Interview mit Jörg-Andreas Grundmann

"Der Südbund bleibt erhalten, aber möglicherweise steht kein Stein mehr auf dem anderen"

Es war fünf vor zwölf für den Südbund: Kurz vor dem Exitus der Kooperation haben Vorstand und Aufsichtsrat die Notbremse gezogen und den Mitgliedern in einer außerordentlichen Generalversammlung die Zustimmung zu einem umfassenden Restrukturierungskonzept abgerungen. Das erfordert tiefe Einschnitte. BTH Heimtex wollte den Ursachen der Finanzmisere auf den Grund gehen sowie Einblick in Sanierungsmaßnahmen und das Zukunftskonzept erhalten und hatte dazu Vorstandssprecher Jörg-Andreas Grundmann und Aufsichtsratschef Horst-Günter Döll schriftlich befragt. Grundmann nahm die Gelegenheit wahr, die offenen Fragen in einem persönlichen Gespräch mit Claudia und Michael Steinert zu klären und kam dazu in die Redaktion nach Hamburg.

BTH Heimtex: Herr Grundmann, Sie sind im August in den Vorstand des Südbundes berufen worden. Wer hat Sie damals mit welcher Aufgabenstellung zum Südbund geholt?

Jörg-Andreas Grundmann: Der Kontakt zum Südbund kam über Herrn Müller zustande. Er hatte mich gefragt, ob ich mir eine Vorstandsposition im Bereich Vertrieb vorstellen könnte. Das hat mich auch sehr gereizt: eine Schnittstelle zu den Mitgliedern aufzubauen, um ihre Bedürfnisse in gebührender Art und Weise bedienen zu können. Schließlich ist Sinn und Zweck einer Genossenschaft, sich auf die Bedürfnisse ihrer Gesellschafter auszurichten und genau hier hat man nach meiner Einschätzung in der zurückliegenden Zeit die Kommunikation mit den Mitgliedern vernachlässigt. Das war für mich ein Ansatzpunkt.

BTH Heimtex: Also hat Sie Herr Müller nicht geholt, weil er erkannt hatte, dass der Südbund im kaufmännischen Bereich Probleme hat, die er nicht bewältigen kann.

Grundmann: Nein.

BTH Heimtex: Ihnen hätten sich die Probleme innerhalb weniger Tage offenbart, haben Sie auf der außordentlichen Generalversammlung geäußert.

Grundmann: Am vierten Tag meiner Anstellung beim Südbund habe ich mir den genossenschaftlichen Prüfbericht geben lassen und durchgearbeitet. Da wusste ich, wo der Südbund steht und habe mir dann in den nachfolgenden drei Wochen Gedanken gemacht, welches jetzt der geeignete Weg für den Südbund sein konnte, zumal genau zu der Zeit eine Eskalation in der Gesprächsführung mit den Banken eintrat.

BTH Heimtex: Wann trat die Eskalation ein? Noch vor der Insolvenz von Ihrem Mitglied Weiß?

Grundmann: Unmittelbar während der Weiß-Insolvenz. Insofern war die Eskalation durchaus vorhersehbar und wurde genau in diesem Prozeß der Auseinandersetzung mit den uns begleitenden Kreditinstituten extremst verschärft.

BTH Heimtex: Es heißt, der Geno-Verband hätte in seine Prüfberichten nichts beanstandet und sei erst nach der Wümeg-Pleite 2002 kritischer geworden. Wenn aber die finanziellen Probleme beim Südbund so offen lagen, wie Sie sagen, kann doch der Geno-Verband auch nicht so genau hingeschaut haben....


Grundmann: Der Geno-Verband hat seine Bewertungskriterien, die Maßstäbe auch in der Berichterstattung schon zur Prüfung 2002 deutlich verschärft. Aber man hat beim Südbund der Entwicklung, die dort klar und deutlich aufgezeigt wurde, nicht ausreichend genug Rechnung getragen.

BTH Heimtex: Was heißt das?

Grundmann: Man ist einfach nicht zügig genug zu strukturellen Anpassungen gekommen, hatte beispielsweise einen erheblichen Anpassungsstau im Personalbereich. Wenn ich das übergeordnet benennen sollte, würde ich sagen, man hat nicht ausreichend an der Entwicklung des dynamisches Umfeldes teilgenommen.

Vielmehr hat man sich mit dem verklärten Blick der Vergangenheit bewegt, hat aufrechterhalten, was man meinte, aufrecht erhalten zu müssen, hat nicht die gebotenen Anpassungen vorgenommen - weder in Bezug auf das Leistungsangebot, noch auf die Ausrichtung der gesamten Organisation. Und übrigens auch nicht in Bezug auf die Mitglieder. Man ist nicht in ausreichendem Maße einem Generationswechsel nachgekommen, mit dem wir mitgliederseitig stark konfrontiert werden.

Es gibt noch eine ganze Palette weiterer Aspekte bis hin zu tiefgreifenden Strukturanpassungen im Lager, insbesondere im Bodenbelags-Lager. Ein seit Jahren defizitärer Bereich muss angefasst werden, weil ein nicht ausreichendes Ergebnis Quersubventionen einfach nicht mehr zulässt.

BTH Heimtex: Bereits vor zwei Jahren wurde es schon einmal eng beim Südbund. Damals ergriff man die Rettungsleine über eine Kapital-erhöhung, scheint aber darüber hinaus keine weiteren Maßnahmen ergriffen zu haben...

Grundmann: In der Tat. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hat sich Südbund nicht ausreichend auf die Notwendigkeiten eingestellt. Was mich verwundert, ist diese deutliche Überraschung aller Beteiligten darüber,wie ernst die Situation ist. Denn vieles war vorher zu sehen. Schon das Ergebnis des letzten Jahres hätte die Augen öffnen müssen. Wenn man mit einem operativen Ergebnis weit unter Wasserlinie ist, zeigt das auf, dass das Unternehmen nicht die Leistung erbracht hat, die es erbringen muss, um einen Bonus von rund 3 Mio. EUR auszuschütten. Das heißt, die Mitglieder haben ein Ausschüttung erfahren, die sie, die das Unternehmen nicht verdient haben.

BTH Heimtex: Der Aufsichtsrat hat sich auf der außerordentlichen Generalversammlung von jeglicher Schuld freigesprochen. Er habe von nichts gewusst und der alte Vorstand hätte seine Informationspflicht versäumt. Kann er sich wirklich dahinter verstecken? Wie weit geht die Informationspflicht des Vorstandes einerseits und wie weit ist andererseits der Aufsichtsrat seinerseits verpflichtet, Informationen im Interesse der Mitglieder einzuholen?

Grundmann: Wenn sich der Aufsichtsrat nicht in ausreichendem Maße vom Vorstand informiert fühlt, hat er die Möglichkeit, sich Berater zur Seite zu ziehen, um im Sinne der Mitglieder zu agieren. Da hat er einen sehr breiten Entscheidungsfreiraum. Dies ist aber auch neben dem Einsatz eines leistungsfähigen Managements schon die einzige Aufgabe eines Aufsichtsrats-Gremiums.

