Interview mit Hans Uwo Freese, Vorsitzender des Bundesverbandes Estrich und Belag e.V.

"Langfristig müssen wir alle am Boden beschäftigten Gewerke vereinen"

Der Vorsitzende des Bundesverbandes Estrich und Belag (BEB), Hans Uwo Freese, zieht für FussbodenTechnik nach der Hälfte seiner 2. Amtszeit Bilanz. Im ausführlichen Interview berichtet er, was sich seit 1999 geändert hat und was er gerne noch auf den Weg bringen würde. Sein Ziel: Die gewerkübergreifende Branchenplattform ausweiten und langfristig die am Boden beschäftigten Gewerke vereinen.

FussbodenTechnik: Herr Freese, Sie haben 1999 den Vorsitz des Bundesverband Estrich- und Belag (BEB) übernommen. Was hat sich seitdem in diesem technischen Verband des Estrichlegergewerbes verändert?

Hans Uwo Freese: In meiner 1. Amtszeit ist unser Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung (IBF) neu gebaut worden. Wir haben moderne Räume geschaffen, einen neuen Institutsleiter, der sich für die Sache einsetzt und der das Institut bekannt macht. In der Geschäftsstelle gibt es jetzt sehr viel mehr Bewegung und dank unserem Geschäftsführer Edgar Leonhardt auch sehr viel mehr Öffentlichkeitsarbeit als früher. Wir haben Veranstaltungen durchgeführt, die unseren Mitgliedern mehr technisches Verständnis vermitteln sollen. Wir haben uns bemüht, den Verband für unsere Mitglieder zu öffnen und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Und ich glaube, wir haben aus einem etwas ruhigeren Verband einen lebhaften Verband gemacht...

FussbodenTechnik: ...und Sie arbeiten intensiv mit anderen Gewerken zusammen.

Freese: Wir haben vor allem den Verband für die anderen Gewerke geöffnet, also nicht nur darüber geredet, sondern die Gewerksnachbarschaft auch praktiziert - insbesondere Richtung Parkett- und Bodenleger. Es gab Publikationen, Seminare wie die Sachverständigentagung, bis hin zur gemeinsamen Geschäftsführung der beiden Verbände. Ein weiterer wichtiger Punkt: Wir haben die Zusammenarbeit mit benachbarten Verbänden auf gesunde vertragliche Verhältnisse gestellt.

FussbodenTechnik: Getrübt wird die neue Partnerschaft doch sicher von der Novellierung der Handwerksordnung. Wann haben Sie erkannt, dass da etwas kommen würde?

Freese: Wir wurden schon 1998 oder 1999 von der Politik aufgefordert, über die Novellierung der Handwerksordnung nachzudenken. Zu diesem Zeitpunkt hatte man ja schon über 30 Handwerksgewerke aus der Anlage A gestrichen. Es war also abzusehen, dass sich etwas bewegen würde. Dass das nicht zu unserem Vorteil sein würde, ließ sich auch erkennen. Ich habe damals beim Zentralverband Baugewerbe (ZDB) dafür geworben, unsere Interessen besser zu vertreten.

Wenn man diese Signale aufgenommen und von Seiten des Handwerks der Regierung eine Novellierung vorgelegt hätte, hätte man wirklich alte Zöpfe abschneiden können. Ich muss es unseren Gesamtverbänden dem ZDB und auch dem Zentralverband Handwerk (ZDH) als Verfehlung anrechnen, dass sie einfach geschlafen haben.

FussbodenTechnik: Haben nicht auch andere die Gefahr gesehen?

Freese: Doch, zu diesem Zeitpunkt habe ich mich auch mit dem damaligen Bundesinnungsmeister des Parkettlegerhandwerks Dieter Große zusammengesetzt. Wir waren uns einig, dass wir den falschen Weg gehen. Dann hat es auch Gespräche mit den Altvorderen gegeben und auch auf der Parkettseite mit früheren Ehrenamtsträgern. Es war für mich ein Erlebnis zu sehen, wie man sich aus Prinzip bekämpft hat. Vernunftsargumente sind gar nicht erst aufgekommen.

