Rekordbeteiligung bei BEB-Sachverständigen-Tagung in Nürnberg

"Richter sind blind und brauchen die Sach verständigen als Auge"

Die BEB-Sachverständigentagung stellte mit mehr als 160 Teilnehmern in Nürnberg einen neuen Rekord auf. Der von Tagungsleiter Heinz-Dieter Altmann unter der Schirmherrschaft des Instituts für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung (IBF) zusammengestellte Themen-Mix der Fußbodentechnik lockte Teilnehmer aus dem gesamten deutschsprachigen Raum an: Die inhaltlichen Schwerpunkte umfassten Entkopplungs-Systeme unter Belägen, Anforderungen an Sachverständige vor Gericht und die Bewertung von Calciumsulfat-Fließestrichoberflächen.

Die 5. BEB-Sachverständigentagung entwickelt sich immer mehr zum Pflichttermin der Fußbodenbranche. Mehr als 160 Fußbodenexperten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren der Einladung des BEB-Arbeitskreises "Sachverständige" gefolgt, um sich über neue Erkenntnisse aus Forschung, Normung und Praxis zu informieren.

Zahlreiche Gutachter für das Estrichleger-, Bodenleger-, Parkettleger-, Fliesenleger und Industriebodengewerbe nahmen teil. Genauso wie Inhaber und Bauleiter namhafter Fachbetriebe, Vertreter des Bundesverbandes Estrich und Belag (BEB) und des Zentralverbandes Parkett und Fußbodentechnik (ZPF) sowie Anwendungstechniker aus der Zulieferindustrie.

Der von Tagungsleiter Heinz-Dieter Altmann unter der Schirmherrschaft des IBF zusammengestellte Mix beschäftigte sich mit folgenden Themen:

- Entkopplungssysteme unter Hartbelägen - Möglichkeiten und Grenzen Ihres Einsatzes
- Entkopplungssysteme unter Parkett und Holzpflaster
- Versuchsergebnisse zur Wirkungsweise von Entkopplungen
- Vorstellung des BEB-Hinweisblattes: "Oberflächenzug- und Haftzugfestigkeit von Fußböden"
- Der Sachverständige als Erfüllungsgehilfe des Richters - Anforderungen, Zusammenarbeit, Entschädigung
- Erscheinungsbilder von Calciumsulfat-Fließestrichoberflächen - Bewertung aus Sicht des Estrichlegers
- Anschleifen, Grundieren und Spachteln - ein grundsätzliches Muss auch bei Fließestrichen
- Bewertung der Oberflächen aus der Sicht des Sachverständigen - Auswertung von Schadensfällen mit elastischen Belägen

Entkopplungsysteme unter Hartbelägen

Im ersten Themenkomplex referierte Dipl. Ing. Architekt Günther Marx zum Thema Entkopplungssysteme unter Hartbelägen. Entkopplungssysteme sind Zwischenschichten mit der Funktion einer physikalischen Entkopplung, d.h. Unterbindung von Schubspannungen zwischen Belag und Untergrund.

Weitere Funktionen sind: Verbesserung der Trittschall- und Wärmedämmung, Abdichtung des Untergrundes und die Drainagefunktion. Marx betonte, dass Entkopplungsysteme die Möglichkeit der Verlegung keramischer Fliesen und Platten, Natur- oder Betonwerkstein in vielen Fällen auch auf solchen Untergründen und Verlegeflächen gestatten, die zum unmittelbaren Aufbringen nicht oder nur eingeschränkt geeignet sind.

Wenn sich der Untergrund aber zum direkten Aufbringen der keramischen Beläge eignet, sollte auf den Einsatz von Entkopplungssystemen verzichtet werden, weil die mechanische Beständigkeit konventioneller Fußbodenaufbauten grundsätzlich besser ist. Es gibt Untersuchungen, dass in mindestens 60% aller Fälle Entkopplungssysteme eingesetzt werden, obwohl sie gar nicht notwendig waren.

Da Entkopplungssysteme zur Zeit noch nicht in technischen Regelwerken erfasst sind, existieren auch noch keine einheitlichen Prüfkriterien oder Anforderungen. Dies hat dazu geführt, dass die Systeme zur Zeit schwer miteinander zu vergleichen sind. Marx rief dazu auf, ein technisches Regelwerk über den Einsatz von Entkopplungssystemen zu erarbeiten, damit irgendwann alle Systeme den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen.

