Lanxess Deutschland, Leverkusen

Calciumsulfatestriche - Regionale Unterschiede und Problemlösungen

Wer heute in Deutschland, in Österreich und der Schweiz ein neues Wohn- oder Bürogebäude betritt, schreitet statistisch gesehen bereits in einem von drei Fällen über Böden auf Calciumsulfat-Basis. Calciumsulfatestriche stehen für reklamationsfreie Bodenaufbauten und sind zugleich universelle Baustoffe, die sich flexibel an gewachsene, regionale Besonderheiten in der Verlegetechnik anpassen lassen. FussbodenTechnik stellt das auf Calciumsulfatestriche spezialisierte Anhydrit-Team von Lanxess Deutschland vor und fasst die regionalen Unterschiede dieses Estrichbindemittels zusammen.

Der Boden ist zwar ein eher unauffälliges, gleichwohl aber ohne Zweifel eines der wichtigsten Bauteile eines Gebäudes. Der Estrich muss in den durchschnittlich 60 Jahren seines Lebens schließlich ganz erhebliche Belastungen über sich ergehen lassen und seine Aufgabe trotzdem immer perfekt erfüllen, denn ein vorzeitiger Austausch wäre sehr kostspielig. In den letzten Jahrzehnten sind nicht nur die technischen, sondern auch die ästhetischen Ansprüche an einen Boden gestiegen: Während Mitte des vergangenen Jahrhunderts noch eher die Zweckmäßigkeit die Wahl des Baustoffs bestimmte, wurde die Fläche unter unseren Füßen nach und nach auch von Architekten nicht mehr nur als "stummes" Bauteil begriffen, sondern als wichtiges Gestaltungselement, das vollwertig in das Raumkonzept eingeht. Dehnungsfugen, bei "klassischen" Zementestrichen gang und gäbe, werden zunehmend nicht nur als Reklamationsfallen, sondern auch optisch als störend empfunden.

Die wachsenden Qualitätsansprüche führten dazu, dass sich seit den 60er Jahren ein weiterer Estrich-Werkstoff etablieren konnte, der einige Nachteile zementbasierter Estriche auffängt: Es handelt sich dabei um synthetischen Calciumsulfatbinder, auch "Anhydritbinder" genannt. Dieses Bindemittel, das auf Basis des bei der Flusssäureproduktion als Nebenprodukt anfallenden synthetischen Anhydrits hergestellt wird, kommt mehr und mehr zur Herstellung sowohl von Fließestrichen als auch ihrer konventionellen Pendants zum Einsatz. Mittlerweile liegt der Marktanteil konventionell gefertigter Calciumsulfatestriche in Deutschland in einer Größenordnung von zehn Prozent - das entspricht 30.000 qm pro Tag, mit steigender Tendenz. Calciumsulfatestriche insgesamt machen derzeit geschätzte 30 % des Estrichmarkts in Deutschland aus. Da es sich bei diesen Estrichen jedoch um einen immer noch vergleichsweise jungen Werkstoff handelt, sind sie in Deutschland immer noch recht ungleichmäßig breit vertreten.

Hochburg Rhein-Main-Gebiet

Früher wurde synthetischer Anhydritbinder aus Leverkusen - dem Ort der Herstellung - vor allem über den Rhein verschifft. So ist zu erklären, dass dieser synthetische Calciumsulfatbinder heute entlang der Rheinschiene am häufigsten verbreitet ist. Seinen größten Marktanteil hat er derzeit in den Ballungsräumen Mitteldeutschlands. Im Rhein-Main-Gebiet etwa besteht bereits jeder fünfte Quadratmeter Gebäudeboden aus konventionellem Calciumsulfatestrich auf Basis von Lanxess Calciumsulfatbinder - vor der Umfirmierung als Bayer Anhydritbinder bekannt. Hier hat sich der Binderabsatz in den vergangenen zehn Jahren deutlich erhöht und wächst trotz der derzeit kränkelnden Baukonjunktur noch weiter.

