Forbo Flooring GmbH

Forbo trennt sich von Bodenbelägen


Inzwischen hat es sich in der Branche herumgesprochen: Forbo trennt sich von Bodenbelägen. Der Schweizer Mischkonzern will sich künftig auf die Bereiche Klebstoffe und Transportbänder konzentrieren, wo er bessere Perspektiven sieht und sucht nach einem Interessenten für seine Bodenbelagsaktivitäten, die mit einem Anteil von 45% am Umsatz und 50% am EBIT das Kerngeschäft darstellen. Vorstandschef This E. Schneider sagte dazu gegenüber BTH Heimtex, dass man dabei "für alle Möglichkeiten und Modelle offen" sei: sprich eine industrielle Partnerschaft, eine Beteiligung oder den Verkauf in Teilen oder als ganze Einheit. Selbst über die Abtretung der Marke "Forbo" könne man sich unterhalten, ließ Schneider durchblicken, da sie stärker mit Bodenbelägen verbunden sei als mit den anderen Produkten. Nur eins sei wichtig: "Es muss auf jeden Fall Geld fließen"....

Hinter diesem einen Satz verbirgt sich die ganze Misere der Schweizer, die stets als höchst honorig, solide, profitabel und völlig unantastbar wie Schweizer Banken und Schweizer Uhren galten. Erst in den letzten zwei, drei Jahren begann die glänzende Fassade zu bröckeln, zeigten sich die Schwachstellen hinter dem Putz. Wir haben bereits Anfang 2003 auf kapitale Fehlentscheidungen und Strategie-schwächen hingewiesen.

So lange Dr. Rene Ruepp in Eglisau regierte, war die Forbo-Welt in Ordnung. Dann folgte ihm Werner Kummer als Vorstandsvorsitzender und parallel begann die Wirtschaft zu kriseln. Das besiegelte den Abstieg von Forbo aus der Königsklasse... Kummer, der vorher für Schindler Aufzüge nach Asien und in andere internationale Märkte verkauft hatte, erwies sich im zunehmend schwieriger werdenden Umfeld weder als Krisenmanager noch als Stratege. Als sich die Performance von Forbo verschlechterte, versuchte er wohl dagegen zu steuern, agierte dabei aber ebenso kopflos wie glücklos und ließ Gespür für die Stärken von Forbo und auch die Märkte vermissen. So tauschte er hektisch das Management auf allen Ebenen in Produktion und Vertrieb aus, als die Bodenbelagszahlen 2002/ 2003 nach unten sackten. Bei den Neubesetzungen schien es manchmal mehr auf Kompabilität als auf Qualifikation anzukommen. Prompt fehlte es allerorten an Kompetenz.

Kummers größtes Handicap war vielleicht, dass er sich nicht im Geringsten für die wichtige Sparte Bodenbeläge, den Markt und die Branche interessierte. Dadurch verpasste er etliche Chancen, Forbo geografisch oder auf Produktseite neue Felder zu eröffnen. Stattdessen investierte er in Transportbänder und Klebstoffe. Das wurde ihm letztlich zum Verhängnis. Die Zukäufe blähten zwar den Umsatz auf, brachten aber nicht den erwarteten Ertrag. Das Resultat: 2003 gelang ihm nur eine knapp schwarze Bilanz, Anfang 2004 musste Forbo sogar eine Gewinnwarnung herausgeben. Das kostete Kummer den Kopf. Anfang März entließ ihn der Verwaltungsrat, entledigte sich zugleich seines Kummer-freundlichen Vorsitzenden Karl Janjöri, wählte dessen bisherigen Stellvertreter Dr. Willy Kissling zum neuen Primus und berief This E. Schneider als Nachfolger von Kummer.

