Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie

Textilforschung wichtig für den Produktionsstandort Deutschland

Wuppertal - Von weiten Teilen der Textilindustrie leider unbemerkt, beschäftigen sich in Deutschland 17 wissenschaftliche Institute mit textiler Forschung. Diese sind mit kompetenten Wissenschaftlern besetzt und liefern wichtige Impulse für die deutsche Textilindustrie und deren Standortsicherung. Der Gesamtverband der Textilindustrie in der Bundesrepublik Deutschland - Gesamttextil - sowie dessen Fach- und Landesverbände haben sich zur Vertretung aller mit der Forschung und Entwicklung verbundenen Interessen als ordentliche Mitglieder im Forschungskuratorium Textil e.V. (FKT) zusammengeschlossen. Gemeinsam mit weiteren Partnerorganisationen erfolgt im Forschungskuratorium die Förderung und die Koordinierung von Gemeinschaftsforschungsprojekten der Textilindustrie sowie vor- und nachgeschalteter Industriebereiche.

Das Forschungskuratorium Textil e.V. ist eine von über 100 industriellen Forschungsvereinigungen, die als Mitglieder in der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) zusammengeschlossen sind. Die Industrie getragenen Forschungsvereinigungen der AiF können öffentliche Fördermittel zur Durchführung von Gemeinschaftsprojekten an Forschungseinrichtungen beantragen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) stellt dazu jährlich insgesamt einen Betrag von ca. 90 Mill. Euro zur Verfügung. Die AiF betreut die geförderten Vorhaben der Gemeinschaftsforschung von der Antragsbearbeitung über die Begutachtung und Mittelbereitstellung bis zur Schlussdokumentation. Diese Arbeit der AiF wird ausschließlich von den Mitgliedsvereinigungen finanziert. Von den 90 Mill. Euro, die jährlich für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt werden, entfallen rund zwölf Millionen Euro auf die Textilindustrie, von denen ca. 60 Projekte/Jahr finanziert werden, d.h. für jedes Projekt werden etwa 200.000 Euro zur Verfügung gestellt.

Auch der Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie ist Mitglied beim FKT. In der Regel werden die einzelnen Projekte von Textilforschungsinstituten vorgeschlagen. Seit einiger Zeit sind aber auch die Fachverbände wie beispielsweise der Heimtextilienverband berechtigt, Vorschläge für Forschungsprojekte zu benennen, womit nunmehr auch direkt aus der Industrie über die Mitgliedschaft in den Fachverbänden ein Forschungsbedarf formuliert werden kann. Die Vorschläge durchlaufen dann die wissenschaftlichen Beiräte der einzelnen Institute sowie weitere Expertengremien, die die Förderung bewilligen müssen. Darüber hinaus werden Projekte für die Textilindustrie auch aus anderen nationalen und internationalen "Fördertöpfen" finanziert, so z.B. aus den Mitteln der. EU-Rahmenforschungsprogramme, aus denen gemeinsam mit anderen europäischen Institutionen Forschungsprojekte finanziert werden.

Für Gemeinschafts-Forschungsprojekte hat das Forschungskuratorium Schwerpunkte der Textilforschung in Form folgender Leitthemen festgelegt:

Produkt-Innovationen zur Steigerung des Kundennutzens mit Schwerpunkten in den Bereichen: Bauwesen (Hoch- und Tiefbau, Geo- und Agrarsektor); Bekleidung (neue Eigenschaften, modifizierte Oberflächen und Strukturen, neuartige Faserstoffe, Schutzfunktionen); Energiewesen (Wärmedämmung, alternative Energienutzung); Gesundheitswesen (Medizin, Hygiene, Krankenhaus); Haus- und Heimtextilien (spezielle Funktion für Teppichboden, Deko- und Möbeltextilien); Industrietextilien (Transport- und Antriebstechnik, Verpackung); Umweltschutz (Filter, Schallschutz); Verkehrswesen (Automobil, Bahn, Schiff- und Luftfahrt).

Verfahrens-Innovationen in ökonomischer und ökologischer Hinsicht: Neue oder deutlich verbesserte Prozesse vom Rohstoff bis zum Endprodukt; Recycling/Kreislaufwirtschaft; Minimierung von Belastungen am Arbeitsplatz und Emissionen nach außen; Entwicklung von Verfahren und Methoden zur Qualitätssicherung.