BTH Heimtex: Das beantwortet nicht unsere Frage. Hat der Aufsichtsrat auch eine Pflicht, sich zu informieren oder hat er einen Persilschein, wenn der Vorstand Fehler macht und er diese nicht bemerkt?

Grundmann: Vieles ist eine Hol- und Bringschuld. Insofern möchte ich es nicht vom Tisch fegen, dass der Aufsichtsrat nicht intensiver der Entwicklung hätte nachgehen müssen, intensiver hätte nachfragen müssen. Das liegt sicher auf der Hand.

BTH Heimtex: Wie weit reichen die Befugnisse von Aufsichtsrat und Vorstand, was die geschäftlichen Aktivitäten einer Genossenschaft angeht? Wann und wie weit müssen die Gesellschafter als Eigentümer der Genossenschaft beispielsweise über solche Vorgänge wie das Sale & Lease back-Geschäft mit der Weiß-Immobilie informiert werden bzw. entscheiden sie mit?

Grundmann: In diesem besonderen Fall, den Sie ansprechen, ist ein Mitspracherecht der Gesellschafter nicht denkbar und auch nicht erforderlich. Man muss sehr deutlich herausarbeiten, dass der Aufsichtsrat die Mitglieder als gewählte Interessenvertretung vertritt. Insofern spielt das Vertrauen zum Aufsichtsrat natürlich eine erhebliche Rolle.

Ich bin sicher, dass dieses Vertrauen zu gegebener Zeit vorhanden war; ich bin mir aber auch sicher, dass dieses Vertrauen in starkem Maße durch die aktuellen Gegebenheiten beeinträchtigt worden ist. Nicht von ungefähr ist die Vertrauensfrage auf der außerordentlichen Generalversammlung aufgeworfen, bzw. zumindest auf der Tagesordnung aufgeführt worden. Wobei eine Vertrauensfrage nicht mit einem Mißtrauens-Votum gleich-zusetzen ist.

Dass es dann doch nicht zu der Vertrauensfrage kam, ist für mich kein Vertrauensbeweis der Mitglieder gegenüber dem Aufsichtsrat. Hier wurde von einzelnen argumentiert, dass es der ungünstigste Zeitpunkt sei, sich der Gefahr auszusetzen, dass der Aufsichtsrat en bloc eine Überreaktion zeigt. Und das war nach meinem Dafürhalten der einzige Beweggrund dafür, dass ein erfahrenes, langjähriges Mitglied des Südbundes dazu bewogen hat, den Antrag zu stellen, die Vertrauensfrage von der Tagesordnung zu nehmen und dem hat sich dann die überwältigende Mehrheit der Versammlung angeschlossen.

Für mich als Vorstand, der sich verantwortlich mit dem Sachverhalt auseinandersetzt,ist diese Frage nicht vom Tisch.

BTH Heimtex: Hätte nicht ein kompletter Neuanfang mit neuem Vorstand und neuem Aufsichtsrat das Signal für einen wirklichen Neuaufbruch gesetzt?

Grundmann: Ich möchte mich davon distanzieren, den Aufsichtsrat nur in seiner Gesamtheit zu betrachten Da gibt es sehr unterschiedliche Personen, sehr unterschiedliche Charaktere und vor allem auch sehr unterschiedliche Zeiten der Amtsdauer. Einzelne sind für mich in der Art und Weise des konstruktiven Umgangs mit Sachverhalten nicht in die Ecke zu stellen, wie Mitglieder das zumindest teilweise mit dem gesamten Aufsichtsrat versuchen.

BTH Heimtex: Der Fall Weiß ist eine der wesentlichen Ursachen für die Misere des Südbundes und hat Probleme verursacht, die vermeidbar gewesen wären. Werden Aufsichtsrats-Mitglieder und der alte Vorstand Konsequenzen aus dem Fall Weiß tragen müssen?

Grundmann: Ich denke, das ist ein Beweis des offenen Umgangs mit den Sachverhalten. Ich habe auf einer der letzten Aufsichtsratssitzungen unmittelbar vor der außerordentlichen Generalversammlung dem Aufsichtsrat eröffnet, dass ich kraft meines Vorstandsamtes in dieser Thematik eine Sonderprüfung veranlassen werde. Ich habe das höchste Interesse bei der Tragweite des Falls Weiß, auf den ein großer Teil der aktuellen Verbindlichkeiten des Südbundes entfällt, eine umfassende Aufklärung vorzunehmen. Der Aufsichtsrat hat sich dem angeschlossen. Diese Sonderprüfung ist inzwischen angelaufen und wird von externen Dritten unabhängig betrieben.

Der Aufsichtsrat wird die Sonderprüfung inhaltlich nicht begleiten, sondern er wird mit dem Ergebnis konfrontiert werden. Dazu haben wir eine weitere vertrauensbildende Maßnahme beschlossen: Bei der nächsten Generalversammlung, die wohl wieder eine außerordentliche sein wird, sollen zwei oder drei Beiratsmitglieder aus dem Mitgliederkreis gewählt werden, die das Ergebnis der Sonderprüfung an der Seite des Aufsichtsrat aufnehmen. Damit wollen wir das Signal in die Mitgliedschaft tragen, dass hier nicht - wie von manchen vermutet - irgendetwas unter den Tisch gekehrt wird.

BTH Heimtex: Sie verlangen dem Aufsichtsrat einiges ab. Wie ist überhaupt das Verhältnis zwischen Aufsichtsrat und Vorstand und innerhalb des Vorstandes?

Grundmann: Wir haben nach wie vor ein grundstabiles Verhältnis. Ich bin bei aller sachlichen Härte im Umgang mit dem Gremium Aufsichtsrat nicht daran interessiert, es zu Eskalationen kommen zu lassen. Ich habe gelernt, Personen und Sachfragen voneinander zu trennen.

Mich interessieren jetzt einerseits die sachlichen Erwägungen in der Frage der Vergangenheitsbewältigung, andererseits müssen wir uns in dieser sehr schwierigen Phase auch mit der Neuausrichtung auseinandersetzen. Einzelne Mitglieder sehen das anders:Sie wollen sich erst einmal abschließend mit der Vergangenheit auseinandersetzen und dann die weiter notwendigen Schritte einleiten. Das weicht von dem ab, was aktuell nötig ist.

Also nochmals: Ich bin hart in der Sache - in beide Richtungen, auch dem Aufsichtsrat gegenüber - wobei wir eine nach wie vor stabile sachliche Auseinandersetzung haben. Zu persönlichen Belangen und Fragen möchte ich mich in der Tat nicht äußern. Da gibt es aber auch keine Animositäten.

BTH Heimtex: Und wie ist das Verhältnis innerhalb des Vorstandes?

Grundmann: Ich bin gefragt,worden ob ich ein rein hauptamtliches Management bei einer Genossenschaft für sinnvoll erachte. Grundsätzlich habe ich das verneint, weil ich gerne ein nebenamtliches Vorstandsmitglied aus dem Berufsstand mit seiner Sicht in die Aufgabenbewältigung des Managements mit einbeziehe. In einer Krisensituation wie jetzt ist das natürlich schwieriger, weil sich die Koordination und Vorgehensweise der Restrukturierungsvorhaben auf meine Person konzentriert.

