GHF-Tagung 2013: Großhandel zuversichtlich trotz Umsatzdelle

Appell für mehr Zusammenarbeit

Der Farben-Großhandel in Deutschland leidet in diesem Jahr unter den Wetterkapriolen. Auch der Bodenbelags-Großhandel muss Einbußen hinnehmen. Dennoch überwog der Optimismus bei der Jahrestagung des Großhandelsverbandes Heim & Farbe im Europa-Park Rust, deren Programm die Rekordzahl von 258 Gästen in ihren Bann zog. Denn nicht nur wettertechnisch herrschte goldener Herbst. Auch die Konjunkturumfragen und die anhaltende Bautätigkeit geben einen Hinweis darauf, dass die negativen Halbjahreszahlen lediglich eine vorübergehende Delle bedeuten.

Das Wetter hat dem deutschen Bodenbelags- und Farben-Großhandel zumindest in der ersten Jahreshälfte einen Strich durch die Rechnung gemacht. Erst sorgte der harte lange Winter für Umsatzeinbußen, im Frühjahr dann der starke Regen und im Sommer die anhaltende Hitzeperiode. Vor allem die auf Farben spezialisierten Firmen bekam die Wetterkapriolen zu spüren. "Die Natur zeigt uns Grenzen auf und macht deutlich, dass es kein unbegrenztes Wachstum geben kann", sagte der Vorsitzende Eberhard Liebherr auf der Tagung des Bundesverbandes Großhandel Heim & Farbe (GHF) im Europa-Park Rust bei Freiburg.

Der Einladung in den familiengeführten Freizeitpark waren 258 Gäste aus Industrie und Handel gefolgt und damit so viel wie nie zuvor. Unter ihnen befanden sich mehr als 70 Großhändler. Bei angenehmen Spätsommertemperaturen lauschten die Tagungsteilnehmer den teils anspruchsvollen und teils launigen Referaten. Dabei schafften es nicht einmal die unbefriedigenden Umsatzzahlen, die Stimmung zu trüben. Denn die Prognosen aus dem wirtschaftlichen Umfeld sind inzwischen wieder positiv. Schließlich brummt die Konjunktur und die regen Wohnungsbauaktivitäten halten an.

GHF-Geschäftsführer Jürgen Wagner, der die Tagung zusammen mit seinem Team professionell organisiert hatte, erwies sich einmal mehr als kenntnisreicher Herr der Zahlen. Er präsentierte eine Umsatzentwicklung für das erste Halbjahr 2013, die deutlich hinter den Ergebnissen des gut verlaufenen Gesamtjahres 2012 liegt. Während im vergangenen Jahr lediglich Wärmedämm-Verbundsysteme ein Minus (-3,7%) einfuhren, waren es im ersten Halbjahr 2013 gleich mehrere Produktgruppen.

Investitionen in Renovierung


Der WDVS-Verkauf brach im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum noch einmal um 7,5% ein. Bei Lackfarben sank der Umsatz um 4,5%, bei Dispersionsfarben und Putzen um 1,6%. Einen dicken Rückgang verzeichneten auch textile Bodenbeläge (-6,7%) und Heimtextilien (-4,2%). Mehr oder weniger deutlich im Plus lagen dagegen elastische Beläge (+4%, nach +9,2% im Vorjahr), Parkett/Laminat (+0,6%), Tapeten (+0,5%) und Werkzeuge (+4%). "Mit viel Glück schafft der eine oder andere von uns noch ein Miniplus am Jahresende. Etliche von uns sind aber auch schon froh, wenn die Umsätze auf Jahresniveau stagnieren, und leider werden auch einige mit Rückgängen leben müssen", wagte Liebherr einen Ausblick zum Jahresende.


Trotz dieser unbefriedigenden Aussichten überwog die Zuversicht. Sie stützt sich auf mehrere Faktoren: Zum einen verzeichnete der Großhandel in den Vorjahren überdurchschnittliche Zuwächse, die nur noch schwer zu steigern sind. "Die überaus gute Bauperformance in unserem Land bezeichne ich als großes Glück für unsere Unternehmen im Farben- und Bodenbelagsgroßhandel in den zurückliegenden Jahren", sagte Liebherr. "Wir kommen aus einer hohen Nachfrage nach Bauleistungen, ähnlich der Boomjahre im wiedervereinigten Deutschland. Und die Renovierfreude und starke Bereitschaft der Deutschen zu ,Schöner Wohnen fallen hier als weitere Stichworte."

