Interview mit Erwin Landherr und Yves Bonne

Der Großhandel wird bei uns in Zukunft deutlich mehr im Focus stehen

Anker ist eins der Traditionsunternehmen der europäischen Bodenbelagsbranche: honorig, seriös, stabil. In den letzten Jahren sorgten allerdings Unruhen bei der Führungsnachfolge und Unflexibilität im Hinblick auf die Marktveränderungen für Irritation. Inzwischen hat sich das Familienunternehmen wieder gefangen, das Management neu aufgestellt und den Kurs in die Zukunft festgelegt. Darüber sprach BTH Heimtex-Chefredakteur Claudia Steinert mit Vertriebs-Geschäftsführer Erwin Landherr und Yves Bonne, Mitglied der Geschäftsleitung und Gesamtvertriebsleiter.

BTH Heimtex: Früher hat Anker regelmäßig Zahlen veröffentlicht, jetzt schon längere Zeit nicht mehr. Klären Sie uns auf: Wo lag Ihr Umsatz 2003, wie viele Mitarbeiter haben Sie beschäftigt? Und: Zweifellos ist Substanz bei Anker da, aber verdienen Sie auch operativ Geld? Haben Sie 2003 schwarze Zahlen geschrieben?

Ewin Landherr: Unser Umsatz 2003 lag etwas über 50 Mio. EUR, wobei ich nur von Anker spreche, nicht vom konsolidierten Gruppenumsatz, wir haben 360 Mitarbeiter beschäftigt und wir haben 2003 zum ersten Mal keine schwarzen Zahlen geschrieben.

BTH Heimtex: Wie verteilt sich Ihr Umsatz auf das Objekt- und Handelsgeschäft?

Landherr: Ein Handelsgeschäft im eigentlichen Sinne, also für den privaten Wohnbereichen betreiben wir nicht. Wenn Sie den Großhandels-Anteil meinen, liegt er aktuell bei ca. 25%, wir wollen ihn aber ausbauen und dafür ein eigenes Großhandelskonzept erarbeiten.

BTH Heimtex: Bis jetzt haben wir nur über Anker gesprochen. Und wie haben sich die Tochtergesellschaften entwickelt?

Landherr: Bei Durmont stieg man 1998 aus drei Gründen ein: Erstens stand die Osterweiterung Europas vor der Tür und dafür sah man in Österreich eine gute Ausgangsbasis, zweitens war Durmont im Handelsgeschäft stark, das war eine gute Erweiterung zu Anker und drittens hatte Durmont Verbindungen zum Automobilgeschäft. Leider gelang es aber nicht, Synergien zu realisieren.

Filo Carpet hat einen schwierigen Start gehabt, sich inzwischen aber gefangen und im ersten Halbjahr 2004 klar Zuwächse realisieren können. Wir arbeiten dort praktisch nur auftragsbezogen; deshalb ist unser Lager recht überschaubar und es gibt durchaus Synergien mit Anker, wenn auch nicht in dem Maße wie geplant, weil wir mit unserer Chromojet-Spritzdruckanlage nur 2 m breit arbeiten. Grundsätzlich sind wir bei Filo Carpet aber auf einem vernünftigen Weg.

Und zu Hatéma kann Herr Bonne als Geschäftsführer etwas sagen.

Yves Bonne: Hatéma ist zu 100% focussiert auf das Objektgeschäft in den Niederlanden und Großbritannien. Hier sin d wir gerade dabei, die Synergie-Effekte auszuloten und zu forcieren und glauben, dass es dort ein großes Potenzial gibt.

Früher waren Anker und Hatéma komplett separiert; heute arbeiten wir enger zusammen, zum Beispiel in der Entwicklung. Und davon profitieren beide Seiten.

BTH Heimtex: Wenn Sie jetzt über Synergie-Effekte nachdenken und eventuell die Produktion in Düren konzentrieren, macht es denn Sinn, den Standort Sittard in den Niederlanden überhaupt zu erhalten?

Bonne: Das ist eine gute Frage aber wie bei allen möglichen Entscheidungen gibt es Pro und Contra und wir können zum heutigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit sagen, in welche Richtung es künftig geht. Entscheidend ist dabei auch, was unsere Kunden wollen. Wir haben festgestellt, dass die Marke Hatéma unabhängig von der Größe der Firma immer noch in vielen Köpfen präsent ist. Das ist sicher eine Stärke, die wir pflegen müssen. Aber wir müssen auch sehen, wie wir uns innerhalb der Gruppe aufstellen.

BTH Heimtex: Kommen wir zurück zu Anker. Es hat Veränderungen in der Geschäftsführung gegeben; wie sieht jetzt die Gewaltenteilung innerhalb des Gremiums aus? Wer ist jetzt Sprecher der Geschäftsführung?

Landherr: Wir haben innerhalb der Geschäftsführung keine Gewaltenteilung. Als Sprecher der Geschäftsführung fungiert seit Anfang 2003 Hans Fehl, wobei die Aufgabe des Sprechers schwerpunktmäßig darin besteht, das Sprachrohr gegenüber den Gesellschaftern zu sein. Und Herr Fehl ist für dafür prädestiniert, weil er die Gesellschafter und die Gegebenheiten seit vielen Jahren kennt

Ansonsten haben wir innerhalb der Geschäftsführung eine klare Aufgabenverteilung, die auch so gelebt wird.

