Standesorganisationen buhlen um den Bodenleger

Ehemals geächtet - nun heiß begehrt

Seit einem knappen Jahr ist das Bodenlegen nun ein "ordentlicher" Ausbildungsberuf und schon streiten sich die Standesorganisationen von Parkettlegern und Raumausstattern über die Zuständigkeiten - dabei wollten sie noch vor wenigen Jahren gar nicht so gern mit dem Bodenlegergewerbe in Verbindung gebracht werden. Auf der TKB-Fachtagung in Frankfurt erstmals vorgelegt, geistern nun entsprechende Werbebroschüren der Standesorganisationen durch die Branche. Was sollen die Bodenleger selbst von alledem halten? Eine kommentierte Analyse von Sven Rutter

Auf der Frankfurter Klebstofftagung ging es in diesem Jahr einmal nicht nur um Klebstoffe, sondern auch um den neuen Ausbildungsberuf zum Bodenleger - zumindest inoffiziell: Nach der ersten Kaffeepause am Vormittag fanden die Teilnehmer plötzlich ein Informationsblatt mit dem Titel "Bodenleger - die kreativen Fußbodentechniker aus dem Raumausstatter-Handwerk" auf ihrem Platz. Nach der Mittagspause lag daneben schließlich auch eine Mitteilung des Zentralverbandes Parkett und Fußbodentechnik, BIV Parkettlegerhandwerk und Bodenlegergewerbe, mit der Headline "Hurra, der neue Ausbildungsberuf ist da."

Beide Broschüren geistern seitdem durch die Branche. Was hatte es damit auf sich? Dass das Bodenlegen seit 2002 Ausbildungsberuf ist, dürfte sich doch inzwischen hinlänglich herumgesprochen haben. Hier geht es offenbar um mehr. Was wollen uns die Absender der schönen Broschüren mitteilen?

Raumausstatter präsentieren sich als die besseren Bodenleger

Schauen wir einmal genauer hin und beginnen wir dabei chronologisch mit der Broschüre des Zentralverbandes für Raum und Ausstattung (ZVR): In dem aufwendig, auf hochwertigem Papier in 4-Farb-Druck gestalteten 12-Seiter erklärt der Kölner Berufssachverständige Richard A. Kille in seinem "Intro", dass der Bodenleger "über Jahrzehnte" mit der Tradition des Raumausstatter-Handwerks verbunden sei. Das Raumausstatter-Handwerk biete den Bodenlegern vor diesem Hintergrund das nötige "fachliche Know-how ... gepaart mit der unverzichtbaren Kreativität für die Ausstattung und Gestaltung von Fußböden und Bodenbelägen aller Art".

Den folgenden, achtseitigen Innenteil der Broschüre bildet dann auf einmal eine "Sonderausgabe" der Kundenzeitschrift "Cut" des Solinger Klingenherstellers Mozart. Dort berichtet Kille über die aufwendigen Fußbodenarbeiten bei der Renovierung des Mozart-Verwaltungsgebäudes. Die reich bebilderte Objektreportage in Western-Aufmachung ist nett anzuschauen und bietet am Rande durchaus auch einige technische Infos - wobei allerdings die PR für die Produkte des Messer- und Klingenherstellers ebenfalls nicht zu kurz kommt. Was hat das aber nun - neben der unübersehbaren Finanzierungslösung für der Broschüre - wiederum mit der Installierung des neuen Ausbildungsberufes zum Bodenleger zu tun?

ZVR reklamiert hohe Ausbildungs-Kompetenz

Den akrobatischen Bogen schlägt der Autor bereits in seinem Intro: Das Beispiel solle zeigen, wie ein Raumausstattermeister und ein Maler (?) "als passionierte Bodenleger in Person, ihr fachliches Know-how und gelerntes handwerkliches Können" umsetzen. Damit nicht genug: Dabei werde deutlich, "warum das Raumausstatter-Handwerk sich entschieden hat, Spezialisten auszubilden, die als kreative Fußbodentechniker den Bodenlegerberuf im Raumausstatter-Handwerk lernen." Weil die Bodenbelagarbeiten bei Mozart so gut gelaufen sind oder weil es dafür das vielzitierte "Know-how" brauchte? Vermuten wir zugunsten des Autors letzteres.

