13. Internationales BEB-Sachverständigentreffen in Schweinfurt

Drei Themenkomplexe boten für jeden Geschmack etwas

240 Teilnehmer und 24 Aussteller - die gute Resonanz beim 13. Internationales Sachverständigentreffen des Bundesverbandes Estrich und Belag in Schweinfurt konnte sich erneut sehen lassen. Das Tagungsprogramm bestand aus drei Themenkomplexen: Toleranzen und Sanierung, Recht und Bewertung von Schadensfällen. FussbodenTechnik fasst ausgesuchte Beiträge zusammen.

Nadine Metlitzky | Barrierefreies Bauen - Pro und Contra zu den allgemein anerkannten Regeln der Bautechnik


These: Das barrierefreie Bauen beeinflusst unsere gesamte zukünftige Immobilienwirtschaft. Wir stehen nicht nur vor einer der wichtigsten sozialen Aufgaben, die unsere Gesellschaft zu leisten hat, sondern vor der bedeutendsten wirtschaftlichen Herausforderung unserer Zeit.

Inhalt: Noch zu Beginn dieses Jahrtausends wurde dem Thema Barrierefreies Bauen in der Aus- und Weiterbildung keine oder nur ungenügende Beachtung geschenkt. An Hochschulen widmeten sich, wenn überhaupt, nur wenige Vorlesungen im Fachbereich Gesundheitsbau diesem Thema. Folglich mangelt es in Deutschland an Sachverständigen und fachkundigem Nachwuchs. Referentin Nadine Metlitzky, gleichzeitig Architektin und Sachverständige für barrierefreie Bauen, brachte den Zuhörern ihr Spezialgebiet näher. Die Sachverständigen mussten feststellen, dass Barrierefreiheit weit über die bekannte Welt des Bodens hinausreicht.

Aufschluss über Barrierfreies Bauen bringt die Norm DIN 18040, in der beschrieben wird, unter welchen technischen Voraussetzungen Gebäude und technische Anlagen barrierefrei sind. Gleichzeitig lässt die Norm Abweichungen zu, sofern die bezweckte Funktion erfüllt wird. Die Norm gilt für Neubauten, sollte allerdings auch sinngemäß für die Planung von Umbauten und Modernisierungen angewendet werden.

Walter Böhl | Industriefußböden für Hochregallager - Regelwerke oder Fallstricke?


These: Vorsicht vor widersprüchlichen Regelwerken zum Thema Industriefußböden für Hochregallager.

Inhalt: Referent Walter Böhl beschäftigte sich mit der Ebenheit von Industriefußböden für Hochregallager. Der Sachverständige für das Estrichlegerhandwerk stellte geltende Regelwerke vor, die sich teilweise widersprechen. Folgende Regelwerke müssen beachtet werden:

-DIN EN 15620 Ortsfeste Regalsysteme aus Stahl - Verstellbare Palettenregale
-DIN 15185, Teil 1: Lagersysteme mit leitliniengeführten Flurförderzeugen, Anforderungen an Boden, Regale und sonstige Anforderungen
-DIN 18202 Maßtoleranzen im Hochbau
-VDMA-Richtlinie - Böden für den Einsatz von Schmalgang Flurförderzeugen

Böhl empfahl: Der Bauplaner muss in enger Verbindung mit dem Planer der Regalanlage und dem Flurförderzeughersteller festlegen, was gelten soll. Es muss geklärt werden, was vom Fußbodenhersteller vertraglich zugesichert werden soll. Diese Anforderungen müssen mit dem Fußbodenhersteller ausdrücklich vereinbart werden.

Der Planer sollte prüfen, ob der Fußbodenhersteller die erforderlichen Anforderungen kennt, versteht und über Verfahren verfügt, diese auch einzuhalten. Bei so genannten Schmalgang-Staplern sind hohe Anforderungen mit normalen handelsüblichen Methoden nicht einzuhalten.

Böhl hat auf seiner Website www.industriebodensachverstaendiger.de unter der Rubrik "Estrich kurz und bündig" in Teil 6 eine Zusammenfassung der wichtigsten Regelwerke eingestellt.

Steffen Glatz | Verformungsverhalten von Gussasphaltestrichen unter Last


These: Die Belastbarkeit von Gussasphaltestrichen hängt unter anderem von der Belastbarkeit der Dämmstoffe ab. Es ist eine Aufgabe des Planers, Dicke und Art des Dämmstoffes festzulegen.

