Interview mit M. Richenhagen, E. Schmidt, Hans-H. Kuhn von Forbo-Flooring

"Wir wollen unsere Chancen nutzen und in Deutschland weiter wachsen"

Forbo hat in den letzten Monaten für Unruhe gesorgt. Umstrukturierungen und Veränderungen im Management auf Konzernebene wie bei den deutschen Vertriebsgesellschaften haben die Kunden und den Markt verunsichert. In der Branche wurde sogar spekuliert, dass sich Forbo ganz von Bodenbelägen trennen will. Was steckt wirklich dahinter? Darüber sprach BTH Heimtex-Chefredakteur Claudia Steinert mit Forbo-Vorstandsmitglied Martin Richenhagen, Deutschland-Statthalter Elmar Schmidt und Forbo-Novilon-Geschäftsführer Hans-Heinrich Kuhn.

BTH Heimtex: Herr Richenhagen, die berühmten ersten 100 Tage haben Sie hinter sich. Wie ist Ihr Eindruck erstens von Forbo, zweitens von den Bodenbelags-Aktivitäten von Forbo und drittens von der Bodenbelagsbranche im Allgemeinen?

Martin Richenhagen: Forbo insgesamt ist ein solides Unternehmen mit einem Fokus, der mir sehr gut gefällt, nämlich auf Qualität, auf Innovationen und auf Design sowie mit einer hochmotivierten Mannschaft.

Was mir auch gut gefällt ist die dezentrale Organisation; die Holding in der Schweiz ist mit etwa 40 Leuten sehr schlank im Vergleich zu anderen Unternehmen und die operativen Entscheidungen werden normalerweise vor Ort gefällt. Das gilt für die Produktionsbetriebe genauso wie für die Vertriebsgesellschaften.

Was Schwächen angeht, sehe ich eigentlich nur Kleinigkeiten, etwa einen kleinen Optimierungsbedarf im Berichtswesen.

Was das Bodenbelagsgeschäft betrifft, dachte ich zunächst, das wäre langweiliger. Wenn man wie ich aus einem technisch anspruchsvollen Bereich wie dem Fahrzeugbau kommt, kann man sich kaum vorstellen, dass Bodenbeläge als Produkte von der Stange interessant sein können. Nachdem ich jetzt aber eine Zeitlang bei Forbo bin und mich auch relativ intensiv um das eine oder andere Werk kümmern musste, habe ich festgestellt, dass Bodenbeläge wesentlich interessanter sind, als ich dachte. Da steckt viel mehr Know-How und Technologie dahinter, als man als Laie vermutet - besonders in der Fertigung von Linoleum. Das hat ja fast Manufaktur-Charakter. Ich bin sicher, dass man diesen Gedanken, Bodenbeläge zu produzieren, die umweltfreundlich und -verträglich sind, vom Marketing her noch wesentlich verstärken könnte. Ich weiß gar nicht, ob das jedem so bekannt ist.

Und in der Bodenbelagsbranche wird sich noch einiges tun. Auf der einen Seite gibt es große Unternehmen, denen es nicht besonders gut geht, die teilweise sogar ihr Geschäft unter dem Schutz des Chapter 11 betreiben, auf der anderen zahlreiche Kleinere. Spannend ist, dass sich daneben noch eine ganze Reihe mittelständischer Unternehmen halten, vor allen Dingen im Teppichboden-Bereich. Ich persönlich glaube nicht, dass die Konsolidierung der Branche schon zu Ende ist. Da wird sich noch einiges bewegen.

BTH Heimtex: Ich gebe Ihnen Recht, dass Forbo einen Ruf als solides, seriöses Unternehmen genießt. In den letzten Jahren hat Forbo aber den Eindruck vermittelt, dass der Konzern kein großes Interesse mehr an Bodenbelägen hat. In der Branche heißt es sogar, dass die Bodenbelagsbranche zum Verkauf stände und schon das Terrain bei eventuellen Interessenten sondiert worden sei. Mit welcher Aufgabenstellung sind Sie geholt worden? Sollen Sie die Braut schönen, bevor sie verkauft wird oder eine Expansion einleiten?