Zum anderen bieten die Zukunftsaussichten Grund für Optimismus. Aufgrund des niedrigen Zinsniveaus legen weniger Bürger ihr Geld bei der Bank an, sondern investieren in die Renovierung und Modernisierung ihrer Immobilien. Zudem ist die Stimmungslage der Konsumenten gut, wie das GfK-Konjunkturbarometer unterstreicht, und der Wohnungsneubau geht weiter voran. Nach einer ifo-Prognose werden bis 2016 rund 1Mio.neue Wohnungen erstellt. Wagner geht deshalb auch nicht von einem konjunkturellen oder strukturellen Problem der Branche aus. Vielmehr habe sich die ungewöhnliche Witterung als hauptsächliche Umsatzbremse erwiesen.

Um am Markt bestehen zu können, forderte Liebherr seine Kollegen dazu auf, ihre Hausaufgaben zu machen und sich das kaufmännische Handeln nicht allein von der Kostenseite diktieren zu lassen. "Denn ich befürchte, dass dadurch die notwendige Investitionsbereitschaft für künftige Aufgaben und Anforderungen auf der Strecke bleibt und damit der Abwärtsstrudel richtig beginnt", mahnte er. Für Investitionen seien auskömmliche Deckungsbeiträge nötig. Die dürften im Tagesgeschäft nicht durch die Einrechnung der "hart erarbeiteten" Rückvergütungen und Leistungsboni subventioniert werden. Das gelte für den Großhandel wie für die Lieferanten.

Liebherr rief die Industrievertreter dazu auf, mit dem Großhandel an einem Strang zu ziehen. "Ohne Sie gibt es keine Großhandelsfunktion. Wenn Sie für sich entscheiden, künftig zweistufig statt wie bisher dreistufig Ihre Ware im Markt zu platzieren, wäre die bisherige Marktversorgung empfindlich gestört", meinte der GHF-Vorsitzende. Um dies zu verhindern, müsse es auch weiterhin von gemeinsamen Interesse sein, dass sich beide Seiten mit ihren jeweiligen Stärken in den Markt einbrächten und diesen erfolgreich bearbeiteten. Liebherr forderte zur Bildung von "intelligenten Kooperationsmodellen" auf, um den veränderten Anforderungsprofilen an die Unternehmen Rechnung zu tragen. Sie würden helfen, die Märkte zu versorgen und zukunftssichere Dienstleistungsangebote aufzubauen.

Zusammenarbeit auch beim Kampf um gutes Personal


Ein Zusammenspiel von Großhandel, Industrie und Handwerk verlangte Liebherr beim Kampf um die besten Mitarbeiter. "Das wird für uns immer bedeutsamer werden und deshalb müssen wir ein hohes branchenübergreifendes Interesse daran haben, dass es in Zukunft keinen Engpass bei qualifiziertem Personal geben wird." Dazu verwies Wagner auf die Anstrengungen des Verbandes, der in seiner neuen Broschüre wieder etliche Schulungen anbietet.

Der Verbandsgeschäftsführer legte dem Großhandel nahe, auch die Kommunikation mit potenziellen Bewerbern um einen Ausbildungsplatz auszuweiten, um das Interesse an der Branche zu fördern. So müsse erklärt werden, wie der Wettbewerb gestrickt sei und welche Strategien der Großhandel gegen den Direktvertrieb parat habe. Es sei wichtig, den jungen Leuten zu erklären, was das Alleinstellungsmerkmal des Großhandels sei. Darüber hinaus sollte den Auszubildenden mit einem Karriereplan eine Perspektive geboten werden.

Die im BGA organisierten Verbände des Groß- und Einzelhandels haben die bundesweite Ausbildungskampagne "Groß Handel - Groß Rauskommen" zunächst intern für Azubis, Unternehmen und ihre Mitarbeiter gestartet; im Januar 2014 beginnt sie dann extern. Damit wollen sie junge Menschen für eine Ausbildung gewinnen, etwa über eine für die Unternehmen kostenfreie Ausbildungs- und Praktikumsbörse auf www.
gemeinsam.gross-handeln.de.

Weiter legte Wagner dem Großhandel nahe, sich am Datenpool Oxomi zu beteiligen, der bei der GHF-Tagung im vergangenen Jahr vorgestellt wurde. Derzeit werde dieser vor allem von den Herstellern mit Leben erfüllt, auf Großhändlerseite sei der Service eher wenig gefragt. Das System ist einfach: Die Industrie hinterlegt bei Oxomi ihre gedruckten Kataloge, Prospekte und Preislisten in digitaler Form. Über "Partnerschaften" werden diese dann an die Portale der Großhändler verteilt. Das dämmt die Papierflut im Innen- wie Außendienst erheblich ein.

Vorträge entwerfen Zukunftsszenarien für die Branche


Dieser Ausgeweitet wird dagegen die Regelungswut. Das prophezeite zumindest Dr. Ernst Schröder vom Textiles & Flooring Institute in seinem Vortrag "EU-Bauprodukteverordnung - der Großhändler als Hersteller". Ihm gelang es, diese trockene, bürokratische Materie in lockerer und humorvoller Weise vorzutragen. Er macht aber deutlich auf die Probleme aufmerksam, die mit den neuen Verordnungen auf die Branche zukommen.