In Teilen Süddeutschlands hat der Calciumsulfatbinder ebenfalls noch große Wachstumspotenziale und das Material ist heute bis in die Alpen ganzjährig in ausreichender Menge verfügbar. Inzwischen haben auch im Bayerischen Wald einige große Verarbeiter ihr Lager aufgeschlagen. Dennoch gilt Bayern immer noch als Zementhochburg, auch wenn sich der Calciumsulfatbinder-Absatz hier in den letzten zwei Jahren glatt verdoppeln konnte. Im Osten Deutschlands, wo in der Vergangenheit viel Calciumsulfat-Fließestrich verarbeitet wurde, konnte der Zement nach der Wende bis etwa 1997 deutlich an Boden gewinnen: In den vergangenen Jahren war der konventionelle Calciumsulfatestrich dort auf dem Rückmarsch, kann sich aber jetzt wieder gegenüber dem Zement behaupten.

Die Schweiz ist der jüngste Markt für den vielseitigen Werkstoff. Dafür aber einer, der erhebliche Steigerungsraten aufweisen kann: zweistellig, Jahr für Jahr. Grund für diese erfreulichen Steigerungen ist die weite Zunahme von Fußbodenheizungen in der Alpenrepublik. Während diese Heizmethode in Deutschland erst allmählich an Boden gewinnt, hat sie sich bei den Eidgenossen fast flächendeckend durchgesetzt: Der weitaus größte Anteil aller Heizungen im Schweizer Wohnungsbau liegt unter dem Estrich. Calciumsulfatestrich ist für die Verlegung über Fußbodenheizungen geradezu prädestiniert, da sich dieses Material auch bei Erwärmung nur wenig ausdehnt. Auch die gute Wärmeleitfähigkeit des Materials macht sich hier positiv bemerkbar.

Im Norden noch Vorbehalte

Bemerkenswerterweise ist die Verbreitung des Calciumsulfatestrichs in Norddeutschland trotz der relativen Nähe zu den Produktionsstandorten noch stark ausbaufähig. Allerdings nicht aus logistischen Gründen, sondern aufgrund regionaler Besonderheiten. Die Zementdominanz im Nordwesten Deutschlands ist so groß, dass Calciumsulfat nur schwer Fuß fassen konnte. Ferner ist den Estrich-Verarbeitern im Norden noch im Gedächtnis, dass die in ihrer Region verbreiteten huminsäurehaltigen Sande noch in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts das Abbindeverhalten von Gips - im Prinzip nichts anderes als "Anhydrit" - negativ beeinflussen konnten. Das führte zu Vorbehalten gegenüber diesem Werkstoff, die auch in Zeiten, in denen die Sandqualität längst kein Problem mehr ist, nur langsam abgebaut werden können. Übrigens auch in anderen Bereichen: So gibt man in westfälischen Gebäuden zum Teil immer noch zweilagigen Kalk-Zement-Putzen den Vorzug gegenüber einlagigem Gipsputz.

Dennoch ist Calciumsulfatestrich auch hier auf dem Sprung, sich großflächig durchzusetzen. Etwa in kommunalen Bauten wie zum Beispiel Krankenhäusern: In langen Fluren mit vielen angrenzenden, großen Zimmern ist die fugenlose Verlegbarkeit des Calciumsulfatestrichs auch zwischen Emden und Rostock ein wichtiges Argument, denn im täglichen Betrieb mit Rollwagen und -betten können die bei Zementestrichen unvermeidlichen Fugen schnell ausbrechen. Calciumsulfatestriche überzeugen hier durch eine weitaus höhere Reklamationsfreiheit.

Traditionen von hocken bis knien

Regionale Besonderheiten prägen die Estrich-Verarbeitung jedoch auch in ganz anderer Weise. So werden Calciumsulfatestriche in einem ausgedehnten Gebiet etwa von Norddeutschland bis zu den Benelux-Ländern eher trockener, also erdfeucht verarbeitet, während im süddeutschen Raum eine eher plastische Verarbeitung dominiert. Das hat sogar Auswirkungen auf die Körperhaltung der Verleger: Während Estriche im Süden meist in der Hocke verlegt werden, arbeitet der Norddeutsche auf den Knien. Diese Unterschiede sind auf die früher vor Ort verfügbaren Sandqualitäten zurückzuführen: Die Sande in Süddeutschland waren von anderer Qualität als zum Beispiel solche aus dem Rheinland, die durch Nassbaggerei gewonnen wurden.