Richenhagen: Dazu will ich zum einen sagen, dass sowohl in der Konzernstrategie wie auch im Statement des Vorstandsvorsitzenden ganz klar zum Ausdruck gebracht wird, dass Bodenbeläge das Kerngeschäft von Forbo sind. Zum anderen hat Forbo für eine Aktiengesellschaft mit relativ weit gestreutem Kapital gerade die passende Größe, dürfte gar nicht viel kleiner werden. Insofern würde es keinen Sinn machen, sich von den Bodenbelagsaktivitäten als größtem Geschäftsbereich zu trennen.

Natürlich unterhalten wir uns ab und zu mit Wettbewerbern - aber sicher nicht mit der Intention, das Geschäft an sie zu verkaufen.

Wohl haben wir das Bodenbelagsgeschäft konsolidiert und uns im Zuge dieser Konsolidierung von einigen Aktivitäten getrennt, die nicht so interessant für uns waren und uns auch weitgehend vom Teppichbodengeschäft verabschiedet. Diese Konsolidierungsphase ist abgeschlossen.

Gleichzeitig haben wir in den Klebstoffbereich investiert. Der ist wiederum eng verbunden mit dem Bodenbelagsgeschäft, so dass durch diese Akquisitionen die Abhängigkeit von Bodenbelägen eher gestiegen als gesunken ist.

BTH Heimtex: Natürlich sind Bodenbeläge mit 48% ein Umsatzanteil ein wichtiger Geschäftsbereich für Forbo, aber es könnte ja sein, dass Sie sich nur von Teilbereichen trennen und so Mittel für weitere Akquisitionen generieren wollen.

Richenhagen: Ich kann Ihnen versichern, dass das nicht zutrifft. Es ließe sich genauso gut andersherum darüber nachdenken, ob die Forbo Bodenbeläge nicht auch durch Akquisitionen wachsen könnten oder ob ein Merger Sinn machen würde. Wobei mir da ad hoc keine sinnvollen Kombinationen einfallen.

Es ist doch so so: Wenn wir uns von einem Kerngeschäft trennen wollten, das die Hälfte unseres Umsatzes und mehr als die Hälfte unseres Ergebnisses ausmacht, müssten wir uns schon sehr genau überlegen, was besser zu uns passen würde.

Ich glaube auch nicht, dass die Aktionäre einen Verkauf mitmachen würden.

BTH Heimtex: Ist das nicht letztlich nur eine Frage des Geldes? Tarkett Sommer, einer Ihrer großen Mitbewerber, hat vor drei Jahren auch sein Kern- und Stammgeschäft Automobilzulieferung verkauft. Ich könnte mir vorstellen, dass sich Forbo genauso ohne ein Wimpernzucken von Bodenbelägen trennen würde, wenn der Preis stimmt.

Ihre Aktionäre sind doch wahrscheinlich branchenfremde Investoren, die am Unternehmen an sich oder an der Branche kein Interesse haben, sondern nur an einem möglichst hohen Ertrag. Gerade bei Kapitalgesellschaften lässt sich immer wieder feststellen, dass Führung und Aktonäre rein auf kurzfristige Gewinnmaximierung fixiert sind und die Entwicklungsmöglichkeiten eines Unternehmens darunter leiden.

Richenhagen: Das ist bei Forbo anders. Die Verbindung zwischen Forbo und den Aktionären ist anders einzuordnen als bei anderen Aktiengesellschaften. Der größte Einzelaktionär ist die UBS Fund Management, eine Schweizer Bank mit 5,1% Anteil und die normalen Aktionäre sind Kleinanleger, die mal bei Forbo gearbeitet haben oder in der Nachbarschaft wohnen, insofern also einen engeren Bezug zum Unternehmen haben. Natürlich erwarten sie sie eine Rendite, aber sie verkaufen nicht gleich ihre Aktien, wenn die Dividende mal ein Jahr niedriger ausfällt.

