Tapeten auf der Heimtextil

Vom Mauerblümchen zum Besuchermagnet der Messe

Die deutschen Tapetenhersteller blicken mit Zuversicht in die Zukunft und erwarten, an die positive Entwicklung des vergangenen Jahres anknüpfen zu können. Alle Weichen sind auf Wachstum gestellt, lautete die Botschaft, die sie bei der Heimtextil 2012 in Frankfurt aussendeten. Zwei Wermutstropfen gab es allerdings: Zum einen bereiten die nach wie vor hohen Rohstoffpreise Sorgen, zum anderen herrscht wegen des vom Bundeskartellamt eingeleiteten Ordnungswidrigkeitsverfahrens gegen fünf Marktteilnehmer eisige Kälte unter den Herstellern. Erfurt kündigte als Konsequenz gar den Austritt aus dem Verband der Deutschen Tapetenindustrie und dem Deutschen Tapeten-Institut an. Ein Lichtblick waren in dieser Situation die zahlreichen neuen Kollektionen, die alle Geschmacks- und Stilrichtungen bedienen - wobei sich immer mehr Karten im preisunabhängigeren Luxus-Segment etablieren. Allen gemeinsam aber ist: Im Trend liegt, was gefällt. von Cornelia Küsel

Die Tapete hat sich endgültig zum Anziehungspunkt Nummer eins bei der Heimtextil gemausert. Der Andrang in der restlos ausgebuchten Halle 3.1 war teilweise so groß, dass die Hersteller der Wandbekleidung kaum eine Verschnaufpause einlegen konnten. "Unsere Unternehmen sind mit dem Messeverlauf sehr zufrieden", betonte Karsten Brandt, Geschäftsführer des Deutschen Tapeten-Instituts (DTI). Das feierte mit seiner Ausstellung "Tapeten on Tour 2012" Premiere bei der internationalen Fachmesse für Wohn- und Objekttextilien.

Höherer Stellenwert für die Tapete

Darüber hinaus zeigte auch die Rückkehr renommierter Anbieter wie Elitis, Nya Nordiska und Sahco Hesslein, welchen Stellenwert sich die Tapete innerhalb der Inneneinrichtung in den vergangenen Jahren erobert hat. "Früher zogen die Stoffe die Besucher an, heute ist es die Tapete", meinte Christian Schmitz, Geschäftsführer des Verlagstrios Schmitz Tapeten Import, Essener Tapeten Import und Tescoha. "Ich fühle mich hier extrem wohl."

Lobend äußerten sich fast alle Aussteller über den Verlauf der Messe und meinten damit außer dem Hallenkonzept vor allem das starke Interesse an ihren zahlreichen neuen Wandbekleidungskollektionen. "Die Heimtextil ist die wichtigste Messe weltweit für unser Unternehmen. Deswegen richten wir unser Engagement hier langfristig aus, vielleicht sogar mit einem größeren Stand im nächsten Jahr", sagte Stefan Gauger, Marketingchef bei A.S. Création.

Zu wünschen übrig ließ allerdings das Verhältnis der Aussteller untereinander. Seit das Bundeskartellamt fünf deutsche Tapetenhersteller sowie den Verband wegen des Verdachts illegaler Preisabsprachen durchsucht und inzwischen ein Ordnungswidrigkeitsverfahren in Gang gesetzt hat, herrscht Funkstille zwischen den Branchenteilnehmern. Das Misstrauen ist groß, hinzu kommt der Ärger über mögliche Kronzeugen. In diesem vergifteten Klima bleiben Gespräche unter Kollegen aus. Erfurt zog daraus Konsequenzen und kündigte die Mitgliedschaft im Verband der Deutschen Tapetenindustrie.

Obwohl dem einen oder anderen Aussteller angesichts des Bundeskartellamts-Verfahrens die Angst vor hohen Strafzahlungen im Nacken sitzen dürfte, war die Stimmung beschwingt. Die Tapeten-Hersteller schätzen ihre Zukunftsaussichten trotz der Unwägbarkeiten durch die Euro-Krise durchweg positiv ein. Für den deutschen Markt, der in einem labilen europäischen Umfeld wirtschaftliche Stärke zeigt, gehen sie von weiter steigenden Umsätzen auch nach einem erfolgreichen Jahr 2011 aus. Nach Berechnungen des Verbands der Deutschen Tapetenindustrie (VDT) wuchs der Inlandsmarkt im vergangenen Jahr um 5 %. "Von Vorsicht oder Rezession keine Spur - nichts deutet auf einen Abbruch der Nachfrage hin", meinte Brandt.

Hersteller erwarten Plus auch im Export

Auch auf dem Export ruhen die Hoffnungen. Im Fokus stehen vor allem China und die osteuropäischen Märkte, die sich nach der Delle im Jahr 2008/2009 wieder erholt haben. Schwieriger stellt sich die Lage in Frankreich und Großbritannien für Firmen dar, deren Exportquote bei 65 % beginnt. In beiden Ländern gab es im vergangenen Jahr einen erheblichen Einbruch. Die Mehrheit der Hersteller aber ist sicher, den Umsatz auch dort wieder ankurbeln zu können.