Daher weht also der Wind: Raumausstatter waren demnach also eigentlich schon immer die besten Bodenleger und wer künftig ein guter Bodenleger werden will, sollte sein Handwerk deshalb auch von Raumausstattern erlernen - die sich hierzu großzügig bereit erklären. Die beiden hinteren Umschlagseiten geben dann schließlich kommentarlos den Wortlaut der Verordnung über die Berufsausbildung zum Bodenleger/zur Bodenlegerin vom 17. Juni 2002 wider, in der jedoch nichts über die angeblich so innigen Familienbande zum Raumausstatterhandwerk steht.

ZVP verweist auf aktive Mitarbeit bei der Schaffung des neuen Ausbildungsberufes

Weniger spektakulär aufgemacht kommt das Informationsblatt des Zentralverbandes Parkett- und Fußbodentechnik (ZVP) daher - eine 6-seitige schwarz-/weiß-Fotokopie, die dafür allerdings inhaltlich sofort auf den Punkt kommt: Dort bittet "die Berufsorganisation, die maßgeblich an der Schaffung dieses neuen Berufes mitgewirkt hat", um Unterstützung "in dem Bemühen, dem Bodenlegerberuf ein neues, hoch qualifiziertes Ansehen zu verschaffen". Als Ansprechpartner stellen sich Bundeslehrlingswart Heinz Brehm und Bodenleger-Fachgruppenleiter Karsten Krause zur Verfügung. Es folgt eine detaillierte Wiedergabe von Ausbildungsprofil, Ausbildungs-Verordnung und Ausbildungs-Rahmenplan zum neuen Bodenlegerberuf.

Hier ist die Botschaft ebenfalls unübersehbar: "Wir, die Berufsorganisation des Parkettlegerhandwerks und Bodenlegergewerbes, haben die Bodenlegerausbildung ins Leben gerufen, wissen, worum es dabei geht und sind dementsprechend auch dafür zuständig." Also doch nicht die Raumausstatter, sondern die Parkettleger? Hätte nur noch gefehlt, dass nach der nächsten Kaffee-Pause in Frankfurt auch noch ein analoges Informationsblatt der Organisationen des Estrichlegergewerbes gefolgt wäre - die halten sich allerdings zumindest bislang vornehm zurück.

Ehemalige "Handwerker zweiter Klasse" auf einmal heiß begehrt

Das Buhlen um die neue Ausbildung hat schon etwas ironisches, wenn man bedenkt, wie viel - oder besser: wie wenig - die einschlägigen Standesorganisationen noch vor wenigen Jahren mit dem Bodenlegergewerbe zu tun haben wollten. Die handwerksrechtlich geschützten fußbodentechnischen Berufe der Anlage A der Handwerksordnung - vertreten durch gestandene Meister ihres Fachs - blickten lange Zeit eher verächtlich auf die Bodenlegerbetriebe, die lediglich als "handwerksähnliches Gewerbe" in die Anlage B der Handwerksordnung eingetragen waren. "Das kann doch jeder machen", hörte man oft von Seiten der Estrich-, Parkett- und Raumaustatterinnungen und es klang immer etwas nach: "Die haben nichts anständiges gelernt" oder "Die üben doch keinen ordentlichen Beruf aus".

Während sich die Raumausstatter verschiedentlich auch durchaus offen gegenüber dem Bodenlegergewerbe distanzierten, nahmen die Parkettleger immerhin Bodenlegerbetriebe in ihre Innungen auf. Aber auch dort wurden letztere als "Handwerker zweiter Klasse" behandelt. Ältere Betriebsinhaber werden sich noch schmerzlich erinnern, dass sie als Bodenleger in einigen Innungen trotz vollem Mitgliedsbeitrag kein Stimmrecht besaßen. "Wer keinen Meistertitel hat, muss jetzt den Saal verlassen", hieß es auf manchen Jahrestagungen, wenn es ans Eingemachte ging.

Nicht gerade uneigennützige Motive

Und nun auf einmal fühlt man sich dem Bodenlegergewerbe auf allen Seiten "traditionell seit Jahrzehnten verbunden" und reklamiert für sich jeweils die Kompetenz zur qualifizierten Ausbildung in diesem Gewerk. Woher kommt dieser Sinneswandel? Drei Motive drängen sich auf:

- Zum einen unterhalten alle genannten Handwerke großzügige Ausbildungszentren, die einen anhaltenden Lehrlingsschwund beklagen müssen und daher verzweifelt nach neuen Wegen suchen, die Bänke zu füllen.
- Hinzu kommt die Aussicht, dass mit der neuen Ausbildung eine neue Generation qualifizierter Betriebsinhaber heranwächst, die man jeweils gern als zahlende Innungsmitglieder gewinnen möchte.
- Zum anderen geht es wohl auch um die eigene Daseinsberechtigung - denn angesichts der geplanten Novellierung der Handwerksordnung verspricht die Integration des Bodenlegergewerbes den Standesorganisationen der "Vollhandwerke" zumindest zahlenmäßig eine stärkere Lobby.

