Zahl der Bodenbelagsaussteller hat sich verdoppelt

Die Orgatec wird immer mehr zur Bodenbelagsmesse

Noch vor gar nicht langer Zeit verloren sich auf der Orgatec eine Handvoll Bodenbelagsausssteller zwischen den riesigen Büromöbel-Burgen. Inzwischen hat sich die Bodenbelagsfraktion deutlich verstärkt: In diesem Jahr waren mit rund zwei Dutzend doppelt so viele Anbieter von textilen und auch elastischen Belägen vertreten wie bei der letzten Orgatec vor zwei Jahren. Alle hofften, in Köln die zur Zeit begehrteste Zielgruppe zu treffen: Architekten und Planer. Weil der Handel hakt, stürzt sich die ganze Branche jetzt auf das Objektgeschäft. Aber das hat seine eigenen Gesetze, ist schwieriger, mühsamer und vor allem viel zeitaufwendiger als mancher denkt.

Auf der diesjährigen Büroeinrichtungs-Fachmesse Orgatec in Köln bestätigte sich das, was wir schon im Frühjahr über das Ladenbau-Pendant Euroshop geschrieben haben: Die Bodenbelagsindustrie wandert immer mehr zu Special-Interest-Messen ab, die bestimmte Segmente abdecken und gerade im Objektbereich eine gezieltere Ansprache potenzieller Kunden versprechen. Das lässt sich auch klar an der stetig steigenden Zahl an Bodenbelags-Anbietern auf der Orgatec ablesen. In diesen Jahr waren mit über zwei Dutzend doppelt so viele wie auf der letzten Veranstaltung vor zwei Jahren vertreten. Damit dürfte die Orgatec neben der Münchner Bau das größte Bodenbelags-Kontingent außerhalb der Domotex anziehen.

Es muss den Messe-Machern in Hannover das Wasser in die Augen treiben, wenn sie die Aussteller-Liste in Köln durchgehen, denn es sind einige starke Objektanbieter darunter, die schon seit Jahren nicht mehr auf der Domotex ausstellen und sich höchstens mal zu einem kleinen Gastauftritt auf der Contractworld bewegen ließen.

Ob nun in Köln alles besser ist als in Hannover, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass sich die Bodenbelags-Stände in drei Hallen verstreuten und dadurch etwas untergingen. Gut ist sowieso nur Halle 14.1, wo die großen Büromöbler wie Vitra, Knoll, Dauphin, Interstuhl usw. residierten. Dort waren auch die meisten Bodenbelags-Unternehmen untergebracht. In Halle 14.2 fanden sich weitere, die mit ihrer Platzierung - zu Recht - unzufrieden waren, weil sich in den hinteren Teil der Halle nur wenige Besucher verirrten. Nur Carpet Concept direkt vorn am Eingang zog mit seiner innovativen Tec Generation viele Interessierte auf den Stand. Völlig indiskutabel war der Standort von Girloon in Halle 13.2.

Fragt sich, ob es nicht sinnvoller wäre, wenn sich die Bodenbelagsaussteller auf der Orgatec mehr räumlich konzentrierten, um sich und dem Produkt insgesamt größere Aufmerksamkeit zu verschaffen - vielleicht auch noch mit einer gezielten Aktion. So bleiben sie blass neben den viel breiter repräsentierten Bereichen Möbel und Leuchten.

Ganz deutlich wurde in Köln auch, wie wichtig ein guter Auftritt ist. Machen wir uns nichts vor: Kein Architekt, Planer oder Büroeinrichter kommt nach Köln, um sich Bodenbeläge anzuschauen. Da muss schon im Vorfeld Aufmerksamkeit geweckt werden. "Wir gehen hier nicht ohne vernünftige Vorarbeit und ohne vernünftige Einladungen hin", sagt Thomas Trenkamp, geschäftsführender Gesellschafter des Objektspezialisten Carpet Concept." Auch Harald Niemann, Verkaufsleiter Objekt bei Enia Carpets, früher Forbo Carpet, weiß: "Man muss Begleitmaßnahmen starten, sonst passiert gar nichts." Wüst-Geschäftsführer Gerd Hoffe hat im Vorfeld Mailings in ganz Nordrhein-Westfalen und bis nach Frankfurt verschickt.

