Forbo trennt sich doch nicht von Bodenbelägen und erhält Übernahme-Angebot von Investmentgesellschaft

Fallrückzieher

Forbo ist derzeit immer wieder für neue Schlagzeilen gut. Erst vor zwei Ausgaben hatten wir an dieser Stelle einen ausführlichen Kommentar zu der im August angekündigten Trennung von Bodenbelägen veröffentlicht. Das ist jetzt alles Makulatur. Denn in der Zwischenzeit hat sich bei den Schweizern Einiges getan: Sie haben ihre frühere Entscheidung revidiert und behalten die Bodenbelagssparte doch, verkündeten den vorzeitigen Rücktritt von Verwaltungsratspräsident Willy Kissling zum April 2005 und - das ist eine besonders interessante Wendung - erhielten eine Übernahme-Offerte von der britischen Investmentgesellschaft CVC, die der Verwaltungsrat aber zunächst abgelehnt hat. Es scheint, als gebe es auch in Zukunft noch einiges über den Konzern zu berichten....

Genauso überraschend wie im Sommer hatte Forbo Ende Oktober bei der Vorlage der Zahlen für die ersten drei Quartale offenbart, dass man von der beabsichtigen Devestition der Bodenbelagssparte absehe und den Bereich "unter dem Dach von Forbo erhalten, restrukturieren und weiterentwickeln will" - "zur bestmöglichen Erschließung des Wertpotenzials im Interesse des Unternehmens und seiner Aktionäre". Die dafür erforderlichen Mittel wolle man sich durch eine Kapitalerhöhung von 200 Mio. CHF beschaffen.

Zu den Hintergründen des plötzlichen Sinneswandels gibt es unterschiedliche Interpretationen. In der offiziellen Verlautbarung heißt es, dass "weitergehende Analysen zu den Konsequenzen einer Veräußerung des Geschäftsbereichs Bodenbeläge den Verwaltungsrat zu dem einstimmigen Beschluss bewogen hätten, dieses Kerngeschäft unter dem Dach der Forbo-Gruppe weiter zu führen."

Inoffiziell ist die Rede davon, dass die Verkaufsabsichten des stark mit Forbo identifizierten Kerngeschäfts Bodenbeläge zu massivem Unmut in der heimischen Schweiz und auch unter den Aktionären geführt hätten. Andere mutmaßen, dass es an vielleicht an geeigneten Investoren gefehlt hätte, die willens oder in der Lage gewesen seien, den geforderten Kaufpreis zu zahlen.... Wie auch immer: Forbo bleibt also bei Bodenbelägen engagiert und will die drei Geschäftsbereiche Bodenbeläge, Klebstoffe und Kunststoffbänder als "eigenverantwortliche und focussierte operative Einheiten" unter dem Dach einer Strategie- und Finanzholding führen. Die angekündigte Kapitalerhöhung schaffe dabei die nötigen Voraussetzungen, um das Wertsteigerungspotenzial der Gruppe auszuschöpfen, verkündete der Vorstand auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz Mitte November. Sie solle den Aktionären auf einer außerordentlichen Generalversammlung am 2. Dezember zur Genehmigung vorgelegt werden, die Bezugsfrist sei dann vom 6. bis 14. Dezember vorgesehen, so dass die neue Aktien ab 15. Dezember gehandelt werden könnten.

Darüber hinaus teilte der Vorstand mit, dass das bestehende US Private Placement weitergeführt wird. "Zwar wäre auch grundsätzlich eine Refinanzierung möglich gewesen, die Kapitalerhöhung ermöglicht der Forbo-Gruppe jedoch, sämtliche drei bestehenden Kernaktivitäten selbstständig weiter zu entwickeln und damit die strategische Flexibilität zu gewährleisten", heißt es. Außerdem hätten die Kosten für die Ablösung des Private Placements - "die erheblich gewesen wären" - vermieden werden können.

Die Restrukturierungskosten und Sonderabschreibungen für alle drei Geschäftsfelder werden auf etwa 200 Mio. CHF beziffert, von denen ca. 60 Mio. CHF liquiditätswirksam sind. Über zwei Drittel der Gesamtaufwendungen sollen voraussichtlich dem laufenden Jahr belastet werden.

Der Einfluss der Restrukturierungskosten und Abschreibungen auf das Eigenkapital werde aber aufgefangen, betont der Vorstand. "Die absolute Höhe des Eigenkapitals bleibt auf dem aktuellen Niveau."

Ab 2006 soll sich durch die Maßnahmen das Verhältnis von EBIT (Betriebsgewinn) zu Umsatz verbessern, der volle Effekt 2007 eintreten. Bis 2007 stellt Forbo zudem 200 Mio. CHF für Akqusitionen bereit, mit denen ein Mehrumsatz von 200 bis 250 Mio. CHF erreicht werden soll.

In allen drei Geschäftsfeldern sind Umbau und Sanierung bereits angelaufen. Bei Bodenbelägen will man durch Anpassung der Produktionskapazitäten - insbesondere bei dem an Überkapazitäten leidendenden CV-Geschäft -, Bereinigung des Produktportfolios, Effizienzsteigerungen in Produktion, Vertrieb und Administration, Stärkung des höhermargigen Linoleums sowie den Ausbau des Objektgeschäfts eine "nachhaltige Wertsteigerung" erzielen. Gleichzeitig sollen durch gezielten Ausbau der Präsenz in Osteuropa und Asien, die Erweiterung der Produktpalette und kleinere Akquisitionen neue Märkte erschlossen und selektives Wachstum ermöglicht werden.... Die EBIT-Marge soll bis 2007 auf 6 bis 7% steigen, im ersten Halbjahr 2004 waren es 5%.