Was den haupamtlichen Kollegen Fußenegger angeht, versuchen wir, ein Miteinander zu entwickeln, das den Aufgaben gerecht wird.

BTH Heimtex: Auf der außerordentlichen Generalversammlung am 15. November haben Sie versucht, die Mitglieder von der Notwendigkeit einer tiefgreifenden Sanierung zu überzeugen. Voraussetzung für das Restrukturierungskonzept waren vier Beschlüsse, die den Mitgliedern einiges abverlangen und teilweise Satzungsänderungen zum Gegenstand hatten. Diese Beschlusse wurden nach unserem Kenntnisstand nur en bloc abgestimmt und nicht einzeln. Ist das richtig? Warum wurden Sie nur en bloc abgestimmt - gab es Befürchtungen, dass die Mitglieder sonst einzelnen Forderungen die Zustimmung versagt hätten?

Grundmann: Die Abstimmung en bloc war so richtig und hat auch Sinn gemacht. Denn diese vier zu treffenden Beschlüsse waren sehr eng miteinander verzahnt und nur die Beschlussfassung jedes einzelnen Teilaspektes führt zu dem notwendigen finanzwirtschaftlichen Beitrag von Mitgliederseite.

Es hat also Sinn gemacht, es war aber nicht zwingend. Man hätte die Beschlussfassung auch einzeln vornehmen und im Vorfeld auch noch intensiver diskutieren können - worauf wir im übrigen auch eingestellt und vorbereitet waren.

Aber da es sich um eine Mammutsitzung von 10 Uhr bis gegen 17 Uhr handelte, auf der insbesondere das Fragen-und Antwortspiel breiten Raum einnahm, war dann zum Ende die Vielzahl der Mitglieder einverstanden, die Beschlussfassungen en bloc zu verabschieden.

BTH Heimtex: Haben Sie die Mitglieder nicht etwas überfahren? Nach unseren Informationen gab es keinerlei schriftliche Unterlagen, kein Handout o.ä. auf der außerordentlichen Generalversammlung.

Grundmann: Die Zielsetzung der Veranstaltung ist im Vorfeld sehr dezidiert erläutert worden und auch die Beschlussvorlagen sind den Mitgliedern vor der Versammlung schriftlich zugegangen. Das ist zwingend notwendig, weil sich jedes Mitglied rechtzeitig mit diesen Themen auseinander zu setzen hatte.

Die Präsentation wurde dagegen bewusst nicht im voraus herausgegeben, weil sie eine intensive verbale Erläuterung brauchte und ohne diese nicht bei den Mitgliedern zu platzieren war, die leider von sehr weit her abzuholen waren. Wie im Übrigen alle Beteiligten beim Südbund: die Mitglieder, die Mitarbeiter, der Aufsichtsrat und erst recht das Management - und das war das eigentliche Problem des Südbundes.

Insofern hatte ich mich entscheiden, die Präsentation erst auf der Generalversammlung darzulegen und sie im Nachgang mit einem Mitglieder-Informationsschreiben zu publizieren. Das war zugleich auch den Mitgliedern gegenüber gerechter, die nicht bei der Veranstaltung dabei waren. Darüber hinaus haben wir das besagte Mitglieder-Informationsschreiben auch unseren Lieferanten zugestellt, allerdings ohne die zusammenfassenden Anlagen, die ich ihnen in Einzelgesprächen näher bringen will. Leider bis ich noch nicht in der notwendige Intensität zu diesem Schritt gekommen, weil andere Prioritäten durchschlugen.

BTH Heimtex: Offenbar waren nicht alle Mitglieder mit dem Ablauf der Generalversammlung einverstanden. Einige haben sogar Widerspruch gegen die Versammlungsleitung eingelegt. Was wird daraus?

Grundmann: Sie haben Widerspruch zu Protokoll erhoben. Das ist etwas völlig Normales bei einer Mitgliederversammlung. Wir haben eine geschlossene außerordentliche Generalversammlung abgehalten, an der 600 Personen teilnahmen, die 462 Stimmen repräsentierten. Bei dieser Größenordnung sind 20 Widersprüche zu Protokoll eine durchaus erwartete Anzahl.

Wenn man gleich auf der Veranstaltung seinen Widerspruch zu Protokoll abgibt, sichert man sich gewisse Rechte. Ein außerordentliches Kündigungsrecht lässt sich bei den getroffenen Beschlüssen aus diesem Widerspruch zu Protokoll aber nicht ableiten - das dürfte die Motivation der meisten gewesen sein, die diesen Widerspruch erhoben haben .

Es ist einfach so, dass sich gewisse Mitglieder, die dem Ganzen nicht zustimmen können oder wollen, vom Südbund distanzieren wollen - und dies so schnell als möglich. Wir gehen damit grund-sätzlich aufgeschlossen und offen um, wobei ich einen Grundsatz habe: Wenn uns jemand juristisch gegenübertritt, bedienen wir uns ebenfalls der Juristen.

BTH Heimtex: Eine Satzungsänderung kann aber zur außerordentlichen Kündigung berechtigen und Ihre Beschlussfassungen brachten eine Satzungsänderung mit sich.

Grundmann: Ja, das ist richtig. Allerdings legt § 67 des Genossenschaftsgesetzes explizit fest, aus welchen Sachverhalten ein außerordentliches Kündigungsrecht abgeleitet werden kann. Und diese Sachverhalte sind von der beschlossenen Satzungsänderung nicht berührt.

BTH Heimtex: Wir haben viele Gesellschafterversammlungen erlebt, auf denen bei Abstimmungen sehr genau ausgezählt wurde, damit das Ergebnis hinterher nicht anfechtbar ist. Sie haben das auf der außerordentlichen Generalversammlung nicht getan, sondern einfach nach Augenschein eine "überwältigende Mehrheit" festgestellt, wie uns Augenzeugen berichtet haben. Ist das rechtlich in Ordnung, zumal einige der anwesenden Mitglieder mehrere Stimmen repräsentierten?

Grundmann: Der Versammlungsleiter hat bei der Abstimmung nicht mehr als 25 Gegenstimmen bei 462 anwesenden Stimmen festgestellt. Das entspricht annähernd 95%, insofern kann man von einer überwältigen Mehrheit sprechen, weil für einzelne Beschlüsse die Dreiviertel-Mehrheit der anwesenden, gültig abgegebenen Stimmen erforderlich war.

BTH Heimtex: Aber war es juristisch korrekt?

Grundmann: Das lassen wir gerade prüfen. Ich denke, nach sechs Stunden Non-Stop-Vortrag und ausführlichem Rede-Antwort-Spiel waren nahezu alle Anwesenden gewillt, diese Schritte mit uns zu gehen und das hat sich auf das Abstimmungsverhalten ausgewirkt.

Wenn jetzt einzelne Mitglieder versuchen, an dieser Stelle Einfluss zu nehmen, werde ich selbstverständlich die notwendige Sanierung des Südbundes nicht auf ein rissiges Fundament platzieren. Sollte also die laufende Überprüfung ergebe, dass hier eine Bestätigungsbeschluss erforderlich wird, dann würden wir ihn auf jeden Fall über eine nächste Generalversammlung bewirken.