BTH Heimtex: Ich möchte noch mal darauf zurück kommen, mit welcher Aufgabenstellung Sie zu Forbo geholt worden sind. Das Thema Verkauf haken wir jetzt erst einmal ab, die andere Richtung wäre dann eine Expansion.

Richenhagen: Wir haben momentan zwei Aufgabenfelder: Das eine ist die Zusammenführung von Linoleum und Kunststoffbelägen zu einer Bodenbelagssparte - Forbo Flooring. Bodenbeläge waren ursprünglich mal ein Geschäftsbereich mit zahlreichen Parallel-Vertrieben, wurden dann in drei aufgeteilt und werden jetzt verschmolzen, weil wir mit einem Gesicht bei den Kunden auftreten wollen. Wobei wir eine klare Vorstellung davon haben, wie wir das Geschäft nach Segmenten getrennt bearbeiten, aber an der Spitze zentral koordinieren.

Die zweite Aufgabe ist zu wachsen. Und weil wir stets vorsichtig mit unserer Liquidität umgehen, ist unser Ziel vor allem internes Wachstum - und das gegen den Trend und auf rückläufigen Märkten. Daran merken Sie schon, dass wir uns nicht aus dem Bodenbelagsgeschäft verabschieden, sondern vernünftiges Umsatzwachstum realisieren wollen - und das geht nur über den Ausbau von Marktanteilen.

BTH Heimtex: Das wäre über externes Wachstum, sprich Zukäufe, aber eventuell einfacher angesichts der schwierigen Marktsituation. Sie haben das Thema Akquisitionen ja vorhin schon einmal ins Spiel gebracht...

Richenhagen: Dazu will ich jetzt keine Aussage machen. Ich würde es auf jeden Fall nicht ausschließen. In der Konzernspitze hat man sich ja auch schon vor meiner Zeit damit befasst, wer zu Forbo passen könnte und zum Teil sogar bereits konkrete Verhandlungen geführt, die dann allerdings gescheitert sind. Aber das muss man vernünftig abwägen und in Ruhe abwarten. In einigen Produktbereichen wären Zukäufe durchaus interessant für uns, in anderen wie Kunststoffbelägen weniger, weil wir dort vor drei Jahren groß in eine neue Anlage investiert haben.

BTH Heimtex: Das heißt, der Verwaltungsrat würde Mittel für Akquisitionen freigeben?

Richenhagen: Das hoffe ich. Ich glaube nicht, dass wir Probleme haben, externes Wachstum zu finanzieren.

BTH Heimtex: So ganz zufrieden können Herr Kummer und der Verwaltungsrat mit der Arbeit Ihrer beiden Vorgänger Weijenberg und Pemberton aber nicht gewesen sein. Sonst wäre Herr Weijenberg, der innerhalb des Vorstandes für Linoleum zuständig war, nicht in den Ruhestand geschickt worden und Herr Pemberton, der Kunststoffbeläge verantwortete, mit einer neuen Aufgabe außerhalb des Vorstandes betraut worden. Es hätte ja auch einer von den beiden die neue Bodenbelagssparte leiten können.

Richenhagen: Es gab tatsächlich unterschiedliche Vorstellungen zwischen Herrn Weijenberg, dem übrigen Vorstand und dem Aufsichtsrat.

Bei Herrn Pemberton sehe ich das anders: Er hat eine sehr interessante Aufgabe übernommen, den Gesamtvertrieb aller Bodenbeläge und damit eine wesentlich höhere Umsatzverantwortung als in seiner vorherigen Position und hat sich dieser Funktion mit großem Einsatz und Engagement angenommen.

BTH Heimtex: Verschleiern Sie durch die Zusammenführung von Linoleum und Kunststoffbelägen zu einem Geschäftsbereich bewusst die unterschiedliche Ertragsstärke der beiden Sparten? Der Ergebnisbeitrag von Kunststoffbelägen ist ja deutlich geringer als der von Linoleum.