Klebstoffe sollen auf Wachstum getrimmt werden. Über höhermargige Produkte, Zukäufe und den Markteintritt in China und Russland will man den Umsatz um rund 150 Mio. CHF erhöhen. Das Margenziel liegt hier bei 6 bis 8%, gegenüber 5% in der ersten Jahreshälfte 2004.

Bei Kunststoffbändern sollen die betriebliche Effizienz "deutlich gesteigert" und ebenfalls höhermargige Segmente forciert werden. Die EBIT-Marge, die im ersten Halbjahr 2004 nur 1% betrug, soll deutlich zunehmen auf 5 bis 6%.

Während die Forbo-Führungsspitze an den Restrukturierungsplänen strickte, ergab sich eine neuerliche Wendung in dem Schauspiel um die Zukunft des Konzerns: Die britische Investmentgesellschaft CVC Capital Partners machte Forbo vorbehaltlich einer Due Dilligence-Prüfung einer Kaufangebot von 330 CHF pro Aktie. Die Offerte, die einem Gesamtkaufpreis von 450 Mio. CHF entspricht, wurde laut Schweizer Zeitungen von Beobachtern als "durchaus generös" bezeichnet. Nach Berechnungen der Zürcher Kantonalbank liegt das Gebot unter Einbezug der Kapitalerhöhung und der Restrukturierungskosten schätzungweise 20% über dem diesjährigen Buchwert von Forbo. Tatsächlich entfachten die Avancen der Briten ein Kursfeuerwerk: Die Forbo-Aktie schoss nach dem Publik-Werden um 45% in die Höhe und beendete den Handel mit einem Plus von 31,1% gegenüber dem Vor-Tages-Kurs auf 272 Mio. CHF.

Forbos Verwaltungsrat selbst informierte die Öffentlichkeit über die CVC-Offerte, um Irritationen in Zusammenhang mit der angekündigten Kapitalerhöhung zu vermeiden. Zudem wollte man im Vorfeld Spekulationen über einen möglichen Interessenskonflikt von Verwaltungsratspräsident Dr. Willy Kissling vermeiden, der zufällig auch Mitglied im Beirat der Private Equity-Gesellschaft ist. Er hat zwar laut eigenen Angaben nie mit seinen CVC-Kollegen über Forbo gesprochen, sei auch nicht von ihnen über das Angebot informiert worden, trat aber dennoch im Forbo-Verwaltungsrat in den Ausstand und überließ Vizepräsident Prof. Dr. Rolf Watter in der Angelegenheit das Ruder. Ohnehin hatte Kissling kurz zuvor seinen vorzeitigen Rückzug vom VR-Präsidium signalisiert; er will sein Amt bereits auf der nächsten ordentlichen Generalversammlung am 29. April zur Verfügung stellen und den Weg für seinen designierten Nachfolger Watter frei machen. Der 46jährige Jurist ist seit 1999 Mitglied des Verwaltungsrats, hauptberuflich Partner einer Zürcher Kanzlei und unterrichtet nebenberuflich Rechts-wissenschaften an der Zürcher Universität.

Watter und der Rest des Verwaltungsrats nahmen den Vorstoß von CVC als Beweis für "das Potenzial von Forbo", lehnten das Angebot aber ab, weil sie nach einer ersten Analyse zu der Ansicht gelangten, dass unter Führung des bewährten Managements "langfristig für die Aktionäre mehr Wert generiert werden kann". Das muss aber kein endgültiges Nein bedeuten. Ein Hintertürchen hielt sich Vatter nämlich noch offen: Er beauftragte die CS First Boston mit einer Wertanalyse von Forbo und ließ verlauten, falls diese zu anderen Schlüssen käme - oder CVC sein Angebot erhöhe, würde die Offerte nochmals geprüft....

CVC Capital Partners, 1981 als europäische Private Equity-Ableger von Citicorp gegründet und 1993 verselbstständigt, hatte schon vor einigen Jahren die Fühler in Richtung Bodenbelagsbranche ausgestreckt.

Damals verhandelten die Briten mit Armstrong DLW über den Kauf von deren Textilsparte Desseaux DLW. Die Verhandlungen, die schon relativ weit gediehen schienen, scheiterten letztlich kurz vor der Unterschrift an Unstimmigkeiten über den Kaufpreis.

Zum Abschluss noch kurz die aktuellen Zahlen von Forbo: Der Umsatz nahm in den ersten neun Monaten 2004 sowohl in Schweizer Franken als auch in Lokalwährungen um 2,8% auf 1,24 Mrd. CHF zu. Die Nettoverschuldung nahm gegenüber Jahresende 2003 um 15,5 Mio. CHF ab, die liquiden Mittel beliefen sich per 30. September auf 177,7 Mio. CHF.

Bodenbeläge konnten trotz der unverändert schwierigen Marktbedingungen ihren Umsatz auf 564,3 Mio. CHF stabil halten, währungsbereinigt verloren sie geringfügig um 1%.

Geringe Zuwächse erzielte Forbo in Nordamerika, Australien und Südeuropa, das übrige Europa stagnierte. Klebstoffe konnten gegenüber dem Vorjahr um 5,5% (währungsbereinigt +6,7) auf 443,1 Mio. CHF zulegen, Kunststoffbänder um 3,9% (4,9%) auf 231,4 Mio. CHF. Für das gesamte Geschäftsjahr erwartet der Konzern eine leichte Umsatzsteigerung, das Betriebsergebnis vor Sonderbelastungen dürfte etwas unter Vorjahr liegen.
aus BTH Heimtex 11/04 (Wirtschaft)