Diese unterschiedlichen Arbeitsweisen haben natürlich Auswirkungen auf die jeweils optimalen Estrichrezepturen. Ein verantwortungsvoller Lieferant muss dem Rechnung tragen, denn er hat immer auch die Aufgabe, seinen Werkstoff optimal an die Gegebenheiten beim Kunden anzupassen. Nur so kann sichergestellt werden, dass stets Estriche höchster Qualität entstehen, die in München schließlich genauso lange halten sollen wie in Kiel. Dies wird sichergestellt durch den Einsatz intelligenter, aufeinander abgestimmter Additivpakete, wie sie von Lanxess angeboten und auf den Kunden zugeschnitten werden.

"Erdfeuchte" Verarbeitung im Norden

Die Herausforderungen, vor denen die Mitglieder des Lanxess Anhydrit-Teams in Norddeutschland stehen, hängen mit gewissen Besonderheiten zusammen, die erdfeuchte Mörtel mit sich bringen. Denn wird bei der Herstellung eines erdfeuchten Mörtels zu wenig Wasser verwendet, kann die Pumpfähigkeit des Estrichs leiden. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Verdichtung nicht hundertprozentig gelingt, die Oberfläche nicht vollständig zugerieben wird und nach dem Aushärten Nester aufweist. Ursache ist die geringere Beweglichkeit bzw. Verdichtungswilligkeit eines zu erdfeuchten Mörtels.

Versucht man, die Verarbeitbarkeit eines erdfeuchten Calciumsulfatestrichs durch höhere Wasserzugaben zu verbessern, muss man erheblich verlängerte Trocknungszeiten in Kauf nehmen. In diesem Spannungsfeld haben sich hochwertige Additive wie zum Beispiel Mebodur bewährt. Dieser Zusatz verringert die Klebrigkeit des Mörtels, macht ihn auch bei geringen Wassergehalten beweglich und sorgt dafür, dass er leichter verdichtet werden kann. Die Folge: höhere Dichten und Festigkeiten, die sich auch bei der Herstellung von Industrieestrichen bzw. Estrichen mit hohem Bindemittelgehalt positiv auswirken. Diese pulverförmigen Mebodur-, Meborapid- und Anhydur BN-Additive sind besonders auf die erdfeuchte Verarbeitung abgestimmt.

Der Bayer mag"s plastischer

Bei der eher plastischen Estrich-Verarbeitung in Bayern liegen die Herausforderungen naturgemäß woanders. Hier bestehen sie darin, lokale Festigkeitsschwankungen und das gefürchtete Absanden der Estrichoberflächen zu verhindern - also Schäden, die durch eine zu hohe Wasserzugabe verursacht werden können. Auch muss hier darauf geachtet werden, dass die Konsistenz des Estrichmörtels gleichmäßig ist und der gesamte Estrichquerschnitt in kürzester Zeit durchtrocknet. Hier helfen dem Verarbeiter Additive wie z.B. Anhyplast von Lanxess, die gewohnte, plastische Konsistenz des Estrichs auch mit weniger extensiven Wasserbeimischungen zu gewährleisten.

Ähnlich wie in Norddeutschland werden in der Schweiz konventionelle Calciumsulfatestriche grundsätzlich erdfeucht verlegt; das Glätten des Bodens erfolgt maschinell über rotierende Scheiben. Hier sorgen Additive wie Anhydur BN für eine gute Plastifizierung, ohne dass Luftporen in den Mörtel eingetragen werden. Sie machen den Mörtel geschmeidiger und stellen obendrein eine gute Verdichtung sicher, ohne dass der Verarbeiter allzu große Wassermengen zu seinem Binder geben muss. Die gewohnten Oberflächenfestigkeiten und Trocknungseigenschaften bleiben damit voll erhalten.

