überblick und ließen Bewegungsfreiheit. Genügend Platz zu haben und die Dinge in die Hand nehmen zu können, scheint sehr wichtig zu sein. Es zeigt ja von Emotion und Interesse, selbst damit umzugehen.

Emotionen können verändert und beeinflusst werden

Besonders im Bereich Funktion - Küche, Haushalt und Tischkultur - bemüht man sich, vom Standard und vor allem vom zerstörerischen Preiswettbewerb weg zu kommen, bestätigt Thomas Grothkopp, Geschäftsführer des Bundesverbandes für den gedeckten Tisch, Hausrat und Wohnkultur e.V.. Der Fachhandel in diesem Bereich muss sich neu orientieren, mutig eigene Aktivitäten anpacken, sich intensiver und lustvoller mit Farben, Formen und Design beschäftigen. Hersteller textiler Wohnaccessoires, die sich zeitweilig auf den Konsumgütermessen etwas an den Rand gedrängt vorkamen, konnten genussvoll die Lifestyle-Welten gestalten. Mit Blick auf die GPK (Glas/Porzellan/Keramik)-Branche, mit der sie schließlich zum Thema Tischkultur und Wohnen insgesamt in einem Boot sitzen, kommentierten sie: "Wir müssen schon lange mit diesen Schwierigkeiten fertig werden und lassen uns immer wieder was einfallen!". Gutes Design ist für sie Voraussetzung mit Mut zu neuen Materialien und originellen Farb- und Dessinkompositionen.

Der kreative Handel ist unterwegs

Mehr als bisher fiel auf, dass Textiles kreativ verarbeitet in sämtlichen Lifestyle-Themen zu finden war. Im Wohnbereich ist es unentbehrlich bei der Gesamtgestaltung und bringt vor allem die dekorative Note. Noch nie gab es so viele klar konzipierte textile Produkte, die im Ensemble wirken und als Einzelteil oft Mehrfachfunktion haben. Das tut sicher dem Weihnachtsgeschäft gut. Apropos Weihnachten, da lässt sich gut mit Emotionen spielen. Aber auch hier vermied man Kitsch und ein Zuviel, versuchte mit Farben und Dessins Stimmung zu schaffen. Von Ausstellerseite her wurde immer wieder die Bereitschaft betont, Unterstützung bei der Sortimentsgestaltung zu geben. Stark ist natürlich der Wunsch nach einer Präsentationsform, die einen Gesamteindruck schaffen kann. Fast jeder namhafte Hersteller entwickelte für Wohnaccessoires spezielle Präsentationsformen und dekorative Warenträger. Der Shop-in-Shop ähnlichen steht allerdings gerade der kleinere, kreative Einzelhändler zurückhaltend gegenüber.

Design bewegt Frankfurt

Die Tendence Lifestyle - zum dritten Mal in dieser Ausrichtung - hat mit ihrem Konzept der Lifestylewelten Aussteller und Besucher überzeugt. Auch das Förderprojekt der jungen Avantgarde im Sonderareal "Talents" (Halle 6.1 und erstmalig ebenso in Halle 8.0) erwies sich wiederum als Publikumsmagnet und hat sich als zuverlässige Kontaktbörse etabliert. Die Entwürfe und Prototypen der Jungdesigner, Hochschulabsolventen und Startup-Büros waren vielseitig, frech und ironisch und überraschten mit ungewöhnlichen Materialkombinationen, mit Oberflächenspielen, alten, wieder belebten Handwerkstechniken. Spaß machte, auch für praktische Designentwicklungen, der liebe- und phantasievolle Umgang mit textilem Material.

Mit zwei Off-Events in der Stadt versuchte die Messeleitung den Brückenschlag zwischen strenger Fachmesse und an Design interessierter Öffentlichkeit. Zur internationalen Avantgarde "designersblock" und zu "fresch", innovativem und frechen Design aus der Region, hatten alle Bewohner rund um die Mainmetropole Zugang. Diese Events kamen an und ermutigen die Frankfurter Messemacher, auch auf der Heimtextil im Januar 2006 wiederum mit speziellen Events außerhalb der Messehallen breites Publikum über Designideen zu informieren.

Suche nach Romantik, Geborgenheit und Wärme

Man spricht von barocker Üppigkeit, Luxus, Opulenz. Porzellan und Glas zeigen pompöse Dekore, Textilien und Möbel ziehen elegant und aufwändig mit. Ornamentik und Formen inspirierten sich an Barock und Jugendstil, werden aber in neuen Materialien umgesetzt und so entstehen innovative und trendige Produkte. Markant ist die tief getönte Farbgebung, die aber dennoch nicht schwer und düster wirkt, sondern leuchtet und funkelt mit Gold, Kupfer und Oliv. Mystisches Violett und Schwarz-Rot-Kombinationen prägen das Farbbild. Diese üppigen Lifestylewelten wecken Emotionen und Visionen von Asiens weiten Steppen und Reitervölkern, von byzantinischem Glanz und Glamour. Dramatische Pailletten- und Tülldekore kombinieren sich unkompliziert mit kühlem Prägeleder, mit Blumenmotiven oder hochwertigen, unifarbenen Damasten, Leinen, Seide. Immer wieder tauchen auf Wohnaccessoires poetische Sprüche auf.

Nostalgisches lebt wieder auf in neuer Form

Traditionell handwerklich Verarbeitetes wird komfortabel betont durch metallisch Schimmerndes. Zu eleganter Krokoprägung drapieren sich großzügig Lederplaids, langhaarige Felle, kuschelige Kissen und reich bestickte Textilien. Daneben fällt die zurückhaltende, schlichte und doch edle Linie auf mit natürlichen Materialien und Formen wie Äste, Baumstamm-Optik, laminierte Kokosnussschalen. Verschiedene Brauntöne, warmes Rot, Amber und Honig, Sand- und Champagnertöne. Viel Weiß, Aqua-Blau und Grün-Gelb-Schattierungen betonen diese Natürlichkeit, die Vertrauen weckt und Wärme schafft.

Der Tisch und Tisch-Dekor stehen im Blickpunkt. Hier hat die Kreativität freien Lauf und sucht unkonventionelle Kombinationen, Hauptsache effektvoll, nicht überladen und warm. Wertvolles Leder, teuer verarbeitet, kombiniert sich mit Bambusrohr-Sets. Unzählige Kissen, Decken und Plaids türmen sich zu Kuschelecken. Mehr als bisher werden das dekorierte Bett und besonders die textile Badausstattung mit einbezogen in die Wellness-Wohnwelt.

Die nächste Tendence Lifestyle findet vom 25. bis 29. August 2006 in Frankfurt am Main statt.
aus Haustex 11/05 (Wirtschaft)