Erst mit dem Wandel im Vorstand beim BEB und auch bei den Parkettlegern hat sich das geändert. Es macht keinen Sinn, dass wir uns alleine weiter durchschlagen. Wir erreichen nur gemeinsam etwas. Das ist uns dann gelungen, indem wir die alten Resentiments einfach über Bord geschmissen haben. Wir haben eine Plattform geschaffen, auf der wir zusammen diskutieren, auf der wir zusammen Veranstaltungen durchführen. Unser Ziel wird sein, eine gemeinsame "Fußboden-Liga" zu erreichen.

FussbodenTechnik: Konnten Sie denn alle am Boden Beteiligten Gewerke von einer engen Zusammenarbeit überzeugen?

Freese: Nein, das ist uns bei den Fliesenlegern noch nicht gelungen. Die sind da vielleicht noch nicht ganz so weit. Alle unsere Versuche, auf Bundesebene mit ihnen ins Gespräch zu kommen, sind gescheitert. Rudolf Voos vom ZDB ist offensichtlich nicht in der Lage, die Fachgruppenleiter zusammen zu bringen, damit man sich mal über Gemeinsamkeiten unterhält. Wir hoffen noch, dass die Vernunft siegt und dass man die Gemeinsamkeiten am Boden mindestens erkennt und dadurch auch aufeinander zugeht.

FussbodenTechnik: Was sind denn Ziele, die Sie in den nächsten zwei Jahren Ihrer Amtszeit auf jeden Fall noch erreichen wollen oder zumindest auf den Weg bringen wollen?

Freese: Mein Wunschziel wäre natürlich, alle mit dem Boden beschäftigten Gewerke zu vereinen, mindestens aber auf eine Linie zu bringen. Wir müssen ja nicht ein großer Klub werden und uns gegenseitig umarmen, aber wir sollten mindestens die Technik zusammen machen. Und, wir sollten uns so zusammenschließen, dass wir auch gehört werden. Ansonsten werden wir heute als Einzelgewerk von den Generalunternehmern nicht mehr ernst genommen.

FussbodenTechnik: Bei den Parkettlegern ist der Weg dafür ist doch schon bereitet, wenn man sich die Estrich- und Parkett-Messe im nächsten Jahr anguckt, die gemeinsame Verbandstagung und einen gemeinsamen Geschäftsführer. Steht am Ende irgendwann auch ein gemeinsamer Verband?

Freese: Das ist noch ein bisschen in weiter Ferne, weil die Angst immer noch zu groß ist. Aber daran arbeiten wir. Die Gewerk übergreifende Branchenplattform ist uns sehr wichtig. Zum einen darf der Fokus nicht nur auf dem Estrichhandwerk liegen, zum anderen müssen nahe stehende Firmen als Gastmitglieder bzw. Fördermitglieder gewonnen werden. Eine weitere wichtige Säule bilden die Sachverständigen.

Diese Plattform wollen wir festigen und erweitern, um die Dienstleistungen für unsere Mitglieder stärker auszubauen. Unser Hauptaugenmerk liegt aber auf der Technik. Wenn die Leute beim Erbringen der technischen Leistung Probleme haben, helfen wir weiter.

Der BEB hat eine große, technische Kompetenz. Das Kernstück des BEB sind die 12 Arbeitskreise, die die technischen Leistungen in Form von Arbeits- und Hinweisblättern erbringen. Das wollen wir auch in Zukunft weiter machen. Wir wollen unabhängig von Kommentaren und Normbestimmungen den Betrieben durch unsere Sammelmappe eine technische Hilfestellungen geben - das ist unser Metier. Wir verstehen uns hier als gewerksübergreifende Dienstleisterplattform mit kurzen Wegen.

Aktuell stellen wir fest, dass unsere Gütegemeinschaft Estrich und Belag unsere Unternehmen im Wettbewerb einen wesentlichen Schritt weiter bringt. Im
1. Halbjahr haben wir einen Zulauf von 15 Unternehmen bei der Gütegemeinschaft verzeichnet. Das bedeutet für uns eine enorme Steigerung.

FussbodenTechnik: Sie haben ja schon häufiger betont, Unternehmer kommt von unternehmen, sich engagieren. Erkennen Sie denn langsam, dass die Botschaft ankommt?

Freese: Wir müssen unsere Unternehmerkollegen sensibilisieren, sich aus der Starrheit zu lösen und mitzugestalten. Nur der Unternehmer kann eigentlich die Richtung angeben. Und das wäre mein Ziel, ihnen klar zu machen, dass sie sich nicht von anderen fremd lenken lassen dürfen, sondern dass sie ihre eigenen Vorstellungen und Wünsche formulieren und einbringen müssen. Was dabei herauskommt, wenn man es immer den anderen überlässt, haben wir bei der Novellierung der Handwerksordnung gesehen.