Weil sich nach dem Ertragseinbruch 2003 der "Druck zum Handeln erhöht hatte", wurde Schneider damit beauftragt, innerhalb von sechs Monaten die Strategien und operativen Abläufe zu überprüfen und notwendige Änderungen einzuleiten. Er diagnostizierte, dass "weder die strategischen Weichen für Wachstumsmärkte wie Osteuropa oder Asien gestellt, noch konsequent operative Maßnahmen für die Anpassungen an das veränderte Marktumfeld eingeleitet" worden seien. Zudem hätten die häufigen Management- und Strukturänderungen das Unternehmen destabilisiert. Schneiders Analyse bewog den Verwaltungsrat Mitte August zu der spektakulären Entscheidung, sich vom Kerngeschäft Bodenbeläge zu trennen.

Aber: Was Schneider elegant außen vorlässt, ist die Verantwortung, die auch der - unverändert im Amt befindliche - Verwaltungsrat an der jetzigen Situation trägt. Und zwar nicht nur passiv, weil er Kummer gewähren ließ , sondern auch aktiv, weil die Schweizer Verwaltungsräte auch operativ eingebunden sind, ähnlich dem amerikanischen Modell und anders als die Aufsichtsräte in Deutschland beispielsweise, die "nur" eine reine Kontrollfunktion ausüben. Und man hört aus dem Umfeld der Konzernspitze, dass einiges, was dem Vorstand heute als Versäumnis angelastet wird, wohl von ebendem angeregt wurde, aber vom Verwaltungsrat blockiert worden sei.

Wie auch immer: Kummer hat Forbo in eine finanzielle Zwangslage hineinmanövriert, die kaum Möglichkeiten zum Handeln lässt. Zwar verfügen die Schweizer aktuell mit liquiden Mitteln von rund 150 Mio. CHF und einem frei verfügbaren Betrag von 120 Mio. CH unter einer mittelfristigen Kreditfazilität über eine gute Liquiditätssituation, auch ist die Eigenkapitalquote im Branchenvergleich nicht schlecht, dennoch droht die Insolvenz, wenn nicht bald Geld in die Kasse fließt. Denn: Kummer hat die Zukäufe über verschiedene Wege finanziert: 150 Mio. CHF über Public Bonds (2001- 2006), weitere 150 Mio. CHF über Banken (2003-2007), davon sind allerdings erst 31 Mio. CHF Kreditlinien in Anspruch genommen und 275 Mio. USD über ein US Private Placement (2002-2007). Und genau dort liegt das Problem: Die restriktiven Covenants (= Bedingungen) speziell der Amerikaner drosseln Forbo jetzt die Luft ab. Unter anderem wird ein bestimmtes Verhältnis zwischen Ertrag und Eigenkapital gefordert.

"Forbo hat die Covenants per 30. Juni 2004 eingehalten und wird sie auch künftig einhalten", beeilte sich Schneider auf der Halbjahres-Pressekonferenz zu bekräftigen, auf der er bei einem um 4,4% auf 827 Mio. CHF gestiegenen Netto-Umsatz von einem Verlust von -16,2 Mio. CHF gegenüber einem Gewinn von 14,2 Mio. CHF im Vorjahr berichten musste. Allerdings sind darin 20 Mio. CHF Sonderbelastungen enthalten. Aber angesichts des Ertragseinbruchs, der angespannten Eigenkapitallage und Nettoverbindlichkeiten in Höhe von 394 Mio. CHF bleibt Forbo nicht ein Franken übrig, um die dringend erforderlichen Restrukturierungsmaßnahmen durchzuführen - Kapazitätsanpassungen, strategische Neuausrichtungen, Bewertungen - für die 180 Mio. CHF veranschlagt werden. Wieviel davon konkret auf Bodenbeläge entfallen, wollte Schneider nicht offenlegen, man kann aber davon ausgehen, dass mindestens 70 Mio. CHF aufgewendet werden müssen. "Ohne Anpassungen der Covenants oder Zuführung von Eigenkapital ist keine rasche und effiziente Restrukturierung möglich", räumte Schneider ein. Zudem fehle es an den erforderlichen Management-Ressourcen.