Richenhagen: Nein, es ist bestimmt nicht unser Ziel, unsere Zahlen untransparenter zu machen. Wir führen schließlich jedes Werk als Profit-Center mit eigenem Jahresabschluss und wissen daher ganz genau, welches Produkt welchen Ergebnisbeitrag leistet.

BTH Heimtex: Zu Ihrem Produktportfolio gehört auch noch Parkett, das mit etwa 20 Mio. EUR Umsatz aber nur einen kleinen Bereich darstellt. Warum halten Sie daran fest?

Richenhagen: Weil das eine runde Geschichte ist. Das sind Qualitätsprodukte, mit denen wir ein ordentliches Ergebnis erzielen und die in Skandinavien perfekt in unsere Distribution passen. Warum sollten wir uns davon verabschieden? Im Gegenteil - das ist ein Bereich, wo wir uns gut verstärken könnten. Wir haben sogar schon intensiv mit einem sehr großen Mitbewerber verhandelt, der dann aber leider letztlich doch nicht verkaufen wollte.

BTH Heimtex: Forbo leistet sich auch noch eine 25%-Beteiligung an seiner früheren Teppichboden-Sparte, die 2001 durch ein Management-Buyout aus dem Konzern herausgelöst wurde und heute unter Enia Carpets firmiert. War diese Beteiligung damals nur Mittel zum Zweck, um die ungeliebten Textilbeläge los zu werden und wollen Sie sich irgendwann davon trennen?

Richenhagen: Sicher diente die Beteiligung auch dazu, das MBO zu erleichtern - aber nicht nur. Wir beziehen ja noch textile Beläge von Enia Carpets, die in einigen Märkten für uns ein wichtiges Produkt in der Distribution sind. Deshalb ist es für uns strategisch wichtig, eine gute Beziehung zu Enia Carpets zu haben. Und es sieht so aus, als habe das dortige Management das Unternehmen ganz schön auf Touren gebracht.

Ob es langfristig bei dieser Beteiligung bleiben wird, ist offen. Kann sein, dass wir irgendwann aussteigen, es kann aber genauso gut sein, dass wir dabei bleiben.

BTH Heimtex: Sie haben 2002 mit Bodenbelägen 500 Mio. EUR umgesetzt. Reicht diese Umsatzgröße aus, um international richtig mitspielen zu können? Ich kann mich erinnern, dass der frühere DLW-Vorstandschef Dr. Bernd Pelz DLW mit einer ähnlicher Größenordnung als zu klein befand, um weltweit aufschlagen zu können, und deshalb die Verbindung mit Armstrong vorantrieb.

Richenhagen: Wir sind gerade dabei, unsere Strategie im Bereich Bodenbeläge zu formulieren und stellen uns dabei schon vor, global eine Rolle zu spielen. Da muss man sicher auch bei der Größenordnung in anderen Dimensionen denken und sich an den ganz Großen orientieren. Wobei es nicht allein um reines Umsatzwachstum geht. Die Kunst ist, ein Wachstum zu organisieren, dass wirklich profitabel ist. Das haben wir bei Claas-Landmaschinen geschafft: Dort haben wir innerhalb von fünf Jahren den Umsatz verdoppeln können - ohne Akquisitionen. Mal sehen, ob uns das bei Forbo auch gelingt.... Also wir werden uns schon ein ehrgeiziges Ziel vornehmen. Ich denke nicht an ein Plus von 3%.

Dazu muss man allerdings auch in den Vertrieb investieren und das fließt im ersten Jahr noch nicht zurück. Man investiert erst, dann kommt der Umsatz und dann das Ergebnis.

BTH Heimtex: Jetzt ist mir klar, warum man Sie zu Forbo geholt hat....Welche Märkte haben Priorität für Forbo? Wo sehen Sie die besten Perspektiven?