BTH Heimtex: Der Südbund weist aktuell hohe Verbindlichkeiten bei den Banken aus. Resultieren die allein aus dem Zentralregulierungsgeschäft und Delkredere? Dabei sollte das Risikomanagement laut Geschäftsbericht 2002 doch viel stärker auf die "Risiken des Eigen- und Zentralregulierungsgeschäfts" verlegt werden.

Grundmann: Wir haben sicherlich eine weitere komplexe Aufgabenstellung - ich möchte nicht von einer Großbaustelle sprechen - das ist das Debitoren-Management. Diese Aussage möchte ich der Fragestellung voranstellen, denn hier haben wir am ehesten Einfluss zu nehmen und ordnen insbesondere ganz aktuell den Bereich der Forderungen. Im Rahmen der Bestandsaufnahme zu Ultimo werden wir der Generalversammlung ausführlich berichten, wie wir uns in diesem Bereich bewegen.

Um zu den Verbindlichkeiten zu kommen: Nach wie vor betreibt Südbund das Zentralregulierungsgeschäft, nach wie vor arbeiten wir stabil mit unseren Hauptlieferanten, zahlend in erster Kondition. Insofern sind diese Forderungsausweise und auch die Verbindlichkeiten als Momentaufnahme zu betrachten.

BTH Heimtex: Schon. Aber die Liquidität kann sich ja nicht nur verbessern, sondern auch verschlechtern. Sie balancieren zur Zeit auf einem schmalen Grat. Einerseits versichern die Kreditversicherer den Südbund nicht mehr und haben Lieferanten Verträge gekündigt, andererseits haben nach unseren Informationen der Aufsichtsratsvorsitzende und sein Stellvertreter jeweils mehrere Hunderttausend Euro beim Südbund offen stehen. Sollte es hier einen Ausfall wie bei Weiß geben, kann das den Südbund mit in den Abgrund reißen...

Grundmann: Zu einzelnen Personen - unabhängig ob sie im Aufsichtsrat sind oder nicht - äußere ich mich nicht. Das bleibt der Berichterstattung in der Generalversammlung vorbehalten. Wir haben in der Tat im Moment eine sehr schwierige Situation, weil die Überreaktion einzelner Mitglieder zu Irritationen auf allen Seiten geführt hat - auch auf Seiten der Kreditversicherer.

Ich habe aus genau diesem Grunde Anfang Dezember nichts anderes gemacht, als auf die Kreditversicherer zuzugehen und die Situation zu klären. Wir haben mit drei Kreditversicherern zu tun, einer hat schon signalisiert, dass das Vorhaben beim Südbund, das Ganze im Rahmen des Restrukturierungskonzeptes in eine neue Richtung zu führen, seine Zustimmung findet. Die anderen haben sich zunächst noch bedeckt gehalten, wir gehen aber weiter offensiv auf sie zu.

(Anm. d. Redaktion: Im Nachgang zum Interview informierte uns Jörg-Andreas Grundmann, dass alle drei beteiligten Kreditversicherer die Lieferanten des Südbundes wieder in bedarfsgerechtem Umfang versichern.)

BTH Heimtex: Wie viel an laufenden Warenbezügen und eventuellen anderen Kreditformen der Mitglieder stehen momentan beim Südbund konkret offen?

Grundmann: Dazu kann ich mich erst nach abschließender Bestandsaufnahme äußern und zwar auf der Generalversammlung.

BTH Heimtex: Sind laufende Warenbezüge nach Ablauf einer gewissen Frist in reguläre Darlehen umgewandelt worden? Und wenn ja, zu welchen Konditionen und bis zu welchen Grenzen? Und wer hat die Grenzen gesetzt?

Grundmann: Sie müssen zwei Dinge unterscheiden: Zunächst gibt es eine Höchstkreditgrenze, die sich auf die Lieferantenkredite bezieht. Diese Höchstkredit-Grenze geht zurück auf eine Beschlussfassung des Jahres 1977 und muss insofern sehr kurzfristig neu gefasst werden. Das habe ich der Generalversammlung auch gesagt. Der Vorstand wird auf der nächsten ordentlichen Generalversammlung eine entsprechende Beschlussvorlage präsentieren.

Im übrigen ist diese Orientierung an einer Kredithöchstgrenze für mich kein aktives Instrument, um Debitoren-Management zu betreiben. Debitoren-Management fußt in erster Linie auf der Analyse der Zahlungsweise der Beteiligten. Insofern hat das Debitoren-Management aktuell für uns eine extrem hohe Bedeutung. Die vorhandenen Systeme sind nicht ausreichend, wir haben demzufolge keine ausreichende Transparenz. Dass muss kurzfristig geändert werden.

Und zum Thema Darlehen: Mir sind bisher keine weiteren Darlehen als solche außer den Lieferantenkrediten bekannt.

BTH Heimtex: Und was ist mit der Smart Reg-Regelung? Das ist doch auch eine Form von Darlehen.

Grundmann: Das ist keine Darlehens-Gewährung im eigentlichen Sinn, sondern eine Form von Ratenzahlungen, um besonders schwächere Mitglieder zu unterstützen

Nachdem der Versuch unternommen worden war, dieses Smart Reg-Aufkommen über die Tochtergesellschaft Südconcept abzuwickeln, ist es schon im Frühjahr wieder in den Südbund selbst eingegliedert worden. Das Konzept, das wir entwickelt haben und derzeit umsetzen, sieht eine derartige Regelung künftig nicht mehr vor.

BTH Heimtex: Stichwort Südconcept. Nach außen hin ist die Gesellschaft als Ausbildungsinstrumentarium dargestellt worden, die tatsächliche Aufgabe scheint aber mehr bei Finanzdienstleistungen gelegen zu haben. Beispiel Smart Reg-Regelung, Beispiel Sale & Lease back bei Weiß. Was wird aus Südconcept?

Grundmann: Südconcept steht als Aus- und Weiterbildungsplattform absolut auf dem Prüfstand. Das kann die Genossenschaft genauso leisten, nur viel transparenter.

Es ist für mich von besonderer Bedeutung, gehört auch zu dem unternehmerischen Konzept neben der betriebswirtschaftlichen Restrukturierung, dass sich der Südbund von einem eher administrativ ausgerichteten Verbund weiter entwickeln muss zu einem genossenschaftlichen Handels- und Dienstleistungsunternehmen.

Insofern brauche ich keine Tochtergesellschaft für entsprechende Zwecke und suche noch nach einer geeigneten Aufgabenstellung für Südconcept. Andererenfalls werden wir sie erst einmal als Mantel parken.

Was die finanzwirtschaftlichen Aufgabenstellungen angeht, ist es in der Tat so, dass Südconcept als Leasingnehmer im Fall Weiß aufgetreten ist, mit der anschließenden Weitervermietung dieses Leasing-Objektes. Hier sind wir wieder bei der notwendigen Behandlung des Themas Weiß im Rahmen der Sonderprüfung.

