Der Münchner Stoff Frühling im Jahr 2003

Forum für textile Passion in verkleinertem Umfang

Es ist Frühling und in einer nicht so kleinen Stadt im Süden Deutschland leistet eine verschworene Gemeinschaft von Dekostoff-Enthusiasten erbittert Widerstand. Doch es gilt nicht Gallien zu verteidigen, sondern einem sehr kühlen Wind zu trotzen, der der Branche konjunkturbedingt entgegenschlägt. Ende März, rund vier Wochen früher als in den Vorjahren, fand zum sechsten Mal der "Münchner Stoff Frühling" statt. Ein Stimmungsbericht.

Das gab es nicht immer schon ein Geraune um den Münchner Stoff-Frühling: Von der Häme, die Veranstaltung könne ohnehin nicht überleben bis hin zu der Vorstellung, im Luxussegment die Heimtextil in Frankfurt ersetzen zu können, waberten die Einschätzungen bis in dieses immerhin sechste Jahr.

Der Status quo scheint von beiden Polen heute weit entfernt. Es hat sich etwas verändert in diesem Jahr und doch sieht es so aus, als ob die Stärke des Münchner Stoff-Frühlings in seinem ursprünglichen Konzept besteht: Die Münchner Showrooms exklusiver Wohntextilien und des passenden Zubehörs öffnen über ein langes Frühlingswochenende ihre Türen, krönen das ganz mit einer Party für die Branche und schnüren daraus ein "Lifestyle-Event" für Kunden aus Bayern, Österreich und der Schweiz, darüber hinaus auch einige aus Frankfurt, Hannover oder Hamburg.

Vier Wochen nach vorn verlagert hatten die Veranstalter den Termin und das zählte sogleich als Mitargument für jene, die diesmal nicht dabei waren. Abgesagt hatten Dedar (bei Weishäupl), Designers Guild (zeigte die Kollektion bereits zeitgleich, aber außerhalb der Heimtextil), Rubelli und Sahco Hesslein. Wer schon auf der Heimtextil ausgestellt hatte, wollte eher eine Image-Veranstaltung als eine Produktpräsentation, zog eine stimmiges Get-Together bei relativ sicheren Frühjahrstemperaturen vor. Ausschlaggebend dürfte letztendlich aber die schlechte Konjunktur sein, die auch diese Branche voll erfasst hat. Dabei kämen "die Kosten des Stoff-Frühlings allemal wieder herein", versichert einer der Verantwortlichen Und das Märzwetter spielte mit - ein laues Frühlingslüftchen wehte und trug wie üblich nicht unerheblich zum Charme dieser Veranstaltung bei.

Eine Rundum-Tour lohnte sich, denn das Angebot in den verschiedenen Show-rooms war durchaus differenziert. Bei Romo gab es viel Leinen, hell, naturfarben, auch in den bekannten Blockstreifen, daneben die junge Kirkby House-Kollektion und Villa Nova in mediterraner Landhaus-Klassik. Geschäftsführer Manfred Schillinger konnte Kunden aus Hamburg, Düsseldorf und Dresden begrüßen, nur "rund die Hälfte der Besucher kommt aus dem bayerischen Raum". Ruhige Mittagsminuten wechselten sich ab mit Trubel, sagte Schillinger gegenüber BTH Heimtex: "Samstag war es bis zwei Uhr ruhig, dann bis fast acht Uhr abends der Teufel los".

Osborne & Little erfüllt eigentlich nicht die Bedingungen für die Teilnahme am Stoff-Frühling. Die englische Firma hat keinen eigenen Showroom in München, sondern mietet jeweils eine Location an. Das hat in diesem Jahr nicht gut getan, die Präsentation war etwas seelenlos, wenn auch die Stoffe für sich sprechen: O & L mit japanischen Einflüssen in lichtem Gelb, Grün und pudrigem Pink, Nina Campbell mit venezianischer Opulenz, Liberty mit feinen Multicolor-Strukturstreifen und -Graphics sowie Plissees. Die Kollektionen waren erstmals in Deutschland zu sehen, nach der Vorstellung im März auf der Chelsea Design Week.

Was ist bei Decortex im Gange? Es gibt wunderbar dekorative Stoffe des Florenzer Unternehmens, Baumwolle und Seide, stilisierte Blüten und Blätter, Ikats und Jeans, es gibt aber auch Gerüchte über "Umstellungen" - wird etwa der Münchner Showroom wieder aufgelöst? Die neue Geschäftsleiterin von Pierre Frey, Marianne Coverca, war einer jener, die Bedenken wegen des frühen Termins hatte. "Für uns ist das zwanglose Zusammenkommen wichtig, Musterverkäufe haben wir auf der Heimtextil gemacht". Es gäbe aber Überlegungen, die Heimtextil "nicht mehr zu machen, Frankfurt ist einfach zu teuer. Dann würde der Stoff-Frühling zur Alternative. Allerdings fehlt hier das internationale Publikum."