Wir können nicht nur das tun, was im Augenblick gefragt ist sondern wir müssen auch die Zukunft im Auge behalten. Da sind sicherlich einige Unternehmer auf dem Weg, mir da zu folgen und das genauso zu sehen wie ich. Unsere Arbeitskreise sind ja der beste Beweis dafür, dass es Unternehmer gibt, die auch nach vorne schauen und sich für die Technik einsetzen.

FussbodenTechnik: Seit Jahresbeginn haben sich in den 53 zulassungsfreien Handwerksbranchen im Regierungsbezirk Düsseldorf bis Mitte des Jahres fast 1.200 Firmen in die Handwerksrolle eintragen lassen. An 3. Stelle lagen die Estrichleger mit 136 Einträgen, nach Angaben der Handwerkskammer sind davon 134 ohne jegliche Qualifikation. Was bedeutet das für das Gewerk des Estrichlegers?

Freese: Ich will es mal so sagen: Der Markt gibt nicht mehr genügend Nachfrage her, so dass nicht mehr alle Firmen ausreichend beschäftigt sind. Die Subunternehmen, die wir früher beschäftigt haben, haben keine Arbeit mehr. Was machen sie? Sie gehen mit den Preisen auf den Markt, die sie früher von uns bekommen haben. Ohne Zuschläge für die kaufmännische Verwaltung, für den Verkauf usw. Das bedeutet also erstmal, dass der Preis runtergeht. Fachbetriebe können da nicht mehr mithalten.

Die andere Seite ist, dass die Subunternehmer plötzlich keinen Bauleiter mehr an ihrer Seite haben, der die Arbeit begleitet, sie vorbereitet und sie nachher auch abnimmt. Der Subunternehmer geht jetzt mit seinen nicht ausreichenden handwerklichen Kenntnissen auf den Markt. Die Folge: Die Arbeiten werden nicht ordentlich ausgeführt. Es gibt Reklamationen, Sachverständige werden eingeschaltet, die Gerichte sind völlig überlastet und es gibt entsprechende Pleiten. Das kann nicht in unserem Sinne sein, das wir solch einen Prozess durchwandern: Schlechte Preise, schlechte Arbeit und am Ende unzufriedene Kunden. So wird das Image des Estrichlegers kaputt gemacht.

FussbodenTechnik: Das heißt, das Problem wird sich von selbst erledigen, weil Betriebe ohne Qualifikation Schäden verursachen werden. Diese sind dann schnell insolvent und verschwinden wieder vom Markt.

Freese: Ja, das wird sicherlich der Fall sein, aber das kann man so allgemein nicht sagen. Wenn ein Kleinunternehmer insolvent wird, dann hat er sicherlich noch einen Kollegen, der sich dann zur Verfügung stellt, um das Gewerbe anzumelden.

Wir sehen da sehr wohl eine Entwicklung der Wettbewerbssituation für unsere seriösen Betriebe, die ich als sehr gefährlich einstufen würde. Dass das so weit gekommen ist, liegt sicherlich auch an der fehlenden Lobby der Estrichleger. Die Estrichunternehmen bilden derzeit ganz bescheiden 204 Lehrlinge aus. Die Maler beispielsweise bilden viel mehr junge Leute aus. Insofern haben sich auch die Estrichbetriebe selbst disqualifiziert, weil sie keinen Nachwuchs ausbilden. Weil sie auch dieses Kriterium zur Neuordnung der Handwerksordnung einfach missachtet haben.

FussbodenTechnik: Ist nicht die Ursache der fehlenden Ausbildung darin zu sehen, dass die Estrichunternehmer befürchten, sich eigene Konkurrenz heranzüchten?

Freese: Die Konkurrenz gibt es bei den Malern doch auch. Sie haben ja keinen großen Finanzbedarf, um sich als Maler selbstständig zu machen und das ist übertragbar auf den Estrichleger. Trotzdem werden viele Maler ausgebildet. Bei Estrichbetrieben ist es leider von je her schon immer so gewesen, dass sie sich scheuen, junge Leute auszubilden.