Inhalt: Gussasphalt ist eine dichte, in heißem Zustand gieß- und streichbare Masse aus feinen und groben Gesteinskörnungen und Bitumen als Bindemittel. Das Gemisch ist hohlraumarm zusammengesetzt. Gussasphaltestriche sind in der Normung 13318 geregelt. Im Gegensatz zu anderen Estrichen ist es üblich, dass bei Gussasphaltestrichen Härteklassen benannt werden.

Einflussgrößen auf Tragfähigkeit und Verformung von Gussasphaltestrichen sind: Dicke und Viskosität des Gussasphalts, Temperatur des Gussasphalts in der Nutzung, Größe der Aufstandsflächen der Lasten, Steifigkeit und Zusammendrückbarkeit der Dämmschichten und die Dicke der Abdeckung über den Dämmschichten.

Die Belastbarkeit von Gussasphaltestrichen hängt auch von der Belastbarkeit der Dämmstoffe ab. Es ist eine Planungsaufgabe, die Dicke und die Art des Dämmstoffe festzulegen. Dämmstoffe sollten vollflächig auf dem Untergrund aufliegen und sind in dichten Stößen zu verlegen. Gegebenenfalls wird dort eine lose Ausgleichsschüttung eingebaut.

Am Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung (IBF) laufen derzeit Versuche, um das Tragfähigkeitsverhalten von schwimmend verlegten Gussasphaltestrichen zu prüfen. Die Versuche werden im April 2013 abgeschlossen sein. Es wurden neun Test-Flächen der Größe 2,5 x 2,5 m aufgebaut. Variiert wurde bei den Dämmschichtdicken. Weitere Belastungsversuche mit aufgebrachter Spachtelmasse und keramischen Fliesen werden folgen. Anlässlich der Gemeinschaftstagung Estrich - Parkett - Belag 2013 in Wiesbaden werden erste Ergebnisse präsentiert.

Rechtsanwalt Frank Häberer | Wie verhält sich der Werksunternehmer bei unvollständiger Ausschreibung und wie bewertet der Sachverständige diese Tatsache im Schadensfall?


These: Liegt eine unvollständige Leistungsbeschreibung vor, trifft den Unternehmer eine Bedenkenhinweispflicht.
Inhalt: Bei erkennbar unvollständiger Leistungsbeschreibung muss der Unternehmer vor Angebotsabgabe Unklarheiten ausräumen. Auf Bedenken wegen Unvollständigkeiten und Fehler muss der Unternehmer den Besteller hinweisen. Kommt er der Bedenkenhinweispflicht nach, haftet der Unternehmer nicht für Mängel, die auf die Leistungsbeschreibung zurückzuführen sind.

Der Sachverständige befindet sich bei der Bewertung eines Unternhemers bei mangelhafter Leistungsbeschreibung in einem Spannungsumfeld zwischen Rechts- und Tatsachenfrage. Die Beantwortung einer Rechtsfrage im Rahmen des konkreten Beweisthemas rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit nicht.

Susanne Gieler-Beßmer | Instandsetzung von Parkhäusern


These: Bei der Planung von Parkhäusern ist insbesondere dafür zu sorgen, dass Korrosion an der Bewehrung verhindert wird; dafür kommen betontechnologische, bewehrungstechnische und Abdichtungs-Maßnahmen in Frage.

Inhalt: Parkhäuser und Tiefgaragen sind hinsichtlich ihrer Beanspruchung eher den Verkehrsbauwerken als Hochbauten zuzuordnen. Sie werden durch Fahrzeugverkehr beansprucht, wobei die dynamische Belastung nicht derjenigen von Brücken und Straßen gleich zu setzen ist. Aber wie Brücken sind Parkbauten dem Einfluss von Tausalz ausgesetzt, denn die Fahrzeuge transportieren im Winter Tausalz in die Bauwerke hinein. Wenn keine ausreichenden Schutzmaßnahmen vorgesehen werden, kann das zu erheblichen Korrosionsschäden an den tragenden Bauteilen führen.

Kostspielige Instandsetzungen an Parkbauten sind keine Einzelfälle. Fehler bei der Planung, der Ausführung, unterlassene und falsche Instandhaltung führen zu umfangreichen Schäden.

Thomas Brendel | Fehlgeschlagene Sanierung mit einem Magnesiaestrich im Kaufhaus


These: Handwerkern ist zu empfehlen, sich von Planungsaufgaben möglichst zu distanzieren und sich auf die Ausführung geplanter Leistungen zu konzentrieren.

Inhalt: Der Sachverständige Thomas Brendel schilderte die Sanierung mit einem Magnesiaestrich in einem Kaufhaus. Eine Erfolg versprechende Sanierung des dort eingebrachten und von Rissen gezeichneten Magnesiaestrichs war technisch nicht möglich. Als Lösung kam nur die vollständige Erneuerung in Betracht.