Der neue Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Farbe Gestaltung Bautenschutz, Rainer Huke, gab in seinem Beitrag "Das Maler- und Lackiererhandwerk - Chancen für den gemeinsamen Markt" zu, von der Vielfalt und Flexibilität des Malerhandwerks überrascht worden zu sein. Maler öffneten sich stetig neuen Betätigungsfeldern, um ihre Marktchancen zu erhöhen. "Mit den Betrieben des Maler- und Lackiererhandwerks haben Sie verlässliche Kunden", impfte Huke den Vertretern aus Großhandel und Industrie ein. Die Branche sei geprägt von viel Menschlichkeit. "Der Maler besucht gerne mehrmals am Tag den Händler. Neue Vertriebswege werden deshalb eine eher untergeordnete Rolle spielen."

Dieser Einschätzung widersprach Andreas Steinle, Geschäftsführer des Zukunftsinstituts. In seinem Referat "Märkte von morgen - Mit Cross-Innovations in die Zukunft" verwies er darauf, dass der Umsatz im Online-Handel im vergangenen Jahr um 12% auf 30 Mrd. EUR zugelegt habe. Online-Einkauf sei bequem jederzeit von jedem Ort möglich. Darauf müsse sich auch die Heimtextil-Branche einstellen und ihr Online-Angebot ausweiten. Steinle prophezeite, dass die Zahl der Online-Anbieter wachsen werde, die sich statt an den Endverbraucher direkt an den Handwerker wenden. Die Entwicklung werde den Handel radikal verändern.

Das müsse aber nicht heißen, dass der stationäre Handel in Zukunft seine Berechtigung verliere. Aber er müsse seine Offline- mit Online-Angeboten kombinieren und ein besonderes Erlebnis bieten, um den Kunden in den Laden zu locken. Denkbar wären Showrooms für Farben. So könnten Handwerker ihre Kunden mit zum Großhändler nehmen und gemeinsam die passende Farbe aussuchen. Vor allem Frauen wollten die Materialien erleben - und jeder vierte Handwerksbetrieb werde inzwischen von einer Frau gegründet.

Aber nicht nur durch Erlebniseinkauf ließen sich stationäre Läden aufwerten. Wichtig sei es, Austauschmöglichkeiten zu schaffen und Beziehungen zu knüpfen. Die Apple-Stores machten dies vor. Dort entstünden soziale Netzwerke. Analog ließen sich im Maler-Großhandel die Handwerkerfrühstücke attraktiver gestalten. So könnten die Händler in lockerer Kaffeehaus-Atmosphäre Rechts- und Insolvenzberatung anbieten.

Insgesamt seien Vernetzung und Globalisierung Mega-Trends, an denen auch der Boden- und Farbengroßhandel, seine Lieferanten und Handwerkskunden nicht vorbeikämen. Um hier zu bestehen, sei fundiertes Fachwissen nötig. Es gehe darum, Lösungen statt Produkte zu verkaufen. Um damit im stationären Handel Erfolg zu haben, komme es zunehmend auf eine umfassende und fachlich fundierte Beratung an.

Steinle servierte den Gästen anspruchsvolle Kost und gab ihnen wertvolle Tipps, wie sie sich der Zukunft stellen können. Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg malte hingegen ein düsteres Bild. Mit seinem Vortrag "Geld macht nicht (immer) glücklich - Schulden aber immer unglücklicher" beschrieb der Finanzwissenschaftler den künftigen Schuldenstand Deutschlands als Horrorszenario. Dies leite sich aus den zu leistenden Pensionszahlungen an die heutigen Beamten ab, die aber bewusst nicht ausgewiesen würden. Raffelhüschen, der auch im Aufsichtsrat der ERGO-Versicherungen sitzt und die kapitalgedeckte private Altersvorsorge propagiert, warnte vor einer demografischen Entwicklung mit unlösbaren Problemen für die junge Generation. Er untermauerte seine Thesen mit umfangreichem statistischen Material.

Damit man sich die erschreckenden Zahlen auch merken kann, lud Oliver Geisselhart mit seinem launigen Vortrag "Kopf oder Zettel? Ihr Gedächtnis kann wesentlich mehr als als Sie denken" schließlich zum Gedächtnistraining ein. Er verknüpfte Namen und Vokabeln mit Bildern. So lassen sie sich leichter merken, bewies er mit einigen Übungen, in die er das Publikum mit einbezog. Damit setzte er einen motivierenden Schlusspunkt unter die gelungene GHF-Tagung. Die nächste findet am 23. und 24. September 2014 in Frankfurt statt.
aus BTH Heimtex 11/13 (Wirtschaft)