Aus eigener Sicht können wir sagen, dass wir lange Jahre große Probleme gehabt haben, Nachwuchs zu bekommen, der sich für das Estrichlegerhandwerk interessiert. Wir haben viele Gespräche geführt mit dem Arbeits-amtdirektor. Wir bilden seit vielen Jahrzehnten aus - sowohl im kaufmännischen, als auch im handwerklichen Bereich. Heute haben sich die Bewerbungen ein bisschen verändert: Die Masse ist größer geworden, nur die Klasse ist schlechter geworden. Bei uns im Hause führen wir einen kleinen Test durch, von anderthalb Stunden, da wird Ihnen schwindelig, was heute an Allgemeinwissen überhaupt vorhanden ist.

FussbodenTechnik: Was kann es denn für Anreize geben, damit die Betriebe wieder vermehrt ausbilden? Oder ist es wirklich Aufgabe der Politik, durch eine Ausbildungsplatzabgabe da einzugreifen?

Freese: Eine Ausbildungsplatzabgabe ist sicherlich das falsche Instrument, um jungen Leuten einen Ausbildungsplatz zu garantieren. Auch da müssen die Unternehmer und insbesondere das Handwerk ihre Verantwortung sehen und junge Leute ausbilden. Es reicht ja nicht, dass große Firmen wie Mercedes oder VW aus der Großindustrie junge Leute ausbilden, die dann nicht flexibel genug sind für das Handwerk. Aber: Es ist ja nicht jeder Beruf so attraktiv wie der des Kraftfahrzeugmechanikers. Hier ist es eigentlich geboten, auch die Möglichkeit der Ausbildung, Berufschancen und die Zukunftsplanung deutlicher zu machen.

Das Thema Estrich finden viele zu eingeengt. Wir arbeiten in diesem Haus mit vielen ausgebildeten Ingenieuren und haben immer wieder das Thema, einem Ingenieur klar zumachen, dass im Fußboden und in der Fußbodentechnik so interessante Aufgaben stecken, dass man auf jeden Fall auch als qualifizierter Ingenieur da seinen Spaß dran haben kann. Viele wollen lieber Häuser, Brücken und andere große Objekte bauen. Ich glaube, da liegt noch viel Überzeugungsarbeit vor uns, auch jungen Leuten klar zu machen, dass Estrichlegen auch ein interessanter Beruf ist. Zugegebenermaßen geht es sehr auf die Knie und auf den Rücken, aber ich komme wieder darauf zurück: Das Gewerk wird sich weiter wandeln. Wir werden in absehbarer Zeit leichtere Arbeitsbedingungen haben. Wichtig ist, den Stellenwert unseres Gewerkes zu heben.

Die Politik denkt da ja anders als die Unternehmen. Die Politik will den Zugang zu den Märkten einfacher machen, so dass auch Billiganbieter auf den Markt kommen, um mehr Nachfrage zu erzeugen. Das ist aus unserer Sicht absoluter Unsinn, denn wenn keiner investiert, ist auch die Nachfrage nicht da. Es muss zunächst erstmal die Politik geändert werden, damit zuverlässige Rahmenbedingungen da sind. Jeder hält sich im Augenblick zurück, weil man nicht weiß, ob morgen noch die Steuergesetze gelten, die heute verbindlich sind. Also müssen wir oben anfangen, den Bedarf erhöhen und Investoren finden, die sich etwas zutrauen. Dann können wir unten auch mehr Handwerker beschäftigen.

Noch einmal zurück zur Ausbildungsplatzabgabe. Die Eltern haben die jungen Leute nicht richtig erzogen. Die Schule ist da nicht mit fertig geworden und nun will man per Gesetz den Unternehmen zumuten, junge Leute, die bis dahin keine Leistung gebracht haben und auch keine Lust hatten, etwas zu tun. Das kann nicht funktionieren.

FussbodenTechnik: Das Thema Ausbildung gehört aber nur am Rande zu den Aufgaben des BEB.

Freese: Nachwuchswerbung oder auch Ausbildung ist ein Thema für die Bundesfachschule Estrich und Belag und es gibt eine eigene Abteilung Berufsausbildung im Zentralverband des deutschen Baugewerbes. Nicht, dass Sie Nachwuchsfrage oder Ausbildungsfrage nicht zu dicht an den BEB heranrücken. Da haben wir in dem Sinne keine direkte Aufgabenstellung. Es gehört als Thema sicherlich dazu, wenn wir über Wettbewerb und die Handwerksordnung sprechen, aber es ist eine originäre Aufgabe des ZDB.