BTH Heimtex: Wer ist denn dann zum Beispiel für die Strategie verantwortlich?

Landherr: Strategieverantwortlich bezeichne ich mich. Bislang gab es bei Anker keinen mittel- oder langfristigen Strategieplan, ich halte es aber für sehr wichtig, unseren Kunden wie unseren Mitarbeitern aufzuzeigen, wohin der Weg geht. Das schließt alles Mögliche ein: Wohin geht Anker mit welchen Mitteln, auf welche Märkte, mit welchenMitarbeitern, wo haben wir Stärken, wo haben wir Schwächen, wo müssen wir etwas ausbauen?

BTH Heimtex: In der Branche wird immer gerne kolportiert, dass der Beirat bei Anker zu viel Einfluss auf die Strategie und das operative Geschäft nimmt. Stimmt das?

Landherr: Nein, der Beirat und auch die Gesellschafter mischen sich so gut wie nie in die operativen Belange ein. Es sei denn, die Geschäfte laufen gar nicht, dann schaltet sich der Beirat mehr ein. Aber das ist ja ganz normal. Und Anker hat sehr viele gute Jahre gehabt, erst in der letzten Zeit wurde es konjunkturbedingt schwieriger, deswegen ist der Beirat etwas aktiver. Und er spielt auch eine gewichtigere Rolle bei größeren Investitionsentscheidungen wie Firmenkäufen.

Klar getrennt sind allerdings operatives Geschäft und gesellschaftliche Interessen. Das heißt, die Gesellschafter dürfen nicht die Mehrheit im Beirat haben und auch nicht in der Geschäftsführung.

BTH Heimtex: Wie viele Gesellschafter gibt es und wer sind sie?

Landherr: Es gibt nur vier Gesellschafter: Eine ist Frau Vera Ahlemann, sie hält 50% der Anteile, die drei Söhne ihrer verstorbenen Schwester und ihres verstorbenen Schwagers teilen sich die anderen 50%. Das sind Markus Schoeller, der älteste Sohn von Marion und Alexander Schoeller, der seit 1993 im Unternehmen ist und seit 2000 der Geschäftsführung angehört und dort in erster Linie für die technischen Belange zuständig ist, Aurel, der zweite Sohn, hat zunächst auch bei Anker mitgearbeitet, ist mittlerweile aber Vorstandsvorsitzender eines Kölner Medizinprodukte-Unternehmens und der jüngste Bruder Dominik ist Psychologe in München.

BTH Heimtex: Sie sagten eben, dass Anker in den letzten Jahren unter der schwierigen Konjunktur gelitten habe. Das allein ist nicht der Grund für die schlechteren Geschäfte. Dahinter stehen auch hausgemachte Probleme: Anker ließ keine klare Strategie mehr erkennen, hat die Marktentwicklung ignoriert und Chancen verpasst, wirkte überaltert und schwerfällig durch zu viele Hie-rarchiestufen. Der Name Anker hat immer noch einen guten Klang im Markt, das Unternehmen an sich aber an Renommee verloren. Sie beide sind jetzt seit einigen Monaten in Düren. Wie sah Ihre erste Bestandsaufnahme aus?

Landherr: Manches von dem, was Sie kritisieren, kann ich nachvollziehen. Wobei man das hier in Düren auch erkannt hat.

Es war eben so, dass zuvor die Geschäfte bei Anker jahrelang hervorragend liefen und man sehr gut verdient hat, bis der Objektmarkt schwächer wurde und man sich dem nicht entsprechend angepasst hat. Auch was Kreativität und Innovativität anbelangt, haben wir Nachholbedarf. Aber daran arbeiten wir intensiv. Und es ist ja auch nicht alles schlecht; letztlich hat Anker alle Möglichkeiten, viel mehr als alle anderen Teppichbodenhersteller in Deutschland - von der Mannschaft, vom Know-How und von den Maschinen her. Es gibt praktisch kein Fertigungsverfahren, über das wir nicht verfügen, sei es beim Tuften, beim Weben, bei der Färberei, beim Drucken oder beim Beschichten. Entsprechend groß ist unsere Produktpalette, wobei bislang eins der bestgehüteten Geheimnisse war, wie groß sie tatsächlich ist...

BTH Heimtex: Das heißt, der Maschinenpark ist gepflegt worden, es herrscht kein Investitionsstau.

Landherr: Überhaupt nicht. Der Maschinenpark ist auf dem neuesten technischen Stand. Anker hat viel verdient, aber nichts an die Gesellschafter ausgeschüttet, sondern das Geld in das Eigenkapital eingestellt oder wieder reinvestiert in neue Technologien und Kapazitäten. Wir sind absolut wettbewerbsfähig.

Insofern bin ich sehr zuversichtlich, dass wir relativ zügig wieder auf die Erfolgsstraße zurückkommen. Anker verfügt über ein riesiges Potenzial, das wir nur wieder weckenmüssen. Das ist jetzt unsere wichtigste Aufgabe.