Johannes Falk hatte für seine kleine, aber sehr feine Colony-Kollektion den adäquaten Rahmen geschaffen. Bei ihm wurde über den frisch verlegten Fußboden aus Holzbohlen eines aufgelassenen 200 Jahre alten Bad Aiblinger Bauernhauses gesprochen, erst dann über die Stoffe aus Rom - kostbare Seiden, Lampasse, Brokate, ergänzt durch modernes Design, etwa aus weichem Chenille. Und manch unwissender Flaneur dachte angesichts seiner Terrasse, hier hätte ein neues Café aufgemacht.

Für Colefax & Fowler ist der Stoff-Frühling praktisch eine Heim-Messe, denn man sei "seit Jahren nicht mehr auf der Heimtextil präsent". Christine de Rouvre präsentiert zarte englische Rosen und andere Blüten bei Colefax, leicht und hell desgleichen bei Jane Churchill, subtile Farbabstufungen sowie kräftiges Rot, Pink und Gold bei Manuel Canovas und nicht zuletzt raffinierte Strukturen bei Jack Lenor Larsen. Im Showroom von Wolfgang Kern zuhause, wenn auch diesmal nicht als Sponsor dabei: Sahco Hesslein, neben den Kollektionen von Artline, Axminster Carpets, Intex, Oliver Treutlein und Ryalux Carpets.

Karl Leuthenmayr ist im März in den Münchner Stadtteil Laim umgezogen und und konnte damit Büro, Werkstatt und Stofflager räumlich zusammenlegen. "Dem Fachhandel muss man zeigen, wie man hängt, und das ist uns hier möglich", erläutert Inhaber Karl Leuthenmayr weitere Vorteile. Der Stilgarnituren-Spezialist verfügt über das traditionellste, herrschaftliche Angebot aus England, Italien und Frankreich und bietet auch eigene Fertigungen, etwa imposante, wahrhaft "schlössliche" Vorhangstangen.

Einen Höhepunkt des Münchner Stoff-Frühlings stellt der Besuch in den Schwabinger Räumen von Hahne & Schönberg vor. Neidlos erkennen selbst Mitbewerber an, wieviel Kreativität, Aufwand und Liebe zum Detail in den Dekorationen zum Stoff-Frühling steckt. Herausragend das maskulin-elegante Zelt aus Leder und Textil von Andrew Martin. Beeindruckend die Fülle der Kollektionen von Brunschwig & Fils bis Veraseta. Für Michael Hahne und Joachim von Schönberg ist diese Veranstaltung jedesmal ein Kraftakt, der sich für den Betrachter letztendlich in textiler Raffinesse und großer Ästhetik auflöst.

Bei Posamenten-Müller war die Fabrikation von handgefertigten Posamenten zu besichtigen. Aber darf man das so nüchtern beschreiben? Eher handelt es sich hier um ein Museum, in dem kunstvoll gearbeitet wird, per Hand und an uralten Maschinen. Inneneinrichter kaufen hier ein, Raumausstatter, Schneider und der Einzelhandel; ein Gutteil sind Sonderanfertigungen und auch Kleinmengen sind zu bestellen. "Hier verstehen die Leute den Preis" erklärt eine Mitarbeiterin während des Rundgangs durch die Werkstätten. Dieser Handwerksbetrieb führt in eine versunken geglaubte Welt - mit realen Posamenten, Borden, Quasten, Schnüren, Fransen, Treppen- und Raffseilen.

Wurde der Aufwand von den Besuchern honoriert? Das drückt sich jedenfalls in diesem Jahr nicht in hohen Besucherzahlen aus. Offizielles wird darüber nicht verlautbart, der Rundgang zeigte aber doch einige ungewollte Muße in den Räumen. Allenthalben war aber zu hören, dass "qualitativ gute Besuche und intensivere Gespräche" stattgefunden hätten. Nun wird sich zeigen, was die Besucher von dieser textilen Passion an die Konsumenten draußen weitervermitteln können. Vermutlich davon wird es abhängen, wie sich der "Münchner Stoff Frühling" weiter entwickeln wird
aus BTH Heimtex 05/03 (Wirtschaft)