FussbodenTechnik: Was raten Sie einem Estrichleger vor dem Hintergrund der Reform der Handwerksordnung - wie kann seinen Betrieb erfolgreich führen? Erstmal wird er wahrscheinlich BEB-Mitglied und Mitglied in der Gütegemeinschaft und nimmt alle Leistungen, die angeboten werden in Anspruch, um sich von den Ich-AGs abzuheben.

Freese: Das ist richtig, was Sie sagen. Ich würde ihm dringend ans Herz legen, dass er Qualität verkaufen soll. Billig verkaufen kann fast jeder. Aber eine Qualität zu liefern und dafür einen vernünftigen Preis zu fordern, erfordert Überzeugungsarbeit. Dazu ist natürlich die Mitgliedschaft im BEB hilfreich, weil man dann auf erfahrenen Meinungen zurückgreifen kann. Was ich meinen Kollegen raten würde: nicht um jeden Preis Arbeit heranholen und noch mal 3 oder 4 % nachzulassen und dann hinterher festzustellen, ich komme mit meinem Geld nicht hin. Sondern es über Beratung und die Technik zu versuchen, den Auftraggeber davon zu überzeugen, dass er nun gerade der Richtige ist, der diese Arbeit zur vollen Zufriedenheit erbringen kann. Das ist nicht leicht, das weiß ich, das wird auch nicht immer zum Erfolg führen, aber das sollte oberstes Gebot und Motto sein, sich nicht in die Billigverkäufer einzureihen. Die werden wir damit sicher nicht vom Markt kriegen, aber langfristig werden wir so wieder ein besseres Image und bessere Marktverhältnisse kriegen.

Das Estrichgewerbe hat in weiten Teilen auch selber schuld, dass man es mit Füßen tritt. Wir übernehmen Fehler, die andere in die Welt gesetzt haben, ohne dass wir es müssen. Wenn Sie sich allein angucken, was sich auf den Rohdecken abspielt: Wasserleitungen, Elektroleitungen - alles was Sie sich vorstellen können, was nachher keiner mehr sehen will. Das wird auf die Decke gelegt, jetzt kommt der Estrichleger, flucht dass es nicht DIN-gerecht ist und trägt das Risiko. Die anderen reiben sich die Hände. Das kann nicht richtig sein.

FussbodenTechnik: Aber wer zu häufig Bedenken anmeldet, bekommt keinen Auftrag mehr, oder?

Freese: Das ist richtig, das kann Ihnen passieren. Nur in einer Solidargemeinschaft, wo alle sich an diese Regeln halten, wird kein Generalunternehmer oder Großunternehmer hingehen und den Estrich selber legen wollen. Und wenn ihm das Risiko bewusst ist, und er dennoch jemanden findet, der es macht, möchte ich später den Richter sehen, der dann sagt, die sind völlig schuldlos an der Misere. Diese Solidarität wäre wünschenswert und erstrebenswert, dass man sich nicht jedes Risiko anderer Gewerke aufdrücken lässt.

FussbodenTechnik: Was halten Sie von anderen begleitenden Maßnahmen wie den Fussboden-Pass, die eine gewerkübergreifende Solidargemeinschaft auch auf der Baustelle praktiziert?

Freese: Dieses Instrument von allen am Fußboden Beteiligten kann bei Berücksichtigung des Qualitätsgedankens nur vernünftig sein. Schlecht wird es sein, wenn versucht wird, solch einen Fußboden-Pass aus Gewährleistungsgründen nur den anderen vorzuhalten.Wenn der Fußboden-Pass richtig angewendet wird, ist es ein gutes Instrument.

FussbodenTechnik: Können Sie den Lesern von FussbodenTechnik vielleicht exklusiv Neuigkeiten aus dem BEB verraten?

Freese: Es gibt eine Neuigkeit, die noch niemand weiß, weil wir sie auch nicht publik gemacht haben. Wir sind dabei, in der Forschung in die Zukunft zu blicken und haben hier ein Bremer Unternehmen beauftragt, mit uns gemeinsam ein Forschungsprogramm zu erarbeiten, das dann auch von der EU gefördert wird. Wir wollen erforschen, wie die technische Zukunft im Fußbodenbau aussehen kann. Wir haben ja althergebrachte Methoden, die man aus Kostengründen und aus vielen anderen Gründen in Zukunft nicht so weiterführen wird. Die Franzosen bauen andere Fußböden als die Engländer. Noch sind wir nicht in dem konkreten Stadium, dass wir genau sagen können: Das ist unser Forschungsprojekt. Diese Ansätze werden seit Monaten diskutiert und geprüft. Wir hoffen, dass wir da zu dem von uns gesteckten Ziel kommen.