Fazit: Additive sichern regionale Arbeitsweise

Für den Einbau eines hochwertigen, reklamationsfreien Estrichs genügen Standardrezepturen heute bei weitem nicht mehr. Zu einem wirklich tragfähigen Ergebnis gehört heute auch der Einsatz moderner Additive, die nicht nur Sicherheit schaffen, sondern dem Verarbeiter auch erlauben, seine in der jeweiligen Region vorherrschende Arbeitsweise beizubehalten. Die Beibehaltung gewohnter Verfahren bringt ein weiteres Plus an Sicherheit. Zum Angebot des Lanxess Anhydrit-Teams gehört über die Bereitstellung eines umfangreichen Sortiments hinaus nicht nur fachkundige Beratung in allen Anwendungsfragen, sondern auch konkrete Hilfestellung zum Beispiel bei Güteprüfungen auf der Baustelle. So unterstützt Lanxess den Estrichverleger bei Bedarf zum Beispiel bei der Prüfung der Biegezug- und Druckfestigkeit des Estrichs, bis hin zum Probenziehen auf der Baustelle. So ist sichergestellt, dass der synthetische Calciumsulfatbinder auch in Zukunft immer mehr Bauexperten von seinen überlegenen Fähigkeiten überzeugen kann.

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Die Vorteile des Calciumsulfatestrichs

Zur Herstellung von Calciumsulfatestrich wird das Bindemittel Calciumsulfatbinder CAB 30 eingesetzt - ein Baustoff, zu dessen Herstellung nur in sehr geringem Umfang Energie eingesetzt werden muss. Calciumsulfatbinder CAB 30 ist daher ein besonders umweltschonender Binder. Dies allein würde aber nicht ausreichen, Calciumsulfatbinder zum Material der Wahl für mittlerweile jeden dritten Quadratmeter neu verlegter Bodenfläche in bundesdeutschen Wohn- und Verwaltungsgebäuden zu machen. Für den Baustoff sprechen eine ganze Reihe handfester Vorteile:

- Estriche auf Calciumsulfat-Basis weisen im Gegensatz zu Zementestrichen nur ein sehr geringes, nahezu vernachlässigbares Schwind- und Quellmaß von weniger als 0,2Millimeter pro Meter auf. Daher eignet sich dieser Estrich insbesondere für die Verlegung großer, zusammenhängender Flächen. Calciumsulfatestrich hilft also mit, die Visionen des Architekten optimal umzusetzen. Auch der Fliesenleger kann eine ansprechendere Arbeit abliefern, denn das Belagmuster wird nun nicht mehr durch störende Fugen beeinflusst.

- Aufschüsselungen oder Randabsenkungen, bei Zementestrichen ein häufiger Reklamationsgrund, gehören bei Calciumsulfatestrichen der Vergangenheit an. Synthetischer Calciumsulfatbinder ist zudem ein sehr spannungsarm aushärtendes Bindemittel: auf Bewehrungen etwa in Form von Stahlmatten oder Fasern kann bei der Estrichverlegung verzichtet werden. Als Untergrund verträgt sich Calciumsulfatestrich übrigens auch bestens mit Magnesitestrichen, die in repräsentativen Bauwerken gerne als Sichtboden eingesetzt werden.

- Calciumsulfatestriche sind ideal für die Verlegung über Warmwasser-Fußbodenheizungen. Auch konventionell hergestellte Calciumsulfatmörtel lassen sich soweit plastifizieren, dass sie sich ohne Hohlstellen um die Heizschlangen legen. So ist immer eine optimale Wärmeübertragung sichergestellt. Dank der niedrigen Wärmeausdehnung dieser Estrichart sind darüber hinaus auch nur in geringem Umfang Dehnfugen erforderlich.

- Calciumsulfatestriche trocknen schnell und weisen eine sehr hohe Frühfestigkeit auf: Sie können bereits nach wenigen Tagen belastet werden. Bei integrierten Heizsystemen kann bereits ab dem siebten Tag nach der Estrichverlegung mit dem Aufheizen begonnen werden. So können Bauzeitverkürzungen von mehreren Wochen erreicht werden. Grenzen findet der Calciumsulfatestrich zum Beispiel in Außenflächen oder in dauerhaft feuchtebelasteten Bereichen; auch ist seine Abriebfestigkeit geringer als die seines Zement-Pendants. Dennoch ist Calciumsulfatestrich nach Meinung vieler Experten vor allem für anspruchsvolle Bauprojekte immer öfter die ideale Lösung.
aus FussbodenTechnik 06/05 (Sortiment)