Verband der Deutschen Tapetenindustrie (VDT): Interview mit Karsten Brandt und Ullrich Eitel

"Unsere Kraft resultiert aus dem Miteinander"

Das seit zwei Jahren laufende Kartellamtsverfahren wirbelt die Tapetenbranche durcheinander. Nun befürchtet der Verband der Deutschen Tapetenindustrie, dass der eine oder andere Hersteller der Traditionsgemeinschaft den Rücken kehren könnte. In einem leidenschaftlichen Appell rufen Geschäftsführer Karsten Brandt und Vorsitzender Ullrich Eitel (Marburger) die neun Mitglieder auf, Geschlossenheit zu zeigen und damit die Branche zu stärken. Alle Beteiligten profitierten von den vielfältigen Aktivitäten des Verbands, betonen beide in einem Gespräch mit BTH-Heimtex-Chefredakteur Michael Steinert und Redakteurin Cornelia Küsel.

BTH Heimtex: Vor mehr als zwei Jahren hat das Bundeskartellamt fünf führende deutsche Tapetenhersteller sowie den Verband der Deutschen Tapetenindustrie ins Visier genommen. Der Vorwurf, der für viel Wirbel in der Branche sorgte, lautete auf illegale Preisabsprachen. Noch ist kein Ende des laufenden Verfahrens abzusehen. Hat sich die teilweise vergiftete Stimmung unter den Verbandsmitgliedern inzwischen ein wenig entspannt?

Ullrich Eitel: Zwischenzeitlich war Ruhe eingekehrt. Das lag auch daran, dass wir unsere Arbeit auf das Wesentliche reduziert haben, nämlich Showroom, technischer Ausschuss, Marketingausschuss und Industriestatistik.

Karsten Brandt: Das klappte auch gut. Denn wir haben nicht die Aktivitäten der Geschäftsstelle heruntergefahren, sondern lediglich die soziale Komponente bei den Mitgliederversammlungen. So treffen wir uns abends nicht mehr zu einem gemütlichen Beisammensein, das ist derzeit atmosphärisch nicht drin. Aber unsere Verband ist in der glücklichen Lage, dass ein Großteil der Arbeit auch ohne regelmäßige Treffen erledigt werden kann.

Eitel: Eine Zeit lang lief auch alles ganz gut, man hatte sich arrangiert. Aber nun sind unter den neun verbliebenen Mitgliedern erneut Auseinandersetzungen ausgebrochen, die Nerven liegen blank. Das macht es sehr schwierig, die Phase des laufenden Kartellamtsverfahrens zu überbrücken.

BTH Heimtex: Welche Konsequenzen könnten sich aus den wieder aufgeflammten Querelen ergeben?

Eitel: Wir befürchten, dass ein Unternehmen aus dem Verband austreten könnte. Das aber müssen wir verhindern. Denn wir sind nur noch neun Hersteller im VDT. Der Austritt eines einzigen könnte einen Stein ins Rollen bringen, der die Existenz eines der ältesten Industrieverbände Deutschlands gefährdet. Danach gäbe es keine Chance mehr, eine solche Gemeinschaft noch einmal zu etablieren. Wer auch immer einen Austritt in Erwägung zieht, sollte wissen, dass er damit der ganzen Branche schadet. Er würde nicht nur die Verbandsarbeit für die Hersteller erschweren, sondern auch die assoziierten Mitglieder, also die Zulieferer, in erheblichem Maße irritieren. In der jetzigen Situation wäre es dringend nötig, Geschlossenheit zu zeigen und die erfolgreiche Arbeit des etwa 120 Jahre alten Verbands fortzusetzen.

Brandt: Die Kunden der Hersteller würden es nicht verstehen, wenn der Verband ohne Not zu Fall käme. Schließlich profitieren sie von den Marketingaktivitäten, zum Beispiel dem Showroom in Hamburg und den Ausbildungsangeboten für Maler.

BTH Heimtex: Was bringt der Verband für die Tapeten-Hersteller?

Eitel: Die Vorteile, die wir durch die Verbandsarbeit haben, sind so vielfältig, dass der Schulterschluss der Hersteller erfolgen muss. Denn allein der technische Ausschuss ist für die Unternehmen von existenzieller Bedeutung. Ein einzelner Hersteller ist nämlich nicht in der Lage, mit der Gesetzesflut zurechtzukommen, die auf ihn einströmt.

Im Ausschuss werden wir von den assoziierten Mitgliedern unterstützt und vom Fraunhofer-Institut wissenschaftlich begleitet. Das ist extrem wichtig, denn wir stehen vor vielschichtigen Herausforderungen. Das CE-Zeichen für die Tapete ist bereit obligatorisch. Im nächsten Jahr kommt die Bewertung von Bauprodukten (AgBB) des Deutschen Instituts für Bautechnik dazu. Allein dafür ist die Betreuung durch Prüfinstitute von enormer Wichtigkeit. Bei AgBB geht es um die Ausdünstung der Reststoffe, die schadstofffrei sein müssen. Dies zu erfüllen ist ausgesprochen schwierig. Von der Zusammenarbeit der Hersteller auf diesem Gebiet profitiert der ganze Markt und letztlich auch der Endverbraucher.

Außerdem ist die RAL-Gütegemeinschaft ein wichtiger Baustein in unserer Zusammenarbeit.

Brandt: Wir haben für unsere Mitglieder einen Rahmenvertrag mit den Prüfinstituten abgeschlossen. Als Gemeinschaft zahlen wir deutlich weniger. Die Prüfinstitute müsste sonst jeder Hersteller einzeln bezahlen. Über den Verband spart er viel Geld.

Eitel: Das sind Riesenvorteile für den Einzelnen. Man sollte auch daran denken, dass die Gesetzgebung nicht aufhört. Es kommen immer neue Auflagen. Dafür brauchen wir Analysen und die wissenschaftliche Begleitung.

BTH Heimtex: Die Arbeit des Verbands beschränkt sich jedoch nicht auf den technischen Ausschuss. Welche weiteren Aktivitäten werden den Mitgliedern geboten?

Eitel: Unsere Kraft resultiert aus dem Miteinander von Herstellern und assoziierten Mitgliedern. Außer dem technischen Ausschuss haben wir einen Werbeausschuss, wir erhalten statistisches Material und Marktinformationen und wir betreiben den Showroom. Das kommt allen zugute und bringt die Tapete voran. Dabei arbeiten wir alle ehrenamtlich. Der Verband bietet Vollmitgliedern und assoziierten Mitgliedern eine Plattform. Wir haben es geschafft, dass sich die Assoziierten als Teil des Ganzen fühlen und das Werbebudget von 750.000 EUR auf 1Mio.EUR aufstockten. Davon werden Öffentlichkeitsarbeit, Showroom, Tapete on Tour, Pressearbeit und vieles mehr bezahlt. Wenn das wegfallen würde, wären wir alle die Verlierer. Das wäre eine Katastrophe.

BTH Heimtex: Wie wirken sich die Ausgaben denn aus?

Brandt: Durch diese Werbeanstrengungen konnten wir - im Vergleich zu anderen westeuropäischen Märkten - den deutschen Absatz stabil halten.

Eitel: Zwar sehen die Hersteller ihr Wachstum mehr im Export, aber auch der Inlandsmarkt ist stabil. Wir haben es gemeinsam erreicht, dass der Verbraucher die Tapete aktiv nachfragt und sie als Wohlfühlprodukt sieht. Das sollten wir nicht aufs Spiel setzen.
aus BTH Heimtex 03/13 (Wirtschaft)