Kooperation und Kommunikation in der textilen Wertschöpfungskette: Management nachhaltiger Innovationsprozesse; neue Geschäftsmodelle für die Textilwirtschaft auf der Basis von Internet-Technologien; Produktionsmanagement für dynamische textile Wertschöpfungsnetzwerke.

Textile Gemeinschaftsforschung

In Deutschland befindet sich die Branche in einer besonders schwierigen wirtschaftlichen Situation: Das heimische Textilgewerbe wurde aus einer etablierten Position im Weltmarkt durch neue Wettbewerber aus Schwellenländern mittels eines scharfen Preiswettbewerbs zurückgedrängt. Technologisch können diese Wettbewerber mittlerweile gut mithalten. Beheimatet in einem Hochlohnland, muss die deutsche Industrie ihre Chancen im Technologie-Wettbewerb suchen, um den aktuellen Tendenzen entgegenzuwirken: Für die deutsche Textilindustrie wird laut Prognos ein moderat sinkendes Produktionsvolumen, geringes Umsatzwachstum und Halbierung der Beschäftigtenzahl in den nächsten 20 bis 30 Jahren erwartet.

Eine weitere Besonderheit ist die Branchenstruktur: Das deutsche Textilgewerbe besteht traditionell überwiegend aus kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die Unternehmensgrößen sind oft zu gering, um international kostenseitig mithalten zu können oder sich eine eigene Forschungsabteilung leisten zu können. Das Prinzip "economy of scale", also des Kostenvorteils großer Produktionsvolumina, muss mit Innovationen durchbrochen werden, um effizient, hochflexibel und Ressourcen schonend produzieren zu können.

Zur Darstellung des Forschungspotentials der Textilforschungsinstitute stellvertretend einige Beispiele für abgeschlossene oder noch laufende Projekte:

- Einsatz von überkritischem Kohlendioxid als Extraktions- und Färbemedium in der Textilveredelung (Färben ohne Wasser).
- Entwicklung neuartiger textiler Implantate und Prothesen mit kontrollierten therapeutischen Funktionalitäten.
- Herstellung hochfester und hochtemperaturbeständiger oxidkeramischer Endlosfasern für den Einsatz in Hochleistungs-Verbundwerkstoffen (Fahrzeug- und Flugzeugbau).
- Bakterien abweisende Ausrüstung von Medizin- und Hygieneprodukten mit hoher Biokompatibilität.
- Einsatz von Hochleistungs-Faserverbundwerkstoffen an Textilmaschinen.
- LifeCycleMan - Entwicklung eines Systems zum elektronischen Produktzyklus-Management.
- Erforschung der physiologischen Grundlagen des Schlafkomforts von Kinderbettwaren.
- Grundsatzuntersuchung der mechanischen und physiologischen Eigenschaften von Bezugsmaterialien für Polsterungen als Basis für innovative Neuentwicklungen im Möbelstoffbereich.
- Entwicklung eines neuen Verfahrens zur farblichen und strukturellen Gestaltung von Jacquardgeweben auf Basis der subtraktiven und additiven Farbmischtechnik.
- Entwicklung von Schlafzimmertextilien zur physikalischen Abschirmwirkung gegen Elektrosmog.

Warum brauchen wir Forschung?

Die von den Textilforschungsinstituten gelieferten Erkenntnisse und Forschungsergebnisse dienen den Industrieunternehmen in der Branche als Grundlage für eigene Entwicklungen und individuelle Innovationen, mit denen sich die Unternehmen im Markt ihre Position sichern können und durch Know-how-Vorsprung auch Wettbewerbsvorteile erzielen.

Ferner können Produkte und Prozesse unter ökologischen und gesundheitlichen Aspekten optimiert werden. Das wiederum schafft die Grundvoraussetzung dafür, dem ständig wichtiger werdenden Verbraucherschutz-Gedanken mit verbesserten Produkten entgegenzukommen. Werden zudem Produkte, Prozesse und interne betriebswirtschaftliche Abläufe unter ökonomischen Gesichtspunkten optimiert, so trägt dies nachhaltig zu einer Reduzierung der Produktionskosten bei.

All die hier genannten Maßnahmen im Bereich Forschung tragen schlussendlich in einem sehr wesentlichen Maß zur Sicherung des Produktionsstandortes Deutschland bzw. Europa bei.
aus Haustex 09/05 (Wirtschaft)