Richenhagen: Dazu muss man überlegen, wo Forbo stark ist und wo weniger stark. In Europa sind wir relativ stark, doch werden die europäischen Märkte in den nächsten Jahren kaum wachsen. Ich bin auch hinsichtlich der Perspektiven in Deutschland eher pessimistisch. Wir haben hier ein strukturelles Problem, das auch auf die Nachbarländer ausstrahlt und deshalb werden diese Märkte auf einem relativ flachen Niveau verharren. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob wir schon am Tiefpunkt angelangt sind oder ob es noch weiter nach unten geht.

Dann gibt es Märkte, die boomen, vor allem in Osteuropa, die wir im Exportgeschäft bereits ganz gut bedienen. Das reicht aber nicht aus; wenn man dort langfristig einen vernünftigen Marktanteil erwirtschaften will, muss man vor Ort produzieren.

In den USA sehen wir sehr gute Möglichkeiten für einen gezielten Einsatz der Ressourcen im Linoleum-Bereich; wir arbeiten zur Zeit an einer entsprechenden Strategie, um unseren Marktanteil dort auszuweiten - nicht nur am existierenden Linoleum- Geschäft, sondern am gesamten Bodenbelagsmarkt.

Auch China könnte ein interessanter Markt für Linoleum sein; in Korea und Japan verkaufen wir Linoleum bereits ganz gut.

Und dann glaube ich persönlich, dass wir auch in Deutschland große Chancen haben, noch besser zu werden.

BTH Heimtex: Bleiben wir mal eben bei Osteuropa, bevor wir auf Deutschland zu sprechen kommen. Haben Sie schon konkrete Pläne für eine Produktion vor Ort?

Richenhagen: Es gibt erst einmal den festen Willen, dort etwas zu tun. Und dann muss man sich erstens die Frage stellen, ob wir das allein oder mit anderen zusammen machen, und zweitens, wo man das macht.

Ich persönlich kenne Russland ganz gut und glaube, dass es Sinn macht, dort alleine etwas zu machen. Wir sind jetzt im Prinzip in der Projektphase, in der wir uns über überlegen, was wir genau machen wollen, wie groß, wo und wann es realisiert werden soll.

BTH Heimtex: Hegen Sie für andere Regionen ähnliche Pläne?

Richenhagen: Im Augenblick hat Osteuropa höchste Priorität.

BTH Heimtex: Dort müssen auch hochinteressante Margen winken, wenn man Tarkett Sommer-Vorstandschef Marc Assa Glauben schenken kann.

Richenhagen: Sicher, das ist aber nur eine Übergangsphase. So bald es dort lokale Produktionen gibt, werden sich die Margen auf ein normales Niveau reduzieren. Das war bei Autos genauso.

BTH Heimtex: Nun sind Ihre Produktionspläne in Osteuropa wahrscheinlich eher mittelfristig zu sehen. Was steht jetzt aktuell auf der Agenda? Welche kurzfristigen Maßnahmen?

Richenhagen: Die Reorganisation der einzelnen Ländergesellschaften, so dass sich die Zusammenführung der beiden Geschäftsbereiche Linoleum und Kunststoffbeläge auch in den jeweiligen Märkten widerspiegelt.

Weil wir uns auf die Zukunft vorbereiten wollen, sind wir außerdem dabei, die Kosten in den Werken zu optimieren. Wir planen keinen Personalabbau, sind auch gut beschäftigt, haben aber festgestellt, dass wir hier und da eine schlechtere Kostenposition haben als Wettbewerber. Daran arbeiten wir: durch neue Fertigungsprozesse, veränderte Rezepturen oder Zusatzstoffe und auch durch Investitionen.

BTH Heimtex: Sie müssen auch endlich Ihre teure Kalander-Anlage richtig ins Laufen bekommen. Ist die nicht völlig überdimensioniert? Gerflor Mipolam bzw. vorher die HT AG haben sehr schlechte Erfahrungen mit einer Rieseninvestition ähnlicher Art gemacht. Kann sich Ihre Anlage überhaupt mal irgendwann refinanzieren?

