Peter Schwartze zur aktuellen Situation der Textil- und Modebranche

Positives Ergebnis

Ist der Euro nun sicher oder nicht? Brauchen wir Euro-Bonds? Wer zahlt eigentlich am Ende wirklich für die Rettungsschirme? Und was passiert, wenn noch mehr Euro-Länder pleitegehen? Solche Fragen prasseln dieser Tage auf uns ein und beeinflussen unsere geschäftlichen, aber auch unsere privaten Entscheidungen.

Je komplizierter die Welt wird, je größer die Informationsflut ist und je höher die Anforderungen an jeden Einzelnen sind, desto mehr zieht es den Menschen hin zum Sicheren, Ruhigen, Verlässlichen. Das eigene Zuhause ist der oft einzige, individuell beherrschbare Raum, Cocooning in den eigenen vier Wänden schafft eine sichere Hülle. Eine im August 2011 veröffentlichte Glücksstudie der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen ergab, dass Glück nur wenig von materiellem Wohlstand abhängt. Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, hat herausgefunden, dass das Bruttoinlandsprodukt als alleiniger Indikator für Wohlstand und Glücksempfinden nicht mehr ausreichend ist. Forscher der Universität Princeton, USA, bestätigen, dass Geld zwar zufrieden macht, es aber ab einem bestimmten Einkommen nicht mehr zu einer Steigerung des emotionalen Wohlbefindens kommt. Letzteres scheint viel eher von sozialen Beziehungen abzuhängen. Der Hamburger Glücksstudie zufolge sind die Dänen die glücklichsten Europäer. Warum? Weil sie viel Zeit mit Familie und Freunden und damit in Vertrautheit verbringen.

Beim Gestalten des Zuhauses herrschen andere Gesetze als beim Anhäufen materiellen Reichtums. Der von Trendforschern in diesem Zusammenhang gerne verwendete Begriff "cosy" trifft es sehr gut: Behaglich und gemütlich soll es sein. Dabei aber auch qualitativ hochwertig und natürlich individuell. Die deutsche Heimtextilienindustrie liefert Ideen und Produkte fürs Cocooning im wahrsten Wortsinn frei Haus. Profitiert sie von einer immer turbulenter werdenden Welt? Tatsächlich verzeichnete die Branche Ende des dritten Quartals 2011 ein Plus von 3,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, Tendenz steigend. Die Unternehmen sind zufrieden und erwarten zum Jahresende ein äußerst positives Ergebnis.

Positiv wirken sich auch die im Rahmen der Eurokrise ansteigenden Immobilienkäufe und -renovierungen aus. Im internationalen Vergleich stehen die deutschen Heimtextilien vor allem für starkes Design, hervorragende Qualität und Preis-Leistung, nachhaltige Materialien und Produktionsverfahren. Das alles fließt in international anerkannte Marken, die im Gros am Standort Deutschland produziert werden.

Sicher ist es nicht nur der Wunsch nach Cocooning, der für deutsche Heimtextilien spricht. Ein sich positiv auswirkender Faktor ist auch das immer größere Interesse des Verbrauchers an nachhaltigen Materialien und transparenten Produktionsverfahren. Die Zeitschrift WirtschaftsWoche schrieb in ihrer Ausgabe vom 15. August 2011: "Die Wirtschaft der Zukunft muss einen Konsumstil fördern, der statt auf Masse auf langlebige und umweltverträgliche Produkte setzt, und die freier Zeit und sozialem Austausch den gleichen Wert zumisst wie Statussymbolen und dem Anhäufen materiellen Reichtums."

Insgesamt gesehen hat die Textil- und Bekleidungsbranche nach der Krise der Jahre 2008 und 2009 das Vorkrisenniveau erreicht und wird voraussichtlich um mindestens 5 bis 6 Prozent nach Umatz wachsen. Die Investitionsneigung und die Stimmungslage der Unternehmen sind positiv. Wie auch im Vorjahr planen etwa 70 Prozent aller Unternehmen Neuinvestitionen, die meisten im Inland. Unabdingbar für eine stetig positive konjunkturelle Entwicklung in der Textil- und Bekleidungsbranche sind jedoch verlässliche ökonomische Rahmenbedingungen wie z. B. eine moderate Entwicklung der Rohstoffpreise. Diese stellen zurzeit für die Unternehmen eine der größten Herausforderungen dar. Doch der Konjunkturklimaindex ist relativ stabil und so gut wie seit fünf Jahren nicht mehr. Im November überstieg der Ifo-Index sogar überraschend die Prognose. Gute Vorzeichen für 2012, ein Jahr, in dem sich entscheiden wird, wie es mit dem Euro weitergeht. Und ob Sie es beim Frühstück aus der Zeitung oder in den Abendnachrichten erfahren - ich hoffe, Sie haben es dabei "cosy".
aus Haustex 01/12 (Wirtschaft)