Entkopplungssysteme unter Parkett, Dielenboden und Holzpflaster

Reinhard Breitung, Estrich- und Parkettlegermeister und Fachgruppenleiter Holzpflaster im ZVP, stellte die Entkopplungssysteme unter Parkett, Dielenböden und Holzpflaster vor. Es handelt sich in erster Linie um Kork-Gummi-Granulat-Bahnen oder Kunstharzgebundene Polyester-Vliese. Als Kleber kommen hochelastische Kleber auf Dispersions- und Polyurethanbasis zum Einsatz.

Durch jahreszeitlich bedingte Schwankungen des Raumklimas verändert Holz seine Dimension durch Quellen und Schwinden. Es entstehen so genannte Schubspannungen die folgende Schäden verursachen können:
- in der Verklebung zwischen Oberbelag und Unterboden (Adhäsions- und Kohäsionsbrüche)
- Ausbrüche im oberen Estrichrandzonenbereich
- grobe Rissbildungen im Estrich besonders bei Holzpflaster

Geeignete Entkopplungssysteme nehmen die Schubspannungen teilweise auf. Aber: Ihre Wirkung entfaltet sich nur im oberen Randzonenbereich des zu belegenden Untergrundes. Und man muss wissen: Marode Untergründe können durch Entkopplungssysteme nicht gerettet werden.

Versuchsergebnisse zur Wirkungsweise von Entkopplungen

Oliver Erning, Leiter des Instituts für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung, stellte eigene und fremde Versuchsergebnisse zur Wirkungsweise von Entkopplungen vor. Er warf die Frage auf, ob die Anwendung von Entkopplungssystemen als Problemlöser gerechtfertigt sei, da sie zur Zeit noch nicht in Technischen Regelwerken erfasst sind und es sich somit um Sonderkonstruktionen handelt. Bislang existieren keine einheitlichen Prüfkriterien, sondern nur ein Sammelsurium von einzelnen Prüfungen. Erning berichtete, dass die ZDB-Fachgruppe Fliesen und Platten seit längerem versucht, ein Merkblatt zur Prüfung von Entkopplungssystemen zu erstellen. Das Erscheinungsdatum sei aber noch nicht abschätzbar.

In erster Linie interessierte den Referenten, ob die Entkopplung messbar ist. Dazu wurden an Musterflächen Entkopplungstests, Punktbelastungstests, Kugelfalltests und Durchstanztests durchgeführt. Obwohl das Ergebnis lautete, dass die Entkopplung kaum messbar war, stellte Erning nicht die Entkopplungsysteme, sondern die eigenen Messmethoden in Frage. Erning: "Es kann durchaus sein, dass wir bisher noch nicht richtig geprüft haben." Schließlich seien Millionen von Quadratmetern verlegt worden und die Systeme hätten sich in der Praxis bewährt. Sein Tipp: Bei Entkopplungssystemen sollte man mit höheren Einzellasten und Fahrbeanspruchungen vorsichtig sein.

Der Sachverständige als "Auge" des Richters

Bereits auf dem Verbandstag Parkett in Hamburg hatte der Vorsitzende Richter am Landgericht Dortmund Jürgen Ulrich die Zuhörer durch plakative Anekdoten in teilweise launigem Jargon begeistert. Auch in Nürnberg erwies sich seine Verpflichtung als Volltreffer. Ulrich referierte zur Funktion und Rolle des Sachverständigen, zum neuen Justizvergütungs- und entschädigungsgesetz (JVEG) und zu akuellen Urteilen.

Seine Eingangsfrage lautete: Warum braucht der Richter den Sachverständigen? Ulrichs Antwort: "Weil der Richter blind ist." Der Richter als "Großhirn" braucht den Sachverständigen als "technisches Auge". Bei der Auswahl eines geeigneten Sachverständigen hat der Richter die freie Wahl - es sei denn beide Parteien einigen sich auf einen Sachverständigen. Dann muss der Richter diesen akzeptieren. Für den Richter zähle nur, wie er eine schnelle Entscheidung bekommt. Jürgen Ulrich sparte nicht mit Tipps für die Sachverständigen:
- Lassen Sie den Richter die Entscheidung treffen.
- Als Richter möchte ich Sie verstehen, darum verwenden Sie keinen Fachjargon.
- Richter denken anders als Techniker.

In anderen Worten hat dies auch der Bundesgerichtshof ausgeführt: "Der gerichtliche Sachverständige hat insbesondere die Aufgabe, dem Gericht Kenntnisse und Fähigkeiten des Fachmanns sowie die Arbeitsweise zu vermitteln, mit der dieser technische Probleme seines Fachgebietes zu bewältigen trachtet. Ob die erfindungsgemäße Lösung für den Fachmann nach seinem festgestellten Wissen und Können nahegelegen hat, ist als Akt wertender Erkenntnis nicht vom Sachverständigen zu beurteilen."