Auch auf der Messe braucht es mehr als drei Wasserfallständer und das obligatorische Messe-Würstchen, um die anspruchsvolle Zielgruppe auf den Stand zu locken. Manche hatten sich wirklich Gedanken darum gemacht wie Vorwerk, die ihren Stand von dem italienischen Star-Designer Antonio Citterio gestalten ließen - völlig fehl am Platze waren allerdings die Schlager-Einlagen eines lederbehosten Männer-Duos, die überhaupt nicht zum Vorwerk-Stil passten. Das neue Dura-Motto "Carpet in Motion" setzte gestalterisch der Karlsruher Architekt Andreas Winkler um. Anker zeigte Referenzobjekte in einer Multimedia-Show und führte in einer Box die Funktionsweise seiner luftdurchlässigen Klimafliese vor, die unter anderem im Berliner Bundestag liegt. Bonar Floors versuchte durch praktische Reinigungsdemonstrationen von "Hausmeister Willi" das Interesse auf seinen waschbaren Textilboden Flotex zu lenken. Carpet Concept braucht das alles gar nicht: Die Bielefelder haben sich mit ihrer klaren Objektfocussierung und ihrer architektengerechten Handschrift einen Namen verschafft und ziehen jedes Mal in Köln Interessierte auf den Stand, darunter viele Ausländer. Die Orgatec ist die wichtigste Messe für sie; sie richten sogar ihre Kollektionspolitik gezielt danach aus: "Wir stellen unsere neuen Kollektionen immer auf der Orgatec vor. Schließlich wollen wir dem Thema Innovationen gerecht werden". Aber es geht Trenkamp nicht allein um den "Aha"-Effekt: "Wir wollen in Köln nicht nur präsent sein, wir wollen auch Geschäft generieren."

Man merkt, dass die Jab Anstoetz-Tochter das Objektgeschäft sehr professionell betreibt. Das hat nämlich seine eigenen Gesetze, ist viel schwieriger, und mühsamer als mancher Bodenbelagshersteller meint, der glaubt, er könne jetzt die schnelle Mark im Objekt machen, nachdem der Handel hakt. Es reicht nicht aus, eine Objektkarte mit ein paar objektgeeigneten Artikeln auf den Markt zu werfen. Man braucht kompetentes Personal, beste Kontakte - und einen langen Atem. Gerd Hoffe hat erfahren: "Entscheidend im Objektgeschäft ist die Flexibilität. Man muss sich ständig fragen, wie man den Kundenwünschen gerecht werden kann". Und: "Objekt ist Individualität. Gemessen wird man daran, was man realisieren kann."

Auf Produktseite gab es in Köln überraschend viel Neues zu sehen. Herausragend durch ihre innovative Machart und höchst ästhetische, eigenständige Optik ist die Tec Generation von Carpet Concept, ein Flachgewebe aus Metall-Flachgarn, das sich einige Architekten auch an der Wand vorstellen können. Ebenso neu für die Branche, wenn auch in ganz anderer Form ist Dura Air, eine spezielle Ausrüstung, mit der der Teppichboden in der Raumluft enthaltene Schadstoffe und unangenehme Gerüche in Wasser und Kohlendioxyd umwandelt. Vorwerk hat seinen Webklassiker zeitgemäß weiterentwickelt und stellte unter anderem eine Variante mit subtilem Glanzeffekt durch ein neues Metallic-Garn von Du Pont vor. Das gleiche Garn hat auch Anker in seiner neuen Webschlinge Euro Textall verarbeitet. Außerdem kündigen die Dürener eine neue Fliesenkollektion zum Anfang des Jahres an, 50 x 50 cm, mit Bitumen-Beschichtung, ab Lager lieferbar, "damit der Handel auch Kleinstmengen ordern kann". Potenzial für Fliesen sehen auch andere Anbieter: So hat Longlife sein entsprechendes Angebot erweitert, Tarkett Sommer demonstrierte Fliesenkompetenz mit einem effektvollen Fliesen-Design der französischen Design-Ikone Andrée Putman und Wüst setzte sich mit seinem neuen Modular.System bewusst von der konventionellen Auffassung ab, dass Fliesen in der Fläche immer wie Bahnenware aussehen müssen.

Insgesamt konnte man in Köln einen guten Überblick darüber gewinnen, was bei textilen Objektbelägen aktuell ist. Das Bodenbelags-Angebot war so interessant, dass sich jeder, der im Objektgeschäft stärker aktiv ist, dort einen Tag umschauen sollte. Die nächste Orgatec findet von Dienstag dem 19. bis Samstag, den 23. Oktober 2004 statt.
aus BTH Heimtex 11/02 (Wirtschaft)