Bundesverband Großhandel Heim & Farbe: IG Sitzung Farben

"WDVS muss sexy werden"

Das Geschäft mit Wärmedämm-Verbundsystemen könnte besser laufen. Um es anzukurbeln, rät Dr. Wolfgang Setzler, Leiter des Instituts für Absatzforschung, dem Großhandel zu einer emotionaleren Marketingstrategie. Fakten allein reichen seiner Meinung nach nicht aus. "WDVS muss sexy werden", lautete Setzlers These bei der IG-Sitzung Farben des Bundesverbands Großhandel Heim & Farbe.

Der Umsatz mit Wärmedeämm-Verbundsystemen (WDVS) lässt zu wünschen übrig. Wie der Geschäftsführer des Bundesverbandes Großhandel Heim & Farbe (GHF), Jürgen Wagner, zu Beginn der IG-Sitzung Farben bei GHF-Mitglied Schmitt & Orschler in Aschaffenburg mitteilte, brach er im ersten Halbjahr 2012 um 2,4% ein. Im gleichen Zeitraum 2011 war noch ein Plus von 5,1% zu verzeichnen gewesen. Dennoch mahnte Dr. Wolfgang Setzler, Geschäftsführer des Fachverbands Wärmedämm-Verbundsysteme, nicht in Panik zu verfallen. "Es gibt keinen Grund zu jammern", sagte er in seinem Vortrag "WDVS unter der Lupe".

Nach Ansicht Setzlers lassen sich die Zahlen für 2012 und 2011 nicht vergleichen, denn 2011 sei ein Jahr mit zahlreichen, die Nachfrage begünstigenden Faktoren gewesen. Als eine Ursache für den schleppenden WDVS-Absatz im ersten Halbjahr 2012 nannte er den frostigen Februar, in dem Außenarbeiten an der Fassade komplett ausgefallen seien. Eine nicht unerhebliche Rolle habe auch die Negativberichterstattung über angeblich leicht brennbare Fassaden und Schimmelbildung gespielt.

Weiter machte Setzler darauf aufmerksam, dass die Förderung der öffentlichen Bauten zur Mitte 2011 ausgelaufen sei. Und zu guter Letzt gebe es Unsicherheiten, weil die steuerliche Abschreibung auf energetische Sanierung immer noch auf sich warten lasse. Aber sie werde kommen. Schließlich sei ohne energetische Sanierung die Energiewende nicht zu schaffen.

Deshalb bezeichnete Setzler die Geschäftslage auch als weniger schlecht als es das statistische Zahlenmaterial vermuten lasse. Allen Beteiligten empfahl er, WDVS künftig weniger technisch als vielmehr emotional zu verkaufen. "WDVS ist nicht sexy genug", ist der Fachverbands-Geschäftsführer überzeugt. Auch das Produkt über den Preis zu verkaufen, sei das falsche Mittel. "Billig kann teuer sein", meinte Setzler. Alle Beteiligten sollten aus der Amortisationsfalle herauskommen. "WDVS rechnet sich auf jeden Fall."

Dringend erforderlich ist es nach Ansicht des Experten, die Vorteile der Dämmung stärker in den Mittelpunkt zu rücken. WDVS schaffe mehr Wohnkomfort sowohl im Winter als auch im Sommer, steigere den Wert der Immobilie, verschönere Gebäude, mache sie besser vermietbar und sorge für Unabhängigkeit von künftigen Energiepreissteigerungen. Wichtig sei es auch, die Energiewende als Chance zu verstehen und nicht als politisches Muss. "Das Potenzial der Energieeinsparung im Gebäudebestand ist fünf Mal so hoch wie die Leistungen aller Atomkraftwerke in Deutschland zusammen", sagte Setzler.

Dem Farbengroßhandel riet er zu einer klaren Markenstrategie. Er müsse am PoS mit einer Stimme und einer Preiskompetenz sprechen. Zudem sollte er lernen, nicht nur den Bedarf abzudecken, sondern auch zu akquirieren. "WDVS-Aufträge entstehen bei der Planung und im Gespräch mit den Auftraggebern und Investoren", machte Setzler deutlich und gab seinen Zuhörern mit auf den Weg, sich mit Energieberatern in der Region zu vernetzen sowie gemeinsam mit Handwerkern Weiterbildung anzubieten.

Darüber hinaus sollten Großhändler Finanzierungskompetenz aufbauen, Mitarbeiter im Bereich Baustellenplanung schulen, optimale Lieferfähigkeit bei Fehlmengen auch über Nacht herstellen und mit dem eigenen Anwendungstechniker Neukunden auf der Baustelle unterstützen. "WDVS verlangt ein anderes Management als Lacke und Dispersionen", verdeutlichte Setzler. "Das Produkt muss Begehrlichkeiten wecken und einen Sympathiewert haben." Dem Großhandel obliege es, dies dem Handwerker beizubringen. Er solle sich speziell an den Nachwuchs wenden: "Das sind Ihre Kunden von morgen."

Setzler geht davon aus, dass nicht nur erhebliches Potenzial in der Außendämmung liegt, sondern auch in der Innendämmung. Nach seinen Angaben beträgt der zur Sanierung anstehende Flächenbedarf in Deutschland rund 1,8 Mrd. m. Davon entfielen 20% auf die Innendämmung, 360Mio.m. Die Innendämmung biete sich an bei denkmalgeschützten und stark gegliederten Fassaden, Gebäuden in engen Gassen oder mit fehlendem Dachvorstand, nur temporär genutzten Gebäuden sowie Grenzbebauung. Insgesamt gebe es eine staatliche Förderung von Energiemaßnahmen im Gebäudebestand in Höhe von 1,5 Mrd. EUR jährlich.

Dieses Potenzial auszuschöpfen, dabei hilft der "Energiesparkompass 2012" des Fachverbands Wärmedämm-Verbundsysteme. Der Leitfaden dient als Argumentationshilfe.

"Wärmedämmung sichert unsere Zukunft", prophezeite GHF-Geschäftsführer Jürgen Wagner abschließend. Sie sei aber ein bisschen ins Gerede gekommen. Hier müsse mit den richtigen Argumenten und einer Marketingstrategie gegengesteuert werden.
aus BTH Heimtex 09/12 (Wirtschaft)