BTH Heimtex: Noch mal zurück zum Thema Lieferantenkredite. Wenn bei einem Herrn Döll mehrere Hunderttausend Euro aufgelaufen sind - wer hat darüber zu entscheiden? Das sind ja Summen, die vermutlich weit über die festgesetzen Kredithöchstgrenzen hinausgehen.

Grundmann: Das ist die Crux dieser Kredithöchstgrenze, die auf 1977 zurückgeht. Danach ergab sich tatsächlich die Möglichkeit, einen durchschnittlichen Umsatz der letzten sechs Monate, sprich einen Halbjahres-Umsatz, als Kredithöchstgrenze zu fixieren. Insofern stand ein Instrumentarium zur Verfügung, dass ein Vorstand auch nutzen kann. Aber: Überschreitungen dieser Grenze darf es nicht geben. Und es hat sie in zurückliegender Zeit gegeben - wenn auch nicht bei den von Ihnen genannten Partnern.

Insofern geht es hier für mich eher darum, dass nicht in geeigneter Art und Weise ein Debitoren-Management und seine Grundlagen geschaffen wurde, außerdem hätte man längst eine andere Beschluss-fassung durch die Generalversammlung erwirken müssen, die Kredithöchtstgrenze zu reduzieren. Die findet sich nämlich nicht in der Satzung, sondern geht grundsätzlich auf einen Generalversammlungs-Beschluss zurück.

BTH Heimtex: Sind Zinsen berechnet worden, wenn Gesellschafter ihre Limits überzogen haben?

Grundmann: Die offenen Posten unserer Mitglieder werden grundsätzlich verzinst. Ob das durchgängig und konsequent so verfolgt wurde, kann ich im Moment gar nicht sagen. Die Handhabungen sind teilweise sehr kompliziert, insbesondere bei Smart-Reg. Hier haben sich über Jahre hinweg Verfahren entwickelt, über die ich nichts sagen kann, bis sie aufgearbeitet sind und die Generalversammlung Rechenschaft erhalten hat.

Das ganze Thema Debitoren-Management ist eine derartig komplexe Aufgabenstellung, die ich jetzt erst einmal an mich herangezogen habe, weil ich zu der Auffassung gelangt bin, dass die ersten Schritte einer versuchten Neuordnung nicht mit meiner Vorstellung einher gehen. Insofern wird das Debitoren-Management künftig nicht das Thema des Finanzvorstandes sein.

BTH Heimtex: Also nicht das Thema von Herrn Fußnegger ...

Grundmann: Richtig.

BTH Heimtex: Themenwechsel: Was passiert mit den "Alt"-Anteilen der Gesellschafter, die auf Null gestellt sind? Können Sie für das Jahr 2003 steuerlich abgeschrieben werden?

Grundmann: Ja. Die Abschreibung umfasst sogar nicht nur die Alt-Anteile, sondern auch die, die umsatzbezogen als neue Pflichtanteile verabschiedet worden sind. Als Grundlage für die Abschreibung können die Mitglieder eine Übersicht heranziehen, die wir jedem einzelnen Mitglied zur Verfügung stellen und auf der auch jeweils der Verlustanteil am Südbund-Ergebnis in Relation zu dem bestehenden Geschäftsguthaben ausgewiesen wird.

BTH Heimtex: Was ist mit Neumitgliedern, die in diesem oder letztem Jahr eingetreten sind? Müssen sie den Verlust in voller Höhe mittragen?

Grundmann: Die Mitglieder-Gleichbehandlung sieht vor, dass alle in der Relation ihrer bisher aufgebauten Geschäftsguthaben den Verlust mittragen.

BTH Heimtex: Wie viele Mitglieder haben gekündigt?

Grundmann: Vor der außerordentlichen Generalversammlung hatten wir 19 Kündigungen, 10 im Nachhinein, und im Vorfeld der Misere bereits 9 weitere.

BTH Heimtex: Also insgesamt 38. Die Bonus-Stundung für 2003 stellt speziell kleinere Gesellschafter vor Probleme, die fest mit diesem Einkommen gerechnet haben und nun unter Umständen sogar in ihrer Existenz gefährdet sein können. Sind die Kleinen die Dummen bei dem ganzen Desaster?

Grundmann: Nein, das sehe ich nicht so. Das Prinzip war eine Gleichbehandlung aller Mitglieder sicher zustellen, in der Gestalt, dass keiner seine eigene Liquidität angreifen muss und gleichzeitig ein erwartetes Bonus-Aufkommen in Anspruch genommen werden sollte.

Uns ist es ja sogar noch gelungen, die Banken herunter zu verhandeln und eine Kapitalerhöhung zu erwirken, für mich ein vertretbares Instrument, weil sie die Möglichkeiten einer Wertaufholung bietet. Insofern kam es dann zu dieser Kapitalerhöhung, verbunden mit einer sofortigen Fälligkeit, die die Verrechnung mit dem in Aussicht gestellten Bonus möglich machte.

Der weitere Punkt ist dann die Stundung, schlichtweg vor dem Hintergrund, dass die Kreditinstitute ganz klar aufgegeben haben, dass es angesichts des derzeitige Liquiditätsengpasses zu keinem Liquiditätsabfluss kommen darf. Gleiche Aussage an gleicher Stelle war, dass man den Mitgliedern nichts über Gebühr nehmen will, sondern sie ihren Beitrag zu einem späteren Zeitpunkt zurückerhalten sollen. Das hängt allerdings stark davon ab, wieweit sich die Mitglieder bei ihrer Geschäftstätigkeit Südbund zuwenden.

BTH Heimtex: Wir sprachen es eben schon an: Der Südbund balanciert momentan auf einem schmalen Grat. Wie kritisch ist die Situation wirklich? Ist er im nächsten Jahr schon Geschichte?

Grundmann: Ich will nichts schön reden, die Situation ist nach wie vor nicht unkritisch. Wobei ich meine, dass wir über die letzte Generalversammlung ganz klar eine verbesserte Stabilität bekommen haben und vor allem über die nächsten Schritte einer offensiven Kommunikation in Richtung der Mitglieder zu dem Fortgang des Restrukturierungsprozess eine weiter erhöhte Stabilität bekommen werden.

Ich gehe davon aus, dass wir die notwendige Einigung mit den Kreditversicherern erreichen werden, und bin insofern nach wie vor der festen Überzeugung , dass Südbund hier positiv durchgesteuert werden kann. Es wird allerdings noch weitere Einschnitte geben müssen.

BTH Heimtex: In dem hohem Fehlbetrag aus dem laufenen Jahr sind 1,8 Mio. EUR Restrukturierungskosten angesetzt. Ein erheblicher Teil davon entfällt auf das Honorar für die Unternehmensberatung Fides, die Sie bei der Sanierung begleitet. Ist das angebracht?

