Technische Kommission Bauklebstoffe (TKB) Dr. Frank Gahlmann

Gesucht: Verlegewerkstoffe, die sich leicht wieder ausbauen lassen

Der TKB-Vorsitzende Dr. Frank Gahlmann setzt sich mit der Entwicklung der Verlegewerkstoffe auseinander. Er betrachtet die zurückliegenden 15 Jahre und wagt eine Blick in die Zukunft: Wie könnten die Verlegewerkstoffe von morgen aussehen?

Der Rückblick auf die Entwicklung der Verlegewerkstoffe in den vergangenen 15 Jahren beginnt im Jahr 1997 und fällt damit zusammen mit einem der wichtigsten Ereignisse für die Branche in der jüngeren Vergangenheit: der Gründung der GEV am 24.02.1997. Die Etablierung des Emicode-Systems war das Ergebnis einer verstärkten Berücksichtigung von Verbraucher- und Umweltschutz bei der Entwicklung und Klassifizierung von Verlegewerkstoffen. Neben den Bestrebungen, Produkte technisch zu verbessern und den Aspekten des Arbeitsschutzes trat ab Mitte der 90er Jahre der Umwelt- und Verbraucherschutz als neue Triebfeder für die Produktentwicklung hinzu. Daneben waren und sind permanent chemikalienrechtliche und verschiedenste sonstige regulatorische Vorgaben zu beachten.

Zuvor waren signifikante Fortschritte im Arbeitsschutz erreicht worden. 1991 bis 1997 führte die Bau-Berufsgenossenschaft umfangreiche Messungen zur Lösemittelexposition von Parkett- und Bodenlegern durch, die ergaben, dass Arbeitsplatzgrenzwerte bei Verarbeitung von stark lösemittelhaltigen Klebstoffen überschritten wurden. Niederschlag fanden die Ergebnisse in der TRGS 610 von 1994, die 1998 noch einmal überarbeitet wurde und das Substitutionsgebot für stark lösemittelhaltige Klebstoffe und Vorstriche festschrieb und näher ausführte.

Giscode-System schafft übersichtliche Kategorien

1993 erschienen die TRGS 617 zu stark lösemittelhaltigen Parkettoberflächenbehandlungsmitteln und die TRGS 613 zu chromatarmen Zementen und Zubereitungen. Vor allem wurde in diesem Jahr das Giscode-System eingeführt, das eine einfache und übersichtliche Kategorisierung von Verlegewerkstoffen unter Arbeitsschutzgesichtspunkten enthielt. Der Arbeitsschutz hatte sich demnach in den 90er Jahren recht gut weiterentwickelt. Ab 1993 beschäftigte sich die Verlegewerkstoffindustrie auch mit der Innenraumluftqualität. 1996 wurden herstellerübergreifend und in Zusammenarbeit mit der GuT und dem TFI orientierende Untersuchungen zu Teppichklebstoffen hinsichtlich Geruch und Emissionen durchgeführt. Diese Daten führten zusammen mit weiteren Untersuchungen zur Definition und Einführung des Emicode-Systems, das seither der Gradmesser für das Emissionsverhalten von Verlegewerkstoffen ist.

Bei den Parkettklebstoffen dominierten 1997 immer noch die stark lösemittelhaltigen Kunstharzklebstoffe, wenngleich seit 1992/1993 auch die ersten hartelastischen 2 K-PU-Parkettklebstoffe und ab 1994/1995 die ersten hartelastischen 1 K-PU-Parkettklebstoffe zur Verfügung standen. Bei den Bodenbelagsklebstoffen gab es zwar bereits Anfang der 1990er Jahre Bemühungen, die Restlösemittelgehalte (<10% Toluol, Xylol, Methanol, Ethanol) aus den Produkten zu verbannen, jedoch wurden noch hochsiedende VOCs verwendet. Die sehr hohen Anforderungen des Emicode zwangen zu erheblichen Weiterentwicklungen der Bodenbelagsklebstoffe, die nun aus Restmonomerarmen Polymerdispersionen und gereinigten / modifizierten Naturharzen aufgebaut waren, unter Verzicht auf hochsiedende VOCs / flüchtige Plastifizierungsmittel. Beim Arbeitsschutz gab es 1998 die Branchenregelung zur Verwendung chromatarmer Zemente und Produkte, um somit das Problem der Maurerkrätze bei Parkett- und Bodenlegern zu beseitigen. Im Bereich der Parkettoberflächenbehandlungsmittel hatten die Wasserlacke ihren Siegeszug schon in den neunziger Jahren angetreten (1995 über 50% Marktanteil in Deutschland) und Mitte der neunziger Jahre erlebten Öl- und Wachssysteme eine Renaissance. Ein Trend, der bis heute anhält.

