Interview mit Klaus Kunkel

"Es gibt wieder eine Gemeinschaftswerbung für die Tapete"

Die Zeit der weißen Wände sei vorbei, meint Klaus Kunkel, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Tapetenindustrie. Die Talsohle ist inzwischen durchschritten, glaubt der VDT, Tapete ist seit einiger Zeit wieder ein Thema in den Medien, was allmählich auch beim Endverbraucher ankommt. Jetzt soll eine kultige Imagewerbung als Kinospot den Absatz unter jungen Leuten beflügeln. Das Gemeinschaftsprojekt wurde von der A.S. Création Tapetenstiftung angestoßen und wird zur Heimtextil präsentiert. BTH Heimtex-Redakteurin Marianne Nehm wollte mehr darüber wissen.

BTH Heimtex: Man spricht wieder über die Tapete und man kauft wieder Tapete, ist zu hören. Und das zarte Pflänzchen wird gegossen, es wird bald Werbung für die Tapete im Kino geben, ein Gemeinschaftsprojekt ...

Klaus Kunkel: Tatsächlich scheint die Talsohle durchschritten. Wir waren uns bei der Verbandstagung in Schwerin alle einig, dass wir jetzt aktiv werden wollen und müssen, um diesen positiven Trend zu unterstützen.

BTH Heimtex: Nach meinen Informationen stammen Idee und Ursprungskonzept für einen Kinospot, der junge Leute erreichen soll, von der A.S. Création Tapetenstiftung...

Kunkel: Ja, wir haben den Anstoß aufgenommen und gemeinsam weiterentwickelt. Alle waren dafür, es gab nicht eine Gegenstimme. Diskutiert wurde lediglich die Finanzierung. Wir haben einvernehmlich eine Lösung gefunden, der alle zustimmen konnten.

BTH Heimtex: Und das bedeutet?

Kunkel: Insgesamt sind über den Zeitraum von drei Jahren 1,8 Mio. EUR eingeplant, inklusive Herstellung des Film - Kopien und Schaltung - von den Produktionskosten übernimmt die A.S. Tapetenstiftung dankenswerterweise die Hälfte.

BTH Heimtex: Im Vorfeld wurde noch diskutiert, wer den Film umsetzt, und später ein fertiges Treatment verworfen.

Kunkel: Das ist verschüttete Milch. Der Marketingausschuss des VDT, der aus Vertretern der Unternehmen A.S. Création, Coswig, Erismann, Marburg, Rasch und mir bestand, war sich schnell einig. Wir hatten vier Agenturen gebeten, ihre Ideen zu skizzieren und uns einstimmig für den Vorschlag der Berliner Agentur "Heimat" entschieden. Deren erste Idee musste verworfen werden, weil das Risiko zu groß geworden wäre, immense Summen für Namensrechte bezahlen zu müssen. Jetzt steht ein Hund im Mittelpunkt und natürlich die Tapete, unter dem meiner Meinung nach schönen Slogan "Tapete macht aus Wänden ein Zuhause". Und der Film hat auf der Heimtextil Premiere.

Wir als Tapetenleute sind ja alle ein wenig betriebsblind. Wir hätten am liebsten alles in einzigen Spot packen wollen, Tapete erklären, Vlies, Verkleben und mehr. Jetzt ist das sehr frei von "Heimat" gestaltet, eine reine Imagegeschichte für die Tapete, und das ermöglicht uns auch, die assoziierten Mitglieder im Verband zu bitten, sich zu beteiligen. Alle sind dabei, haben Zusagen gemacht, die Finanzierung steht.

BTH Heimtex: Das heißt, der Zeitplan wird eingehalten?

Kunkel: Ja, im Februar geht es los. Der Spot wird in fast 800 Kinos gezeigt und er muss eine bestimmte Zuschauerzahl erreichen, sonst wird er länger gezeigt. Zielgruppe ist eine Generation von jungen Kinogängern, die bisher Tapeten überhaupt nicht wahrnahm. Es ist nur ein Spot geplant, der ab 2005 jeweils im Frühjahr und Herbst etwa zwei Monate laufen soll.

BTH Heimtex: Gibt es auch begleitende Verkaufsförderungsmaßnahmen für die Mitglieder?