Neue Kostenabrechnung für Sachverständige

Mit dem am 01.07.2004 in Kraft getretenen Justizkostenmodernisierungsgesetz ist außer den Gerichtskosten und der Honorierung der Rechtsanwälte auch die Bezahlung der gerichtlichen Sachverständigen neu geregelt worden. Für diese Sachverständigen gilt seit diesem Tag das "Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). Gemäß der bekannt gegebenen Gesetzesbegründung will sich das JVEG orientieren "an dem Bild des selbstständig und hauptberuflich in dieser Funktion tätigen Sachverständigen, der nicht mehr nur für eine im allgemeinen Interesse zu erbringende Leistung ähnlich wie ein Zeuge zu entschädigen ist. Es entspricht vielmehr den heutigen Verhältnissen und den darauf gründenden Forderungen der Betroffenen, Sachverständige zukünftig für ihre Dienste leistungsgerecht zu vergüten." Darum bezeichnet man diese Neuerung auch als "Vergütungsprinzip".

Die bedeutsame Neuerung der Bezahlung des Zeitaufwandes liegt darin, dass mit dem JVEG nun anstelle des im ZSEG genannten Stunden-Geldrahmens Feststundenbeträge eingeführt sind, die sich in zehn Honorargruppen für technische Sachverständige gliedern.

Tipp: Aktuelle Entscheidungen für Estrichleger und Sachverständige findet man im Internet auf der Homepage des Bundesgerichtshofes unter www.bundesgerichtshof.de. Dort kann man z.B.Stichworte wie "Estrich" und "Sachverständige" eingeben und erhält aktuelle Entscheidungen.

Nur trockenen Fließestrich prüfen

Erscheinungsbilder von Calciumsulfat-Fließestrichoberflächen war das Thema von Dr. Wolfgang Rümler von KBS aus der Schweiz. Typische Erscheinungsbilder sind Sinterschichten, harte Schale, Ausblühungen, Aufschwämmungen, weiche und mehlige Oberflächen, Saugfähigkeit, absandende Oberflächen, Risse und Verunreinigungen. Um die Oberflächen richtig zu erkennen, gibt es eine Reihe von Prüfmethoden:
- Visuelle Prüfung
- Gitterritzprüfung
- Schaben mit dem Messer
- Haftzugmessung
- Hammerschlagprüfung
- Beurteilung des Kornaufbaus bei der CM-Messung
- Benetzung mit Wasser
- Probeverklebung z.B. mit Parkett
- Schermessung und
- Schälwiderstand

Für alle diese Prüfmethoden gilt: Erst prüfen, wenn der Fließestrich trocken ist, denn feuchte Estriche haben geringere Festigkeiten. Zur Sinterschicht führte Dr. Rümler aus, dass sie nach herrschender Meinung der Branche entfernt werden müsse. In vielen Fällen könnte man sie nach 24 Stunden runterkehren oder man müsse sie zu einem späteren Zeitpunkt abschleifen.

Bei Fließestrichen immer spachteln

Dr. Roland Krieger hielt ein Plädoyer für das Anschleifen, Grundieren und Spachteln von Fließestrichen (CSFE). Durch die Verwendung ihm bekannter Grundierungen und Spachtelmassen schafft sich der bodenlegende Handwerker eine eigene gleichmäßige Schnittstelle. Er macht sich damit für seine eigene Arbeit unabhängiger von der zufälligen und für ihn oft nicht einschätzbaren Beschaffenheit einer Fließestrichoberfläche.

Die Hersteller von Verlegewerkstoffen stehen nicht nur für ihre Produkte und Systeme in Gewährleistung, sondern immer mehr auch für ihre Beratung. Im Rahmen dieser Beratungshaftung dürfen sie deshalb auch das Recht beanspruchen, ihre Aufbauempfehlungen so zu gestalten, wie sie das für sicher und vertretbar halten. Aufbauempfehlungen sind Empfehlungen, d.h. sie sind nicht verbindlich. Wer allerdings die Gewährleistung eines Herstellers in Anspruch nehmen will, muss sich auf die Einhaltung von dessen Aufbauempfehlungen festlegen lassen.