Also blieb nur die Flucht nach vorn, sprich die Trennung von Bodenbelägen. Sowohl Mitarbeiter als auch Kunden von Forbo wurden von dem Entschluss völlig überrascht. Nichts war im Vorfeld nach außen gedrungen. Besonders bitter: In Deutschland steht die wichtige CV-Listung des Großhandels unmittelbar bevor und die gerade neu formierte deutsche Vertriebsgesellschaft hatte erst wenige Wochen zuvor ihre bedeutenden Kunden zu einem großen Event eingeladen - wir haben darüber in BTH Heimtex 8/04 berichtet - um sich, ihre neue Strategie und ihre neue Kollektion vorzustellen. Und dann kommt der Mutterkonzern und konterkariert die ganzen Anstrengungen...aber auch das zeigt wieder, dass man in Eglisau zu weit weg vom Markt ist. Die Forbo-Aktie indes zog an, nachdem die Verkaufsabsichten bekannt gegeben wurden.

Wer wird nun bei Forbo-Bodenbelägen einsteigen? Das ist zweifellos die Frage, die die Branche derzeit am meisten bewegt. Viele tippen auf den großen Wettbewerber Tarkett, für den die Linoleum-Aktivitäten von Forbo eine ideale Ergänzung wären. Dafür kann Tarketts Vorstandschef Marc Assa weder mit CV-Belägen noch mit der kleinen Parkettfabrik in Schweden etwas anfangen. Er soll auch schon einmal ein begehrliches Auge auf den Konkurrenten geworfen haben - umgekehrt übrigens auch - und ist zudem auf der Suche nach attraktiven Akquisitionsmöglichkeiten, scheint sich momentan aber eher in andere Richtung zu orientieren. Generell dürfte das Linoleum-Geschäft, mit dem Forbo mit 65% Weltmarktführer ist, das Zugpferd für potenzielle Käufer sein. Sogar einige Textilbelagsanbieter, die im Objektbereich stark sind - aus Deutschland und aus England - sollen sich dafür interessieren. Oder was ist mit jemandem wie Filiep Balcaen, der gerade für 600 Mio. EUR seine Balta-Gruppe verkauft hat und nach dem Schulden-Abbau noch einige hundert Millionen EUR Spielgeld übrig haben dürfte...

Schneider selbst könnte sich bei einem industriellen Investoren jemanden vorstellen, der als Schwerpunkt andere Märkte oder andere Sortiment hat und blickt dabei vor allem nach Asien oder USA. Das sich dort jemand findet, halten wir für relativ unwahrscheinlich, da sich amerikanische Unternehmen schon ein paar Mal die Finger in Europa verbrannt haben und die Asiaten vorsichtig mit Direkt-Investitionen in Ländern sind, deren Mentalität und Sprache ihnen fremd sind.

Favorisieren würde Schneider ohnehin eine andere Lösung: Er liebäugelt mit einem strategischen Investor und verweist dabei auf die Doughty Hanson-Gruppe, die erst vor wenigen Wochen den Balta-Deal abgewickelt hat. Manche munkeln, dass die Briten das Bestreben treiben könnte, einen großen internationalen Bodenbelagskonzern aufzubauen, ihn dann zu verkaufen oder an die Börse zu bringen - und damit richtig Kasse zu machen wie in den 90er Jahren mit Tarkett....
Noch sind das alles Spekulationen. Wer letztlich den Zuschlag bekommt, ist zur Zeit völlig offen, hängt auch vom Kaufpreis ab, der vermutlich nicht so hoch ausfällt, wie sich Vorstand und Verwaltungsrat vorstellen. Sie hoffen, damit ihre Verbindlichkeiten abbauen zu können. Wenn auch die Zukunft von Forbo Bodenbelägen gegenwärtig noch ungewiss ist, kann man sich wohl sicher sein, dass sie nicht vom Markt verschwinden werden. Dazu sind sie ein zu bedeutender Marktfaktor....
aus BTH Heimtex 09/04 (Wirtschaft)