BTH Heimtex: Hat man Sie mit dieser Aufgabenstellung nach Düren geholt?

Landherr: Nicht direkt, es hat sich aber nach kurzer Zeit herauskristallisiert. Unsere vorrangigste Aufgabe ist wie gesagt, das Volumen zu erhöhen: über neue Chancen, neue Kanäle, die Erschließung neuer Marktsegmente. Und diese Aufgabe ist lösbar.

Klar gesagt: Wenn es uns nicht gelingt, mehr Volumen, mehr Umsatz zu generieren, sehe ich meine Mission als gescheitert an. Da bin ich sehr erfolgsorientiert.

BTH Heimtex: Können Sie das noch konkretisieren?

Landherr: Ja - Wenn es uns nächstes Jahr nicht gelingt, im Umsatz um mindestens 5% zuzulegen und schwarze Zahlen zu schreiben, haben wir einiges falsch gemacht.

BTH Heimtex: Sie erwähnten eben Ihre große Produktpalette. Ist sie denn auch marktgerecht?

Landherr: Auch daran arbeiten wir intensiv, nicht nur an Erneuerungen, sondern auch an Ergänzungen. So werden wir zur Abrundung noch eine Nadelvlies-Reihe im hochwertigen Bereich aufnehmen, auch mit bedruckten Artikeln und mit Fliesen, damit wir in der Objekt-akquise auch dieses Terrain mit abdecken.

BTH Heimtex: Man muss heute nicht mehr alles selber produzieren. Es gibt Wettbewerber von Ihnen, die sich woanders mit preiswerter Massenware eindecken, um auch Eckpreislagen bedienen zu können. Wäre das für Sie auch denkbar?

Landherr: Wir haben eine Strategie: Unser Focus liegt klar auf dem Objekt. Der Wohnbereich ist nicht unsere Stärke. Darauf ist unser Außendienst auch gar nicht eingestellt. Wenn wir allerdings einen Bedarf bei unseren Kunden sehen und sie mitspielen würden, könnten wir über eine Abrundung im gehobenen Wohnbereich nachdenken. Aber das würde eben nur funktionieren, wenn unsere Kunden aktiv die Vermarktung betreiben. Wir werden sicher keinen separaten Außendienst dafür aufbauen. Zunächst haben wir ohnehin erstmal andere Prioritäten.

Unter anderem haben wir eine Kundenzufriedenheits-Analyse machen lassen. Danach sind wir von Architekten, Generalunternehmern und Objekteuren recht gut beurteilt worden, beim Großhandel fallen wir dagegen etwas ab. Das wollen wir verbessern. Der Großhandel wird bei uns in der Zukunft deutlich mehr im Focus stehen. Wir werden zwar keine radikale Veränderung vornehmen, aber uns klar mehr zum Großhandel hin bewegen, um mit ihm gemeinsam verstärkt das kleinere und mittlere Objekt anzugehen.

Bonne: Wir wollen auch den Kontakt mit seinen Unterkunden intensivieren, um eine bessere Marktdurchdringung zu erreichen - ohne dem Großhandel Konkurrenz zu machen.

Um die kleineren und mittleren Objekte und speziell den Renovierungsbereich zu forcieren, haben wir zudem unser Partnerkonzept entwickelt.

BTH Heimtex: Wen sprechen Sie damit an?

Bonne: Kompetente lokale Unternehmen, die eine professionelle Verlegung unser Produkte gewährleisten können. Wir haben eine Liste mit potenziellen Kandidaten aufgebaut, die in Frage kommen....

BTH Heimtex: Wie viele sind das?

Bonne: ....insgesamt ca. 800. In der zweiten Phase wollen wir dann auch den Großhandel über seine Unterkunden einbinden. Wobei ich betone, dass wir den Großhandel nicht untergraben und seine Unterkunden zu unseren Direktkunden machen wollen.

BTH Heimtex: Was sagt denn der Großhandel zu Ihrer Idee?

Landherr: Er ist prinzipiell sehr interessiert, sofern wir nicht seine Unterkunden abwerben. Aber das wollen wir ja auch gar nicht.

BTH Heimtex: Welche Leistungen bieten Sie den Anker-Partnern? Profitieren sie von monetären Vorteilen, Gebietsschutz oder selektiver Produktpolitik?

Bonne: Es gibt eine Gebietspräferenz, aber keinen Gebietsschutz und es gibt auch keine selektiven Produkte, aber bestimmte Konzepte, bei denen die Partner einen Vorsprung erhalten. Weitere Leistungen sind unter anderem ein transparentes Preis- und Konditionensystem, Beratungsservice, ständiger Informationsaustausch, gezielte Marketingaktivitäten, gemeinsame Akquisition, After-Sales-Service und natürlich auch einen gewissen Preisvorsprung. Wir glauben, dass wir mit diesem Konzept regional aktiv und erfolgreich sein können.

Landherr: Wir sind sogar überzeugt, dass das der richtige Weg ist. Auch um eine längerfristige Kundenbindung zu erreichen.
aus BTH Heimtex 12/04 (Wirtschaft)