Richenhagen: Was heißt refinanzieren? Reden wir über einen Return on investment oder über abschreiben? Das Schöne ist ja, dass wir uns in den letzten Jahren geleistet haben, die Anlage entsprechend abzuschreiben und - ich bin optimistisch, dass wir sie auch richtig einsetzen werden.

Ursprünglich war sie für die Herstellung von PVC-freien Kunststoffbelägen gedacht, aber dann legte sich die Hysterie um PVC, man hat die Qualitäten dieses Werkstoffs wiederentdeckt und wir befassen uns jetzt damit, was wir auf der Anlage am besten fertigen. Technologisch ist sie auf dem neuesten Stand - auch heute noch. Teilweise haben wir sie durch die neue Eternal-Kollektion besser ausgelastet als in der Vergangenheit. Darüber hinaus haben wir noch ein paar ganz gute Ideen...

BTH Heimtex: Welche?

Richenhagen: Das ist jetzt noch zu früh, darüber etwas zu sagen. Es müssen auch nicht nur unbedingt Bodenbeläge sein; wir können uns hochprofitable Nischenprodukte vorstellen, nicht mal bauspezifisch, sondern außerhalb der Baubranche.

BTH Heimtex: Deutschland ist mit 213 Mio. EUR der zweitwichtigste Markt für Forbo. Wie viel davon entfallen auf Bodenbeläge?

Elmar Schmidt: Gut 70 Mio. EUR.

Richenhagen: Ich glaube, wir haben hierzulande im Bodenbelagsbereich eine ganz vernünftige Position, die wir noch deutlich ausbauen können.

BTH Heimtex: Unterschiedlich. Sicher sind Sie hierzulande mit CV-Belägen im gehobenen und oberen Marktsegment gut positioniert, im Objektbereich haben Sie Schwächen. Bei Linoleum ist Armstrong DLW deutlich stärker, bei PVC ist Ihre Produktrange viel zu schmal im Vergleich zum Wettbewerb.

Richenhagen: Da haben wir aber schon mit unserer neuen Designbelags-Kollektion Eternal angesetzt und wir haben uns auch mit einem leimlos im Klicksystem verlegbaren Linoleumboden in den Markt gewagt.

BTH Heimtex: Für reichlich Unruhe und Unsicherheit im Markt haben Sie mit dem Hick-Hack um Ihre beiden deutschen Vertriebsgesellschaften und die Personal-debatte gesorgt. Das war nicht förderlich für Ihr Geschäft. Der Wettbewerb hat sich die Hände gerieben. Wie und mit wem tritt Forbo künftig in Deutschland auf, wann tritt die neue Konstellation in Kraft und - ganz wichtig - was ändert sich für die Kunden?

Richenhagen: Wie ich vorhin bereits sagte, spiegelt sich die Zusammenführung der beiden Geschäftsbereiche Linoleum und Kunststoffbeläge auch in den einzelnen Ländergesellschaften wider. In Deutschland werden also auch die beiden Vertriebsgesellschaften Forbo Novilon in Frankfurt und Forbo Linoleum in Paderborn zu einem Unternehmen zusammengelegt. Frankfurt wird zum Jahresende geschlossen und der gesamte Vertrieb in Paderborn konzentriert. Und für dieses ganze Deutschland-Geschäft trägt Herr Schmidt die Verantwortung.

Karl-Heinz Gerlitz, der jetzt Forbo Linoleum führt, wird in diesem Jahr 65 und scheidet zum Herbst aus dem Unternehmen aus, Forbo-Novilon-Geschäftsführer Hans-Heinrich Kuhn wird uns nach dem Jahr 2004 als Berater begleiten.

Schmidt: Mit dieser Konstellation wollen wir sicherstellen, dass wesentliches Know-How aus den Märkten nicht abreißt, sondern übergeht. Und dazu bringe ich dann meine Erfahrungen aus anderen Branchen mit ein. Uns geht es ganz klar darum, einen möglichst harmonischen Übergang sicher zu stellen, um Kontinuität im Markt zu signalisieren und Forbo behutsam auf die nächsten Jahren vorzubereiten.