Kunkel: Jedes Mitglied ist selbst aufgefordert, etwas dranzuhängen, den Slogan für Design und Vertrieb zu nutzen und entsprechende Kollektionen herauszubringen.

Hier müssen Synergien genutzt werden. Wir werden die Kampagne mit einem Internet-Auftritt und einer Broschüre unterstützen.

BTH Heimtex: Wie schwer oder leicht fällt denn die Finanzierung? Wie steht die Tapete in diesem Jahr da?

Kunkel: In diesem Jahr ging es tatsächlich nicht mehr bergab wie in den vergangenen Jahren. Im Gegenteil: Im ersten Halbjahr haben wir in der Menge einen Zuwachs von knapp 2% realisiert - immerhin seit vielen Jahren zum ersten Mal, und mit rund 6% einen deutlichen Zuwachs im Wert.

BTH Heimtex: Können Sie das noch nach Inland und Export differenzieren?

Kunkel: Im Inland hat die deutsche Tapetenindustrie im ersten Halbjahr 1,5% mehr Rollen abgesetzt als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, das waren 25 Mio. Rollen, der Umsatz stieg sogar um gute 6% auf 80 Mio. EUR.

Im Ausland wurde per 30. Juni mit +0,5% ein kleines Plus im Absatz und mit 3% ein etwas größerer Zuwachs im Umstz erreicht. Das entspricht 32 Mio. Rollen bzw. 100 Mio. EUR Umsatz.

BTH Heimtex: Inzwischen liegen doch auch schon die Werte des dritten Quartals vor....

Kunkel: Sie bestätigen den positiven Trend. Die Schätzung für das Gesamtjahr liegt bei einem Plus zwischen 3 und 5%, wobei der Anteil von Vlies weiter zunimmt auf etwas über 30%. Im letzten Jahr lagen wir bei 24% Anteil im Inland und 27% im Ausland.

BTH Heimtex: Der Export war jahrelang der Motor der deutschen Tapetenindustrie. Jetzt scheint er etwas ins Stottern zu kommen....

Kunkel: Der Export ist zwar nicht weiter gestiegen, aber auch nicht zurückgegangen, wie ich es eigentlich erwartet hatte. Ich hatte gedacht, dass wir allmählich in Osteuropa an Grenzen stoßen. Es ist zwar in Russland etwas weniger geworden, das haben andere Länder dafür ausgeglichen.

BTH Heimtex: Welche?

Kunkel: Andere Länder in Osteuropa. Frankreich kauft immer noch stark, auch England läuft ganz gut. Westeuropa ist aber nach wie vor schwierig, überall. Es hilft uns aber auch, dass einige englische und französische Unternehmen große Probleme haben, dadurch gibt es natürlich auch immer mal ein bißchen Luft.

Russland ist wie bisher der wichtigste Abnehmermarkt, aber es ist eigentlich ganz klar, dass dort ein harter Konkurrenzkampf tobt.

BTH Heimtex: Wobei der Wettbewerb in Russland doch massiv zunimmt. Auch die Chinesen haben inzwischen den russischen Markt entdeckt.

Kunkel: Wenn so ein Markt floriert, dann stürzt sich alles darauf. Chinesen liefern wahrscheinlich sehr stark dorthin, mittlerweile bedauerlicherweise aber nicht nur nur mit fairen Mitteln, wie die Klagen über die Vielzahl der chinesischen Plagiate beweisen. Aber Sie haben trotz aller Versuche, die es immer wieder gibt, kaum eine Chance, etwas dagegen zu unternehmen. Der normale juristische Weg dauert Jahre. Es wäre möglicherweise eine Aufgabe für die IGI, eine internationale Geschichte, aber ich denke fast, ein sinnloses Unterfangen.

Generell tummeln sich viele Tapeten-Anbieter in Osteuropa. Kein Wunder: Tapeten haben dort einen ungeheuer hohen Stellenwert, vergleichbar wie in unseren Wiederaufbau-Jahren.

BTH Heimtex: Aber erleben diese Länder nicht einen Schnelldurchlauf der Jahrzehnte?

Kunkel: Ja, aber Russland besteht nicht nur aus Moskau. Ob in Sibirien oder der Tundra - überall finden Sie Tapeten, selbst in der einfachsten Hütte. Allein durch die schiere Größe des Landes wird der Boom noch Jahre anhalten.

