FHR-Roundtable

Status Quo - Die aktuelle Situation der Branche


Bodenbeläge

Roland Brechtel, Tarkett Sommer
"Der Markt ist von extremer Kaufzurückhaltung geprägt. Dabei ist beim Endverbraucher durchaus Geld vorhanden, er ist aber nicht bereit, es für unsere Produkte auszugeben. Der Renovierungszyklus wird immer länger. Das vielbeschworene Cocooning ist Wunschdenken. Der Stellenwert von Bodenbelägen ist niedrig, sie strahlen keine Wertigkeit mehr aus. Vor allem Teppichboden ist nicht mehr "in", stattdessen bevorzugt der Verbraucher Hartbeläge. Und wie reagieren wir darauf? Mit schönen Prospekten mit immer niedrigeren Preisen."

Teppichboden

Peter Farber, Dura
"Seit 1993 hat die Branche 60 Mio. qm an Teppichboden verloren. In diesem Jahr werden wir weitere 20 % einbüßen. Wobei die Kaufzurückhaltung auch durch die Trendwende hin zu Laminat, mangelnde Innovationen und vergleichbare Kollektionen verursacht wird. Teppichboden ist unglaublich langweilig geworden und damit ist er out.

Der einzige Weg raus aus der Misere und der einzige Weg, wieder Begehrlichkeit für unser Produkt zu schaffen, führt über Innovationen bei Konstruktionen und Design und über professionelles Marketing. Bei 83 Mio. Konsumenten müssen wir weg vom globalen Gießkannen-Prinzip hin zum individualisierten 1:1-Marketing. Für jeden Vertriebskanal muss es ein separates Marketingkonzept gegeben, das zusätzlich noch individualisiert werden kann. Für den regionalen Fachmarkt oder den Fachhändler in der City muss professionelles Category Management betrieben werden: Welche Kundenstruktur ist vorhanden? Welches Preisniveau wird bedient? Welche Produkte sind dafür nötig? Welche Vermarktungsinstrumente werden gebraucht?

Diese Segmentierung muss natürlich in Einklang gebracht werden mit unserer Zielsetzung als Industrie-Unternehmen. Wir können schließlich nicht 8.000 verschiedene Produkte anbieten, sondern müssen ein Basis-Sortiment schaffen, aus dem sich wiederum verschiedene Varianten ableiten lassen. Und die werden wiederum nach A-, B-, C- und D-Varianten unterschieden und nur die A- und B-Versionen sind am Lager, die anderen mail to order."

Rudi Goosens,Thüringer Teppichboden
"Nicht nur der Markt ist rückläufig, wir haben auch das große Problem, dass ein Mengendenken vorherrscht. Wir können nur hoffen, dass die Massenanbieter langfristig die Lust verlieren und sich vom Markt zurückziehen."

Klaus Brockmann, 3M
"Laut BBE-Studie hat der Verbraucher 1960 von jeder Mark, die übrig war, 50 Pfennig im Handel ausgegeben - heute sind es noch 6 Pfennig. Das sind zunächst mal die Rahmenbedingungen, an denen wir nichts ändern können. Aber wir können in der Branche etwas verändern und da will ich zunächst bei der Industrie anfangen.

Erstes Problem ist hier die mangelnde Produktvielfalt. Früher waren Service-Koffer wie ein Schaufenster-Bummel: es gab immer wieder etwas Neues, Interessantes zu entdecken. Heute sind die Service-Koffer und die Großhandels-Kollektionen alle austauschbar und vergleichbar. Man sieht überall die gleichen Produkte, die Farbpaletten werden abgespeckt, um Positionen zu reduzieren und Kosten zu sparen.

Das zweite Problem bei der Industrie ist, dass nicht nur Positionen, sondern auch Personal abgebaut wird. Der Trend geht dorthin, mit drei Außendienstmitarbeitern ganz Deutschland zu bedienen. So geht natürlich sehr viel an persönlichem Kontakt verloren und gerade der ist wichtig, um ein vernünftiges, fundiertes Beratungsgespräch zu führen.

Das dritte Problem ist, dass momentan alles eingespart wird, was dem Teppichboden gut tut. Man kann über die Qualität der ETG-Werbung sicher streiten, aber dass die ganze ETG in Frage gestellt wird, finde ich sehr traurig und schlecht für die Branche. Traurig finde ich im übrigen auch, dass sich der Handel nie finanziell dafür engagiert hat."

Paul Rüssing, Enia Carpets
"Die Nachteile einer Marke sind, dass sie stärker sichtbar und dadurch leichter vergleichbar ist".

Tapeten

Günter Dammler, Rasch
"Das Inlandsgeschäft mit Tapeten leidet seit 30 Jahren an einer stetigen kleinen Rezession - die Zeit der Wiedervereinigung ausgeklammert. In den letzten zwei Jahren hat sich die negative Tendenz verstärkt, wobei es die Industrie verstanden hat, den mengenmäßigen Rückgang durch immer wieder neue Entwicklungen und Produkte auszugleichen - Beispiel Vliestapeten - sogar im schwierigen Jahr 2001. Die Situation ist äußerst unbefriedigend, liegt aber nicht am Produkt. Wir haben keine Erklärung für diesen Absatzrückgang, glauben auch nicht, dass sich künftig etwas daran ändern wird. Wir werden in den nächsten Jahren keinen Mengenzuwachs erleben; es gibt zu viele andere Produkte, die für den Konsumenten interessanter sind: Handys, PCs usw. Zwar werden Innovationen wie Leimdruck, Tiefdruck, Flexodruck und Vlies durchaus vom Markt honoriert, aber die Produktzyklen werden immer kürzer, immer schneller wird kopiert. Preiswettbewerb geht schneller als Innovationen.

Der Wettbewerb findet auf allen Ebenen statt. Wir haben nicht nur Überkapazitäten in der Industrie, sondern auch im Handel. Hier wird sich in den nächsten Jahren auch etwas ändern. Wobei: Jeder Händler, der verschwindet, ist ein Kontaktpunkt weniger für uns und wir als Hersteller sind natürlich an möglichst vielen Verkaufspunkten interessiert. Wir wollen gute Kunden auf allen Schienen - beim Fachhandel und beim Baumarkt."

Dekos + Gardinen

Paul Olles, FHR
"Gardinen und Dekos befanden sich lange Zeit auf einer Insel der Seeligen - im Gegensatz zu Tapeten und Bodenbelägen. Seit zwei Jahren sind nun auch Stoffe deutlich rückläufig. Alle tun so, als seien sie von der Entwicklung überrascht,was die Gardinenindustrie vor eine dramatische Situation stellt: Sie hat sich nicht auf diese schlechten Zeiten vorbereitet und steuert jetzt sehenden Auges in die Katastrophe. Die Realität sind: Überkapazitäten, Überangebot, Preisdruck. Wobei Stoffe noch den Vorteil haben, dass sie ein höheres Wertigkeitsgefühl vermitteln als Bodenbeläge oder Tapeten."
aus BTH Heimtex 11/02 (Wirtschaft)