Parkettklebstoffe im Fokus

In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre tauchten drei Randerscheinungen im Parkettklebstoffbereich auf. Es wurden weichelastische Holzpflasterklebstoffe als Alternative zu den stark thermoplastischen Bitumen- und Teerpechklebstoffen für den Industriebereich entwickelt. Pulverförmige Parkettklebstoffe, die mit Wasser angerührt wurden, und 2-komponentige Dispersionsparkettklebstoffe mit einer reaktiven mineralischen Komponente wurden entwickelt, um den für die Holzquellung wirksamen Wasseranteil zu reduzieren. Eine ganz neue Parkettklebstoffklasse betrat 1999/2000 die Bühne, die weichelastischen, 1-komponentigen, feuchtigkeitsreaktiven Parkettklebstoffe. Dabei waren es zuerst Polyurethanprodukte, denen wenig später Silanklebstoffe folgten. War bis dahin die vorherrschende Meinung, dass Parkett schubfest und damit möglichst maßhaltig zu verkleben sei, wurde nun das Argument der mechanischen Entkopplung und der Schonung des Untergrunds vor den Kräften des Massivparketts bei der Verwendung von niedermoduligen elastischen Parkettklebstoffen angeführt. Gleichzeitig erfolgte die Differenzierung zwischen klassischen überwiegend thermoplastischen Klebstoffen (Bitumen- und Teerpechklebstoffe, Dispersionsparkettklebstoffe, Lösemittel-Kunstharzparkettklebstoff, Pulver- und 2 K-Dispersionsparkettklebstoff) und den hartelastischen (2 K-PU und 1 K-PU-hartelastisch (1994/1995)) sowie den neuen weichelastischen 1 K-PU- und 1 K-SMP-Parkettklebstoffen.

2005 wurden die R-Klassen des Emicode eingeführt (Emicode EC 1 R), um den Arbeitsschutz bei Produktgruppen besonders zu berücksichtigen, die diesbezüglich besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. In diesem Jahr trat auch eine EU-Richtlinie in Kraft, die EU-weit die Verwendung nicht chromatarmer Zemente und Zubereitungen verbietet. 2009 führte die GEV den Emicode für Parkettlacke ein, um auch bei dieser Produktgruppe Maßstäbe für den Verbraucher- und Umweltschutz zu setzen. 2010 schließlich wurde das Emicode-System um die Premiumklasse EC 1 plus bzw. EC 1 R Plus erweitert, dass die höchstens existierenden Anforderungen an das Emissionsverhalten von Verlegewerkstoffen stellt.

Ersatzsstoffe für stark lösemittelhaltige Produkte benannt

In der Neufassung der TRGS 610 vom Januar 2011 werden Silanklebstoffe der Giscode-Gruppe RS 10, PU-Klebstoffe der Giscode-Gruppen RU 0,5 und RU 1 und Dispersionsklebstoffe (Giscode D1) als Ersatzstoffe für stark lösemittelhaltige Produkte benannt. In umfänglichen Studien konnte belegt werden, dass die Reaktionsharzklebstoffe bei der typischen Exposition des Boden- / Parkettlegers für diesen unkritisch zu verarbeiten sind. Eine große Mehrzahl der deutschen Verlegewerkstoffhersteller legte sich eine Selbstverpflichtung auf, ab 2011 keine stark lösemittelhaltigen Parkettklebstoffe mehr in Deutschland zu vertreiben, da verschiedene funktionsfähige Alternativen zur Verfügung stehen, die in der Neufassung der TRGS 610 auch den Segen der Bau-Berufsgenossenschaft gefunden haben.

Bei den Grundierungen haben leistungsfähige Dispersionsgrundierungen stark lösemittelhaltige Kunstharz- oder Neoprene-Grundierungen abgelöst. Hinzu gekommen sind in den letzten 15 Jahren lösemittelfreie, feuchtigkeitsreaktive 1 Komponenten-Polyurethan- und -Silangrundierungen und 2 Komponenten-Epoxidharzgrundierungen. Letztere werden insbesondere zur Reduktion der Wasserdampfdiffusionsrate aus restfeuchten Estrichen eingesetzt, um so ein vorzeitiges Belegen zu erlauben.