FussbodenTechnik: Das klingt ja spannend.

Freese: Wir sagen uns auch, da muss etwas unternommen werden, da muss etwas gemacht werden, das sicherlich nicht morgen zum Tragen kommt, aber vielleicht übermorgen oder in absehbarer Zeit. Wir können uns nicht allein nur auf die Zulieferer und Hersteller verlassen, die natürlich auch forschen. Auch aus der Praxis muss etwas kommen.

FussbodenTechnik: Das Verhältnis zwischen BEB und ZDB ist seit längerer Zeit angespannt. An anderer Stelle haben Sie kürzlich gesagt, denkbar wäre sogar eine Loslösung.

Freese: Wissen Sie, wenn Sie einen Mitstreiter haben, sage ich mal, mit dem Sie nicht auf eine Wellenlänge kommen, nicht ein gemeinsames Ziel haben, nicht sich darüber einigen können, wie man dieses Ziel erreicht, dann ist das ein Kräftezehren an der falschen Stelle. Wir müssen unsere Kräfte bündeln, um nach außen arbeiten zu können, aber nicht nach innen. Wenn es denn so ist, dass wir uns nicht verständigen können und dass wir nicht einen gemeinsamen Konsens finden, dann ist nicht ausgeschlossen, dass wir sagen, wir beschränken uns allein auf unsere Technik. Und ihr macht das, was ihr für richtig befindet, aber ohne unseren Beitrag.

Die Quintessenz ist: Im BEB haben die Unternehmer das Sagen. Beim ZDB haben die Unternehmer nicht mehr das Sagen. Da haben es die hauptamtlichen bzw. Landesgeschäftsführer in Berlin.

FussbodenTechnik: Ganz anderes Thema: Befürworten Sie die Gründung einer Handwerkerpartei?

Freese: Der Gründer Wolfgang Kühn ist ja langjähriges BEB-Verbandsmitglied. Die Gründungsversammlung hat ja bei den Parkettlegern stattgefunden. So etwas entsteht aufgrund von einer Unzufriedenheit einer handwerkspolitischen Vertretung. Welche Perspektive solch eine Aktivität hat, ist eine andere Frage.

Ich halte es aber für das falsche Instrument. Das ist so ähnlich, wie Oskar Lafontaine, der nun plötzlich eine Linkspartei gründen will. Damit kann man keine Probleme lösen. Die Zielrichtung muss sein, Druck auf die Organisationen auszuüben. Wir machen uns nebenbei doch lächerlich bei der Politik und den Gewerkschaften, dass wir Organisationen haben, die sich nicht bewegen. Die auch keine standesgemäße Vertretung aufbauen können.

FussbodenTechnik: Eine standesgemäße Vertretung braucht man auch auf europäischer Ebene. Das europäische Normungswesen wird aber dominiert von anderen Ländern wie Frankreich und England. Welche Folgen hat das für die deutschen Estrichleger?

Freese: Ich denke, hier fällt auch dem BEB eine sehr, sehr wichtige Aufgabe zu, sich in diesen Normungsarbeiten lückenlos präsent zu zeigen, um gegensteuern zu können. Wir wissen das von England und von Frankreich, dass sie ein wesentlich gelockertes Verordnungswesen haben. Und wir Deutschen wollen ja alles und jedes geregelt haben. Ich mache das mal fest an der ISO 9000. Wir haben eine gute Handwerksordnung mit einer hervorragenden Ausbildung und brauchen keine ISO 9000, weil unsere Handwerker ausgebildet sind. In England ist es so, dass Sie diese Ausbildung nicht haben, und da kommt der Gedanke der Zertifizierung her. Also muss irgendjemand nachweisen, dass er in der Lage ist, als Installateur oder Maler zu arbeiten und dann muss er sich zertifizieren lassen. Das hat Deutschland alles übernommen, ohne kritisch dagegen zu wirken und zu sagen, Leute überlegt mal, ob Ihr nicht vielleicht unser System der Ausbildung übernehmt.