BTH Heimtex: Und was ist mit der Mannschaft? Wie viele Arbeitsplätze fallen der Zusammenlegung zum Opfer?

Schmidt: Im Prinzip keine. Beide Organisationen sollen in vollem Umfang erhalten bleiben. Es ist nicht vorgesehen, Personal abzubauen.

Richenhagen: Wir denken gar nicht daran, uns beispielsweise im Außendienst von unseren Mitarbeitern zu verabschieden. Ich glaube, dass wir sehr gute Außendienst-Mitarbeiter haben und die wollen wir behalten. Im Gegenteil - gute Kandidaten können sich gerne noch bei uns melden.

Schmidt: Es gibt ja zwei Möglichkeiten: man kann ein bestimmtes Niveau mit weniger Leuten halten oder man strebt mit der bestehenden Mannschaft ein höheres Ziel an - und das wollen wir. Wir wollen unsere Chancen nutzen und in Deutschland weiter wachsen.

Das Potenzial ist da. Ich habe bei meinen Kundenbesuchen in den letzten Monaten gespürt, dass Forbo draußen im Markt einen sehr guten Stand hat. Ich habe noch nie bei einem Unternehmen gearbeitet, über dass sich die Kunden so positiv geäußert haben wie über Forbo. Da bestehen emotionale Bindungen, die einen Wert an sich darstellen.

BTH Heimtex: Das klingt ja alles ganz schön, aber wie die Realität schon oft gezeigt hat, sind Fusionen immer schwieriger als man denkt - selbst bei Schwestergesellschaften. Das größte Problem ist immer, die Menschen zusammen zu bringen.

Schmidt: Das sehe ich genauso. Es gibt zwei Aspekte, die ich dazu hervorheben möchte: Der erste ist der, dass unsere wichtigsten Kunden heute bereits gemeinsame Kunden sind. Von unseren Top 50 stimmen 39 überein. Das heißt, wir haben dort sowohl Zugang aus Frankfurt wie auch aus Paderborn.

Der zweite Aspekt ist, dass sich im Außendienst überhaupt nichts ändern wird. Wir werden weiterhin mit zwei Außendienst-Mannschaften für Handel und Objekt arbeiten, in der Kundenbetreuung draußen vor Ort ändert sich also per se erstmal nichts - es bleiben die gleichen Ansprechpartner, die gleichen Gesichter.
Und wir werben natürlich in Frankfurt stark dafür, dass sich Bereitschaft entwickelt, mit nach Paderborn zu gehen.

Und dann gibt es meines Erachtens nach einen ganz entscheidenden Punkt, den sowohl die Kunden als auch unsere eigene Organisation feststellen werden: dass sich die Situation für die Kunden verbessert.

BTH Heimtex: Inwiefern?

Schmidt: Das fängt schon allein damit an, dass ein Kunde im Hause Forbo nur noch einen Ansprechpartner bei der Auftragsabwicklung hat...

Richenhagen: Nicht nur dort. Der Außendienst läuft zwar getrennt, aber auch dort hat der Kunde nur noch einen Ansprechpartner

Hans-Heinrich Kuhn: Der bisherige Handels-Außendienst wird wie bisher den Großhandel betreuen, nur das Produkt Linoleum muss er an den Objekt-Außendienst abgeben.

Schmidt: Wobei es einige wenige Ausnahmen gibt, etwa wenn ein Großhändler eine separate Objektabteilung hat. Die wird dann auch mit dem Objekt-Außendienst zusammenarbeiten.

Auf jeden Fall werden in einer Region zwei Außendienstmitarbeiter tätig sein, die sich dann natürlich auch gegenseitig die Bälle zuspielen, was bislang nicht passiert ist. Davon profitieren die Kunden genauso wie wir.