Grundmann: So eine umfassende Restrukturierung wie beim Südbund ist keine One-man-show. Sie müssen so einen Prozess abfedern, auf mehrere Schultern verteilen. Und wenn diese Schultern nicht im Unternehmen vorhanden sind, müssen sie von außen hinzugezogen werden. Sicher könnte man so etwas über einen längeren Zeitraum auch alleine schaffen, aber dann wären wir vielleicht am Ende des Jahres 2005 -und die Luft, die wir bis dahin zum Atmen brauche, würde uns niemand gewähren.

Wir brauchen diese Berater, weil wir so schnell wie möglich auf eigenen Füßen stehen wollen - und müssen. Ich haben den Mitarbeitern auf einer Betriebsversammlung unlängst sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir unter Beweis stellen müssen, dass der Südbund in der Lage ist, relativ kurzfristig ein positives operatives Ergebnis zu erreichen. Und so lange die Banken bei der Unterstützung des Restrukturierungs-Konzeptes gewillt sind, einen außerordentlichen Beratungsaufwand mit zu finanzieren, soll nicht unsere größte Sorge sein, wie hoch das Honorar des Beratungsunternehmens ist. Im übrigen hat der Bankenkreis im Reporting eine entsprechende Begleitung für einen gewissen Zeitraum gefordert.

BTH Heimtex: Wie lange?

Grundmann: Bis zum 31. März nächsten Jahres in jedem Fall.

BTH Heimtex: Die Zentralregulierung in eigener Regie hat schon die FHG Kopf und Kragen gekostet und jetzt auch den Südbund in die Bredouille getrieben. Wäre es angesichts des damit verbundenen Risikos nicht sinnvoller, die ZR auf eine Bank oder einen externen Dienstleister auszulagern?

Grundmann: Die Zentralregulierung ist bisher ein besonderes Leistungsmoment im Angebot des Südbundes gewesen. Sie ist auch nicht zwingend ein Geschäft der Bank oder eines Dritten. Das ZR-Geschäft kann man auch in Eigenregie abwickeln; man muss es nur richtig machen. Und bis dato ist das ZR-Geschäft nicht so durchgeführt worden, wie es durchgeführt werden müsste. Wir prüfen gerade und haben dies auch auf der Generalversammlung schon angedeutet, über die Verschiebung der Zahlungsströme ein ZR-Geschäft in geordneter Basis aufrecht zu erhalten.

BTH Heimtex: Sie glauben also, dass Sie in Eigenregie ein gewinnbringendes ZR-Geschäft betreiben können? Das ist das, was schon andere versucht haben und daran gescheitert sind.

Grundmann: Auch Südbund hat es nicht geschafft. Das muss man ganz klar konstatieren. Aber wir werden es sehr zügig ordnen, um das ZR-Geschäftsvolumen zu sichern, denn das sind immerhin 80% unseres gesamten Geschäftsvolumens.

BTH Heimtex: Sie zahlen einerseits Zinsen für Ihre Kredite, auf der anderen Seite bezahlen Sie Ihre Lieferanten in der ersten Kondition. Wir haben das bestätigt gefunden. Wäre es nicht günstiger, auf eine Skontierung zu verzichten, um die vermutlich teureren Kreditzinsen zu sparen?

Grundmann: Nein, aus zwei Gründen nicht: Erstens ist es betriebswirtschaftlich nach wie vor sinnvoll, die Skontierung in Anspruch zu nehmen, und zweitens ist es ein extrem wichtiges Zeichen in Richtung der Branche und unserer Lieferanten. Wir haben es bewusst gegenüber den Banken erwirkt, dass es notwendig ist, aus Gründen der Ertragslage die erste Kondition aufrecht zu erhalten. Das sieht das finanzwirtschaftliche Konzept vor und das wird auch so bleiben.

Aber: Wir werden die Zahlungsströme verändern und uns dadurch entlasten.

BTH Heimtex: Wenn Sie die Zahlungsströme verändern, sprich in Dekaden abrechnen, zieht das natürlich nach sich, dass die Südbund-Mitglieder mehr belastet werden.

Grundmann: Sicher, aber es ist auch an dieser Stelle lange genug eine Subvention der Mitglieder betrieben worden, die nicht mehr möglich ist. Die Verschiebung führt zudem teilweise aber auch dazu, dass Mitglieder später belastet werden als nach der bisherigen Regelung.

Glauben Sie mir: Ich bin nicht derjenige, der hier überall mit dem eisernen Besen durchkehrt, ich nehme eher den feinen Besen, mit dem man auch sehr intensiv auskehren kann. Aber: Wir müssen uns einfach der Sachverhalte annehmen. Es ist ganz klar, dass vieles, was bisher praktiziert worden ist, sich so nicht fortsetzen kann. Der Südbund bleibt erhalten - aber möglicherweise steht kaum ein Stein mehr auf dem anderen.

BTH Heimtex: Sie verlangen viel von den Südbund-Mitgliedern. Sie belasten sie stärker, sie konfrontieren sie mit massiven Veränderungen. Wenn Sie ihre Mitglieder beim Südbund halten wollen, müssen Sie auf der Gegenseite eine sehr gute Leistung bieten, die über das hinausgeht, was andere Kooperationen bieten.

Grundmann: Das ist das Stichwort für mich: Die Zielorganisation und die Leistungs-orientierung in Richtung der Mitglieder. Wir werden uns auch in der Organisation und den dahinter stehenden Abläufen völlig neu ausrichten. Beispiel Vertrieb: Der Außendienst wird eine völlig neue Aufgabenstellung erhalten - weg vom Posten-Verkäufer, hin zum Betreuer der Mitglieder und ihrer Bedürfnisse, auch zum Informationsmanager. Der Außendienst wird in seiner Region ergebnisverantwortlich agieren, ihm wird ein Vertriebs-Innendienst zur Seite gestellt und alle gemeinsam sind verantwortlich für die in dieser Region beheimateten Mitglieder. Hier sollen die Bedürfnisse des Marktes aufgenommen werden und sich dann in unserem Leistungsangebot niederschlagen.

In der Kombinaton mit dem Vertrieb ist künftig eine Schlüsselstellung im Produktmanagement zu sehen. Hier wird die Verantwortung platziert für die Gestaltung des Sortiments, auch geschäftsfeldübergreifend, weil ich in der Branche beobachtet habe, dass man sich nicht nur auf eine Richtung spezialisieren sollte.

Dann wird es nach wie vor eine Eigenkollektion des Südbundes geben, auch dafür wird die Verantwortung bei einem liegen, der die Ware und die Branche kennt und eine Mittlerfunktion einnehmen wird zwischen dem Vertrieb und dem strategischen Einkauf, der sich um Konditionen und Verträge kümmert.

BTH Heimtex: In Ihrem Restrukturierungskonzept für den Südbund gehen Sie von einer weiteren Umsatzreduzierung auf 99 Mio. EUR bis 2005 aus. Das bedeutet, dass Sie auch mit einer Mitglieder-Abschmelzung rechnen...

Grundmann: Wir werden in der Tat auf Umsätze verzichten müssen. Das ist auch in das Konzept eingeflossen. Es wäre unrealistisch, wenn wir bei diesen durchgreifenden Veränderungen davon ausgehen würden, dass alle, die in der zurückliegenden Zeit sorgsamst gehegt und gepflegt wurden, derartige Veränderungen mitmachen, wie sie dem Südbund bevorstehen. Gleichzeitig haben wir bei dem Konzept einen weitere Rückentwicklung des Marktes mit berücksichtigt.