Fazit: Mit einer fachgerechten Spachtelung gestalten sich Boden- und Parkettleger auch auf CSFE einen Verlegeuntergrund nach den eigenen Bedürfnissen und Erfahrungen. Sie machen sich damit von dem Fehlverhalten anderer frei und schaffen sich sozusagen eine eigene "Schnittstelle" zum Vorgewerk, an die sie wesentlich gezielter mit Klebstoff und Bodenbelag "andocken" können. Kurz: Der Verarbeiter stellt sich durch den Einsatz einer Spachtelmasse auf die sichere Seite - insbesondere wenn diese in der Aufbauempfehlung des Verlegewerkstoff-Herstellers ausdrücklich vorgesehen ist.

Die Anbindung der Spachtelmasse an die Oberfläche des CSFE gehorcht dabei ganz einfachen Regeln und funktioniert mit vielen dafür ausgelobten Grundierungen im allgemeinen sehr gut.

Wichtig ist allerdings - wie fast immer bei CSFE - große Sorgfalt und eine gute Portion Erfahrung. Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang ein wirklich gründliches Anschleifen und eine ausreichende Festigkeit der Estrichrandzone. Hinzu kommt ein ausreichendes Trocknen der aufgetragenen Grundier- und Spachtelschichten.

CSFE aus der Sicht des Sachverständigen

Calciumsulfat-Fließestriche sind komplexe Stoffgemische, die neben den Bindemitteln Naturanhydrit, synthetischer Anhydrit, thermischer Anhydrit und Alpha-Halbhydrat auch Stellmittel, wie Anreger, Verflüssiger, Stabilisierer, Porenbildner und/oder Verzögerer, Gesteinkörnungen unterschiedlicher Art und Körnung wie z.B. aus Quarz, Kalk oder Anhydrit und natürlich Anmachwasser enthalten.

Heinz-Dieter Altmann führte aus, das folgende Faktoren für die Qualität der Estrichoberflächen entscheidend sind:
- die stoffliche Zusammensetzung des Gemisches,
- die Wassermenge und
- die Verarbeitungsbedingungen im Bau selbst.

An der Estrichoberfläche von unbelegten Calciumsulfat-Fließestrichen sind für den Sachverständigen sehr oft sowohl stoffliche, als auch Verarbeitungsprobleme zu erkennen. Viel schwieriger ist die Bewertung von Oberflächenproblemen im Schadensfall, also nach der Belagverlegung. Grund: Außer den Estrichproblemen sind auch noch die vom Bodenleger verwendeten Materialien zu bewerten.

Hinzu kommen Verlegefehler, wie unzureichende Untergrundvorbereitung, zu hohe Feuchte des Estrichs, zu schneller Arbeitsablauf zwischen Grundierung, Spachtelung und Belagverlegung. In solchen Fällen reichen die üblichen handwerklichen Methoden zur Bewertung einer Estrichoberfläche wie Gitterritzprüfung/ Kratzprobe, Hammerschlagprüfung und Prüfung der Benetzbarkeit meist nicht aus. Auch die sehr oft herangezogene Messung der Oberflächenzugfestigkeit bringt unter Umständen keine Klärung, sondern suggeriert eine genügend feste Oberfläche.

Deshalb ist es in großen Schadensfällen notwendig, folgende Untersuchungsmethoden anzuwenden:

- Beurteilung der Estrichoberflächen nach Augenschein, per Lupe und mit dem Mikroskop
- Lichtmikroskopische Gefügeuntersuchungen
- Bestätigungsprüfung nach DIN 18560 Teil 2
- Messung der Oberflächenzugfestigkeiten unter Verwendung verschiedener Klebstoffe
- Prüfung des Wasseraufnahmevermögens der Estrichfläche
- Bestimmung der Wirksamkeit von Verlegematerialien durch Messung der Haftzugfestigkeiten auf unterschiedlichen Grundierungen und Spachtelungen
- Rasterelektronische Untersuchungen
- Röntgenbeugungsanalysen zur Bestimmung der stofflichen Zusammensetzung an der Estrichoberfläche

Um Schadensfälle zu vermeiden kann das Fazit nur lauten:

1. Jeder Estrich muss vor der Belagverlegung angeschliffen werden.
2. Sollte sich bei der Prüfung der Estrichoberfläche Probleme ergeben bzw. Bedenken entstehen, ist eine Probeverklebung, bei der im später aufzubringenden System gearbeitet werden muss, dringend zu empfehlen.

Voraus-Blick ins nächste Jahr: Die nächste BEB-Sachverständigentagung findet vom 17. bis 19. November 2005 erneut im Averna Park Hotel in Nürnberg statt. FussbodenTechnik ist sehr gespannt, ob dann erneut die Rekordbeteiligung von 160 Teilnehmer getoppt wird.
aus FussbodenTechnik 06/04 (Wirtschaft)