Kuhn: Wir haben die ersten Schritte gemacht, die Feinheiten müssen noch abgestimmt werden, aber wir wissen, was wir wollen: die Reibungskonflikte minimieren und beide Felder - Großhandel wie Objekt - professionell bearbeiten.

Schmidt: Als positiver Nebeneffekt für uns wird zugleich die ganze Abwicklung rationeller: Wir müssen die Kunden nur noch einmal kreditversichern, wir können die Logistik optimieren....

Richenhagen: Das spart richtig Geld, das wir dann in Marketing investieren können.

BTH Heimtex: Sie wollen in Deutschland zulegen. Wachstum können Sie durch neue oder zusätzliche Produkte generieren oder durch die Erschließung neuer Vertriebsschienen. Was ist Ihr Ansatz?

Richenhagen: Dazu muss man sich zunächst unser Stärke- und Schwächeprofil anschauen und dann überlegen, wo Stärken sind, die man ausbauen kann.

Wir haben eine Stärke: unsere tiefe Verankerung im Handwerk und im Einzelhandel. Da sind wir dem Wettbewerb überlegen. Warum sollen wir das nicht noch konsequenter nutzen?

Dann sehe ich auch im Objektbereich noch Möglichkeiten, weil wir uns mit den Produkten vielfältiger aufstellen. Da hat vielleicht etwas die Motivation gefehlt. Ich persönlich denke, dass wir dort Chancen verpasst haben, die wir schnell nachholen sollten. Zum Beispiel bei Linoleum.

BTH Heimtex: Wie viele Quadratmeter Linoleum setzen Sie denn in Deutschland ab?

Schmidt: Ungefähr 3,5 Mio. Quadratmeter.

BTH Heimtex: Also Sie wollen bei bestehenden Kunden dazu gewinnen. Aber Sie könnten auch noch neue Kundengruppen angehen, zum Beispiel Baumärkte....

Richenhagen: Das stimmt und auch neue Marktsegmente. Sehr vielversprechend sind beispielsweise unsere Kalanderbeläge Compacta und Natura. Das ist ein Segment, das wächst und dabei noch sehr rentabel ist. Und unser Vorteil ist, dass wir in diesem Bereich keinen Wettbeweb haben - es gibt keinen anderen Anbieter mit 4 m breiten Kalanderbelägen, die ja auch ihre produkttechnischen Vorteile haben, die nur bislang viel zu wenig vermarktet wurde. Da sehe ich nicht nur in Deutschland Ausbaumöglichkeiten, sondern auch in anderen Märkten.

BTH Heimtex: Dafür bekommen Sie in Ihrem klassischen CV-Geschäft massive Konkurrenz. Da hat der Wettbewerb enorm zugelegt.

Schmidt: Mag sein, wobei wir uns letztes Jahr beim traditionellen CV-Geschäft aus dem preiswerten Bereich fast völlig verabschiedet haben. Wir machen das nur noch punktuell mit und versuchen stattdessen, noch mehr in höherwertige Bereiche zu gehen, die rentabler sind. Und wir wollen eine Produktpalette aufbauen, die sich vom Wettbewerb absetzt - weg von den typischen Imitationen, hin zu völlig neuen, eigenständigen Optiken.

Und was für unsere Kunden noch wichtiger ist: Wir liegen zwar im Durchschnittspreis deutlich höher als unsere Wettbewerber, aber wir verkaufen auch nicht die nackte Rolle, sondern komplette Konzepte, wir halten die Qualität hoch, wir schulen unsere Kunden - damit sie und wir Geld verdienen können. Das hat vor allem Forbo-Novilon in der Vergangenheit hervorragend gemacht und das wollen wir nicht nur fortsetzen, sondern ausbauen. Denn das ist meines Erachtens der einzige Weg, in der gesamten Kette bis zum Endverbraucher Qualität durchzuhalten, damit der mit dem Produkt zufrieden ist, dass er gekauft hat.
aus BTH Heimtex 06/03 (Wirtschaft)