Planzahlen sind immer wichtig bei einem Restrukturierungsprozess, weil sie auch die Entscheidungsgrundlage für die Banken bilden, die das Ganze auch finanzwirtschaftlich begleiten müssen. Insofern haben wir eine sehr dezidierte Gesamtplanung vorgenommen, die für mich Maßstab ist und und bleibt. Es wird nicht zu einer rollierenden Planung kommen, die im nächsten Jahr angepasst wird, sondern wir haben hier Zielsetzungen festgelegt und die werden wir nach Kräften zu erreichen versuchen.

BTH Heimtex: Konzentration der Mitglieder - bedeutet das eine Ausrichtung auf große Mitglieder?

Grundmann: Nein. Die Größe des Mitglieds allein spielt schon einmal gar keine Rolle. Ganz und gar nicht. Wir brauchen eine Tragfähigkeit des geschäftlichen Miteinanders: Leistung - Gegenleistung. Wenn die Leistung stimmt, muss auch die Gegenleistung stimmen und das ist bei den Mitglieder des Südbundes vielfach in den Hintergrund getreten. Wenn sie eine Leistung erfahren, müssen sie auch eine Gegenleistung durch die Zahlungsweise im Rahmen der vereinbarten Konditionen und Zahlungsziele bieten. Wenn das nicht der Fall ist, muss es durch ein entsprechendes Controlling zu Tage gefördert und im direkten Gespräch geklärt werden.

Klar gesagt: Wer sich in der zurückliegenden Zeit über den Südbund finanziert hat, dem könnten bei der finanzwirtschaftlichen Bewältigung seines Geschäftes aus eigener Kraft auf einmal große Lücken entstehen. Bei der Vielzahl der Mitglieder kann der Südbund aber nicht alle diese Lücken schließen. Gleichwohl wollen wir auch hier nicht mit dem eisernen Besen kehren, sondern streben tragfähige Lösungen an. Denn ich möchte keinen Flächenbrand unter den Raumausstattern auslösen, die sich unter dem Dach des Südbundes formiert haben, sondern genau das Gegenteil ist das Ziel. Dieser Flächenbrand muss nach Kräften vermieden werden.

BTH Heimtex: Stichwort Leistung-Gegenleistung. Nach unseren Informationen lässt die Bezugsquote bei vielen Südbund-Mitgliedern zu wünschen übrig. Wo liegt sie im Schnitt und was wäre die optimale Größenordnung?

Grundmann: Die Bezugsquote ist sehr unterschiedlich und hängt natürlich auch in starkem Maße von der Ausrichtung der Mitglieder ab, die ebenfalls sehr unterschiedlich ist. Wir haben eine große Anzahl an nicht konzeptionsgebundenen Mitgliedern und dann einzelne, die im Rahmen von Konzeptionen agieren, die sich vielleicht teilweise schon überlebt haben.

Ich stelle also auch die Konzeptionen absolut in Frage. Auch sie stehen auf dem Prüfstand, wobei ich vor Abschluss unserer Analysen nicht weiter ins Detail gehen will, um etwaige Irritationen zu vermeiden.

BTH Heimtex: Sie erwähnten eben, dass eine gewisse Überwachung der Bonität der Mitglieder stattfinden soll. Wie?

Grundmann: Wir werden die Bonität in erster Linie aus der Zahlungsweise ableiten. Und wenn die Zahlungsweise nicht geordnet erfolgt, werden wir in Gespräche mit den Betroffenen eintreten. Ich kenne es aus anderen Branchen, dass dort auch über Sicherheiten gesprochen wird, um ein tragfähiges Miteinander der Geschäftsbeziehung zu erreichen.

BTH Heimtex: Geht das bis zu Einblicknahme in die Bilanzen?

Grundmann: Im Bedarfsfall durchaus; die Satzung sieht dies auch vor.

BTH Heimtex: Das ist für die Mitglieder sicher gewöhnungsbedürftig. In Ihrem Restrukturierungskonzept schlachten Sie noch mehr heilige Kühe: Gebietsschutz, Lager...um nur einige zu nennen.

Grundmann: Zum Thema Gebietsschutz: Bisher war es praktizierte Übung, den Mitgliedern eine gewisse Gebietlichkeit schützend zur Verfügung zu stellen. Wohl kann es nicht angehen, dass sich in einer Straße mehrere Südbund-Häuser befinden, es kann aber auch nicht mehr angehen, dass beispielsweise keinerlei Rücksicht auf die Einwohnerzahl eines Ortes genommen wird, in dem es ein Südbund-Haus gibt.

Für mich gibt es den closed shop Südbund nicht mehr. Die geschäftspolitische Ausrichtung muss sich verändern. Wir sind in der jetzigen Situation nicht attraktiv für neue Mitgliedern. Insofern muss das Leistungsangebot stimmen - wobei wir auch darüber nachzudenken haben, ob sich ein potenzielles Neu-Mitglied in die Gemeinschaft Südbund einbringen kann.

Und zum Thema Lager: Wir haben das strukturelle Thema Lager vor Augen, bewegen uns gedanklich hier aucin Kooperationen. Hier wird bis zum Jahresende eine Entscheidung getroffen werden. Ganz wichtig ist, dass die Eigenmarke erhalten bleibt - auch im Bereich der Bodenbeläge. Es wird weiterhin eine Südbund-Bodenbelagskollektion geben. Zu meinem Ärgernis hat es hier kommunikative Fehler gegeben, die anderslautende Absichten unterstellten. Das ist definitiv nicht der Fall. Wir erarbeiten derzeit eine neue Bodenbelagskollektion, die sich an die Novella Basic anschließen soll, die zum 30. Juni 2004 ausläuft. Die Exklusiv-Kollektion wird allerdings nur noch auslaufend betrieben. Die neue Kollektion wird die bisherige zusammenführen.

Das Thema Logistik hat mit der Eigenkollektion nur bedingt zu tun. Hier kommt das Stichwort Kooperation zum Tragen. Wir sind dabei, geeignete Konzepte zu entwickeln. Den Mitgliedern dürfte es relativ egal sein, woher sie ihre Ware beziehen, wenn die Belieferung sicher gestellt ist und die Ware zeitgerecht und zu den abgestimmten Konditionen kommt.

BTH Heimtex: Das klingt aber eher so, als hätte das Lager kein Zukunft.

Grundmann: Das Bodenbelagslager in Backnang hat keine Zukunft. Ich kann mir kaum vorstellen, dass wir angesichts der unzureichenden Rentabilität in dieser speziellen Frage noch einmal das Ruder herumreißen.

BTH Heimtex: Zu den Maßnahmen gehört auch eine Lieferanten-Konzentration. Streichen Sie ganze Sortimente oder dünnen Sie nur innerhalb der einzelnen Segmente aus?

Grundmann: Es werden keine ganzen Sortimente gestrichen, es wird eine Lieferantenkonzentration geben, aber innerhalb vergleichbarer Lieferanten.