BTH Heimtex: Stichwort Asien, speziell China. Wenn die Chinesen versuchen, andere Märkte zu erobern, könnten doch ihrerseits ausländische Anbieter auf dem chinesischen Markt aktiv werden. Davon ist aber bislang wenig zu sehen...

Kunkel: Die deutsche Tapetenindustrie ist sehr exportorientiert, aber ich glaube, es ist einfach schwierig, unter den gegebenen Marktverhältnissen große Mengen an Tapeten nach China zu liefern. Es gibt schon einige Lieferungen nach China, sie halten sich aber noch Grenzen.

BTH Heimtex: Haben Sie einen Überblick über die Importe in China?

Kunkel: Der Import bewegt sich auf sehr niedrigem Niveau - etwa 7 bis 8 Mio. Rollen, wenn es überhaupt so viele sind. Zum Beispiel sind darunter auch Importe unserer eigenen Unternehmen zu zählen, die eingeführt und weiter vermarktet werden. Bei Aussagen zu Importen bin ich auf die Zahlen des Statistischen Bundesamtes angewiesen und bei dessen Veröffentlichungen habe ich große Bedenken.

BTH Heimtex: Zurück nach Deutschland. Die Tapete hat an Wert mehr zugelegt als an Menge, es haben also höherwertige Produkte an Marktanteil gewonnen. Wird die Preistreiberei dadurch etwas eingegrenzt?

Kunkel: Ich glaube es nicht. Die Tapetenproduzenten haben es nach wie vor nicht einfach. Einerseits explodierende Rohstoffpreise, ich denke, in der kommenden Kollektion müssen die Preise deutlich angepasst werden, das ist eine Notwendigkeit. Andererseits steht der Industrie eine sehr starke Abnehmerseite gegenüber, die auch egal welche Art des Handels, ihre Probleme hat und gerade deswegen sicher nicht daran denkt, ihre Marktmacht zu beschränken.

Und der starke Euro gegenüber dem Dollar macht den Export nicht leicht. Das ist schon insgesamt ein sehr schwieriges wirtschaftliches Umfeld.

BTH Heimtex: Was bedeutet das für die Tapetenindustrie? Werden nur die ganz Großen und die ganz Kleinen überleben?

Kunkel: Vielleicht kommt es tatsächlich irgendwann so weit, dass nur noch die Kleinen Papiertapeten herstellen. Im Moment ist das zwar nicht denkbar, aber es könnte sein, dass sich die Tapeten-Landschaft dahingehend entwickelt, dass die großen Unternehmen keine kleinen Losgrößen mehr herstellen, weil sich das einfach nicht mehr lohnt.

Die Kleinen können überleben, wenn sie sich in Nischen bewegen. Wenn sie versuchen, das Gleiche zu machen wie die Großen, haben sie keine Chancen. Aber Nischen zu finden, erfordert einen Rieseneinsatz; da muss um jede Rolle gekämpft werden. Insofern bedauere ich es auch, wenn der Handel seine Lieferanten reduziert; es ist doch gut, auf Anbieterseite über ein gewisses Spektrum zu verfügen, damit man auswählen kann. Ich habe aber den Eindruck, dass das im Tapetenhandel allmählich erkannt wird und man sich gar nicht mehr nur auf ein oder zwei Lieferanten festlegen will. Es ist doch auch viel besser, weitere Anbieter als Verhandlungsspielraum zu haben. Da sind auch die kleinen Hersteller gefragt.

BTH Heimtex: Welche Bedeutung hat denn der Großhandel überhaupt noch für Tapeten? Bleibt er auch künftig ein wichtiger Distributeur?

Kunkel: Ich weiß nicht, wie sich der Markt weiter entwickelt. Im Vergleich zu anderen Produktgruppen des Großhandels hat die Tapete leicht dazu gewonnen, wenn natürlich auch nur in ihrer relativ kleinen Nische. Und es scheint sich doch herumzusprechen, dass die Tapete ein Produkt ist, mit dem man noch Geld verdienen kann. Der Großhandel, der das Produkt Tapete ernst nimmt, der Spaß an diesem Produkt hat, ist für die Industrie wichtig.
aus BTH Heimtex 12/04 (Wirtschaft)