Textilindustrie

Energiekosten werden Standortfaktor

Münster - Die Unternehmen der Textil- und Bekleidungsindustrie leiden zunehmend unter den steigenden Energiepreisen. In einer aktuellen Umfrage gaben die Mitgliedsunternehmen des Verbandes der Nordwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie an, dass ihre Energiekosten seit 2009 um durchschnittlich mehr als 13 Prozent gestiegen sind. Der Verband vertritt 260 Unternehmen der Branche in Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen und Hamburg.

Energiekosten werden immer mehr ein entscheidender Faktor im internationalen Wettbewerb", sagte Verbandspräsident Justus Schmitz. Industriestrom koste in Deutschland rund 25 Prozent mehr als im EU-Durchschnitt. Gegenüber Frankreich betrage der Abstand sogar 70 Prozent, gegenüber der Türkei mehr als 40 Prozent. Zwei Drittel der befragten Unternehmen habe daher auch angegeben, dass die hohen Energiekosten ihre Position im internationalen Wettbewerb schwächten. Ein knappes Drittel gehe sogar davon aus, dass die Energiekosten auch Arbeitsplätze in der Industrie gefährden.

Ursächlich für die überdurchschnittlich hohen Stromkosten seien ausschließlich Steuern und Abgaben, die man anderswo in Europa zum Teil gar nicht kenne. "Beim reinen Produktpreis liegen wir im europäischen Durchschnitt, teuer wird es nur durch den Staat", sagte Schmitz. Grob gerechnet setze sich der Strompreis zu einem Drittel aus den Produktkosten, zu 20 Prozent aus dem Netznutzungsentgelt, zu 40 Prozent aus Steuern und Abgaben und zu einem geringen Anteil an Kosten für Messung und Abrechnung zusammen. "Die staatlich induzierten Stromkosten liegen in Deutschland bei rund 3,5 Cent pro Kilowattstunde, in Großbritannien, Türkei und Portugal bei unter 0,5 Cent", so Schmitz. Insbesondere die Steigerung der EEG-Umlage um mehr als 70 Prozent alleine in diesem Jahr sei Kosten treibend.

Die Textilindustrie sei von dieser Entwicklung besonders betroffen, da sie zu den energieintensiven Industrien zähle. "Die Energiekosten machen in der Textilindustrie 3,7 Prozent der Bruttowertschöpfung aus, im Durchschnitt des verarbeitenden Gewerbes nur zwei Prozent", erklärte der Verbandspräsident. Vor allem die technischen Textilien, bei denen deutsche Unternehmen mit ihren Produkten Marktführer in Europa und zum Teil sogar weltweit seien, würden besonders energieintensiv produziert. Schmitz wies darauf hin, dass die Textilindustrie auch Produkte herstelle, die für Energieerzeugung oder -einsparung eingesetzt werden. Rotorblätter für Windkraftanlagen und ganze Bauteile für Autos und Flugzeuge bestehen aus multiaxialen Gelegen aus Kohlenstofffasern. Im Fahrzeugbau reduzieren sie Gewicht und Treibstoffverbrauch", sagte Schmitz. Darüber hinaus würden Technische Textilien im Sonnenschutz eingesetzt und reduzierten so die Energiekosten für die Kühlung von Räumen.

Die aktuelle Energiediskussion beobachtet die Industrie daher mit Sorgen. "Es ist völlig klar, dass der Atomausstieg höhere Energiekosten bedeuten wird. Man wird diese Mehrkosten aber nicht auf die Industrie abwälzen können, wenn man weiterhin Industriearbeitsplätze hier haben und in den Umwelttechnologien weiter führend sein möchte", erklärte der Verbandspräsident. Dringend notwendig sei daher eine breit angelegte gesellschaftliche Debatte über die Zukunft der Energieversorgung in Deutschland.
aus Haustex 08/11 (Wirtschaft)