Im vorliegenden Fall zeigte sich die besondere Verantwortung des Estrichfachbetriebs /Bodenlegers bei der Sanierung von Bestandsflächen, weil dort in aller Regel die Beurteilung der Bestandssituation und die Fachplanung des neuen Fußbodenaufbaus nicht durch einen vom Auftraggeber beauftragten Architekten, sondern durch den Estrichleger/Bodenleger erfolgt. Der Handwerker übernimmt Planungsaufgaben, für die er letztlich auch haftet. Zum Schaden kam es, da keine ordentliche Bestands- und Zustandsanalyse zur Bewertung der vorhandenen Untergründe erfolgte.

Simon Thanner | Gelungene Industriebodensanierung ohne Werklohn


These: Bei der Sanierung eines Industriebodens muss der Verarbeiter auf ein Planungskonzept bestehen, damit die gestellten Anforderungen erfüllt werden.

Inhalt: Bei der Ausführung von Beton-Industrieböden entstehen häufig Frost- und PCE-Schäden. Auf Freiflächen treten Schäden durch Unwetter wie Platzregen auf. Bei der Sanierung dieser Schäden muss abgefragt werden, was das Anforderungsprofil des ursprünglich geplanten Bodens war und, ob es ein dementsprechendes Planungskonzept gibt. Typische Anforderungen sind physikalische und chemische Beanspruchung, Nutzungseigenschaften, Belastung oder weitere besondere Eigenschaften. Oft gibt es ein solches Planungskonzept leider gar nicht.

Die Gefahr besteht darin, die Sanierung als Schnellschuss und nicht technisch sauber und somit auch rechtssicher durchzuführen. Die Wünsche an eine Sanierung müssen erfüllbar sein und die Anforderungen abgefragt werden. Nur so kann ein Planungskonzept für die Sanierung erstellt werden. Sonst läuft der Handwerker Gefahr - der sich bei diesen Arbeiten gerne selber in die Rolle des Planers begibt - für seine Arbeit kein Geld zu bekommen. Selbst dann, wenn er das von Ihm angebotene Sanierungsprodukt richtig angewendet hat, dieses aber nicht die Anforderungen des Industriebetriebs voll erfüllt.

Bernhard Lysser | Großer Parkettschaden in der Schweiz - Prüfpflichten verletzt, wer ist verantwortlich?




These: Thermoholz muss am Einbauort akklimatisiert werden.

Inhalt: Der Referent stellte einen Parkettschaden aus der Schweiz vor. In einer Villa verlegte ein Parkettleger 670 m Parkett Thermo-Eiche. Zusätzlich gab es Einbaumöbel, Türverkleidungen und Spezialsockelleisten aus Thermoholz. Dem Bauherrn wurde die Farbstabilität des Holzes zugesichert. Die UV-Strahlung sorgte für eine aufgehellte Oberfläche. Der Sachverständige Bernhard Lysser analysierte fünf Ursachen für den Schadensfall:

-Es erfolgte keine Akklimatisierung des Holzes.
-Das Rohmaterial wurde zu trocken ausgeliefert und weiterverarbeitet.
-Eine Materialkontrolle durch Nachfolgehandwerker gab es nicht.
-Der Estrich war nicht belegreif.
-Eine Dampfbremse vor dem Parketteinbau fehlte.

Heinz-Dieter Altmann | Auswirkungen von "eingesperrter" Feuchte


These: In der Sanierung ist unbedingt auf Anzeichen von Wasserbelastungen zu achten.

Inhalt: Bei allen zu verbauenden Stoffen ist auf deren Verträglichkeit bzw. Unbedenklichkeit zu achten. Wechselwirkungen sollen immer vermieden werden. Entscheidungskriterien sind im "Leitfaden für die Innenraumhygiene in Schulgebäuden" des Umweltbundesamtes zu finden.

Mit Wasser ist immer zu rechnen, egal ob im Neubau oder bei der Renovierung. Es ist deshalb erforderlich, fachgerecht zu planen und auszuführen. In der Sanierung ist unbedingt auf Anzeichen von Wasserbelastungen zu achten und erforderlichen Falles mit entsprechenden Maßnahmen zu reagieren. Aus Zeitgründen eingesperrte Feuchte kann nicht nur zu Belagsschäden, sondern auch zu massiven Problemen in stofflicher Hinsicht und zu Geruchsbelästigungen bis hin zum kompletten Rückbau führen. Architekt und anbietender Handwerker sollten sich der Risiken bewusst sein.
aus FussbodenTechnik 01/13 (Wirtschaft)