Der BEB ist hier gefragt, unsere Interessen zu vertreten - da ist der ZDB gar nicht dazu in der Lage. Wenn wir da nicht aufpassen, werden wir einfach von der anderen Seite überrannt. Oliver Erning (der Leiter des IBF, d. Redaktion) ist mit allen seinen Sachkenntnissen und mit all seinen Möglichkeiten gefragt. Das ist sicher auch eine gewisse Teamarbeit: Wir haben ja auch unsere Unternehmer, unseren Berater Werner Schnell und unsere Arbeitskreise, die dazu ihre Meinung sagen.


Hans Uwo Freese kommentiert 10 Schlagworte:

Schlechte Zahlungsmoral: Ist heute gang und gäbe

Schwarzarbeit: Wir haben hier in Bremen keine verlässlichen Zahlen. Es gibt Schwarzarbeit, aber sie wird ganz sicher nicht ausreichend verfolgt.

Konkurrenz aus neuen EU-Mitgliedsstaaten: In unserer Branche ist davon bisher wenig zu merken.

ZDH-Präsident Dieter Philipp: Er ist mit sich und seiner Tätigkeit zufrieden. Er müsste selbstkritischer sein, was beispielsweise seine Pleite mit handwerk.de angeht. Er hat sich in Aachen bei unserer Jahrestagung hingestellt und gesagt, alles halb so schlimm. Allein diese Aussage von einem ZDH-Präsidenten halte ich für unmöglich. Da hat er sich selbst mit disqualifiziert.

Einführung der Ich-AGs: Sie sind eine Modererscheinung, die sich überholen wird.

Dumpingpreise: Man muss versuchen, über fachliche Kompetenz und über gute Arbeit zu verkaufen. Dumpingpreise werden wir nicht verhindern können. Es gibt immer Unternehmen, die mit dem letzten Angebot versuchen, ihre schon insolvente Situation zu retten. Damit werden wir mit leben müssen.

Hartz IV: Ist für mich im Augenblick völlig undurchschaubar, weil ich auch nicht weiß, was die Regierung morgen alles noch ändert. Man rennt erstmal in eine Richtung und dann stellt man nach 100 Metern fest, das war die falsche. Also macht man eine Kehrtwendung und rennt in die andere Richtung. Damit wird eine totale Verunsicherung verursacht. Wir müssen wieder zu stabilen, politischen Verhältnissen kommen, sonst gibt es keine Investitionen - jedenfalls nicht in Deutschland.

Rechtschreibreform: Ich schreibe nach der alten Rechtschreibung und alles, was da jetzt wieder vor- und zurückgekaspert wird, finde ich mehr als lächerlich. Denn darüber hätte man auch vorher nachdenken können, bevor man das Ganze in Umlauf gebracht hat. Mir ist das egal, ob mir jemand in einem Brief in der persönlichen Anrede Sie "groß" oder "klein" schreibt.

Freeses Neubau in der Carl-Benz-Straße in Bremen: Als ich 1999 den BEB-Vorsitz übernahm, hatte ich eigentlich ganz andere Pläne. Ich habe eine Doppelbelastung gehabt, aber wir haben das prima hingekriegt, auch weil ich mich rechtzeitig um einen Nachfolger für meinen Betrieb gekümmert habe, der das operative Geschäft weitermacht. Ich bin froh, dass ich das in meiner Amtszeit noch planen und durchführen konnte. Wir haben einen ganz modernen Betrieb, sind zukunftsgerüstet und haben eine junge Mannschaft mit großen Plänen. Ich denke, dass uns der neue Standort gute Möglichkeiten bietet.

Eine neue BEB-Amtszeit: Definitiv nein. Ich werde, wenn ich Glück habe, zum Ende meiner Amtszeit 69 Jahre alt. Ich denke, das ist ein Alter, wo ein Mann nicht mehr so kreativ und innovativ denken kann, wie einer mit 40. Das ist für einen Verband mit Sicherheit wichtig, jemanden zu haben, der noch Ziele formulieren kann. Der sich gegen Widerstand durchsetzen will. Außerdem muss ich Ihnen ganz offen sagen, habe ich privat eigentlich andere Pläne. Ich will auch noch ein bisschen was vom Leben genießen und mich nicht nur für die Firma oder den Verband einsetzen.
aus FussbodenTechnik 05/04 (Wirtschaft)