BTH Heimtex: Also keine einseitige Konzentration auf die umsatzstarken Massenlieferanten?

Grundmann: Nein, wir werden uns nicht einseitig in Richtung Massenlieferanten orientieren, sondern wollen auch unseren Mitgliedern gerecht werden, die sich gerade bei kleineren, exklusiveren Lieferanten zu Hause gefühlt haben.

BTH Heimtex: Im Geschäftsbericht 2002 ist von 434 Lieferanten die Rede. Wohin soll die Zahl schrumpfen?

Grundmann: Die Zahl, die wir recherchiert haben, lag weit höher, als die, die Sie genannt haben. Ich habe noch keine Vorstellung in welchem Maße wir konzentrieren werden, es muss nur Skaleneffekte geben. Wenn wir unsere Vorstellungen entwickelt haben, werden wir uns in die Gespräche mit den Lieferanten begeben und dann sehen, wie weit wir auch für die, die wir im Focus haben, der gute und geeignete Ansprechpartner sind. Denn ohne eine stabile Geschäftsbeziehung zwischen Südbund und Lieferant wird das ganze Vorhaben genausowenig gelingen wie ohne stabile Verbindung zwischen Südbund und seinen Mitgliedern.

BTH Heimtex: Sie wollen auch das Bonus-System verändern. Wie sieht das neue aus?

Grundmann: Es wird derzeit entwickelt. Auf jede Fall wird es sich weit ergebnisorientierter darstellen. Qualitative Merkmale wie die Honorierung eines Besuchs der Hausmesse wird es nicht mehr geben.

BTH Heimtex: Wie will sich der Südbund personell aufstellen?

Grundmann: Die Zielorganisation ist fixiert, wir werden die Führungsstruktur verschlanken. Das Unternehmen wird flacher aufgestellt bei gleichzeitig nicht allzugroßen Führungsspannen. Ich will mich auch so schnell als möglich selbst aktiv einbringen und nicht oben drüber schweben. Ein großer Teil der bisherigen Know-How-Träger des Südbund wird aktiv inhaltlich und verantwortlich an der Neuausrichtung mitwirken.

BTH Heimtex: Bleibt denn die Besetzung des Vorstandes mit zwei hauptamtlichen und einem nebenamtlichen Vorstand?

Grundmann: Da bin ich mir nicht so sicher.

BTH Heimtex: Unabhängig von den Personen: Sollen es drei bleiben - oder reichen zwei?

Grundmann: Es müssen nicht zwingend zwei hauptamtlichen Vorstände sein. Wir sind heute zu dritt im Vorstandsgremium und mir hat man nach dem Ausscheiden von Thomas Müller die Rolle des Sprechers zugedacht. Grundsätzlich ist es Aufgabe des Dienstherren, also des Aufsichtsrats, das geeignete Management einzusetzen - auch in dieser Phase. Wobei es durchaus Empfehlungen von meiner Seite gibt, wie man konstruktiv agieren sollte, aber das soll nicht heißen, dass ich mir anmaße, jedwede Entscheidung für den Südbund allein treffen zu wollen. Weit gefehlt.

BTH Heimtex: Sie sprachen ganz am Anfang den "Anpassungsstau im Personalbereich" an. Auf welchen Personalstamm muss der Südbund schrumpfen?

Grundmann: Wir haben zum 30. November 22 Mitarbeiter freigesetzt.

BTH Heimtex: Schon auf der ordentlichen Generalversammlung im Juni war die Rede von einem dringend notwendigen Personalabbau. War denn damals schon etwas in die Wege geleitet worden?

Grundmann: Nein, deswegen spreche ich von Anpassungsdruckund Anpassung-stau. Hier müssen gewisse Dinge nachgeholt werden, auch im Bereich des Personals, die in den letzten Jahren nicht oder nur zögerlich angegangen worden sind - so hart wie es ist. Ich kann Ihnen versichern, dass überhaupt keinen Spaß macht, die Freisetzungen zu betreiben, aber es macht sehr viel Freude, die verbleibenden Arbeitsplätze zu retten. Dass wir von den verbleibenden Mitarbeitern die notwendige Umstellungsbereitschaft einforden, ist zwingend notwendig.

BTH Heimtex: Wann ist die Neuausrichtung des Südbundes im Detail und konkret präsentationsreif?

Grundmann: Von uns wird natürlich im Moment verlangt, alles auf einmal zu präsentieren. Wir mussten zunächst eine gewisse Grundstabilität erreichen, die es uns ermöglicht, weiter sehr intensiv und mit Hochdruck an diesen Dingen zu arbeiten. Ich möchte den Mitgliedern die Neuausrichtung so schnell wie möglich sehr konkret vorstellen, bin mir aber noch nicht sicher, wann das genau vom Zeitpunkt her sein kann.

Wir haben auf jeden Fall vorgesehen, in Frankfurt auf der Heimtextil vertreten zu sein, um dort selbst Rede und Antwort zu stehen. Ich hätte es für falsch gehalten, wenn der Südbund am Beginn des Restrukturierungsjahrs nicht zur Heimtextil kommt.

BTH Heimtex: Auf der einen Seite wird es Mitglieder geben, die nicht mehr Südbund-fähig sind, auf der anderen werden sich andere, auch starke woandershin orientieren. Um diesen Prozess aufzuhalten, brauchen Sie ganz schnell ein Konzept.

Grundmann: Das sehe ich genauso. Es muss so schnell als möglich klar dargelegt und kommuniziert werden. Wir werden uns nicht auf den falschen Pfad begeben, uns langfristig nur in der betriebswirtschaftlichen Restrukturierung zu bewegen. Mit den daraus resultierenden negativen Botschaften kann der Südbund seine Existenz allein nicht sicherstellen.

Übergeordnet ist für mich bei dem neuen Konzept auf jede Fall, dass sich die Mitglieder beim Südbund wieder finde. Das funktioniert in erster Linie über das Sortiment als wesentlichem Leistungsmerkmal, kann aber auch die Betreuungsleistung einschließen.

Grundsätzlich ist der Südbund eine genossenschaftliche Gemeinschaft, die keinem Selbstzweck dient, sondern den Sinn und Zweck hat, ihre Mitglieder zu unterstützen. Insofern ist gerade die Form der Genossenschaft eine hochaktuelle in diesen schwierigen Zeiten, die sich überhaupt nicht überlebt hat.

BTH Heimtex: Noch eine letzte Frage? Südbund soll erst 2005 Break-even erreichen. Was wird mit den Boni 2004? Müssen die Gesellschafter darauf auch wieder verzichten?

Grundmann: Wie bereits erwähnt, wird derzeit ein neues Bonussystem 2004 entwickelt.Der erneute Verzicht auf den Bonus 2004 ist nicht geplant, nach meiner jetzigen Einschätzung auch nicht erforderlich. In entscheidendem Maße wird der Erfolg des Veränderungsprozesses davon abhängig sein, wie sich die Mitglieder mit ihrer Geschäftstätigkeit hinter ihre Genossenschaft stellen.
aus BTH Heimtex 12/03 (Wirtschaft)