Probleme bereiten die nach wie vor hohen Rohstoffkosten, die in diesem Jahr weiter steigen könnten. Sie setzen die Margen unter Druck, das heißt, bei wachsendem Umsatz sinkt der Gewinn. Einige Hersteller sehen sich deshalb gezwungen, eine weitere Preisrunde für ihre Produkte einzuläuten, um die Ausgaben für Rohstoffe auszugleichen. Andere wiederum wollen den Verbraucher nicht weiter belasten und warten erst einmal ab.

Dabei sehen sie insgesamt nicht nur den Preis als mögliches Steuerungsinstrument, sondern auch die Qualität. In Frankfurt war ein Hang zum Luxus-Segment zu spüren. Wie Schmitz betonte, ist das hochwertige Segment eher vor Konjunktureinbrüchen geschützt als das mittlere und untere. Schon 2010 stiegen die Umsätze in Deutschland wegen der höherwertigen Qualitäten noch etwas stärker als die Zahl der abgesetzten Rollen, hat auch der Tapeten-Verband der Deutschen Tapetenindustrie herausgefunden.

Investitionen in Technik und Personal

Ein deutliches Indiz für die Zuversicht der Tapeten-Hersteller ist ihre Investitionsfreude. Allein P+S nimmt für die Kapazitätserweiterung an seinem Standort Hildesheim rund 10 Mio. EUR in die Hand. Gleichzeitig baute das Unternehmen eine neue Abteilung Overseas auf. Auch Erismann will über Investitionen in Technik und neue Sortimente weitere Marktanteile dazu gewinnen, wie Geschäftsführer Martin Slotty sagte. Zudem wurden Produktmanagement und Vertrieb neu strukturiert. Die Tapetenmanufaktur Hohenberger stockte ihren Vertrieb personell auf.

Inzwischen rücken auch die Händler immer mehr in den Blickpunkt der Hersteller. Denn bisher hat sich die Tapetenvielfalt bei den Verbrauchern noch nicht im gewünschten Maß bemerkbar gemacht. A.S. Création und Rasch bieten deshalb moderne Systeme für den PoS an, die ihr Produkt attraktiv präsentieren. Damit tragen sie dazu bei, die Wandbekleidung weiter aufzuwerten.

Diese Aktivitäten zeigen: Die deutschen Tapeten-Hersteller arbeiten daran, ihre Position am Markt zu halten oder gar zu auszubauen. Das geschieht aber nicht nur über Investitionen in Technik und Personal, sondern auch über zahlreiche neue Kollektionen. Beim Sichten der Karten fällt auf, dass sich immer mehr Designer des Produkts annehmen. So hat der belgische Hersteller Omexco, dessen Generalvertriebsagentur Deutschland und Österreich Pro Ambiente ist, die italienische Architektin und Designerin Simone Michele neuerdings mit im Boot. Für BN Wallcoverings entwarf Annet van Egmond bereits die dritte viel versprechende Kollektion. Der Verlag Essener Tapeten Import überrascht mit einer außergewöhnlichen Karte des französischen Mode-Designers Jean-Charles de Castelbajac. Für Popier Peints brachte er Wolken, Papageien, Zebras, Ufos, Biker, Zeitungen, Rock-Gitarren und vieles mehr auf die Wand.

Erfahren im Umgang mit bekannten Designern ist die Marburger Tapetenfabrik. In ihren Diensten standen schon Zaha Hadid, Luigi Colani, Niki de Saint Phalle und Janosch. Mit Karim Rashid und Ulf Moritz arbeiten die Kirchhainer schon länger erfolgreich zusammen. Beide Designer haben nun wieder jeweils eine Kollektion entwickelt, die Trends setzen wird. Neu dabei ist der Hamburger Fotograf Konstantin Eulenburg, der bisher für die Raumbilder von Marburg zuständig war. Seine innovativen Digitaldrucke und Tapeten zum Thema Identity dürften sich zum Renner entwickeln. Eine weitere Tapete aus Künstlerhand kommt im April auf den Markt. Sie stammt vom Modedesigner Harald Glööckler.

Alle neuen Kollektionen machen deutlich: Erlaubt ist, was gefällt. Ganz klare Trends fehlen, Vielfältigkeit kommt dem Wunsch nach Individualität entgegen. Allerdings kristallisieren sich Strömungen heraus. Metallischer Glanz verleiht vielen Tapeten einen Hauch von Luxus, Blumen sind nach wie vor up to date, machen aber allmählich grafischen Mustern Platz und Grau entwickelt sich zu einer Lieblingsfarbe. Dabei spielen Akzent setzende Panels und Digitaldrucke eine immer größere Rolle, ihr Siegeszug ist nicht aufzuhalten. Doch ganz gleich, in welchem Verfahren die Motive auf die Tapete kommen, Nachhaltigkeit steht im Mittelpunkt des Interesses.
aus BTH Heimtex 02/12 (Wirtschaft)