Der produkttechnische Fortschritt im Hinblick auf Verarbeitungs- und anwendungstechnische Eigenschaften sowie die Weiterentwicklungen unter den Aspekten von Verarbeiter- und Verbraucherschutz spiegeln sich letztlich auch in den Statistiken des Industrieverbandes Klebstoffe wieder. An der Produktionsmenge der deutschen Hersteller sind die Entwicklungen deutlich abzulesen. 2011 betrug die produzierte Menge an stark lösemittelhaltigen Klebstoffen nur noch ca. 8,5% der Menge von 2001, gleichzeitig stieg die Menge an Reaktivklebstoffen (Polyurethan- und Silan) um ca. den Faktor 7. Über 80% der produzierten Dispersionsklebstoffe und Vorstriche für Bodenbeläge sind mit dem Emicode EC 1 gekennzeichnet, die nicht emissionsarmen Produkte sind dabei fast ausschließlich für den Export bestimmt. Der Parkettklebstoffmarkt wird heute von sehr emissionsarmen Silanklebstoffen bestimmt (ca. 60%), neben Polyurethanklebstoffen (ca. 25%, 2 Komponentenklebstoffe vor allem für den Export). Lösemittel-Parkettklebstoffe haben noch einen Produktionsanteil von kleiner 5%, allein für den Export, während der Produktionsanteil von Dispersionsparkettklebstoffen seit Jahren eher sinkt und bei nur noch ca. 10% liegt.

Dem Parkettleger stehen demnach heute verschiedene Klebstofftechnologien zur Verfügung, mit denen er alle Verlegungen durchführen kann. Es handelt sich im deutschen Markt überwiegend um sehr emissionsarme (Emicode EC 1 bzw. EC 1 R) Produkte, die den Forderungen des Arbeitsschutzes genügen (TRGS 610). Den Bodenlegern stehen für alle Beläge EC 1-Bodenbelagsklebstoffe zur Verfügung sowie chromatarme Spachtelmassen. Epoxidharz-, Polyurethan-, Silan- und spezielle Dispersionsgrundierungen erlauben das vorzeitige Belegen restfeuchter Estriche. Für die Oberflächenbehandlung stehen Wasserlacke und Ölsysteme zur Verfügung, deren Lösemittelanteil permanent reduziert wurde und wird. Die Untergrundebenheit kann mit leistungsfähigen, chromatreduzierten, sehr emissionsarmen (Emicode EC 1 R) zementären Spachtelmassen hergestellt werden, ergänzt um schwund- und spannungsarme Spachtelmassen auf Calciumsulfatbasis. Ab dem 01.01.2011 unterliegen Parkettklebstoffe der deutschen bauaufsichtlichen Zulassungspflicht, ab dem 01.01.2012 auch Bodenbelagsklebstoffe und Unterlagsbahnen. Das bedeutet keinerlei Verbesserung des Verarbeiter- oder Verbraucherschutzes, wohl aber eine erhebliche Kostenbelastung der Industrie und eine Innovationsbehinderung im deutschen Markt. Im Zuge der Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden werden zur Zeit für Verlegewerkstoffe Umwelt-Produktdeklarationen erstellt, die Aussagen über die Ökobilanz der Produkte enthalten.

Ziel: Verlegewerkstoffe, die sich leicht wieder ausbauen lassen

Einige künftige Entwicklungsrichtungen sind bei Verlegewerkstoffen schon abzusehen. Das frühzeitige Belegen von restfeuchten Estrichen oder direkt von Betonsohlen erfordert die weitere Entwicklung von Grundierungen mit definierten Wasserdampfdiffusions- und Haftungseigenschaften. Die kurzen Renovierungszyklen im Objektbereich verlangen Verlegewerkstoffe, die ökonomisch wieder ausgebaut werden können und Bodenbeläge, die sinnvoll in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden können. Neben immer strengeren Anforderungen an das Emissionsverhalten und an die toxikologische Bewertung von Inhaltsstoffen werden Umweltschutzaspekte und Nachhaltigkeitskriterien in den nächsten Jahren wichtiger werden.

Ergänzend dazu könnten die aktuellen Pilotuntersuchungen des Umweltbundesamtes zur geruchlichen Bewertung von Bauprodukten zu Anforderungen und Nachweisen von Geruchseigenschaften führen, was ganz neue Fragestellungen für die Produktentwicklung bedeuten könnte. Solange die Anforderungen der europäischen Bauproduktenverordnung noch nicht in harmonisierten Produktnormen abgebildet sind, besteht die Gefahr, dass weitere individuelle nationale Zusatzanforderungen an Verlegewerkstoffe entstehen. Diese müssen durch spezifische Produktanpassungen für einzelne Märkte erfüllt werden. Insbesondere bei der jungen Produktgruppe der silanbasierten Klebstoffe eröffnet die Chemie noch ein weites Feld für technische Produktoptimierungen und Neuentwicklungen.
aus FussbodenTechnik 06/12 (Wirtschaft)