Alles nicht gerade uneigennützige Motive - was sollen die Bodenleger selbst davon halten? Wir empfehlen einen selbstbewussten Standpunkt nach dem Motto: "Wer uns haben will, soll uns auch etwas bieten." Denn Bodenleger brauchen sich spätestens seit Installation des neuen Ausbildungsberufes nun wirklich nicht mehr zu verstecken. Sie stehen jetzt auf einer Stufe mit vielen anderen anerkannten, "ordentlichen" Berufen - schließlich ist auch bei vielen Lehrberufen in Industrie und Handel kein Meisterbrief vorgesehen, weil es sich schlichtweg um keine Handwerksberufe handelt. Würde man deshalb aber einem gelernten Groß- und Außenhandelskaufmann vorwerfen, er hätte keinen "anständigen" Beruf erlernt? Jeder Bodenleger sollte daher genau prüfen, wie viel ihm die Mitgliedschaft in der einen oder anderen Standesorganisation selbst bringt.

Wer steht dem Bodenleger tatsächlich näher?

Und wer bietet nun wirklich mehr? Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die Organisationen der Parkett- und auch der Estrichleger in fußbodentechnischen Belangen zumindest bislang deutlich mehr Engagement gezeigt haben als die der Raumausstatter - vielleicht abgesehen von deren Sachverständigen-Vereinigung BSR. Es verwundert daher nicht, dass die Broschüre des ZVR zu allererst auf die lange Tradition des "Tapezierer-Handwerks" sowie die "Historie der Sattler, Polsterer und Dekorateure" verweist. Wer genau liest, wird außerdem feststellen, dass die reklamierte "Bodenleger-Tradition" lediglich auf das Verspannen gewebter Teppichböden und "von Hand eingenähter/konfektionierter Treppenläufer" bezogen wird - zweifelsohne handwerklich anspruchsvolle Aufgabenstellungen, aber wo ist der Bezug zum eigentlichen Kerngeschäft des Bodenlegers? Über elastische und Hartbeläge fällt kein Wort - auch nicht über textile Objektklassiker wie den Nadelvliesbelag. Sind sich die Raumausstatter dafür schon wieder zu schade? Dann sind sie allerdings auch keine "echten" Bodenleger.

Das Engagement des ZVP um den Bodenleger erscheint deutlich glaubwürdiger - schließlich führt die Standesorganisation als Bundesinnungsverband das Bodenlegergewerbe sogar im Namen. Was die Frage der Zuständigkeit für die Bodenleger-Ausbildung angeht, muss man außerdem fairerweise einräumen, dass dem ZVP hier tatsächlich großer Anteil an der Schaffung und kompetenten Ausgestaltung des neuen Ausbildungsberufes zukommt - namentlich Bundeslehrlingswart Heinz Brehm und dem ehemaligen Bundesfachgruppenleiter Bodenleger Josef Klein. Sie haben bereits unter Beweis gestellt, dass sie es ernst meinen mit einer qualifizierten Bodenleger-Ausbildung. Nicht zuletzt hat der ZVP schließlich auch als erster Fachverband ein Lehrbuch für die Bodenlegerausbildung erstellt - das im SN-Verlag erschienen ist, dem Verlag unseres Fachmagazins. Andere Standesorganisationen müssen hier erst einmal nachlegen.

Aber vielleicht tun sie dies ja noch ... warten wir ab, was die Raumausstatter noch aus dem Hut zaubern und ob sich nicht vielleicht auch noch die Estrichleger einmischen oder gar die Fliesenleger? Das Estrichlegerhandwerk bezeichnet sich immerhin offiziell ebenfalls als "Estrich- und Belaggewerbe". Dem Bodenleger kommt letztendlich die Position des sprichwörtlichen "lachenden Dritten" zu: Er hat jetzt die freie Auswahl - nachdem er jahrelang um Anerkennung kämpfen musste.
aus FussbodenTechnik 03/03 (Wirtschaft)